Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.07.2010

OVG NRW (kläger, ziel, alter, eugh, richtlinie, leistungsfähigkeit, objektiv, verwendung, flughafen, besetzung)

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 1327/08
Datum:
15.07.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 A 1327/08
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird auch für das Berufungszulas-sungsverfahren auf
5.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend
gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO liegen nach
Maßgabe der fristgerechten Darlegungen zur Begründung des Antrags (vgl. 124a Abs. 4
Satz 4 VwGO) nicht vor.
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Der Kläger war als Polizeivollzugsbeamter im Bundespolizeiverband in der
Bundespolizeiabteilung St. B. eingesetzt. Mit Verfügung vom 25. September 2006
wurde er ab dem 1. Juni 2007 mit dem Ziel der Versetzung zum Bundespolizeiamt L. ,
Bundespolizeiinspektion Flughafen E. , zur Verwendung als Kontroll- und
Streifenbeamter abgeordnet. In dieser Verwendung wird der Kläger nach wie vor
eingesetzt. Lediglich organisationsrechtlich hat sich inzwischen eine Änderung dahin
ergeben, dass der bekleidete Dienstposten nunmehr in die Zuständigkeit der
Bundespolizeidirektion Sankt B. fällt.
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Einen in der Abordnungsangelegenheit vom Kläger gestellten Antrag auf
Eilrechtsschutz hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Die dagegen gerichtete
Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 27. September 2007 – 1 B 1043/07 – als
unbegründet zurückgewiesen.
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Die gegen die Abordnungsverfügung gerichtete Klage, zu deren Begründung sich der
Kläger – wie schon im Eilverfahren – insbesondere auf den Gesichtspunkt der
Altersdiskriminierung berufen hatte, hat das Verwaltungsgericht im Kern aus folgenden
Gründen abgewiesen: Für die Abordnung habe mit Blick auf seinerzeit bei der
Abordnungsstelle bestehende Vakanzen ein dienstliches Bedürfnis vorgelegen. Die
Abordnungsentscheidung sei in Anwendung einer einschlägigen Dienstvereinbarung
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unter anderem nach dem Kriterium einer Überschreitung des "Regelverwendungsalters"
getroffen worden, habe mithin auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersgruppe
(35 bis 40 Jahre) abgehoben. Die daraus folgende Ungleichbehandlung in Bezug auf
das Alter sei aber nach § 10 AGG gerechtfertigt. In Übereinstimmung mit den
Ausführungen in dem Senatsbeschluss vom 27. September 2007 biete auch die von
dem einzelnen betroffenen Beamten grundsätzlich hinzunehmende Personal- und
Bedarfsplanung des Dienstherrn eine Rechtfertigungsmöglichkeit im Sinne des § 10
AGG. Der Dienstherr habe hierbei anerkanntermaßen einen weiten
Einschätzungsspielraum, was sich auch auf die Beurteilung der Angemessenheit von
bestimmten Maßnahmen auswirke. Dabei komme es nicht darauf an, ob die jeweilige
Einschätzung des Dienstherrn (im Sinne des Ausschlusses anderer
Handlungsalternativen) zwingend sei. Maßstab der gerichtlichen Prüfung sei vielmehr
nur, ob sich der Dienstherr innerhalb der äußeren Grenzen seiner Prärogativen bewege,
namentlich die Entscheidung sich als willkürfrei erweise. Darauf, ob empirische Belege
für eine mit zunehmendem Alter schwindende Leistungsfähigkeit vorlägen, komme es
hiernach nicht an. Die Entscheidung der Antragsgegnerin könne auch schon aus
anderen Erwägungen tragfähig sein, etwa mit Blick auf ein besonderes
Anforderungsprofil für die in Rede stehenden Dienstposten unter dem Generalaspekt
einer jederzeit möglichst optimalen Aufgabenerfüllung. Darüber hinaus könne es ohne
weiteres gerechtfertigt sein, der jedenfalls tendenziell nachlassenden körperlichen
Belastbarkeit im Wege generalisierender Betrachtung Rechnung zu tragen, dies auch
schon, bevor sich solche Einschränkungen während des konkreten Einsatzes
bemerkbar machten. Hiervon ausgehend sei die vorliegend streitige Anknüpfung an
einen Alterskorridor von fünf Jahren als pauschalierende Regelung/Handhabung legitim
und ein angemessenes Mittel im Sinne des § 10 AGG, um auf diese Weise aus den
Verbänden die möglichst ältesten – und damit auch erfahrensten – Beamten für den
Einzeldienst auszusuchen, welcher keine gesundheitlichen Höchstanforderungen stelle,
dafür aber ein gewisses Maß an Erfahrung und Reife voraussetze. Schließlich verbleibe
es hier auch nicht bei einer pauschalen Auswahl nach dem Alter. Vielmehr werde weiter
anhand eines Kataloges von Sozialkriterien geprüft, wem der Wechsel des
Arbeitsplatzes am ehesten zumutbar sei.
Was dem der Kläger mit seiner Antragsbegründung entgegensetzt, rechtfertigt die
erstrebte Berufungszulassung unter keinem der geltend gemachten Zulassungsgründe:
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1. Aus den vom Kläger dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an
der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Derartige Zweifel
sind dann begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der
angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit
schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die
Entscheidung nicht etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne
weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Diese
Voraussetzungen sind hier indes nicht erfüllt.
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Der Kläger wendet gegen die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts und
mittelbar auch des Senatsbeschlusses vom 27. September 2007 namentlich ein, diese
Entscheidungen hätten § 10 AGG nicht richtig angewendet und sich dabei insbesondere
nicht ausreichend an dem orientiert, was nach den vom EuGH entwickelten
Grundsätzen für die Rechtfertigung einer Benachteiligung aus Altersgründen gefordert
werde. Der in den genannten Entscheidungen angesprochenen
Einschätzungsprärogative des Dienstherrn seien durch die europarechtliche Vorgabe
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der Richtlinie 2000/78 Grenzen gesetzt. Die danach unter den Gesichtspunkten
objektiver Erforderlichkeit und Angemessenheit vorzunehmende
Verhältnismäßigkeitsprüfung müsse sich insbesondere auch an der Zielsetzung der
Richtlinie orientieren. So müssten bei Ausnahmen von einem Individualrecht wie hier
demjenigen auf Gleichbehandlung hinsichtlich des Lebensalters die Erfordernisse des
Gleichbehandlungsgrundsatzes so weit wie möglich mit denen des angestrebten Ziels
in Einklang gebracht werden. Das sei hier indes nicht geschehen. Denn es sei nicht
objektiv erforderlich gewesen, die am Flughafen E. aufgetretenen Stellenvakanzen
unter Rückgriff auf Altersgesichtspunkte zu besetzen. Das zeige sich schon daran, dass
sich die Antragsgegnerin vor der Laufzeit der in Rede stehenden Dienstvereinbarung
wie auch nach deren Auslaufen nicht an den dort bestimmten Alterskorridor halte,
sondern auf individuelle Leistungskriterien abstelle. Solches sei auch ohne weiteres
möglich, weil sich alle Bundespolizeibeamten einer jährlichen Belastungs- und
Gesundheitsprüfung unterziehen müssten. Eine generalisierende Betrachtung der
körperlichen Belastbarkeit sei somit nicht erforderlich (gewesen). Letzteres werde im
Übrigen auch dadurch belegt, dass am Flughafen E. auch Beamte mit einem
geringeren Alter beschäftigt seien, als es dem Alterskorridor der seinerzeit gültig
gewesenen Dienstvereinbarung entsprochen habe.
Mit diesen Argumenten vermag der Kläger die erstinstanzliche Entscheidung weder in
ihren tragenden Begründungselementen noch im Ergebnis ernstlich in Frage zu stellen.
Nach § 10 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters (auch) zulässig,
wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die
Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Dies
stimmt (im Kern) nahezu wörtlich mit dem überein, was nach dem Europäischen
Gemeinschaftsrecht die in der Antragsbegründung angesprochene Richtlinie
2000/78/EG in ihrem Artikel 6 Abs. 1 unter der Überschrift "Gerechtfertigte
Ungleichbehandlung wegen des Alters" bestimmt. Danach können die Mitgliedstaaten
vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierungen
darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen
Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere (also beispielhaft) rechtmäßige
Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu
verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Zwecks
angemessen und erforderlich sind. Die Auslegung dieser Richtlinienbestimmung im
Sinne der Rechtsprechung des EuGH führt, worauf die Antragsbegründung zutreffend
hinweist, auf eine wesentlich mit an dem Ziel des grundsätzlichen
Diskriminierungsverbots (hier wegen des Alters) ausgerichtete
Verhältnismäßigkeitsabwägung. Eine solche Verhältnismäßigkeitsabwägung hat hier
indes nicht zur Folge, dass die unter anderem an Altersgründe anknüpfende Abordnung
des Klägers für den Kontroll- und Streifendienst am Flughafen E. hätte unterbleiben
müssen.
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Ausgangspunkt der Beurteilung ist insoweit das mit der jeweils zur Überprüfung
stehenden, nach dem Alter unterscheidenden Regelung verfolgte Ziel. Die hier im Blick
stehende "Dienstvereinbarung über die Besetzung von freien Dienstposten der Kon-
troll- und Streifenbeamten des mittleren Polizeivollzugsdienstes bei den
Bundespolizeiämtern/-inspektionen sowie die Versetzung von Beamten des mittleren
Polizeivollzugsdienstes in Temporärfunktionen im Bereich des
Bundespolizeipräsidiums West" vom 2. Februar 2006 – im Folgenden: DV – hat(te) zum
Ziel, Stellenvakanzen im Einzeldienst und insbesondere in Schwerpunktdienststellen
durch frühzeitige personelle Maßnahmen zu vermeiden und entstandene Vakanzen
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zeitnah zu schließen (Ziffer 1. Abs. 1 DV). Dabei waren mehrere Schritte für die
Besetzung von Vakanzen im Einzeldienst vorgesehen (Ziffern 2. bis 4. DV). Fallrelevant
ist davon hier allein der "3. Schritt", nämlich die Besetzung der (nach Vergabe an
Bewerber/Bewerberinnen) verbliebenen Vakanzen des Einzeldienstes sowie
Einzelversetzungen bei Überschreitung des Verwendungshöchstalters in
Temporärfunktionen der Verbände. Das Lebensalter hat insofern die Auswahl der ohne
ihr Einverständnis zur Versetzung in den Einzeldienst vorgesehenen Beamten
beeinflusst, als es hierfür vorrangig auf die (Höhe der) Überschreitung eines bestimmten
Regelverwendungsalters (35 bzw. 40 Jahre) angekommen ist. Hintergrund dieses
Personalkonzepts ist gewesen, dass alle Dienstanfänger in den
Bundespolizeiverbänden ihren Dienst regelmäßig in Durchlauffunktionen
(Temporärfunktionen) beginnen, mit zunehmendem Dienst- und Lebensalter hingegen
grundsätzlich ein Funktions- und gegebenenfalls auch Dienststellenwechsel
vorgesehen ist, ein Verbleib in den Verbänden dagegen nur in (begrenzt verfügbaren)
Dauerfunktionen gewollt und zugleich möglich ist. Wie die Antragsgegnerin in dem
ausführlich begründeten Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2007 sowie
ergänzend auch im gerichtlichen Verfahren weiter erläutert hat, hat dem vorrangig
beabsichtigten Wechsel lebensälterer Beamter aus den Temporärfunktionen der
Verbände in den Einzeldienst (Kontroll- und Streifendienst) vor allem der Gesichtspunkt
der gerade bei den verbandspolizeilichen Einsätzen besonders hohen körperlichen
Anforderungen zugrunde gelegen; es ist also um die Sicherung der Leistungsfähigkeit
der Verbände gegangen. Zusätzlich wurde in Bezug auf den Einzeldienst mit seinen
höheren Anforderungen an Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit allerdings
auch der größeren Dienst- und Lebenserfahrung der hierfür ausgewählten Beamten ein
wesentlicher Nutzen zugemessen.
Der Senat hält – wie schon im Eilverfahren – daran fest, dass auch (objektiv
nachvollziehbare) personalplanerische Zielsetzungen, wie sie vorstehend angeführt
wurden, ein im Sinne des § 10 AGG sowie Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG legitimes
(von dem Mitgliedsstaat festzulegendes) Ziel sein können, zumal dann, wenn die dabei
angestellten Erwägungen nicht durch Beliebigkeit gekennzeichnet sind, sondern
ihrerseits in weitergehenden anerkennungswürdigen objektiven Zielsetzungen gründen.
Ein solches (End-)Ziel stellen hier die Sicherstellung und Optimierung der
Einsatzfähigkeit und damit letztlich das ordnungsgemäße Funktionieren der
Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben in dem betroffenen Bereich, hier der
Verbände und Dienstposten der Bundespolizei, dar. Je nach Zugehörigkeit zu einem
solchen Bereich bzw. der (besonderen) Art der Verwendung kann dabei der
körperlichen Leistungsfähigkeit objektivierbar eine wesentliche Bedeutung für die
Beurteilung der Eignung der in Betracht kommenden Beamten/Dienstposteninhaber
zukommen. Auch der allgemeine Erfahrungssatz, dass ab einem bestimmten Alter (um
die 30 bis 40 Jahre) die körperliche Leistungsfähigkeit in der Regel zunehmend
nachlässt, kann in der Wechselbeziehung mit dem jeweiligen Anforderungsgrad der zu
bewältigenden dienstlichen Aufgaben Ausgangspunkt von an das Alter anknüpfenden
generalisierenden Regelungen sein, ohne dass – anders als der Kläger meint – auch
vor dem Hintergrund der europarechtlichen Vorgaben zwingend geprüft werden müsste,
welchen individuellen Leistungsstand der einzelne betroffene Beamte unbeschadet
seines Alters hat.
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Vgl. EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 – C-229/08 -, NVwZ 2010, 244 (Rn.
33 ff., 41) für die Höchstaltersgrenze bei der Einstellung in den
feuerwehrtechnischen Dienst, dort entsprechend zur Rechtfertigung nach
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Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG; zur Zulässigkeit einer
generalisierenden Anknüpfung an altersbezogene Erfahrungswerte für die
Beurteilung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit von Beamten
ferner BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 – 2 C 31.08 -, ZBR 2010,
260 = NVwZ 2010, 251 = juris (Rn. 30, 32); Hessischer VGH, Beschluss
vom 28. September 2009 – 1 B 2487/09 -, RiA 2010, 88 (89); Fischer, RiA
2010, 111 (112).
Abgesehen von der körperlichen Leistungsfähigkeit kann aber etwa auch die vom Alter
zweifellos mit beeinflusste Dienst- und Lebenserfahrung der Beamten
personalplanerische Zielvorstellungen des Dienstherrn zulässigerweise (mit)
bestimmen. Selbst das Interesse des Dienstherrn an einer altersmäßigen
"Durchmischung" des Personals für bestimmte (besondere) Verwendungen kann
grundsätzlich legitim sein, zumal dann, wenn vernünftige Überlegungen sachgerechter
Personal- und Einsatzplanung dahinterstehen, etwa der Ausgewogenheit der
Personalstruktur oder einer bestimmten Schwerpunktsetzung wesentliche Bedeutung
zuerkannt wird. Dies zugrunde gelegt, muss der Dienstherr zur Rechtfertigung
altersbezogener Regelungen auch nicht zwingend eine bestimmte dienstliche
Verwendung ausnahmslos einer bestimmten Altersgruppe zuweisen bzw. eine
Altersgruppe ausnahmslos von einer solchen Verwendung ausschließen. Schon
deswegen ist es hier kein durchgreifendes Argument, dass den Kontroll- und
Streifendienst am Flughafen E. nicht ausnahmslos Polizeibeamte ausüben, welche
der (vorgerückten) Altersgruppe des Klägers zugehören.
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Der Kläger überspannt in diesem Zusammenhang die rechtlichen Anforderungen,
welche an die Merkmale der Objektivität des Regelungsziels sowie der Erforderlichkeit
und Angemessenheit des Zurücktretens des altersbezogenen Diskriminierungsverbots
hinter dieses Ziel zu stellen sind, indem er die Gesichtspunkte der Objektivität und
Erforderlichkeit miteinander vermengt und sinngemäß fordert, dass die getroffene
Regelung zum Erreichen des Ziels (objektiv) alternativlos sein muss. Hierbei wird zum
einen übersehen, dass Objektivität in diesem Zusammenhang (lediglich) bedeutet, dass
es um ein Ziel gehen muss, welches als sachlicher ("objektiver") Differenzierungsgrund
unabhängig vom Merkmal des Alters besteht.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2009 – 2 C 18.07 -, BVerwGE 133, 143
= ZBR 2009, 390 = RiA 2009, 175 = juris (Rn. 16), m.w.N.; vgl. insoweit
auch Kühling/Bertelsmann, NVwZ 2010, 87 ff. (88) dazu, dass es im Text
der Richtlinie als auch in § 10 AGG statt "objektiv und angemessen" bei
zutreffender Übersetzung "sachlich und vernünftig" heißen sollte (im
englischen Text der Richtlinie etwa lautet die entsprechende Passage
"objectively and reasonably justified").
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Hinzu kommt zum anderen, dass dem Dienstherrn/Vorschriftengeber auch unter
Beachtung der europarechtlichen Vorgaben zu grundsätzlich bestehenden
Differenzierungsverboten – wie hier nach dem Alter – nicht nur bei der Bestimmung der
Ziele, sondern auch der der Wahl der Mittel, mit denen sie ein legitimes Ziel erreichen
wollen, ein prinzipiell weit bemessener Ermessens- bzw. Gestaltungsspielraum für
einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen verbleibt, bei dem (etwa)
politische, wirtschaftliche, soziale, demografische und auch haushaltsbezogene
Erwägungen Berücksichtigung finden können.
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Vgl. EuGH, Urteile vom 16. Oktober 2007 – C-411/05 – "Palacios", NJW
2007, 3339 (Rn. 68 ff.), und vom 22. November 2005 – C-144/04 –
"Mangold", NJW 2005, 3695 (Rn. 63); ebenso BVerwG, Urteil vom 19.
Februar 2009 – 2 C 18.09 -, a.a.O. sowie juris (Rn. 18); siehe auch
Hessischer VGH, Beschluss vom 28. September 2009 – 1 B 2487/09 -,
a.a.O., Seite 89.
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Bei der Herstellung dieses gerechten Ausgleichs hat die Vermeidung einer
Ungleichbehandlung wegen des Alters keinen absoluten Vorrang, der sich unbeschadet
gegenläufiger Belange stets durchsetzen könnte/müsste.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2009 – 2 C 18.07 -, a.a.O. sowie juris
(Rn. 19).
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Vor diesem Hintergrund erscheint die im Rahmen der in Rede stehenden
Dienstvereinbarung getroffene, nicht durchgängig, sondern lediglich in Bezug auf
Einzelschritte (mit) an das Alter der Beamten anknüpfende Regelung zur Besetzung
verbliebener Vakanzen im Einzeldienst der Bundespolizei durch Angehörige der
Bundespolizeiverbände mit Blick (u.a.) auf die generellen Zusammenhänge zwischen
dem Alter und der Entwicklung der körperlichen Leistung/Belastbarkeit als eine zur
Sicherung optimaler Einsatz- und Leistungsfähigkeit geeignete und bei zulässig
typisierend-generalisierender Betrachtung auch (noch) vertretbar als erforderlich
einzustufende Regelungsalternative; diese stellt zudem weder nach der Bedeutung des
Regelungsziels noch nach der Auswahl des zu seiner Umsetzung eingesetzten Mittels
das grundsätzliche Verbot der Altersdiskriminierung unangemessen hintan. Dabei ist es
auch eine statthafte personalpolitische Erwägung, den Inhalt der Regelung durch den
Dienstherrn/Vorschriftengeber nicht einseitig vorzugeben, sondern den Weg der
Dienstvereinbarung zu wählen und insofern die Personalvertretung als
Interessenvertretung der betroffenen Beschäftigten von vornherein mit einzubinden.
Daraus, dass die fragliche Regelung hier nach dem Vortrag des Klägers nur einen
gewissen Zeitraum gegolten hat, ergibt sich nicht notwendig eine abweichende
rechtliche Bewertung. Im Rahmen seines schon angeführten Gestaltungsspielraums
kann/konnte der Dienstherr/Vorschriftengeber vielmehr auch neue, gleichermaßen
statthafte Mittel wählen, um die allgemein gesteckten personalplanerischen Ziele zu
erreichen. Das schließt Überlegungen ein, inwieweit für die Auswahl von bestimmtem
Personal an generalisierenden Regelungen festgehalten werden oder statt dessen auf
die anhand von Tauglichkeitsuntersuchungen bzw. Gesundheitsüberprüfungen belegte
individuelle körperliche Fitness und Belastbarkeit abgestellt werden soll. Ein Wechsel
des Vorgehens indiziert insoweit nicht schon aus sich heraus das Bestehen
durchgreifender Zweifel an der Rechtmäßigkeit der bisherigen Praxis. Das gilt auch
dann, wenn eine der heutigen Praxis entsprechende (eher aufwändigere)
Verfahrensweise schon früher möglich gewesen wäre.
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2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne
des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Derartige Schwierigkeiten hat der Kläger in
seiner Antragsbegründung lediglich pauschal geltend gemacht, aber nicht schlüssig
dargelegt. Der bloße allgemeine Hinweis auf die Anwendung europarechtlicher Normen
reicht hierzu ersichtlich nicht aus.
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3. Schließlich ist nach dem Antragsvorbringen auch keine Berufungszulassung wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
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gerechtfertigt. Die vom Kläger als angeblich rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, ob
im Rahmen der Ungleichbehandlung aus Altersgründen im Beamtenrecht die
Entscheidungen des Dienstherrn ausschließlich infolge einer weiten
Einschätzungsprärogative einer gerichtlichen Willkürkontrolle zu unterziehen sind oder
ob eine weitergehende Überprüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
stattzufinden hat, wie der EuGH sie fordert, würde sich in einem etwaigen
Berufungsverfahren in dieser Form schon nicht stellen. Der Kläger konstruiert mit seiner
Fragestellung eine vorgebliche "Alternativität" der beiden Bestandteile seiner Frage,
welche der Rechtslage ersichtlich nicht gerecht wird und die anscheinend auf einem
Missverständnis der Ausführungen des Senats in dem Beschluss vom 27. September
2007 – 1 B 1043/07 – beruht. Es geht hier in keiner Weise darum, eine Gegenmeinung
zum EuGH aufzubauen. Vielmehr steht es – wie oben unter 1. ausgeführt – in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH, dass den Mitgliedsstaaten nicht
nur bei der Festlegung des Ziels, sondern auch bei der Wahl der Mittel, wie sie ein
legitimes Ziel erreichen wollen, ein "weiter" Ermessensspielraum eingeräumt ist. Dass
in Wahrnehmung dieses Spielraums das gestalterische Ermessen – dem
Verhältnismäßigkeitsprinzips entsprechend – gleichwohl in Richtung auf einen
gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen auszuüben ist, also beide
Interessen (darunter dasjenige an der Durchsetzung des grundsätzlichen Verbots der
Altersdiskriminierung) so weit wie möglich in Einklang gebracht werden müssen, wird
dadurch aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt; ob im Ergebnis ein verhältnismäßiger
Ausgleich gefunden wurde, hat die Prüfung im Einzelfall zu ergeben. Vor diesem
Hintergrund bestünde deshalb in einem etwaigen Berufungsverfahren auch keine
Veranlassung, die vom Kläger in Anlehnung an seine Grundsatzfragen formulierten
weiteren Fragen – wie angeregt – dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Vielmehr lässt sich der vorliegende Fall bereits ausreichend anhand der vom EuGH
allgemein für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen nach dem Alter
aufgestellten Grundsätzen beurteilen, wie die Ausführungen zu 1. gezeigt haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§
52 Abs. 2, 47 Abs. 1 und 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der
Streitwertfestsetzung – gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Das Urteil des Verwaltungsgericht ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4
VwGO).
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