Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.08.2002

OVG NRW: chancengleichheit, duell, öffentlich, bundeskanzler, fernsehsendung, konzept, ausstrahlung, begünstigung, amt, rundfunk

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 B 1444/02
Datum:
15.08.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 B 1444/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 6 L 1634/02
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Köln vom 19. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4000,00 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die ARD und der Antragsgegner zu 2. veranstalten im Vorfeld der am 22. September
2002 statt findenden Bundestagswahl am 8. September 2002 eine Fernsehsendung
unter dem Titel "Das TV-Duell". Zu der Sendung unter Leitung von zwei Moderatorinnen
sind die Kanzlerkandidaten der SPD und der CDU/CSU, Bundeskanzler Schröder und
Ministerpräsident Dr. Stoiber, eingeladen. Die ARD und der Antragsgegner zu 2. lehnten
eine Teilnahme des Vorsitzenden der Antragstellerin, Dr. Westerwelle, ab. Am 25.
August 2002 wird ein erstes "TV-Duell" von den privaten Fernsehsendern Sat 1 und
RTL ausgestrahlt.
3
Die Antragstellerin hat am 10. Juli 2002 Klage erhoben und um Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes nachgesucht mit dem Ziel einer Teilnahme ihres Parteivorsitzenden an
dem "TV-Duell" am 8. September 2002. Sie stützt ihr Begehren auf § 5 Abs. 1 des
Parteiengesetzes - ParteiG - sowie auf Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes - GG -. Die Zuspitzung der Sendung auf zwei Kandidaten entspreche
nicht dem (Verhältnis-)Wahlsystem und dem sich daraus ergebenen Gewicht der
"kleinen" Parteien. Diese Fokussierung verzerre den politischen Wettbewerb. Durch die
Wahl zum Deutschen Bundestag werde der Bundeskanzler nicht direkt bestimmt. Die
Regierungsbildung sei regelmäßig nur durch Koalitionen möglich. Kurz vor der Wahl
seien die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten strikt an das Recht der Parteien auf
4
Chancengleichheit gebunden und dürften sich daher nicht mit den beiden "großen"
politischen Kräften auf die Ausstrahlung eines von diesen selbst initiierten und zu
großen Teilen mitkonzipierten Fernsehduells als Höhepunkt in der Endphase des
Wahlkampfes einigen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
5
die Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO zu verpflichten, ihren Vorsitzenden an der von der ARD sowie dem
Antragsgegner zu 2. geplanten Sendung "Das TV-Duell" am 8. September 2002
teilnehmen zu lassen.
6
Die Antragsgegner haben beantragt,
7
den Antrag abzulehnen.
8
Sie tragen vor, die Durchführung der Sendung sei durch ihre in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG
verankerte Programmautonomie geschützt. Die Sendung sei in ein redaktionelles
Gesamtkonzept integriert, das auch der Antragstellerin umfassend Gelegenheit gebe,
ihre Position vor der Bundestagswahl im Fernsehen darzustellen. Sie hätten sich bei der
Konzeption des streitigen Sendeformats dafür entschieden, der realen politischen
Situation Rechnung zu tragen und nur jene Politiker einzuladen, die eine realistische
Chance hätten, das Amt des Bundeskanzlers zu übernehmen.
9
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit
Beschluss vom 19. Juli 2002, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, abgelehnt.
10
Die Antragstellerin hat am 25. Juli 2002 Beschwerde eingelegt und beantragt,
11
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 19. Juli 2002 aufzuheben und die
Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2
VwGO zu verpflichten, ihren Vorsitzenden an der von der ARD sowie dem
Antragsgegner zu 2. geplanten Sendung "Das TV-Duell" am 8. September 2002
teilnehmen zu lassen.
12
Die Antragsgegner beantragen,
13
die Beschwerde zurückzuweisen.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Schutzschrift der Antragsgegner.
15
II.
16
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die beantragte
einstweilige Anordnung zu Recht abgelehnt.
17
Der Senat stellt im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen klar, dass neben den im
Rubrum Genannten die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland - ARD - nicht am Verfahren
beteiligt ist. Die Antragstellerin hat ihren Antrag nach Hinweis des Verwaltungsgerichts
18
nicht mehr gegen die ARD (vertreten durch den Antragsgegner zu 1.), sondern
ausschließlich gegen den Antragsgegner zu 1. gerichtet. Bedenken gegen die
Zulässigkeit des Antrags, soweit er sich gegen den Antragsgegner zu 1. richtet,
bestehen nicht. Es spricht viel dafür, dass die Durchsetzung des gegen den
Antragsgegner zu 1. gerichteten Anspruchs nicht davon abhängt, dass einstweilige
Anordnungen gegen sämtliche am Ersten Fernsehprogramm beteiligte
Landesrundfunkanstalten erwirkt werden; denn der Antragsgegner zu 1. ist die für die in
Rede stehende Sendung redaktionell federführende Rundfunkanstalt innerhalb der
ARD.
Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 1976 - VII B 149.76 u.a. -, DÖV 1977,
65.
19
Letztlich kann diese Frage jedoch offen bleiben.
20
Jedenfalls hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch auf Teilnahme ihres
Vorsitzenden an der streitigen Fernsehsendung nicht glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 3
VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO, § 294 ZPO.
21
Der Senat beschränkt sich insoweit nicht auf eine summarische Prüfung der
Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Gemäß Art. 19 Abs. 4 GG ist er gehalten, die
Versagung vorläufigen Rechtsschutzes jedenfalls dann auf eine eingehende Prüfung
der Sach- und Rechtslage zu stützen, wenn diese Versagung zu schweren und
unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen führt, die durch die Entscheidung
in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden können.
22
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985- 1 BvR 233, 341/81 -, BVerfGE 69, 315, 363
f.; BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 -, BVerfGE 79, 69, 74 f.
23
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, weil einer möglichen Verletzung der
Chancengleichheit der Antragstellerin mit einer Hauptsacheentscheidung nach
Ausstrahlung der Sendung bzw. nach dem Wahltag nicht mehr wirksam begegnet
werden könnte.
24
Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich ein Anordnungsanspruch weder aus § 5
ParteiG (unter 1.) noch aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (unter 2.).
25
1. Die Antragstellerin kann nicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG beanspruchen, dass
ihr Vorsitzender an der geplanten Sendung "TV-Duell" teilnimmt. Nach dieser Vorschrift
sollen alle Parteien gleich behandelt werden, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den
Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt.
26
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG
konkretisiert den Gleichheitssatz für das Verhältnis von Trägern öffentlicher Gewalt zu
den Parteien und soll eine gerechte und sachangemessene Verteilung von Leistungen
an die Parteien gewährleisten. Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für eine weite
Auslegung ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen.
27
Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1974 - VII C 42.72, BVerwGE 47, 280 (287 f.).
28
Eine öffentliche Leistung - nur diese Tatbestandsalternative kommt in Betracht - setzt
29
eine bewusste und zweckgerichtete Vorteilsgewährung an die beteiligten Parteien
voraus. Daran fehlt es, wenn die Parteien lediglich von einer Handlung profitieren, die in
anderer Absicht als der einer Begünstigung vorgenommen wird.
Vgl. zum Begriff der öffentlichen Leistung: Volkmann, Politische Parteien und öffentliche
Leistungen, S. 22 ff.
30
Die Teilnahme von Parteivertretern an redaktionell gestalteten Sendungen stellt in aller
Regel keine Begünstigung in diesem Sinne dar, mag auch mit ihr eine faktisch
begünstigende (Neben-)Wirkung in Form eines Werbeeffekts verbunden sein. Anders
als z.B. bei der Überlassung von Sendezeiten durch eine öffentlich-rechtliche
Rundfunkanstalt zur eigenverantwortlichen Wahlwerbung der Parteien - vgl. § 8 Abs. 2
des WDR-Gesetzes und § 11 Abs. 1 des ZDF-Staatsvertrages - werden bei
redaktionellen Sendungen ( wie z.B. Diskussionen, sog. Wahlhearings, Interviews,
Fernsehreportagen usw.) Thema, Form, Ablauf und Zeitpunkt der Sendung von den
Rundfunkanstalten selbst im Rahmen ihres Programmauftrags bestimmt. Mit solchen
Sendungen, die den Schutz der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG
genießen, gewähren die Rundfunkanstalten keine Leistungen an Parteien, sondern
verfolgen ein journalistisches Konzept zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgabe, die
Öffentlichkeit über die von einzelnen Parteien bzw. Kandidaten verfolgten Ziele und
Programme oder auch über das persönliche Profil einzelner Kandidaten zu unterrichten.
31
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. November 1972 - VII B 28.72 -, Buchholz 150 § 5
ParteiG Nr. 4; OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 1990 - 5 B 1397/90 -, n.v.;
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW), Beschluss vom 16. Oktober
1996 - 10 S 2866/96 -, NVwZ-RR 1997, 629; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
(BayVGH), Beschluss vom 8. Oktober 1990 - 25 CE 90.2929 -, NVwZ 1991, 581 und
vom 24. Oktober 1974 - 308 VIII 74 -, VGHE 27, 104; Oberverwaltungsgericht Hamburg,
Beschluss vom 20. März 1996 - Bs III 63/96 -; Oberverwaltungsgericht Bremen,
Beschluss vom 18. September 1991 - 1 B 53/91-, DVBl 1991, 1269; Grupp, Redaktionell
gestaltete Rundfunksendungen vor Wahlen, ZRP 1983, 28; Hoefer, Recht der anderen
Parteien auf Teilnahme am TV-Duell Schröder/Stoiber?, in: NVwZ 2002, 695; Morlok, in:
Dreier, Grundgesetz, Art. 21 Rdnr. 95, Fn. 331; Volkmann, a.a.O., S. 63 f.; a.A.: OVG
Lüneburg, Beschluss vom 8. März 1994 - 10 M 1470/94 -, NVwZ 1994, 586.
32
Das geplante "TV-Duell" ist eine redaktionell gestaltete Sendung im vorstehenden
Sinne. Es ist nicht - wie die Antragstellerin meint - deshalb als "öffentliche Leistung" zu
qualifizieren, weil die Sendung einen engen inhaltlichen Bezug zur Wahl habe und
objektiv geeignet sei, auf das Wettbewerbsverhältnis der Parteien einzuwirken. Zwar
können durch die Sendung die Wahlchancen der Parteien beeinflusst werden, und zwar
sowohl im Verhältnis der SPD zur CDU/CSU als auch im Verhältnis dieser beiden
Parteien/Parteiverbindungen zur Antragstellerin und den übrigen "kleineren" Parteien.
Darin ist jedoch keine Leistung der Antragsgegner an die am "TV-Duell" durch ihre
Spitzenkandidaten vertretenen Parteien zu sehen, weil nicht diese, sondern die
Antragsgegner Konzeption, Gestaltung und Ablauf der Sendung in der Hand behalten.
Eine Stärkung der Chancen der teilnehmenden Parteien ist insoweit nur eine mittelbare
Folge.
33
Vgl. OVG Hamburg, a.a.O. (Duell der Spitzenkandidaten von SPD und CDU 4 Tage vor
der Landtagswahl in Schleswig-Holstein).
34
Auch das Beschwerdevorbringen rechtfertigt nicht die Annahme, die Antragsgegner
hätten sich ihrer redaktionellen Verfügungs- und Gestaltungsmacht über die Sendung
begeben. Die Antragstellerin hat ihren Vortrag, SPD und/oder CDU/CSU hätten in einer
Weise das "TV-Duell" selbst initiiert und zu großen Teilen mitkonzipiert, dass nicht mehr
von einer redaktionellen Sendung ausgegangen werden könne, nicht glaubhaft
gemacht. Eine Fernsehsendung hat grundsätzlich auch dann noch redaktionellen
Charakter, wenn die Teilnehmer in einem bestimmten Umfang vorab über den Ablauf
der Sendung unterrichtet werden oder an der Entscheidung über die Gestaltung der
Sendung mitwirken können. Es liegt nahe, dass die beteiligten Parteien bzw. ihre
Spitzenkandidaten nur nach einer gewissen vorherigen Abstimmung bereit sind, an
einer Sendung der in Rede stehenden Art teilzunehmen. Dass nach den Angaben der
Antragsgegner und den vorliegenden Presseberichten die Parteien insbesondere den
Zeitpunkt der geplanten Sendung mitbestimmt haben, rechtfertigt nicht die Annahme, es
handele sich um eine "Sendung auf Bestellung".
35
Der Vortrag der Antragstellerin, die Initiative zur Sendung sei nicht von den
Antragsgegnern, sondern von den politischen Kontrahenten ausgegangen, führt zu
keiner anderen Bewertung. Dabei kann dahinstehen, ob bzw. inwieweit der
redaktionelle Charakter einer Sendung überhaupt in Frage steht, wenn die Idee oder der
Anstoß zur Sendung von außerhalb des Rundfunks stehenden Kreisen kommt. Die
Antragsgegner haben im Einzelnen die Vorgeschichte der Sendung dargelegt und
durch eidesstattliche Versicherungen des Chefredakteurs und stellvertretenden
Programmdirektors des Ersten Deutschen Fernsehens ... vom 12. Juli 2002 sowie des
Chefredakteurs des Antragsgegners zu 2. ... vom 15. Juli 2002 glaubhaft gemacht, dass
die Antragsgegner bereits Anfang 2001 Überlegungen hinsichtlich eines Fernsehduells
angestellt und seitdem mehrfach den Bundeskanzler eingeladen hätten. Auch der
Umstand, dass die Antragsgegner - wie vorgetragen - sich bereits vor der letzten
Bundestagswahl um die Ausstrahlung einer vergleichbaren Sendung vergeblich bemüht
hatten, macht deutlich, dass an dem seit langem bestehenden Interesse der
Antragsgegner, ein "TV-Duell" zu veranstalten, nicht gezweifelt werden kann und die
Durchführung der Sendung ersichtlich (nur) von der Bereitschaft der beiden
Spitzenkandidaten abhing.
36
Die geplante Sendung unterfällt auch nicht deshalb dem Anwendungsbereich des § 5
Abs. 1 Satz 1 ParteiG, weil sie - wie die Antragstellerin meint - wegen ihrer inhaltlichen
Gestaltung eine "besonders wertvolle staatliche Begünstigung" sei. Anhaltspunkte für
eine sog. "Hofberichterstattung" oder dafür, dass die Moderatorinnen lediglich als
"Stichwortgeberinnen mit gebundener Marschroute" auftreten werden, sind nicht
ersichtlich. Von einer Hofberichterstattung kann schon wegen der die Sendung
kennzeichnenden Konfrontation der Teilnehmer mit dem politischen Gegner keine Rede
sein. Auch sonst lässt sich nicht feststellen, dass die Antragsgegner - wie die
Antragstellerin vermutet - den teilnehmenden Gästen in ganz erheblichem Maß
Zugeständnisse gemacht hätten. Die Antragsgegner haben vorgetragen und durch
eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht, dass den Teilnehmer nur die groben
Themenblöcke, die von den Moderatorinnen angesprochen würden, mitgeteilt werden.
Eine entsprechende Verfahrensweise ist bei vergleichbaren Sendungen nach den
Angaben der Antragsgegner üblich, damit sich die Teilnehmer auf die Sendung
einstellen können. Die eidesstattlichen Versicherungen sind auch zur
Glaubhaftmachung des Vortrags der Antragsgegner geeignet. Der Einwand der
Antragstellerin, sie bezögen sich nicht auf unmittelbar eigene Wahrnehmungen, geht -
wie die Antragsgegner zutreffend ausführen - fehl, soweit sie sich auf die eigenen
37
Wahrnehmungen zur Planung und Konzeptionierung der Sendung beziehen.
Die grundsätzliche Nichtanwendbarkeit des § 5 ParteiG auf redaktionelle Sendungen
führt auch nicht etwa zu einer Regelungslücke, weil der Antragstellerin aus dem
allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebot der Chancengleichheit politischer Parteien
gemäß Art 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 GG jedenfalls ein Recht auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung gegenüber den Antragsgegnern zusteht, wie sich aus den Ausführungen
zu 2. ergibt.
38
Im Übrigen hätte die Antragstellerin - wie ebenfalls aus den nachfolgenden Erwägungen
zur Beachtung der sog. abgestuften Chancengleichheit bei redaktionellen Sendungen
folgt - auch dann keinen Anspruch auf Teilnahme an der Fernsehsendung, wenn § 5
Abs. 1 Satz 1 ParteiG unmittelbar oder seinem Rechtsgedanken nach auf redaktionelle
Sendungen Anwendung finden würde.
39
2. Ein Teilnahmerecht steht der Antragstellerin nicht aus ihrem verfassungsrechtlich
gewährleisteten Recht auf Chancengleichheit ( Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1
GG) zu. Zwar folgt aus dem Gebot der Chancengleichheit der Parteien ein Anspruch der
Antragstellerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihr Teilnahmebegehren. Die
Antragsgegner, die sich ihrerseits auf die Rundfunkfreiheit berufen können, haben den
Antrag der Antragstellerin aber ermessensfehlerfrei abgelehnt.
40
a) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei redaktionell gestalteten
Sendungen vor Wahlen das Recht der Bewerber auf gleiche Chancen im Wettbewerb
um die Wählerstimmen zu beachten. Sie sind verpflichtet, jeder Partei grundsätzlich die
gleichen Möglichkeiten im Wahlkampf und im Wahlverfahren offen zu halten. Aus der
besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Parteien, die sie von anderen
Institutionen wesentlich unterscheidet, folgt der Anspruch auf Beachtung des
Grundsatzes der Chancengleichheit ohne Weiteres als ein Bestandteil der
demokratischen Grundordnung mit Verfassungsrang. Die politischen Parteien wirken
bei der politischen Willensbildung des Volkes in einer herausgehobenen und von der
Verfassung anerkannten Funktion mit. "Kernstück" dieser Mitwirkung ist die Teilnahme
an Parlamentswahlen mit dem Ziel, durch die Entsendung von Abgeordneten an der
Bildung funktionsfähiger Verfassungsorgane mitzuwirken.
41
Vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 - 2 BvE 1/76 -, BVerfGE 44, 125 (145); OVG NRW,
a.a.O.
42
Wird die unverzichtbare Funktion der Parteien dadurch berührt, dass die
Chancengleichheit auf Grund von redaktionellen Maßnahmen des Rundfunks verletzt
wird, haben die Parteien eine durchsetzbare Rechtsposition zur Wahrung ihrer zentralen
Aufgaben jedenfalls im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit
einer Wahl.
43
Vgl. OVG NRW, a.a.O.; BayVGH, Beschluss vom 8. Oktober 1990, a.a.O.; Klenke,
Medienfreiheit und Chancengleichheit der Parteien, NWVBl 1990, 334 (336); Hoefer,
a.a.O.; vgl. auch BremStGH, Entscheidung vom 16. November 1996 - St 5/96 -, NVwZ-
RR 1997, 329.
44
Der Ausschluss von einer besonders publikumswirksamen Sendung kann die
Chancengleichheit der nicht berücksichtigten Parteien nachhaltig verschlechtern.
45
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1990 - 1 BvR 559/90 -, BVerfGE 82, 54; BVerwG,
Beschluss vom 8. November 1972, a.a.O.; OVG Bremen, a.a.O.; BayVGH, Beschluss
vom 8. Oktober 1990, a.a.O.
46
b) Das Recht auf Chancengleichheit der Antragstellerin steht allerdings im Widerstreit
mit dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit der Antragsgegner. Der Schutz der
Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist für das gesamte öffentliche,
politische und verfassungsrechtliche Leben von fundamentaler Bedeutung. Die
Rundfunkanstalten stehen in öffentlicher Verantwortung und erfüllen eine integrierende
Funktion für das Staatsganze.
47
BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 1971 - 2 BvF 1/68 - und - 2 BvR 702/68 -, BVerfGE 31,
314; BayVGH, Beschluss vom 8. Oktober 1990, a.a.O.
48
Die Rundfunkfreiheit dient der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher
Meinungsbildung. Der Rundfunk hat in bestmöglicher Breite und Vollständigkeit zu
informieren; er gibt dem Einzelnen und den gesellschaftlichen Gruppen Gelegenheit zu
meinungsbildendem Wirken und ist selbst an dem Prozess der Meinungsbildung in
einem umfassenden Sinne, d.h. nicht auf bloße Berichterstattung oder die Vermittlung
politischer Meinungen beschränkt, beteiligt. Rundfunkfreiheit bedeutet in ihrem Kern
Programmfreiheit im Sinne eines Verbots nicht nur staatlicher, sondern jeder fremden
Einflussnahme auf Auswahl, Inhalt und Ausgestaltung der Programme.
49
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 u.a. -, BVerfGE 59, 231,
und vom 20. Februar 1998 - 1 BvR 661/94 -, BVerfGE 97, 298.
50
Die Rundfunkfreiheit schützt danach auch das Recht der Rundfunkanstalt, die
Teilnehmer an einer wahlbezogenen Diskussion nach Ermessen selbst zu bestimmen.
51
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1990, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 8.
November 1972, a.a.O.; VGH BW, a.a.O.
52
c) Zwischen den sich gegenüberstehenden Rechten ist ein Ausgleich im Wege der
praktischen Konkordanz herbeizuführen. Sowohl der Rundfunkfreiheit als auch der
Chancengleichheit der Parteien muss ein möglichst großer Wirkungsbereich verbleiben.
Grundsätzlich darf nicht eine der beiden Rechtspositionen vollständig zurückgedrängt
werden. Sie sind in der Weise einander zuzuordnen, dass die öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten bei der Auswahl des Teilnehmerkreises auch bei redaktionellen
Sendungen über das Willkürverbot hinaus,
53
so noch BVerwG, Beschluss vom 8. November 1972, a.a.O.,
54
zusätzlich Beschränkungen durch das sog. Prinzip der abgestuften Chancengleichheit
unterliegen.
55
Vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 1962 - 2 BvR 158/62 -, BVerfGE 14, 121.
56
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben danach die Parteien auch in
redaktionellen Sendungen vor Wahlen entsprechend ihrer Bedeutung zu
berücksichtigen. Eine Pflicht, den Gleichheitssatz strikt oder formal zu beachten, besteht
57
insoweit nicht.
Vgl. VGH BW, a.a.O.; OVG Bremen, a.a.O.; OVG Hamburg a.a.O.; BayVGH, Beschluss
vom 8. Oktober 1990, a.a.O.; ebenso zur Vergabe von Sendezeiten zum Zwecke der
Wahlwerbung: BVerfG, Beschlüsse vom 30. Mai 1962, a.a.O., und vom 9. Mai 1978 - 2
BvC 2/77 -, BVerfGE 48, 271.
58
Das Recht auf Chancengleichheit kann auf zwei Ebenen wirksam werden, zum einen
bei der Teilnahme an einer konkreten Sendung und zum anderen bei der
Berücksichtigung im Rahmen der wahlbezogenen Sendungen insgesamt. Grundsätzlich
wird dem Gebot auf Chancengleichheit schon dann Rechnung getragen, wenn das
Programm der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten insgesamt ausgewogen ist. Das
Prinzip der abgestuften Chancengleichheit muss den öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten einen hinreichenden redaktionellen Gestaltungsspielraum offen
lassen. Diesen steht die Freiheit der Programmgestaltung zu. Grundsätzlich ist die
Entscheidung des Senders zu Themenstellung und Gestaltung einer Sendung zu
respektieren, weil sie zum Kern dessen gehört, was durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG
gewährleistet wird.
59
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1990, a.a.O.; BayVGH, Beschluss vom 8. Oktober
1990, a.a.O.; Klenke, a.a.O., S. 337; Grupp, a.a.O., S. 29; Benda, Rechtliche
Perspektiven der Wahlwerbung im Rundfunk, NVwZ 1994, 521 (526).
60
Darüber hinaus kann der Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit aber auch in
Bezug auf eine einzelne Fernsehsendung Bedeutung gewinnen. Je enger - in zeitlicher
und/oder inhaltlicher Hinsicht - die Beziehung der betreffenden Sendung zu der
bevorstehenden Wahl und je größer ihr publizistisches Gewicht ist, umso mehr gebietet
der Grundsatz der Chancengleichheit eine Einschränkung des Ermessens der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Gestaltung der konkreten Sendung und
der Auswahl des Teilnehmerkreises.
61
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1990 - 2 BvR 1316/90 -, NVwZ 1991, 560;
BremStGH a.a.O.; OVG NRW, Beschlüsse vom 27. November 1990 - 5 B 3282/90 -,
NVwZ 1992, 68, und vom 8. Mai 1990, a.a.O.; VGH BW, a.a.O.; BayVGH, Beschluss
vom 8. Oktober 1990, a.a.O.
62
Zur Bestimmung des Teilnehmerkreises ist insoweit grundsätzlich das Konzept einer
redaktionellen Sendung (oder einer Serie gleichartiger Sendungen) als tragfähiges
Differenzierungskriterium geeignet, sofern das Konzept selbst nicht unter dem
Gesichtspunkt der Chancengleichheit zu beanstanden ist. Wenn eine Partei danach
nicht als Teilnehmerin einer konkreten Sendung zu berücksichtigen ist, ist ihrem
Anspruch auf Chancengleichheit nur dann Genüge getan, wenn sie im
Gesamtprogramm der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten - auch und gerade unter
Einbeziehung der konkreten Sendung - insgesamt entsprechend ihrer Bedeutung
angemessen berücksichtigt wird. Ist das nicht der Fall, kann - je nach den
Gesamtumständen - auch ein Anspruch auf Teilnahme an einer konkreten Sendung
bestehen.
63
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Ablehnung der Antragsgegner, den
Spitzenkandidaten der Antragstellerin teilnehmen zu lassen, nicht zu beanstanden.
64
(aa) Das Konzept der hier streitigen Sendung rechtfertigt die Nichtberücksichtigung der
Antragstellerin. Die Antragsgegner müssen sich nicht - wie die Antragstellerin meint -
daran orientieren, dass nach dem deutschen Wahlrecht der Bundeskanzler nicht direkt
gewählt wird. Zur Begründung des Sendeformats haben die Antragsgegner
nachvollziehbar auf die besondere Bedeutung des Amtes des Bundeskanzlers
hingewiesen, die sich nicht nur aus dessen verfassungsrechtlicher Stellung - Art. 65
Satz 1 GG - ergibt, sondern sich insbesondere in der politischen Praxis dokumentiert.
Dieser hervorgehobenen Bedeutung entspricht ein verstärktes Informationsinteresse der
Öffentlichkeit hinsichtlich der in Betracht kommenden Kandidaten für das Amt des
nächsten Regierungschefs. Dieses Interesse der Öffentlichkeit dürfen die Antragsgegner
durch die Veranstaltung des Duells befriedigen. Gerade im Hinblick auf eine Wahl liegt
es nahe, die Kandidaten unabhängig von einzelnen konkreten Anlässen umfassend zu
ihren Vorstellungen für die künftige politische Gestaltung in der kommenden
Wahlperiode zu befragen und zugleich mit dem politischen Gegner zu konfrontieren.
65
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 1990, a.a.O.; BayVGH, Beschluss vom
24. Oktober 1974, a.a.O..
66
Auch ist es nicht zu bestanden, nur die beiden Spitzenkandidaten der CDU/CSU und
der SPD aufeinander treffen zu lassen. Der Umstand, dass die Antragstellerin ihren
Vorsitzenden zum Kanzlerkandidaten ernannt hat, ist insoweit unerheblich. Die
Antragsgegner konnten sich bei der Konzeption der Sendung vielmehr daran
orientieren, dass es bislang stets geübtem demokratischen Brauch entsprochen hat,
zum Regierungschef einen Kandidaten der stärksten Regierungspartei zu wählen.
67
So bereits BayVGH, Beschluss vom 24. Oktober 1974, a.a.O..
68
Nach Lage der Dinge kommen auch in der nächsten Legislaturperiode nur die
Kandidaten der beiden großen politischen Kräfte - SPD und CDU/CSU - als Anwärter
auf das Amt des Bundeskanzlers in Frage. Dies wird auch von der Antragstellerin
letztlich nicht in Abrede gestellt. Ergeben sich im Hinblick auf Anspruch und Aussichten
der Parteien, in der nächsten Wahlperiode den Regierungschef zu stellen, gravierende
Unterschiede, so ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht gehindert, diesen
bestehenden Unterschieden Rechnung zu tragen. Die Antragsgegner sind nicht
verpflichtet, zugunsten von Parteien, die aller Voraussicht nach keine Chance haben,
den Regierungschef zu stellen, den Versuch zu unternehmen, die Unterschiede in der
politischen Ausgangslage einzuebnen.
69
Zu Sendungen, die sich ausschließlich mit den beiden allein aussichtsreichen
Spitzenkandidaten vor Landtags- oder Bundestagswahlen befassen, vgl. OVG NRW,
Beschluss vom 27. November 1990, a.a.O.; BayVGH, Beschluss vom 24. Oktober 1974,
a.a.O.; OVG Hamburg, a.a.O., VG Weimar, Beschluss vom 8. September 1999 - 2 E
2860/99.We -, ThürVBl 2000, 46; VG Köln, Beschluss vom 22. November 1990 - 6 L
1786/90 -; zur Direktwahl des Oberbürgermeisters in Frankfurt: VG Mainz, Beschluss
vom 23. Juni 1995 - 1 L 1178/95.MZ -; siehe auch Benda, a.a.O., S. 526; ders., Vom
rechten Umfang mit rechten Parteien, NJW 1994, 22 (23); Grupp, a.a.O., S. 30.
70
Die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin und ihres Vorsitzenden entspricht auch
dem Gebot der abgestuften Chancengleichheit. Die Antragstellerin wird deswegen nicht
- wie sie meint - mit einem "Makel der politischen Leichtgewichtigkeit" versehen. Ihre
Bedeutung ist gemessen an den vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit
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der Vergabe von Sendezeiten zum Zwecke Wahlwerbung entwickelten
Differenzierungsmerkmalen, wie sie auch in § 5 Abs. 1 Satz 3 ParteiG ihren
gesetzlichen Niederschlag gefunden haben, wesentlich geringer als die der "großen"
Parteien. Anhaltspunkte für die Bedeutung der Parteien ergeben sich danach
insbesondere aus dem letzten Wahlergebnis. Auch die Erfolgsaussichten bei den
bevorstehenden Wahlen sind neben weiteren Kriterien in den Blick zu nehmen.
Vgl. BVerfG; Beschluss vom 30. Mai 1962, a.a.O.; VGH BW, a.a.O.; BayVGH, Beschluss
vom 8. Oktober 1990, a.a.O.; OVG Bremen, a.a.O.
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Die Antragstellerin hat bei der letzten Bundestagswahl 6,2 % der Stimmen erhalten. Ihre
Wahlchancen sieht sie nach Angaben ihres Vorsitzenden derzeit selbst in einem
"Umfrage-Korridor" von 9 bis 13 %.
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Vgl. den vorgelegten Abdruck des "Sommerinterviews" der ARD mit Dr. Westerwelle am
19. Juli 2002.
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Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin einen deutlich größeren Stimmenanteil
erlangen könnte, sind nicht ersichtlich. Selbst bei dem Erreichen des angestrebten
Wahlergebnisses von 18 % hätte die Antragstellerin keine realistische Chance, dass ihr
Vorsitzender zum nächsten Bundeskanzler gewählt wird.
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(bb) Auch bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ist im Hinblick auf eine
wahlwerbende Wirkung des "TV-Duells" die Teilnahme der Antragstellerin an der
Sendung zur Wahrung ihrer Chancengleichheit nicht geboten. Allerdings ist das streitige
TV-Duell ohne Zweifel in besonderer Weise geeignet, das Interesse der Zuschauer und
Wähler zu wecken. Dass es sich um einen Höhepunkt der auf die Wahl bezogenen
Sendungen handelt, wird bereits deutlich durch die Erstmaligkeit dieser
Diskussionsform auf Bundesebene, den Zeitpunkt der Sendung zwei Wochen vor der
Wahl, die gleichzeitige Ausstrahlung in ARD und ZDF zur "besten" Sendezeit und die
Leitung durch zwei bekannte Moderatorinnen. Auch den Teilnehmern dürfte bewusst
sein, dass ihr Auftreten und ihre Äußerungen in besonderer Weise geeignet sind, auf
das Wahlverhalten der Zuschauer einzuwirken. Bereits im Vorfeld ist über die beiden
geplanten Duelle umfangreich berichtet worden.
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Vgl. nur Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 1. August 2002: "Vier Frager für ein
Halleluja".
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Gleichwohl wird der Anspruch der Antragstellerin auf Chancengleichheit nicht verletzt.
Zwar könnten Bedenken bestehen, wenn eine Sendung mit diesem Programmzuschnitt
erst wenige Tage vor der Wahl ausgestrahlt würde, weil den übrigen Parteien dann wohl
kaum ausreichend Gelegenheit gelassen würde, auf die Äußerungen der Kandidaten in
angemessener Weise zu reagieren und mit eigenen Positionen noch Aufmerksamkeit zu
finden. So liegt der Fall hier aber nicht. Die Sendung findet zwei Wochen vor der
Bundestagswahl statt. Es besteht daher nicht - wie die Antragstellerin befürchtet - die
Gefahr, dass sich das öffentliche Interesse bis zur Wahl in unzulässiger Weise auf die
beiden großen politischen Kräfte konzentrieren könnte und die kleineren Parteien in der
öffentlichen Darstellung "ausgeblendet" würden. Der verbleibende Zeitraum bietet
hinreichend Gelegenheit zur Selbstdarstellung und zur Auseinandersetzung mit den
Erklärungen des Bundeskanzlers und des Spitzenkandidaten der CDU/CSU. Vor allem
die Diskussionsrunde "Die Favoriten" mit den Parteivorsitzenden und/oder
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Spitzenkandidaten der Parteien in der ARD fünf Tage vor der Wahl am 17. September
2002 ist, worauf das Verwaltungsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat, insoweit
besonders hervorzuheben. Darüber hinaus ist die streitbefangene Sendung eingebettet
in ein vielfältiges Programmangebot von ARD und ZDF mit zahlreichen Sendungen, die
der Antragstellerin umfangreich Gelegenheit geben, ihre politischen Positionen
darzustellen. In diesen Wahlsendungen vor und nach dem streitigen Fernsehduell wird
die Antragstellerin ihrer Bedeutung entsprechend berücksichtigt. Neben der "Berliner
Runde" des Antragsgegners zu 2. mit den Parteivorsitzenden bzw. Spitzenkandidaten,
auch der Antragstellerin, am 28. August 2002 wurden bzw. werden in der Zeit vom 2.
Juli 2002 bis zum 18. September 2002 mehrere "Wahlhearings" und Diskussionsrunden
unter Beteiligung von Vertretern der Antragstellerin veranstaltet. Die öffentlich-
rechtlichen Rundfunkanstalten haben auch ein sog. "Sommerinterview" mit dem
Parteivorsitzenden der Antragstellerin durchgeführt, ein weiteres wird am 25. August
2002 ausgestrahlt. Zudem finden verschiedene regelmäßige Talk-Runden unter
Beteiligung von führenden Politikern auch der Antragstellerin statt. Wegen der näheren
Einzelheiten zu diesen und weiteren Sendungen nimmt der Senat auf die von den
Antragsgegnern mit der Beschwerdeerwiderung vorgelegten Übersichten, Anlagen 32
und 33, Bl. 354 ff. der Gerichtsakten, Bezug. Der Einwand der Antragstellerin, "eine
mediale Plattform von gleicher Tragkraft fehle", ist vor diesem Hintergrund nicht
überzeugend. Sofern die angesprochenen Sendungen unter Beteiligung der
Antragstellerin - wie in der Beschwerdebegründung vermutet - eine ungleich geringere
"Reichweite" haben, wäre dies gerade auch auf die geringere Bedeutung und das damit
korrespondierende schwächere Interesse der Öffentlichkeit an den Positionen der
kleineren Parteien wie der Antragstellerin zurück zu führen. Dem haben die
Antragsgegner nicht entgegen zu wirken.
3. Da der Antrag in der Sache keinen Erfolg hat, braucht der Senat den Hilfsanträgen auf
"Einbeziehung" der ARD bzw. der übrigen Landesrundfunkanstalten in das vorliegende
Verfahren nicht nachzugehen. Diese sind unter der - wie sich aus den vorstehenden
Erwägungen ergibt - nicht gegebenen Bedingung gestellt worden, dass die Erweiterung
des Antrags für den Erfolg des Rechtsschutzbegehrens erforderlich ist. Zu einer
Beiladung der ARD - ungeachtet der Frage ihrer Beteiligtenfähigkeit - oder der übrigen
Rundfunkanstalten sieht der Senat unter den hier gegebenen Umständen keine
Veranlassung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.
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