Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 02.03.2004

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Oberverwaltungsgericht NRW, 8 E 973/03
Datum:
02.03.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 E 973/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 25 K 1342/01
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beklagten zu 2. wird der Beschluss des
Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 23. Juli 2003 geändert.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 9. Mai 2003
wird aufgehoben. Der Kostenfestsetzungsantrag der Kläger vom 5. No-
vember 2002 wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Erinnerungs- und des
Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Gründe:
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I. Nachdem das Verwaltungsgericht der gegen die Beklagte zu 2. gerichteten
denkmalrechtlichen Klage der Kläger im Wesentlichen entsprochen und die
Verfahrenskosten mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1. der
Beklagten zu 2. auferlegt hatte, beantragte diese mit Schriftsatz vom 29. August 2002
die Zulassung der Berufung. Mit Schreiben vom 23. September 2002 nahm sie den
Zulassungsantrag zurück. Das Verwaltungsgericht legte die Akten sodann dem Senat
vor, der das Zulassungsverfahren durch Beschluss vom 7. Oktober 2002 einstellte und
der Beklagten zu 2. die Kosten auferlegte. Die Schriftsätze vom 29. August 2002 und
vom 23. September 2002 sowie der Einstellungsbeschluss wurden den
Prozessbevollmächtigten der Kläger, die diese erstinstanzlich vertreten hatten, mit
gleicher Post zugestellt. Eine schriftliche Mitteilung über den Eingang der
Rechtsmittelschrift war zuvor nicht erfolgt.
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Dem mit Schreiben vom 5. November 2002 gestellten Antrag der Kläger, hinsichtlich
des zweitinstanzlichen Verfahrens Kosten i.H.v. 2.224,73 Euro festzusetzen, entsprach
die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts durch Beschluss vom
9. Mai 2003. Auf die Erinnerung der Beklagten zu 2. hat das Verwaltungsgericht die
erstattungsfähigen Kosten durch Beschluss vom 23. Juli 2003 - in Anwendung der §§ 31
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Abs. 1 Nr. 1, 32 BRAGO unter Zugrundelegung lediglich einer 13/20-Prozessgebühr -
auf 1.123,97 Euro festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten zu
2.
II. Die gemäß § 146 Abs. 1 und 3 VwGO zulässige Beschwerde der Beklagten zu 2. ist
begründet. Dem Antrag der Kläger vom 5. November 2002, mit dem diese die
Festsetzung von Kosten für das auf Zulassung der Berufung gerichtete Verfahren
begehren, war nicht zu entsprechen.
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Erstattungsfähig sind gemäß § 162 Abs. 1 VwGO u.a. die zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten;
hierzu zählen gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch die Gebühren und Auslagen
eines Rechtsanwalts. Die mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 5. November 2002
geltend gemachten, ausschließlich das Verfahren auf Zulassung der Berufung
betreffenden Kosten sind bereits deshalb nicht erstattungsfähig, weil den
Prozessbevollmächtigten der Kläger ein entsprechender Vergütungsanspruch nach der
insoweit maßgeblichen Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) nicht
zusteht. Das in Zusammenhang mit dem zweitinstanzlichen Verfahren stehende
Tätigwerden der Prozessbevollmächtigten erschöpfte sich darin, dass sie - zeitgleich -
den Antrag der Beklagten zu 2. auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 9. Juli 2002 sowie die Rücknahme dieses Antrages und den
Einstellungsbeschluss des Senats vom 7. Oktober 2002 - 8 A 3859/02 - in Empfang
genommen und sodann den Klägern übermittelt haben. Diese anwaltliche Tätigkeit ist
bereits durch die für das erstinstanzliche Verfahren festgesetzten Gebühren und
Auslagen abgegolten. Nach § 37 Nr. 7 BRAGO gehören zum jeweiligen Rechtszug
nämlich insbesondere die Zustellung oder Empfangnahme von Entscheidungen oder
Rechtsmittelschriften und ihre Mitteilung an den Auftraggeber. Wie das Wort
"insbesondere" verdeutlicht, ist diese Aufzählung nur beispielhafter Art und deshalb
einer ergänzenden Auslegung zugänglich.
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Vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1991 - IX ZR 186/90 -, NJW 1991, 2084 (2085).
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Die gebührenrechtliche Einbeziehung gewisser anwaltlicher Tätigkeiten, die nach dem
prozessrechtlichen Ende der Instanz erbracht werden, schließt bei sachgerechter
Auslegung unter Berücksichtigung der in § 37 Nr. 7 BRAGO zum Ausdruck
gekommenen gesetzlichen Wertung die Empfangnahme eines Schriftsatzes, mit dem
das Rechtsmittel zurückgenommen wird, ein, wenn sich - wie hier - im zweiten
Rechtszug noch kein Prozessbevollmächtigter bestellt hat, Zustellungen also gemäß §
56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 172 Abs. 2 Satz 1 ZPO weiterhin an den erstinstanzlich
Bevollmächtigten zu bewirken sind.
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Vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte,
15. Auflage, 2002, § 31 Rn. 20.
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Unter den gleichen Voraussetzungen ist auch die Empfangnahme des nach
Rücknahme des Rechtsmittels ergangenen Einstellungsbeschlusses einschließlich der
Mitteilung an den Auftraggeber durch die für das erstinstanzliche Verfahren festgesetzte
Vergütung abgegolten.
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Ebenso für die Entgegennahme eines das Rechtsmittel verwerfenden Beschlusses OLG
Koblenz, Beschluss vom 6. April 1987 - 14 W 242/87 -, JurBüro 1988, 871 = AnwBl.
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1988, 415; Hartmann, Kostengesetze, 32. Auflage, 2003, § 37 BRAGO Rn. 39;
Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, a.a.O., § 37 Rn. 21.
Eine darüber hinausgehende Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Kläger, die
einen gesonderten Gebührenanspruch für das zweitinstanzliche Verfahren begründen
würde, ist nicht ersichtlich. Die Prozessgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO
entsteht nur, wenn der Prozessbevollmächtigte sowohl mit der Führung des
zweitinstanzlichen Verfahrens beauftragt worden ist als auch das Geschäft im Sinne
dieser Vorschrift betreibt. Daran fehlt es hier. Zweifelhaft erscheint schon, ob die Kläger
ihre Prozessbevollmächtigten vor Abschluss des Rechtsmittelverfahrens mit der
Rechtsverteidigung beauftragt hatten. Der auch die Einlegung von Rechtsmitteln
erfassende Umfang der Prozessvollmacht vermag einen derartigen Auftrag nicht zu
begründen. Denn maßgeblich ist insoweit allein das Innenverhältnis zwischen
Rechtsanwalt und Mandant; dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der
Auftrag - sei es ausdrücklich, sei es konkludent - für jeden Rechtszug gesondert erteilt
wird.
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Vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, a.a.O., § 31 Rn. 14 und 20.
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Ob eine auf eine Vertretung im Rechtsmittelverfahren bezogene Auftragserteilung schon
darin zu sehen ist, dass die Kläger ihren Prozessbevollmächtigten über eine mündliche
Auskunft der Geschäftsstelle, beim Verwaltungsgericht sei ein Antrag auf Zulassung der
Berufung eingegangen, informiert haben, kann offen bleiben. Ungeachtet dessen haben
die Prozessbevollmächtigten der Kläger das zweitinstanzliche Verfahren jedenfalls nicht
i.S.v. § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO betrieben. Aus § 32 BRAGO folgt, dass es hierzu zwar
nicht einer nach außen, etwa durch Einreichen von Schriftsätzen in Erscheinung
getretenen Tätigkeit bedarf; erforderlich ist aber, dass der Prozessbevollmächtigte
irgendeine Tätigkeit zur Wahrnehmung der Rechte seines Auftraggebers entfaltet, und
zwar zumindest in Form eines Gesprächs.
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Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 2. Dezember 1994 - 8 S 3281/94 -, NVwZ-RR
1995, 304; Gerold/ Schmidt/von Eicken/Madert, a.a.O., § 31 Rn. 13 und 25 ff.
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Entgegen der Auffassung der Kläger belegt das anwaltliche Schreiben vom 26.
September 2002 nicht, dass ihre Prozessbevollmächtigten im zweitinstanzlichen
Verfahren schon tätig geworden wären. Deren Mitteilung, sie würden die Kläger
unterrichten, sobald ihnen der Zulassungsantrag nebst Begründung vorliege, zielt
lediglich auf eine Leistung, die gemäß § 37 Nr. 7 BRAGO zum erstinstanzlichen
Verfahren zählt. Eine Beratung zu den Aussichten der Rechtsverfolgung bzw. -
verteidigung, die eine zusätzliche Gebühr unter Umständen hätte anfallen lassen
können,
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vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1991 - IX ZR 186/90 -, a.a.O.; Gerold/Schmidt/ von
Eicken/Madert, a.a.O., § 31 Rn. 31,
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sollte zu jenem Zeitpunkt gerade nicht erfolgen. Den Prozessbevolllmächtigten der
Kläger lag nicht einmal eine Nachricht des Gerichts über den Eingang der
Rechtsmittelschrift oder die Abgabe der Akten vor. Da die Rechtsmittelschrift und der
Einstellungsbeschluss gleichzeitig zugestellt wurden, ist auch später kein weiter
gehender Handlungsbedarf mehr entstanden.
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Auf die vom Verwaltungsgericht unter Hinweis auf den Beschluss des
Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2002,
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- X ZB 9/02 - , NJW 2003, 756, vgl. auch Beschluss vom 3. Juni 2003 - VIII ZB 19/03 -,
NJW 2003, 2992,
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erörterte Frage, ob die in Rede stehenden Anwaltskosten i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO bzw. §
162 Abs. 1 VwGO zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren,
kommt es nach alledem nicht an.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 2, 159 Satz 2 VwGO.
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Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil Gerichtskosten gemäß § 11 Abs. 1 GKG
i.V.m. Nr. 2504 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zum GKG) nicht erhoben werden.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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