Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.10.2004

OVG NRW: aufschiebende wirkung, satzung, fahrbahn, beitragspflicht, gemeinde, aufwand, einbau, stadt, umdeutung, form

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 B 1773/04
Datum:
29.10.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 B 1773/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 17 L 585/04
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 450,90 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Senat hat das Rubrum auf Seiten des Antragsgegners von der Körperschaft auf die
Behörde umgestellt, da im Hauptsacheverfahren diese richtige Beklagte wäre (§ 78 Abs.
1 Nr. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. § 5 Abs. 2 des nordrhein-
westfälischen Ausführungsgesetzes zur VwGO).
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 17 K 3447/04 vor dem Verwaltungsgericht Köln
gegen den Vorausleistungsbescheid des Antragsgegners vom 28. Januar 2004 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 anzuordnen,
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zu Recht abgelehnt. Es bestehen wegen der im Beschwerdeverfahren vorgebrachten,
allein maßgeblichen Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) unter Anlegung der im
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geltenden Maßstäbe keine ernstlichen
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes. Es ist nicht
überwiegend wahrscheinlich, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache deswegen
Erfolg haben wird.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes nicht festgestellt werden, dass die Satzung der Stadt C. I. über die
Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG für straßenbauliche Maßnahmen vom 12.
November 1998 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 9. Dezember 2002 (SBS)
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unwirksam ist, weil die festgesetzten Anteilssätze für die Anlieger zu hoch wären. Im
Aussetzungsverfahren richtet sich die Intensität der gerichtlichen Prüfung des
Streitstoffes nach den Gegebenheiten des vorläufigen Rechtsschutzes. Aufwändige
Tatsachenfeststellungen können nicht getroffen werden, schwierige Rechtsfragen sind
nicht abschließend zu klären. Soweit es dabei um die Anwendbarkeit der dem
angegriffenen Bescheid zu Grunde liegenden gemeindlichen Satzung geht, ist in aller
Regel von ihrer Wirksamkeit als Rechtsnorm auszugehen; etwas anderes gilt nur dann,
wenn sich Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Satzung bei summarischer Prüfung
geradezu aufdrängen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. März 1994 - 15 B 3022/93 -, NWVBl. 1994, 337
(338).
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Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 4 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Nordrhein-
Westfalen (KAG NRW) bleibt, wenn die Einrichtungen oder Anlagen erfahrungsgemäß
auch von der Allgemeinheit oder von der Gemeinde selbst in Anspruch genommen
werden, bei der Ermittlung des Aufwandes ein dem wirtschaftlichen Vorteil der
Allgemeinheit oder der Gemeinde entsprechender Betrag außer Ansatz. Dass dieser
Gemeindeanteil hinsichtlich der Fahrbahn hier mit 45 %, also einer fast hälftigen
Verteilung, bei Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem
Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten
Ortsteilen dienen (§ 4 Abs. 6 Nr. 2 SBS als Definition der Haupterschließungsstraße),
nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG NRW gegenüber dem Anliegeranteil zu niedrig bemessen
wäre, lässt sich nicht feststellen. Auch hinsichtlich des Anliegeranteils für die
Oberflächenentwässerung kann ein Gesetzesverstoß im vorliegenden Eilverfahren nicht
festgestellt werden. Allerdings entspricht der angesetzte Gemeindeanteil von nur 25 %
dem Gemeindeanteil für die Gehwege. Es ist zwar unbedenklich, dass für Gehwege bei
Haupterschließungsstraßen der wirtschaftliche Vorteil der Anlieger gegenüber dem der
Allgemeinheit höher eingestuft wird als für die Fahrbahn, da die fußläufige
Erreichbarkeit insbesondere den Anliegergrundstücken und weniger dem
Durchgangsverkehr zugute kommt. Ob jedoch der wirtschaftliche Vorteil, der durch die
Oberflächenentwässerung gewährt wird, mit demselben Anteil bewertet werden kann
wie der durch die Gehwege bewirkte wirtschaftliche Vorteil, obwohl die
Oberflächenentwässerung allen flächigen Teileinrichtungen (Fahrbahn, Parkstreifen,
Radweg, Gehweg) dient, bedarf der Überprüfung im Hauptsacheverfahren. Gleiches gilt
für die Frage, ob die Satzung hinsichtlich der Festsetzung der Gemeindeanteile deshalb
rechtswidrig ist, weil der Gemeindeanteil für die Oberflächenentwässerung für alle
Straßenarten gleich auf 25 % festgesetzt wurde und damit der Satzungsgeber zum
Ausdruck bringt, dass der wirtschaftliche Vorteil der Allgemeinheit, der durch die
Oberflächenentwässerung gewährt wird, unabhängig vom Straßentyp sei.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist unbedenklich, dass die Stadt C. I. die
Anliegeranteile mit der 1. Änderung der Straßenbaubeitragssatzung deutlich erhöht hat,
ohne dass das zu Grunde liegende Kommunalabgabengesetz geändert worden wäre.
Die Festsetzung der Anliegeranteile steht im Ermessen des Satzungsgebers, der
lediglich an die gesetzliche Vorgabe in § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG NRW gebunden ist. Es
kann nicht festgestellt werden, dass die vor der 1. Änderungssatzung gültigen
Anliegeranteile bereits die gesetzlich zulässige Höhe ausgeschöpft hätten.
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Nach Aktenlage liegen beitragsfähige Ausbaumaßnahmen in Form nachmaliger
Herstellung der Oberflächenentwässerung (möglicherweise verbunden mit einer
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Verbesserung durch Erhöhung des Kanalquerschnitts),
vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2002 - 15 A 2128/00 -, NVwZ-RR 2002, 871,
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sowie eine Verbesserung der Fahrbahn durch erstmaligen Einbau einer
Frostschutzschicht vor,
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vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 11. März 2003 - 15 B 485/03 -, S. 2 f. des amtl.
Umdrucks; Beschluss vom 14. November 1997 - 15 A 529/95 -, OVGE 46, 220 (221 f.).
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Dem tritt das Beschwerdevorbringen nicht substantiiert entgegen.
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Der angesetzte Aufwand ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Insbesondere ist es
unbedenklich, dass der Antragsgegner den Aufwand geschätzt hat. Das liegt im Wesen
der Vorausleistung, die nur vor Entstehen der sachlichen Beitragspflicht möglich ist.
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Vgl. zur Schätzungsbefugnis Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., §
21 Rn. 33 f.
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Nach § 8 Abs. 8 KAG NRW ist die Vorausleistung betragsmäßig auf die Höhe der
künftigen Beitragsschuld begrenzt, sodass die Festsetzung der Vorausleistung einer
Schätzung des zu erwartenden umlagefähigen Aufwands im Zeitpunkt des Erlasses des
Vorausleistungsbescheides bedarf.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Februar 2000 - 15 A 4167/96 -, S. 11 des amtl.
Umdrucks.
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Das ist hier geschehen. Ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen
Vermerke vom 10. Dezember und 21. Oktober 2003 sind für den Fahrbahnausbau der
etwa 263 m langen Straße N. (Ausschachtung des Straßenplanums, Einbau der Trag-
und Deckschicht) 81.000,-- EUR sowie 10.500,-- EUR Ingenieurleistungen und für die
Oberflächenentwässerung 10.500,-- EUR sowie 1.300,-- EUR Ingenieurleistungen und
für die Kanalverlegung 25 % von 160.000,-- EUR angesetzt worden. Einer weiteren
Aufschlüsselung des zu erwartenden Aufwandes bedurfte es nicht. Der Antragsteller
zieht diese Schätzung auch nicht mit substantiierten Einwänden in Zweifel.
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Der Einwand des Antragstellers, der Antragsgegner behandele ihn gegenüber den
Anliegern der ebenfalls von Ausbaumaßnahmen betroffenen Straßen G.------weg und
M.-----straße ungleich, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Es ist schon nicht
erkennbar, welcher im Sinne des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 des
Grundgesetzes gleiche Sachverhalt vorliegen soll, der hier zu einer gleichen
Behandlung zwänge. Im Übrigen wäre dem in tatsächlicher Hinsicht im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes ohnehin nicht nachzugehen.
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Gleiches gilt für die Rüge des Antragstellers, das Abrechnungsgebiet sei falsch gebildet
worden. Ausweislich des in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Abrechnungsplans
für die Anlage N. gibt es gegen die Erfassung der erschlossenen Grundstücke nichts zu
erinnern, zumal der Antragsteller substantiierte Einwände nicht erhebt. Einzelfragen der
richtigen Erfassung einzelner Grundstücke (etwa am Ende der Anlage im
Einmündungsgebiet des G.------weges ) sind dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.
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Die vom Verwaltungsgericht angesprochene Umdeutung des
Vorausleistungsbescheides in einen endgültigen Beitragsbescheid spielt hier keine
Rolle. Der Umstand, dass möglicherweise nach Erlass des Vorausleistungsbescheides
die sachliche Beitragspflicht entstanden ist (die Bauabnahme soll nach Darstellung des
Antragsgegners am 13. Februar 2004 erfolgt sein) macht den Vorausleistungsbescheid
nicht rechtswidrig, sodass es einer Umdeutung nicht bedarf.
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Vgl. zur Bedeutung des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht bei einer
Vorausleistung Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 21 Rn. 27.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die
Streitwertentscheidung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 des
Gerichtskostengesetzes.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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