Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.04.2009

OVG NRW: öffentliche sicherheit, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, körperliche unversehrtheit, genehmigung, obg, vollziehung, verdacht, unternehmen, zukunft, gesundheit

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 34/09
Datum:
27.04.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 34/09
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 7 L 1573/08
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Köln vom 16. Dezember 2008 wird
zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 52.500,- Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen
der vom Antragsteller dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg. Die gegen die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts erhobenen und nur noch auf die Ziffern II. und III.
der Ordnungsverfügung vom 24. September 2008 bezogenen Einwände greifen im
Ergebnis nicht durch.
2
Die im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung
geht auch aus Sicht des Senats zu Lasten des Antragstellers aus. Die Untersagung des
Krankentransports und der Tätigkeiten im Bereich der Notfallrettung ist bereits bei
summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig und auch im Übrigen überwiegt das
öffentliche Interesse an einem sofortigen Verbot ungenehmigter Rettungstätigkeiten das
Interesse des Antragstellers, hiervon einstweilen verschont zu bleiben.
3
Rechtsgrundlage für die Betriebsuntersagung ist § 14 Abs. 1 OBG NRW. Hiernach
können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im
einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
abzuwehren.
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Die Vorschrift ist anwendbar. Eine ihr vorgehende Befugnisnorm lässt sich weder dem
nordrhein-westfälischen Rettungsgesetz noch sonstigen sonderordnungsrechtlichen
Bestimmungen entnehmen. Insbesondere der von der Antragsgegnerin und dem
Verwaltungsgericht herangezogene § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO greift nicht ein, denn
gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 GewO findet die Gewerbeordnung (mit Ausnahme des hier
nicht einschlägigen Titels XI) auf die Beförderung mit Krankenkraftwagen im Sinne des
§ 1 Abs. 2 Nr. 2 PBefG keine Anwendung. Hierunter fallen Krankenkraftwagen, wenn
damit kranke, verletzte oder sonstige hilfsbedürftige Personen befördert werden, die
während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung oder der besonderen
Einrichtung des Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen solches auf Grund ihres
Zustandes zu erwarten ist. Krankenkraftwagen im Sinne des
Personenbeförderungsgesetzes sind wiederum Fahrzeuge, die für Krankentransport
und Notfallrettung besonders eingerichtet und nach dem Fahrzeugschein als
Krankenkraftwagen anerkannt sind (§ 4 Abs. 6 PBefG, vgl. auch § 3 Abs. 1 RettG NRW).
Bei den Fahrzeugen, mit denen der Antragsteller Aufgaben der Notfallrettung und des
Krankentransports wahrnimmt, handelt es sich um derartige Krankenkraftwagen.
5
So auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. Februar 2009 - 7 L 1367/08 -; Fehn/Kupfer,
in: Steegmann, Recht des Feuerschutzes und des Rettungsdienstes in Nordrhein-
Westfalen, Stand Januar 2009, § 18 RettG Rn. 24; siehe auch Tettinger/Wank, GewO, 7.
Auflage 2004, § 6 Rn. 43, zur Entstehungsgeschichte des 1998 eingefügten § 6 Abs. 1
Satz 3 GewO, der das zuvor gemäß Art. 2 des Sechsten Gesetzes zur Änderung des
Personenbeförderungsgesetzes vom 25. Juli 1989 (BGBl. I S. 1547) auch schon
bestehende Anwendungsverbot der Gewerbeordnung (nur) insoweit zurücknahm, als
nunmehr Titel XI der Gewerbeordnung Anwendung findet.
6
Der damit verbundene "Austausch" der Rechtsgrundlage durch den Senat ist zulässig.
Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind die Verwaltungsgerichte verpflichtet zu prüfen, ob
der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht in Einklang steht und, falls
nicht, ob er den Kläger in seinen Rechten verletzt. Bei dieser Prüfung hat das
Verwaltungsgericht alle einschlägigen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen, auch
wenn sie von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes nicht
angeführt worden sind. Die Heranziehung anderer als im angefochtenen Bescheid
genannter Normen ist dem Gericht nur dann verwehrt, wenn die abweichende rechtliche
Begründung den angefochtenen Verwaltungsakt in seinem Wesen verändern würde.
7
Ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. etwa Urteil vom 21.
November 1989
8
- 9 C 28.89 -, juris, mit weiteren Nachweisen.
9
Davon kann hier indessen keine Rede sein. Bei der streitigen Ordnungsverfügung
handelt es sich auch auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 OBG NRW nach wie vor um
eine Betriebsuntersagung, bei der im Vergleich zu § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO weder der
Ermessensrahmen der Antragsgegnerin verändert noch die Verteidigungsmittel des
Antragstellers beschränkt werden.
10
Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 OBG NRW liegen offensichtlich vor. Eine Gefahr
für die öffentliche Sicherheit liegt bereits darin, dass der Antragsteller das in Rede
stehende Unternehmen (unstreitig) ohne die nach § 18 Satz 1 RettG NRW erforderliche
Genehmigung und damit unter Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung betreibt.
11
Die Schließungsverfügung ist auch zu Recht an den Antragsteller gerichtet worden, weil
er als Rettungsunternehmer dafür verantwortlich ist, dass in seinem Betrieb die
Vorschriften des Rettungsgesetzes und insbesondere § 18 Satz 1 RettG NRW
eingehalten werden (§ 17 Abs. 1 OBG NRW i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW).
12
Die zur Abwendung von Schäden für die Allgemeinheit geeignete Betriebsuntersagung
ist zudem erforderlich und führt auch sonst nicht zu einem Nachteil, der zu dem
erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht (vgl. § 15 Abs. 1 und 2 OBG NRW).
Die Verfügung wäre allenfalls dann unangemessen, wenn die tatsächlich ausgeübte
Tätigkeit genehmigungsfähig wäre und der Antragsteller daher einen Anspruch auf
Erteilung der Genehmigung hätte. Das ist jedoch offensichtlich nicht der Fall. Eine
Genehmigung müsste derzeit jedenfalls deshalb versagt werden, weil der Antragsteller
weder als Unternehmer noch als Geschäftsführer die gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3
Satz 1 RettG NRW erforderliche Zuverlässigkeit besitzt.
13
Soweit der Antragsteller die in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe auch im
Beschwerdeverfahren pauschal bestreitet, verkennt er nach wie vor den Maßstab, der
bei der Zuverlässigkeitsprüfung nach den §§ 18 Satz 1, 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1
RettG NRW anzulegen ist. Nach diesen Vorschriften kommt es nicht
entscheidungserheblich darauf an, ob die Unzuverlässigkeit des Unternehmers oder
Geschäftsführers mit letzter Gewissheit bewiesen ist. Die Genehmigung nach § 18 Satz
1 RettG NRW ist vielmehr schon dann zu versagen, wenn die Zuverlässigkeit nicht
positiv festgestellt werden kann, wenn also nicht davon ausgegangen werden kann,
dass die zur Führung der Geschäfte bestellten Personen den Betrieb unter Beachtung
der für die Notfallrettung und den Krankentransport geltenden Vorschriften führen und
dabei die Allgemeinheit vor Schäden und Gefahren bewahren (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 1
RettG NRW). Auf dieser Grundlage schließen bereits hinreichende Zweifel an der
Zuverlässigkeit die Erteilung einer Genehmigung aus. Dieses Verständnis entspricht
nicht nur dem Wortlaut der Vorschrift, sondern es wird auch durch den
gesetzessystematischen Zusammenhang bestätigt. Anders als im Bereich der
allgemeinen Gewerbefreiheit, in der die Ausübung eines Gewerbes nur untersagt
werden kann, wenn die Unzuverlässigkeit positiv festgestellt worden ist (vgl. §§ 1, 35
GewO), besteht im nordrhein- westfälischen Rettungsrecht gerade keine allgemeine
Gewerbefreiheit. Die Ausübung der rettungsdienstlichen Tätigkeit ist vielmehr zum
Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter und eines besonders hilfsbedürftigen
Personenkreises (vgl. § 2 RettG NRW) von vornherein begrenzt und reguliert (§ 18 Satz
1 RettG NRW), so dass es angemessen ist, den Zugang zu diesem - von vornherein
limitierten Bereich - schon dann zu versagen, wenn hinreichende Zweifel an der
Zuverlässigkeit bestehen. Das vorgenannte Schutzbedürfnis schließt es demnach aus,
auch solche Personen zur Notfallrettung oder zum Krankentransport zuzulassen, deren
Zuverlässigkeit ungewiss ist.
14
Grundlegend insoweit OVG NRW, Urteil vom 19. September 2007 - 13 A 4955/00 -,
juris, mit weiteren Nachweisen; siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 17. Juli 2008 -
13 A 2916/06 -, juris; so im Ergebnis auch schon Prütting, RettG NRW, 3. Auflage 2001,
§ 19 Rn. 29; Fehn/Kupfer, in: Steegmann, Recht des Feuerschutzes und des
Rettungsdienstes in Nordrhein-Westfalen, Stand Januar 2009, § 19 RettG Rn. 28 und §
20 RettG Rn. 21.
15
Diese Ungewissheit darf sich allerdings nicht lediglich auf Gerüchte und bloße
16
Verdächtigungen gründen. Hinreichende Zweifel müssen sich vielmehr entweder aus
feststehenden Tatsachen ergeben, die hinreichende Zweifel an der Zuverlässigkeit
begründen, oder daraus, dass hinreichend sicher - wenn auch nicht erwiesen -
Tatsachen vorliegen, die gegen eine Zuverlässigkeit des jeweiligen Antragstellers
sprechen. In welchem Umfang diese Tatsachen hinreichend sicher vorliegen müssen,
lässt sich nicht allgemeinverbindlich festlegen, sondern kann nur unter Berücksichtigung
aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls bestimmt werden.
Vgl. wiederum OVG NRW, Urteil vom 19. September 2007 - 13 A 4955/00 -, juris; und
Beschluss vom 17. Juli 2008 - 13 A 2916/06 -, juris; jeweils mit weiteren Nachweisen.
17
Nach diesen Maßstäben bestehen hinreichende Zweifel, ob der Antragsteller den
Betrieb unter Beachtung der für die Notfallrettung und den Krankentransport geltenden
Vorschriften führen und dabei die Allgemeinheit vor Schäden und Gefahren bewahren
kann. Der in diesem Zusammenhang mit der Beschwerde vorgebrachte Einwand, die
von der Antragsgegnerin erhobenen Vorwürfe seien viel zu vage und allesamt aus der
Luft gegriffen, geht offensichtlich fehl. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand deuten
vielmehr zahlreiche konkrete wie begründete Anhaltspunkte darauf hin, dass Leib und
Leben der Notfallpatienten, die vom Antragsteller und seinen Mitarbeitern in Zukunft
betreut, versorgt und befördert werden könnten, erheblich gefährdet wären. Insoweit hat
die Antragsgegnerin eingehend wie nachvollziehbar dargelegt, dass der Antragsteller
(auch) in der jüngeren Vergangenheit in zahlreichen, im Einzelnen dokumentierten
Fällen die dem Schutz der Notfallpatienten dienenden Vorschriften des
Rettungsgesetzes grob missachtet und die Notfallpatienten dadurch ganz erheblichen
Gesundheits- und Lebensgefahren ausgesetzt hat.
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So hat die Antragsgegnerin in den Bescheidgründen unter Ziffer III. 1. der
Ordnungsverfügung schlüssig geschildert und belegt, dass der Antragsteller -
beispielsweise - bei den Notfallrettungen am 13. Januar, 4. April, 8. Mai und 21. Juni
2006 nicht mindestens einen ausgebildeten Rettungsassistenten zur Betreuung und
Versorgung der Patienten eingesetzt hat. Diese Erkenntnisse, denen der Antragsteller
mit der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten ist, hat die Antragsgegnerin
aus den jeweiligen Einsatzprotokollen des Antragstellers und aus dem von seinem
Unternehmen unter mit dem 2. November 2006 mitgeteilten Ausbildungsstand seiner
Mitarbeiter gewonnen. Danach war - im maßgeblichen Zeitraum - keiner der bei den
vorgenannten Notfallrettungen eingesetzten Mitarbeiter (M. , T. , K. , F. , L. und Q. )
ausgebildeter Rettungsassistent. Dies widerspricht nicht nur den rechtlichen Vorgaben
in § 24 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 RettG NRW, sondern begründet
angesichts der Gefahren, die mit dem Einsatz nicht ausreichend qualifizierten Personals
einhergehen, schon für sich genommen (und auch heute noch) hinreichende Zweifel an
der Zuverlässigkeit des Antragstellers.
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In den Bescheidgründen unter Ziffer III. 2. der Ordnungsverfügung wird dem
Antragsteller des Weiteren vorgehalten, sein Unternehmen habe - unter anderem - am 3.
Februar, 22. Mai, 2. und 24. Juni, am 23. August 2006 sowie am 30. März 2007
entgegen den Vorgaben in § 19 Abs. 3 Satz 1 RettG NRW Notfallrettungen über die in
der früheren Genehmigung festgelegten Rettungsdienstbereiche hinaus betrieben,
obwohl (bis zu drei) Rettungswachen des öffentlichen Rettungsdienstes (wesentlich)
näher am Einsatzort gelegen und die betreuten Notfallpatienten wegen
schwerwiegender Befunde (z.B. akuter Herzinfarkt, akuter Schlaganfall, akute Atemnot,
bewusstloser tablettenvergifteter Patient) besonders schneller Hilfe durch eine der
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räumlich näherliegenden öffentlichen Rettungswachen bedurft hätten. Auch diesen
Verdacht, dem der Antragsteller mit der Beschwerde wiederum nicht substantiiert
entgegengetreten ist, hat die Antragsgegnerin näher begründet, indem sie auf die
aussagekräftigen und den Vorwurf bestätigenden Einsatzprotokolle des Antragstellers
zurückgegriffen hat. Angesichts dieser konkreten Verdachtsmomente versteht es sich
von selbst, dass auch deshalb ganz erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit des
Antragstellers bestehen.
In den Bescheidgründen unter Ziffer III. 3. der Ordnungsverfügung hat die
Antragsgegnerin darüber hinaus dokumentiert, dass die Mitarbeiter des Antragstellers -
etwa - am 19. und 24. Mai, 6. Juli und 5. Oktober 2006 und am 21. Januar, 25. Februar,
3. März und 10. Juli 2007 sowie bei zahlreichen weiteren, in den ausgewerteten
Einsatzprotokollen im Einzelnen aufgeführten Einsätzen auch und gerade bei
gravierenden und sofortige Hilfe erfordernden Notfällen (z.B. Verdacht auf Herzinfarkt
bzw. Schlaganfall, akute Bauchschmerzen, Lungenentzündung sowie Verdacht auf
Thrombose) - deutlich - außerhalb der maßgeblichen Eintreffzeiten von acht Minuten
innerorts und sogar ganz überwiegend - deutlich - außerhalb der maßgeblichen
Eintreffzeiten von zwölf Minuten im ländlichen Bereich eingetroffen seien.
21
Zu den Eintreffzeiten und ihrer existenziellen Bedeu-tung vgl. z.B. OVG NRW,
Beschluss vom 15. März 2004 - 13 B 16/04 -, mit weiteren Nachweisen.
22
Auch diese Vorwürfe sind von der Beschwerde - was die Eintreffzeiten betrifft - nicht
substantiiert angegriffen worden. Angesichts der mit der erheblichen Überschreitung der
Eintreffzeiten verbundenen und teilweise lebensbedrohlichen Gefahren für schwer
erkrankte Notfallpatienten bestehen auch insoweit massive Zweifel an der
Zuverlässigkeit des Antragstellers.
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Zudem hat die Antragsgegnerin - ebenfalls unter Ziffer III. 3. der Ordnungsverfügung -
eingehend geschildert und dokumentiert, dass Mitarbeiter des Antragstellers - zum
Beispiel - bei den Einsätzen am 20. März, 19. und 22. Mai, 6. Juni, 23. August und 3.
Dezember 2006 sowie am 4. Januar, 13. März, 16., 26 und 27. August 2007 entgegen
den Vorgaben in § 19 Abs. 3 Satz 1 RettG NRW keinen Notarzt hinzugerufen hätten,
obwohl dies angesichts der akuten und häufig lebensbedrohlichen Notfälle eindeutig
indiziert gewesen sei. Diese Einschätzung stützt die Antragsgegnerin wiederum auf die
Angaben in den jeweiligen Einsatzprotokollen des Unternehmens und auf die (aufgrund
der Einsatzprotokolle ergangene) sachverständige Einschätzung des ärztlichen Leiters
des Rettungsdienstes der Stadt Bonn (Herr Dr. I. ). Dieser hat in seiner Stellungnahme
insbesondere nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass bei den in den
Einsatzprotokollen angegebenen Notfällen (z.B. Kind mit zweimaligem cerebralem
Krampfanfall, akutes Koronarsyndrom, kardiale Dekompensation usw.) im öffentlichen
Rettungsdienst stets ein Notarzt hinzugerufen worden wäre und dass dies aus ärztlicher
Sicht auch unbezweifelbar geboten gewesen sei. Dies wiederum hat Herr Dr. I.
eingehend damit begründet, dass nur ein Notarzt in den genannten Fällen in der Lage
gewesen wäre, hinreichend zuverlässig lebensrettende oder gesundheitserhaltende
Sofortmaßnahmen einzuleiten. Außerdem sei auch nur ein Notarzt fachlich befähigt,
sofort und zuverlässig das zur Behandlung der jeweiligen Krankheiten geeignete
Krankenhaus zu bestimmen. Diesen detaillierten Vorwürfen ist der Antragsteller mit der
Beschwerde ebenfalls nicht ansatzweise substantiiert entgegengetreten, so dass auch
wegen dieser konkreten wie schwerwiegenden Verdachtsmomente aller Anlass besteht,
an der Zuverlässigkeit des Antragstellers (mindestens) ernstlich zu zweifeln.
24
Die vorgenannten Vorwürfe legen im Übrigen den dringenden Verdacht nahe, dass der
Antragsteller sein in den 1990er Jahren schon einmal offenbartes Verhalten, das von
rücksichtslosem Gewinnstreben um jeden Preis gesteuert war,
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vgl. insoweit wiederum OVG NRW, Urteil vom 19. September 2007 - 13 A 4955/00 -,
juris, in dem der Senat dem Antragsteller und damaligen Kläger jedenfalls bis ins Jahr
2001 die Zuverlässigkeit im Sinne von §§ 18, 19 RettG NRW aus zehn selbständig
tragenden Gründen abgesprochen hat,
26
nahtlos bis in die jüngste Vergangenheit fortgesetzt hat. Vor diesem Hintergrund ist
konkret zu befürchten, dass er auch in Zukunft nicht bereit sein wird, dem Leben und der
Gesundheit der von ihm versorgten und beförderten Notfallpatienten den
uneingeschränkten Vorrang vor seinen finanziellen Interessen einzuräumen. Bei dieser
Sachlage muss der Antragsteller den erheblichen wirtschaftlichen Nachteil, den er durch
die Betriebsschließung erleiden wird, im überwiegenden öffentlichen Interesse
hinnehmen. Der durch die Maßnahme und den gesetzlichen Erlaubnisvorbehalt
ausgelöste Eingriff in das Grundrecht der freien Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) ist zum
Schutze überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter (vor allem den Rechten auf Leben
und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 GG) verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
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Nach alledem kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob auch die
zahlreichen weiteren Vorwürfe, die in der angefochtenen Ordnungsverfügung angeführt
werden, hinreichende Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers begründen.
Nach Lage der dem Senat vorliegenden Akten spricht derzeit allerdings Alles dafür,
dass auch diese Verdachtsmomente jedenfalls ganz überwiegend berechtigt sind und
dass der Antragsteller deshalb im Zeitraum von August 2005 bis September 2007 - unter
anderem - in mehreren tausend Fällen und entgegen §§ 18 Satz 1, 22 Abs. 2 Satz 1
RettG NRW in Bonn begonnene Krankentransporte mit (allenfalls) für den S. -T1. -Kreis
zugelassenen Fahrzeugen durchgeführt, in mehreren hundert Fällen und entgegen §§
18 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW Notfallrettungen über den genehmigten oder
geduldeten Betriebsbereich hinaus wahrgenommen sowie in weit über einhundert
Fällen und entgegen § 23 Abs. 4 Buchstabe a) RettG NRW Beförderungsaufträge am
Betriebssitz nicht durch einen ausgebildeten Rettungsassistenten entgegengenommen
hat.
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Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen ist die Betriebsuntersagung auch
ermessensfehlerfrei ergangen. Die Ermessensentscheidung (vgl. §§ 14 Abs. 1, 16 OBG
NRW) ist - wie dargelegt - verhältnismäßig, überschreitet auch sonst nicht die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens und entspricht im Übrigen dem Zweck der
Ermächtigung (§ 114 Satz 1 VwGO). Angesichts der aufgeführten Gesetzesverstöße und
der daraus folgenden konkreten Gefahren für Leben und Gesundheit der vom
Antragsteller betreuten Notfallpatienten ist das ordnungsbehördliche Einschreiten durch
die Antragsgegnerin letztlich alternativlos.
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Die Interessenabwägung fällt im Übrigen auch unabhängig von den (offensichtlich zu
verneinenden) Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu Lasten des Antragstellers aus,
weil die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung im besonderen öffentlichen
Interesse zwingend geboten ist.
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Im Ansatz zutreffend geht die Beschwerde allerdings davon aus, dass die Anordnung
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der sofortigen Vollziehung einen selbständigen Eingriff darstellt, der über die Wirkungen
hinausgeht, die die im gerichtlichen Hauptsacheverfahren noch gegenständliche
Betriebsuntersagung entfaltet. Diese zusätzliche Belastung erfordert deshalb eine
eigenständige, auch und gerade an Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG orientierte
Abwägung der jeweiligen Folgen der zu treffenden Eilentscheidung. Dabei sind
Eingriffe in die genannten Grundrechte nur unter strengen Voraussetzungen zum
Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit statthaft. Überwiegende öffentliche Belange können es
allerdings ausnahmsweise rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des
Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im
Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Wegen der
gesteigerten Eingriffsintensität bei der sofortigen Vollziehung einer Betriebsuntersagung
sind hierfür jedoch nur solche Gründe ausreichend, die in angemessenem Verhältnis zu
der Schwere des Eingriffs stehen und die Zuwarten bis zum rechtskräftigen Abschluss
des Hauptverfahrens ausschließen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt
von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab,
ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter
befürchten lässt. Dabei ist es Aufgabe der um vorläufigen Rechtsschutz ersuchten
Verwaltungsgerichte, eine eigenständige Prognose der konkreten (Dritt-)Gefährdung
anzustellen.
Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. etwa die Beschlüsse
vom 28. August 2007 - 1 BvR 2157/07 -, NJW 2008, 1369; vom 12. März 2004 - 1 BvR
540/04 -, NVwZ-RR 2004, 545; vom 13. August 2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003,
3617 f.; Beschluss vom 26. September 2001
32
- 1 BvR 1426/01 -, juris; sowie vom 16. Januar 1991 - 1 BvR 1326/90 -, NJW 1991, 1530.
33
Auf dieser rechtlichen Grundlage überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen
Vollziehung der Betriebsuntersagung das private Aussetzungsinteresse des
Antragstellers.
34
Der Antragsteller hat zwar nachvollziehbar dargetan, dass ihm und seinen Mitarbeitern
erhebliche (und unter Umständen sogar existenzgefährdende) wirtschaftliche Schäden
entstünden, wenn die Betriebsuntersagung sofort vollzogen und sich im
Hauptsacheverfahren herausstellen würde, dass sie rechtswidrig ist. Die daraus
resultierenden und über Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geschützten
Belange müssen aber, so gewichtig sie auch sind, im vorliegenden Zusammenhang
ausnahmsweise hinter dem mit der Betriebsuntersagung und ihrer sofortigen
Vollziehung bezweckten öffentlichen Interesse, Notfallpatienten vor nicht hinreichend
qualifiziert und schnell durchgeführten Notfallrettungen zu bewahren, zurücktreten.
Insoweit ist bereits im Einzelnen dargelegt worden, dass nach derzeitigem
Erkenntnisstand zahlreiche konkrete Anhaltspunkte darauf hindeuten, dass
Notfallpatienten, die vom Antragsteller und seinen Mitarbeitern im Falle der
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Hauptsacheverfahrens betreut, versorgt und befördert werden könnten, massiven
Gesundheits- und Lebensgefahren ausgesetzt wären. Die Tatsache, dass der
Antragsteller bei Notfallrettungen auch in der jüngeren Vergangenheit - beispielsweise -
nicht hinreichend qualifiziertes Rettungspersonal eingesetzt, Rettungsmaßnahmen an
bis zu drei näher gelegenen öffentlichen Rettungswachen vorbei auch in
lebensbedrohlichen Eilfällen vorgenommen und zahlreiche Notfallrettungen ohne
35
Hinzuziehung eines erforderlichen Notarztes wahrgenommen hat, macht es im
vorliegenden Fall ausnahmsweise erforderlich, den Betrieb sofort zu schließen. Nur so
kann der konkret bestehenden Wiederholungsgefahr entgegengewirkt werden. Die
Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes und Krankentransports in C. wird durch die
Schließung nach den glaubhaften Angaben der Antragsgegnerin im Übrigen nicht
beeinträchtigt.
Die so getroffene Abwägungsentscheidung wird auch nicht dadurch ernsthaft in Frage
gestellt, dass sich Gesundheits- und Lebensgefahren - nach den Behauptungen des
Antragstellers - jedenfalls bislang noch realisiert haben sollen. Denn die in Rede
stehenden Risiken können jederzeit und auch in naher Zukunft in eine tatsächliche
Verletzung umschlagen, so dass auch eine einstweilige Betriebsfortführung bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht länger verantwortet werden
kann. Dies gilt - ohne dass es hierauf noch entscheidend ankommt - um so mehr, als
das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) hier jedenfalls insoweit einer
rechtlichen Einschränkung unterliegt, als der Antragsteller Rettungsaufgaben schon seit
geraumer Zeit ohne die nach § 18 Satz 1 RettG NRW erforderliche Genehmigung
wahrnimmt und er deshalb bereits die rechtlich zwingende Grundvoraussetzung für die
Wahl dieses Berufs nicht (mehr) erfüllt.
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Soweit der Antragsteller schließlich auch mit der Beschwerde die Wiederherstellung
bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die
Widerrufsverfügung und die Zwangsgeldandrohung (Ziffern I. und IV. der angefochtenen
Ordnungsverfügung) und hilfsweise (wohl mit Blick auf § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) die
Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung beantragt, hat seine Beschwerde
ebenfalls keinen Erfolg. Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren entgegen den
Vorgaben von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO keine Gründe dargelegt, warum diesen
Anträgen entsprochen werden sollte. Im Übrigen spricht bei summarischer Prüfung Alles
dafür, dass das Verwaltungsgericht auch diese Anträge zu Recht abgelehnt hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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