Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.12.1998

OVG NRW (ewg, richtlinie, bundesrepublik deutschland, verhältnis zwischen, schlachttier, satzung, ermächtigung, verweisung, landesrecht, tier)

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 5269/94
Datum:
15.12.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 A 5269/94
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 11 K 5634/93
Tenor:
Unter Zurückweisung der Berufung im übrigen wird das angefochtene
Urteil teilweise geändert.
Die Gebührenbescheide des Beklagten vom 3., 4., 6., 7., 10., zweimal
vom 11., 13., 14., 17., 18., 21., 24., 25., 27., 28. und 31. Mai 1993 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 1993 werden
aufgehoben, soweit darin Gebühren für die Schlachttier- und
Fleischuntersuchung bei Rindern, Schweinen (einschließlich
Trichinenuntersuchung) und Schafen/Ziegen festgesetzt sind. Der
Summenbescheid vom 31. Mai 1993, ebenfalls in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 1993 wird aufgehoben, soweit er
einen Betrag von 100,20 DM übersteigt.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.400,60 DM
zurückzuzahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Durch die im Tenor aufgeführten 17 Gebührenbescheide von Mai 1993,
zusammengefaßt in einem Summenbescheid vom 31. Mai 1993 über 7.500,80 DM, zog
2
der Beklagte die Klägerin zu Gebühren für die Durchführung der Schlachttier- und
Fleischuntersuchung im Betrieb der Klägerin bei Rindern, Schweinen (einschließlich
Trichinenuntersuchung) und Schafen/Ziegen und die Durchführung zweier
bakteriologischer Untersuchungen (á je 50,10 DM) heran.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1993)
hat die Klägerin Klage erhoben und geltend gemacht: Die in der Gebührensatzung des
Kreises festgelegten Gebührensätze verstießen gegen § 24 Abs. 2
Fleischhygienegesetz 1987 (FlHG 1987) und die dort in bezug genommene Richtlinie
des Rates vom 29. Januar 1985 über die Finanzierung der Untersuchungen und
Hygienekontrollen von frischem Fleisch und Geflügelfleisch (85/73/EWG) (nachfolgend:
Richtlinie 85/73/ EWG) und die darauf fußende Entscheidung des Rates vom 15. Juni
1988 über die Beträge der für die Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem
Fleisch zu erhebenden Gebühren gemäß der Richtlinie 85/73/EWG (88/408/EWG)
(nachfolgend: Entscheidung 88/408/EWG). Denn die Gebührensätze des Kreises lägen
über den EG-einschlägigen Pauschalsätzen nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 der
Entscheidung 88/408/EWG, die für Rinder 4,5 ECU/Tier, für Jungrinder 2,5 ECU/Tier, für
Schweine 1,3 ECU/Tier und für Schafe/Ziegen höchstens 0,5 ECU/Tier betrügen. Nach
Ablauf der Umsetzungsfrist nach Art. 11 der Entscheidung 88/408/EWG (= 31.
Dezember 1990) könne sich der Einzelne gegenüber dem Mitgliedstaat auf diese
Pauschalsätze berufen. Die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 der Entscheidung
88/408/EWG für eine Abweichung von den Pauschalsätzen lägen nicht vor. Die
konkrete Kalkulation der Gebührensätze entspreche im übrigen nicht den Vorgaben der
Entscheidung 88/408/EWG nebst Anhang und der hierzu veröffentlichten
Protokollerklärung des Agrarrates und der Kommission der Europäischen
Gemeinschaften vom 24. Januar 1989, Bundesanzeiger vom 22. Februar 1989. Die
Gebührensätze seien insbesondere deshalb fehlerhaft, weil sie je nach Anzahl der
untersuchten Tiere gestaffelt seien. Dies führe zu einer Begünstigung von
Großabnehmern und damit zu Wettbewerbsverzerrungen unter den Schlachtbetrieben.
3
Die Klägerin hat beantragt,
4
die Gebührenbescheide des Beklagten vom 3., 4., 6., 7., 10., 11., 13., 14., 17., 18., 21.,
24., 25., 27., 28. und 31. Mai 1993 und den Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1993
aufzuheben.
5
Der Beklagte hat beantragt,
6
die Klage abzuweisen.
7
Er hat geltend gemacht: Die Umsetzung der Richtlinie 85/73/EWG und der
Entscheidung 88/408/EWG sei zulässigerweise durch § 24 Abs. 2 FlHG 1987 den
Ländern und seitens des Landes Nordrhein-Westfalen durch das Gesetz über die
Kosten der Schlachttier- und Fleischbeschau (Fleischbeschaukostengesetz) vom 24.
Juni 1969, GV NW S. 449, in der Fassung des 3. Gesetzes zur Funktionalreform vom 26.
Juni 1984, GV NW S. 370, den Kreisen, kreisfreien Städten und kreisangehörigen
Gemeinde übertragen worden. Die Voraussetzungen für eine Abweichung nach Art. 2
Abs. 2 der Entscheidung 88/408/EWG von den Pauschalbeträgen des Art. 2 Abs. 1 der
Entscheidung 88/408/EWG lägen vor. Denn im M. Kreis wichen die Lohnkosten, die
Struktur der Betriebe (keine Betriebe mit EG-Zulassung) und das Verhältnis zwischen
Tierärzten und Fleischbeschauern von dem Gemeinschaftsdurchschnitt ab, der für die
8
Berechnung der in Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG festgesetzten
Pauschalbeträge festgelegt worden sei. Auch im übrigen habe er die Vorgaben der
Richtlinie 85/73/EWG, der Entscheidung 88/408/EWG, des § 24 FlHG 1987, des
Fleischbeschaukostengesetzes und des ergänzend anzuwendenden
Kommunalabgabengesetzes NW beachtet und in der Gebührensatzung lediglich
kostendeckende Gebührensätze festgelegt, wie sich im einzelnen aus der
Gebührenkalkulation ergebe. Maßgeblicher Kostenfaktor sei der Tarifvertrag für
Tierärzte und die darin vorgesehenen Stückvergütungen und
Wegestreckenentschädigung. Im M. Kreis werde hauptsächlich in Kleinbetrieben
geschlachtet.
Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen
wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
9
Mit der rechtzeitig eingelegten Berufung wiederholt die Klägerin ihr erstinstanzliches
Vorbringen und macht geltend: Die Richtlinie 85/73/EWG und die Entscheidung
88/408/EWG seien nicht ordnungsgemäß in das nationale Recht umgesetzt worden.
Zumindest habe das Land Nordrhein-Westfalen von der ihm durch § 24 Abs. 2 Satz 2
FlHG 1987 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Entscheidung 88/408/EWG eingeräumten
Befugnis, unter den dort genannten Voraussetzungen von den EG-Pauschalbeträgen
abweichen zu dürfen, bisher keinen Gebrauch gemacht und auch keine
Delegationsnorm erlassen, wonach diese Befugnis auf die Kreise/Kommunen
übertragen werde, immer vorausgesetzt eine solche Delegation sei wegen der
bundesweit anzuhaltenden Abweichungskriterien nach Art. 2 Abs. 2 der Entscheidung
88/408/EWG überhaupt zulässig. Das Fleischbeschaukostengesetz sei keine
entsprechende Delegationsnorm, weil es bereits gegolten habe, bevor dem Land
Nordrhein-Westfalen mit dem Inkrafttreten des Fleischhygienegesetzes 1987 überhaupt
die entsprechende Befugnis eingeräumt worden sei. Unabhängig hiervon könne eine
Delegation der Abweichungsbefugnis vom Land auf die Kreise/Kommunen auch
deshalb nicht in Betracht kommen, weil - wie sich aus dem Beschluß des
Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 1997 ergebe - die Abweichungsbefugnis
nach Art. 2 Abs. 2 der Entscheidung 88/408/EWG auf das Vorliegen der entsprechenden
Voraussetzungen im Gesamtstaat Bundesrepublik Deutschland abgestellt sei und es
ein Unding sei, örtliche Satzungsgeber hierüber entscheiden zu lassen. Selbst wenn
eine gültige Satzungsermächtigung vorläge, wären die Gebührensätze der
Gebührensatzung unwirksam, weil der Beklagte sich bei der Kalkulation der
Gebührensätze nicht an die Vorgaben der Richtlinie 85/73/EWG, der Entscheidung
88/408/EWG und der Protokollerklärung des Agrarrates vom 24. Januar 1989 gehalten
habe, wie in erster Instanz dargelegt worden sei.
10
Die Klägerin beantragt,
11
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen sowie den
Beklagten zu verurteilen, die zuviel erhobenen Gebühren zurückzuzahlen.
12
Der Beklagte beantragt,
13
die Berufung zurückzuweisen.
14
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht geltend, die Voraussetzungen
nach Art. 2 Abs. 2 der Entscheidung 88/408/EWG, von den EG-Pauschalbeträgen
15
abweichen zu dürfen, lägen nicht nur bezüglich des Kreisgebietes, sondern auch
bezüglich des Gesamtgebietes der Bundesrepublik Deutschland vor, wie sich nunmehr
nach Durchführung bundesweiter Erhebungen aus der Bekanntmachung des
Bundesministeriums für Gesundheit vom 24. Oktober 1997 (Bundesanzeiger Nr. 204
vom 31. Oktober 1997) ergebe. Bei der konkreten Berechnung der Gebührensätze habe
er auch die Vorgaben des Anhangs zu Art. 2 Abs. 2 der Entscheidung 88/408/EWG
beachtet und die Gebührensätze nur insoweit angehoben, als dies zur Kostendeckung
notwendig gewesen sei.
Der Beteiligte führt aus, durch § 24 Fleischhygienegesetz 1987 und das
Fleischbeschaukostengesetz seien die Kommunen und Kreise in Nordrhein-Westfalen
ermächtigt, die Gebühren auf dem Gebiet der Fleischhygiene durch Satzung zu regeln.
An Satzungsermächtigungen seien nicht so strenge Anforderungen zu stellen wie an
Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen im Sinne von Art. 80 Grundgesetz
(GG). Insoweit unterscheide sich die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen von der
Rechtslage in anderen Bundesländern, in denen die Gebühren jeweils durch
Rechtsverordnungen bestimmt worden seien. Er weist darauf hin, daß der nordrhein-
westfälische Gesetzgeber demnächst eine Novelle zum Fleischbeschaukostengesetz
erlassen werde, der zur Behebung der aufgetretenen Rechtsunsicherheit rückwirkende
Kraft beigelegt werden solle.
16
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und des Sachverhalts im einzelnen wird
auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Beklagten ergänzend Bezug genommen.
17
Entscheidungsgründe
18
Die zulässige Berufung ist - bis auf einen geringfügigen Teilbetrag von 100,20 DM
bezüglich zweier bakteriologischer Untersuchungen (s. unter III) - begründet (I u. II).
19
I.
20
Die angefochtenen Bescheide sind in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang
rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21
II.
22
Auch die nachträgliche erhobene Zahlungsklage ist zulässig und begründet.
23
Zu I.
24
Die seitens des Beklagten der Gebührenerhebung zugrundegelegte Satzung des M.
Kreises über die Erhebung von Gebühren für Amtshandlungen nach dem
Fleischhygienegesetz vom 12. Dezember 1990 in der Fassung der 3.
Änderungssatzung vom 18. Dezember 1992 (GS) ist jedenfalls bezüglich der in § 2 Abs.
1 GS festgelegten Gebühren für Schlachttier- und Fleischuntersuchungen in
gewerblichen Schlachtbetrieben bei Rindern, Schweinen (einschließlich
Trichinenuntersuchung) und Schafen/Ziegen unwirksam.
25
Bezüglich einer Gebührenbemessung abweichend von den Pauschalsätzen des Art. 2
Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG fehlt es an einer ausreichenden gesetzlichen
26
Ermächtigung.
Zwar sieht § 1 Fleischbeschaukostengesetz vor, daß die Kreise, die kreisfreien Städte
und kreisangehörigen Gemeinden durch Satzung die Erhebung von Gebühren regeln,
soweit ihnen als Ordnungsbehörden durch die Fleischbeschauzuständigkeits-
Verordnung (FlZV-NW) Aufgaben übertragen sind. Diese ursprünglich zulässige
landesrechtliche Regelung zur Erhebung von Fleischbeschau - (Fleischuntersuchungs-
)Gebühren seitens der Kommunen und Kreise und zur Regelung der
Gebührenerhebung eigenverantwortlich durch Satzung,
27
vgl. hierzu Urteil des Senats vom 30. November 1989 - 9 A 2109/87 -, NWVBl. 1990,
307; dort auch zur Qualität dieser Gebühr als Verwaltungsgebühr und zur Anwendung
der Gebührenvorschriften des Kommunalabgabengesetzes NW,
28
ist jedoch jedenfalls mit Wirkung ab 1. Januar 1991 durch die bundesrechtliche
Regelung des § 24 Abs. 2 Fleischhygienegesetz (FlHG) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 24. Februar 1987, BGBl. I S. 649, teilweise - jedenfalls in bezug
auf die eigenverantwortliche Gebührenbemessung seitens der kommunalen
Körperschaften - unwirksam geworden. Dies ergibt sich aus folgendem:
29
Das Rechtsgebiet der Fleischhygiene fällt in den Bereich der konkurrierenden
Gesetzgebungszuständigkeit nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 20 GG. In diesem Bereich
haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von
seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht (Art. 72 Abs. 1 GG in der bis 14.
November 1994 geltenden Fassung).
30
Zum Zeitpunkt des Erlasses des Fleischbeschaukostengesetzes vom 24. Juni 1969
hatte der Bund bezüglich einer Gebührenregelung auf diesem Gebiet nur in bezug auf
Gebühren für die Einfuhruntersuchungen Gebrauch gemacht,
31
vgl. § 23 des damals geltenden Fleischbeschaugesetzes in der Fassung des
Änderungsgesetzes vom 18. April 1968, BGBl. I S. 305,
32
so daß der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber befugt war, die
Gebührenerhebung für die übrigen Amtshandlungen auf dem Gebiet der Fleischhygiene
- wie im Fleischbeschaukostengesetz geschehen - zu regeln und die Kommunen zur
eigenverantwortlichen Gebührenregelung durch Satzung zu ermächtigen.
33
Mit Erlaß des Gesetzes zur Änderung des Fleischbeschaugesetzes vom 13. April 1986,
BGBl. I S. 398, hat der Bundesgesetzgeber - die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 Nr.
3 GG in der Fassung bis 14. November 1994 (Bedürfnis nach bundesgesetzlicher
Regelung zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit) lagen vor - von der ihm
zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, Kostenvorschriften nicht nur für
Amtshandlungen bei der Untersuchung des in die Bundesrepublik Deutschland
(Zollgebiet) eingehenden Fleisches, sondern für alle Amtshandlungen nach dem jetzt in
Fleischhygienegesetz umbenannten Gesetz und den zur Durchführung des Gesetzes
erlassenen Vorschriften zu erlassen, insbesondere also auch für die Schlachttier- und
Fleischuntersuchung bei Schlachtungen im Inland.
34
Vgl. § 23 Fleischbeschaugesetz in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 13. April
1986 = § 24 FlHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Fe- bruar 1987, BGBl. I
35
S. 649.
Die Ausübung der Bundeskompetenz bewirkt nicht nur eine Kompetenzsperre für den
Landesgesetzgeber, neues Landesrecht zu erlassen, soweit die bundesrechtliche
Regelung reicht, sondern führt auch dazu, daß früheres Landesrecht, soweit es mit dem
späteren Bundesgesetz unvereinbar ist, außer Kraft gesetzt wird. Früheres Landesrecht
bleibt nur insoweit gültig, als die nunmehr erlassenen bundesrechtlichen Vorschriften
eine ausfüllbare Lücke lassen.
36
Vgl. Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 72 GG Rn. 5; von
Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl. 1996, Art. 72 GG Rn. 10; Alternativ-
Kommentar zum Grundgesetz, 2. Aufl. 1989, Art. 72 GG Rn. 2; BVerwG, Urteil vom 27.
September 1992 - 8 C 9.91 -, KStZ 1993, 74.
37
Das Außerkrafttreten von früherem, mit späterem Bundesrecht unvereinbarem
Landesrecht kann jedes Gericht feststellen, das Entscheidungsmonopol des
Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG erstreckt sich hierauf nicht.
38
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 6. Oktober 1959 - 1 BvL 13/58 -, BVerfGE 10, 124 (128);
Beschluß vom 6. Dezember 1983 - 2 BvL 1/82 -, BVerfGE 65, 359 (373).
39
Die Gebührenregelung in § 24 FlHG in der Fassung von 1987 schränkt den bis dahin
unbeschränkten Spielraum des Landesgesetzgebers zur Gebührenregelung in
unterschiedlicher Weise ein. Während es nach § 24 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FlHG dem
Landesgesetzgeber überlassen bleibt, die kostenpflichtigen Tatbestände zu bestimmen,
wobei nach § 24 Abs. 1 FlHG eine Pflicht zur Gebührenerhebung und
Gebührenregelung durch Landesrecht besteht, ist die den Ländern ebenfalls
eingeräumte Kompetenz zur Gebührenbemessung an bestimmte Maßgaben gebunden.
Nach § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG sind die Gebühren nach Maßgabe der Richtlinie
85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 über die Finanzierung der Untersuchungen
und Hygienekontrollen von frischem Fleisch und Geflügelfleisch (ABl. EG Nr. L 32 S. 14)
zu bemessen.
40
Daß der Bundesgesetzgeber im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die
Überlassung der Kompetenzausübung für den Landesgesetzgeber mit
Einschränkungen oder einzuhaltenden Vorgaben versehen kann, ist allgemein
anerkannt.
41
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 9. Mai 1973 - 2 BvL 43,44/71 -, BVerfGE 35,65/73; BVerwG,
Urteil vom 29. August 1996 - 3 C 7.95 -, Agrarrecht 1997, 227; Maunz-Dürig-Herzog,
a.a.O., Art. 72 GG Rn. 12, 13; von Münch-Kunig, a.a.O., Art. 72 GG Rn. 13, 14, 15.
42
Die Einschränkung bezieht sich hier auf die Beachtung einer bestimmten Richtlinie der
Europäischen Gemeinschaften, der Richtlinie 85/73/EWG. Hinsichtlich einer solchen
Bezugnahme ist gleichfalls anerkannt, daß der Gesetzgeber befugt ist, auf fremdes,
nicht von ihm formuliertes und in Kraft gesetztes Recht eines anderen
Kompetenzbereiches zu verweisen, namentlich auch auf Normen und Begriffe des
Rechts der Europäischen Gemeinschaften.
43
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 13. Oktober 1970 - 2 BvR 618/68 -, BVerfGE 29, 198 (210)
sowie Beschluß vom 1. März 1978 - 1 BvR 786, 793/70, 168/71 und 95/73 -, BVerfGE
44
47, 285 (311); BVerwG, Urteil vom 29. August 1996, a.a.O.
Der relevante Gesamtregelungsinhalt der Norm ergibt sich in solchen Fällen aus dem
Zusammenwirken beider Normen. Soll nach der Verweisungsnorm das
Verweisungsobjekt in seiner jeweiligen Fassung gelten, handelt es sich um eine
„dynamische" Verweisung. Soll hingegen der bei Erlaß der Verweisungsnorm oder zu
einem früheren Zeitpunkt geltende Normtext, auf den verwiesen ist, maßgebend sein,
liegt eine „statische" Verweisung vor. Beide Verweisungsarten sind nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich möglich.
45
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 23. März 1982 - 2 BvL 13/79 -, BVerfGE 60, 135 (155).
46
Wenn dem Wortlaut der Verweisungsnorm nicht zu entnehmen ist, welcher Art die in ihr
enthaltene Verweisung ist, muß diese Frage durch Gesetzesauslegung beantwortet
werden. Besondere Bedeutung kommt in solchen Fällen dem Sinnzusammenhang zu,
in den die gesetzliche Vorschrift eingebettet ist. Der Blick ist auch auf die
Entstehungsgeschichte und die Regelungsziele der Norm im Umfeld der
Verweisungsnorm zu richten.
47
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 23. März 1982, a.a.O.
48
Danach enthält § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG (in der Fassung von 1987) eine „dynamische"
Verweisung.
49
Der Wortlaut des § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG gibt keinen eindeutigen Aufschluß darüber,
ob die Richtlinie 85/73/EWG in ihrer damaligen Ursprungsfassung oder in ihrer
jeweiligen Fassung für die Gebührenbemessung verbindlich sein soll. Der
Bundesgesetzgeber hat sich darauf beschränkt, die amtliche Überschrift der Richtlinie
zu zitieren und in Klammern die Fundstelle für die Veröffentlichung der Richtlinie im
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften anzuführen. Der Wortlaut des § 24 Abs. 2
Satz 2 FlHG in der Fassung von 1987 läßt eine Ausdeutung sowohl als statische als
auch als dynamische Verweisung zu.
50
Die Auslegung ergibt, daß § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG eine dynamische Verweisung auf
die Richtlinie 85/73/EWG in ihrer jeweiligen Fassung enthält.
51
Anderer Ansicht: Thüringer OVG, Beschluß vom 30. Juli 1997 - 2 EO 196/96 -, Leitsatz
veröffentlicht in DVBl. 1998, 153; Bay. VGH in seinem Vorlagebeschluß an den EuGH
vom 20. Oktober 1997, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 387, S. 11,
Rechtssache C - 374/97.
52
Die Änderung der Gebührenregelung des damals noch geltenden § 23
Fleischbeschaugesetz vom 28. September 1981, BGBl. I S. 1045, durch das Gesetz zur
Änderung des Fleischbeschaugesetzes vom 13. April 1986, BGBl. I S. 398, war im
Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 30. April 1985 (BT-Drucks. 10/3279) noch
nicht enthalten, sondern ist erst im Verlaufe der parlamentarischen Beratung eingeführt
worden (s. Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und
Gesundheit vom 3. Dezember 1985 (BT-Drucks. 10/4410)), und zwar als neu gefaßter §
23 Fleischbeschaugesetz (= § 24 FlHG in der Fassung 1987). Sie diente - wie der
Einzelbegründung zu § 23 Fleischbeschaugesetz zu entnehmen ist (BT-Drucks.
10/4410, S. 15) - der Umsetzung der (neuen) Richtlinie des Rates für die Regelung der
53
Kosten für amtliche Untersuchungen bei Fleisch und Geflügelfleisch (gemeint war die
Richtlinie 85/73/EWG), die nach Auffassung des Bundestagsausschusses bis zum 1.
Januar 1986 in deutsches Recht zu übernehmen war. Die parlamentarischen Gremien
wollten damit der Regelung in Art. 4 der Richtlinie 85/73/EWG i.V.m. Art. 189 Abs. 3 EG-
Vertrag nachkommen, wonach die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und
Verwaltungsvorschriften erlassen, um der Richtlinie spätestens am 1. Januar 1986
nachzukommen.
Die Richtlinie 85/73/EWG war zum damaligen Zeitpunkt lediglich eine Blankett-
Vorschrift. Sie sah zwar in Art. 1 vor, daß die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, daß ab
1. Januar 1986 für die in Abs. 1 1. und 2. Gedankenstrich angeführten Schlachttier- und
Fleischuntersuchungen sowie Hygienekontrollen Gebühren erhoben werden, um die
Kosten dieser Untersuchungen und Kontrollen zu decken und daß jede direkte und
indirekte Erstattung der Gebühren untersagt wird. Die konkrete Festlegung der
jeweiligen pauschalen Höhe der Gebühren sowie die Einzelheiten und Grundsätze der
Richtlinie und ihrer Ausnahmen waren jedoch einer vom Rat auf Vorschlag der
Kommission mit qualifizierter Mehrheit zu treffenden Entscheidung vorbehalten (Art. 2
Abs. 1 Richtlinie 85/73/EWG). Art. 3 der Richtlinie 85/73/EWG sah vor, daß die
Richtlinie aufgrund der gewonnenen Erfahrungen gegebenenfalls zu ändern sei.
Angesichts dieses Blankett-Charakters der Richtlinie 85/73/EWG zum damaligen
Zeitpunkt hätte es ausgereicht, wenn der Gesetzgeber - wie in § 23 Abs. 1
Fleischbeschaugesetz = § 24 FlHG geschehen - die Pflicht zur Erhebung
kostendeckender Gebühren und Auslagen festgelegt und in Absatz 2 bestimmt hätte,
daß die nähere Ausgestaltung durch Landesrecht erfolgt. Der Gesetzgeber ist jedoch
darüber hinausgegangen und hat den Ländern bezüglich der Gebührenbemessung
vorgeschrieben, daß die Gebühren nach Maßgabe der Richtlinie 85/73/EWG zu
bemessen seien. Diese ausdrückliche Bindung der Länder bezüglich der
Gebührenbemessung an die Richtlinie 85/73/EWG wäre überflüssig und inhaltsleer,
wenn sie sich ausschließlich auf die von den Organen der Europäischen
Gemeinschaften selbst noch nicht umgesetzte Richtlinie 85/73/EWG in der (damals
vorliegenden) Ursprungsfassung als Blankett-Vorschrift bezogen hätte. Sie machte
dagegen Sinn, wenn sie auch die künftige und demnächst zu erwartende Ausgestaltung
der Richtlinie durch Ratsentscheidung nach Art. 2 der Richtlinie 85/73/EWG und durch
Änderungsrichtlinien nach Art. 3 der Richtlinie 85/73/EWG einbezog, d. h. als
dynamische Verweisung zu verstehen ist.
54
Für diese Auslegung der Norm spricht insbesondere der Umstand, daß der
Bundesgesetzgeber die Ausgestaltung der Gebührenregelung dem Landesrecht
vorbehalten hat. Bei einer statischen Verweisung auf die Richtlinie 85/73/EWG in der
damaligen Fassung wäre der Bundesgesetzgeber bei jeder künftigen Änderung der
Richtlinie 85/73/EWG verpflichtet gewesen, im Hinblick auf die
Anpassungsverpflichtung nach Art. 189 Abs. 3 EG-Vertrag seinerseits das
Fleischhygienegesetz zu ändern und jeweils neu zu bestimmen, daß die Länder
nunmehr auch die neue Änderungsrichtlinie zur Richtlinie 85/73/EWG zu beachten
haben. Da dem Bundesgesetzgeber bei Erlaß des Änderungsgesetzes vom 13. April
1986 nicht unbekannt sein konnte, daß EG-Richtlinien in diesem Bereich häufig
geändert und angepaßt werden, daß nach Art. 189 Abs. 3 EG-Vertrag ein ständiger
Anpassungszwang für die Mitgliedstaaten besteht, ihre innerstaatliche Rechtsordnung
den Zielen der jeweiligen Änderung einer Richtlinie anzupassen, wäre eine statische
Verweisung - selbst wenn es sich bei der Richtlinie 85/73/EWG nicht um eine Blankett-
Vorschrift, sondern um eine konkrete Regelungen enthaltende EG-Vorschrift gehandelt
55
hätte - höchst unpraktisch gewesen.
Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis durch das spätere Verhalten des
Bundesgesetzgebers. Zur Begründung der durch das Gesetz zur Änderung
veterinärrechtlicher, lebensmittelrechtlicher und tierzuchtrechtlicher Vorschriften vom 18.
Dezember 1992, BGBl. I S. 2022, mit Wirkung ab 1. Januar 1993 in § 24 Abs. 2 Satz 2
FlHG vor den Worten „zu bemessen" eingefügten Worte „und der auf Grund dieser
Richtlinie erlassenen Rechtsakte der Organe der Europäischen Gemeinschaft" ist in der
Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 31. August 1992 (BT-
Drucks. 12/3201, S. 36) ausgeführt, die Ergänzung diene der Klarstellung, daß die
Gebührenbemessung auch aufgrund von Durchführungsbestimmungen nach der
Grundrichtlinie 85/73/EWG erfolge. Die Grundrichtlinie 85/73/EWG als Blankett-
Vorschrift war zum damaligen Zeitpunkt (1992) nicht nur gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1
durch die Entscheidung des Rates vom 15. Juni 1988 über die Beträge der für die
Untersuchungen und Hygienekontrollen von frischem Fleisch zu erhebenden Gebühren
gemäß der Richtlinie 85/73/EWG (88/408/EWG) (ABl. Nr. L 194, S. 24) ausgefüllt,
sondern durch eine Änderungsrichtlinie des Rates vom 15. Juni 1988 mit
Hygienevorschriften für Fleisch für den Inlandsmarkt und zur Festlegung der gemäß der
Richtlinie 85/73/EWG für die Untersuchung dieses Fleisches zu erhebenden Gebühren
(88/409/EWG) (ABl. Nr. L 194, S. 28) ergänzt worden. Bei angenommener statischer
Verweisung auf die Grundrichtlinie 85/73/EWG hätte der Gesetzgeber spätestens jetzt
Veranlassung gehabt, den Wortlaut des § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG dahin
umzuformulieren, daß die Richtlinie 85/73/EWG in ihrer jeweiligen Fassung bei der
Gebührenbemessung zu beachten sei.
56
Vgl. zur Änderung des Wortlauts des § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG durch das
Änderungsgesetz vom 18. Dezember 1992 als Klarstellung: BVerwG, Urteil vom 29.
August 1996 - 3 C 7.95 -, a.a.O.
57
Die Auslegung der „Maßgabe" in § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG als dynamische Verweisung
auf die Richtlinie 85/73/EWG in ihrer jeweiligen Fassung bedeutet, daß die den Ländern
durch § 24 Abs. 2 FlHG eingeräumte Befugnis, durch Landesrecht die
Gebührenerhebung im einzelnen zu regeln, bezüglich des Bereichs der
Gebührenbemessung durch die strikte bundesrechtliche Verpflichtung eingeengt war,
den jeweiligen Inhalt der Richtlinie 85/73/EWG zu beachten. Damit war die
Verpflichtung des Bundes aus Art. 189 Abs. 3 EG-Vertrag, gemäß Art. 11 der
Entscheidung des Rates vom 15. Juni 1988 (88/408/EWG) und gemäß Art. 6 der
Richtlinie des Rates vom 15. Juni 1988 (88/409/EWG) die Vorgaben der Richtlinie
85/73/EWG bis zum 31. Dezember 1990 umzusetzen, für den hier interessierenden
Bereich der Gebührenbemessung qua Bundesrecht auf die Länder übertragen. Einer
solchen Übertragung der Umsetzungsbefugnis auf innerstaatlicher Ebene steht EG-
Recht nicht entgegen, sofern diese Zuständigkeitsverteilung eine ordnungsgemäße
Durchführung der betreffenden Gemeinschaftsakte ermöglicht.
58
Vgl. EuGH , Urteil vom 10. November 1992 - Rs C 156/91 -, NJW 1993, 315 zur
Umsetzung der Richtlinie 85/73/EWG und der Entscheidung 88/408/EWG.
59
Die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Ratsentscheidung 88/408/EWG und der
Änderungsrichtlinie 88/409/EWG schreibt den Mitgliedstaaten vor, daß für die in Art. 1
Richtlinie 85/73/EWG, Art. 1 der Entscheidung 88/408/EWG und Art. 4 der
Änderungsrichtlinie 88/409/EWG umschriebenen Schlachttier- und
60
Fleischuntersuchungen sowie Hygienekontrollen die in Art. 2 Abs. 1 und Art. 3
(Gebührenanteil bei Zerlegung von Fleisch) der Ratsentscheidung 88/408/EWG
festgelegten durchschnittlichen Pauschalbeträge zu erheben sind. Zwar sieht Art. 2 Abs.
2 Satz 1 der Ratsentscheidung 88/408/EWG vor, daß die Mitgliedstaaten, in denen die
Lohnkosten, die Struktur der Betriebe und das Verhältnis zwischen Tierärzten und
Fleischbeschauern von dem Gemeinschaftsdurchschnitt, der für die Berechnung der in
Abs. 1 festgesetzten Pauschalbeträge festgelegt wurde, abweichen, die
Pauschalbeträge auf den Stand der tatsächlichen Untersuchungskosten senken bzw.
anheben können. Sie haben dabei gemäß Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 der Entscheidung
88/408/EWG von den im Anhang genannten Grundsätzen auszugehen. Diese den
Mitgliedstaaten eingeräumte Abweichungsbefugnis,
vgl. hierzu BVerwG, Beschluß vom 12. März 1997 - 3 NB 3.94 -,
61
ist durch Bundesrecht, nämlich § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG 1987, den Ländern übertragen
worden. Diese hatten demgemäß durch Landesrecht zu bestimmen, ob sie von dieser
Abweichungsbefugnis Gebrauch machen wollten oder die Abweichungsbefugnis
ihrerseits auf andere Körperschaften übertragen wollten.
62
Von dieser Abweichungsbefugnis hat das Land Nordrhein- Westfalen bisher keinen
Gebrauch gemacht. Es hat weder eine Entscheidung dahin getroffen, daß für den
Bereich Nordrhein- Westfalen von den Pauschalsätzen abgewichen werden soll (mit
ggf. anschließender Ermächtigung der kommunalen Körperschaften, die Einzelheiten
durch Satzung zu regeln), noch eine Entscheidung dahin, daß die dem Land
zustehende Abweichungsbefugnis als solche den kommunalen Körperschaften
übertragen wird. Die vor Inkrafttreten (18. April 1986) des § 23 Fleischbeschaugesetz (=
§ 24 FlHG) getroffene Entscheidung des Landesgesetzgebers in Gestalt des
Fleischbeschaukostengesetzes vom 24. Juni 1969 in der Fassung des
Änderungsgesetzes vom 26. Juni 1984, den kommunalen Körperschaften die Befugnis
einzuräumen, durch Satzung eigenverantwortlich - inhaltlich lediglich gebunden durch
die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes NW - die Erhebung von
Fleischbeschaukosten zu regeln, ist keine Entscheidung nach § 24 FlHG. Die
Ausübung einer dem Land durch Bundesgesetz eingeräumten Befugnis (hier: § 24 Abs.
2 Satz 2 FlHG), unter bestimmten Voraussetzungen von den zwingenden Vorgaben der
Richtlinie 85/73/EWG abweichen zu dürfen, setzt zwingend voraus, daß das Land eine
entsprechende Ermessensentscheidung nach Einräumung dieser Befugnis trifft.
63
§ 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG enthält eine zwingende bundesrechtliche Regelung, in welcher
Weise die Länder die Gebührenbemessung zu regeln haben, nämlich unter Bindung an
die Vorgaben der Richtlinie 85/73/EWG in der jeweiligen Fassung. Er läßt keinen Raum
für abweichende landesrechtliche Regelungen. Soweit das
Fleischbeschaukostengesetz von dieser Regelung abweicht, nämlich den kommunalen
Körperschaften die Regelung der Gebühren durch Satzung in Eigenverantwortung -
ohne Bindung an die Vorgaben der Richtlinie 85/73/EWG - überläßt, ist das
Fleischbeschaukostengesetz wegen Verletzung von Bundesrecht unwirksam geworden.
64
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 12. März 1997 - 3 NB 3.94 -.
65
Die Unwirksamkeit ist allerdings in zweierlei Hinsicht einzugrenzen. Sie bezieht sich nur
auf den Regelungsbereich der Richtlinie 85/73/EWG, d.h. auf die dort umschriebenen
Schlachttier- und Fleischuntersuchungen sowie Hygienekontrollen. Innerhalb dieses
66
Bereichs erstreckt sich die Unwirksamkeit des Fleischbeschaukostengesetzes wegen
Verstoßes gegen § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG wiederum nur auf einen Teil dieser
Regelung. Soweit das Fleischhygienegesetz in seinem § 24 keine abschließende
Regelung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG trifft, nämlich in bezug auf die Frage, welche
Stelle innerhalb der Landesverwaltung das Verfahren der Gebührenerhebung regeln
soll, wer die kostenpflichtigen Tatbestände festlegen soll und wer diesen
Gebührentatbeständen in Übereinstimmung mit zwingenden bundesrechtlichen
Gebührenpauschalen (hier: die Gebührenpauschalen der Richtlinie 85/73/EWG)
Gebührensätze zuordnen soll, blieb die landesrechtliche Kompetenz zur Rechtsetzung
unberührt. Dies bedeutet, daß Landesrecht, das sich in diesem Rahmen hält, durch das
neue Bundesrecht nicht verdrängt wird und weiter Gültigkeit besitzt. Eine
landesrechtliche Regelung, die sich darauf beschränkt hätte, den kommunalen
Körperschaften die Befugnis einzuräumen, durch Satzung das Verfahren der
Gebührenerhebung zu regeln, die Gebührentatbestände für Amtshandlungen nach dem
Fleischhygienegesetz zu bestimmen und den jeweiligen Gebührensatz entsprechend
zwingenden gesetzlichen Vorgaben festzulegen, würde also Gültigkeit behalten. Da
sich das nordrhein-westfälische Fleischbeschaukostengesetz gedanklich und inhaltlich
auf eine solche zulässige Kernaussage reduzieren läßt, ohne daß die Klarheit und
Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung darunter leidet, ist das nordrhein-westfälische
Fleischbeschaukostengesetz im Wege verfassungskonformer Auslegung dahin zu
reduzieren, daß es mit diesem eingeschränkten, sich unmittelbar aus § 24 FlHG
ableitbaren Inhalt weiter Bestand hat und nur die überschießende Regelung unwirksam
geworden ist (Teilunwirksamkeit).
Eine landesrechtliche Regelung mit diesem Inhalt zur Regelung der im Gesetz
festgelegten Umstände der Gebührenerhebung durch Satzung ist inhaltlich hinreichend
bestimmt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist nämlich geklärt, daß die
Grundsätze, die gemäß Art. 80 Abs. 1 GG für die Übertragung rechtsetzender Gewalt an
die Exekutive gelten, auf die Verleihung autonomer Satzungsgewalt an die Gemeinden
nicht anwendbar sind, daß deshalb bei der Ermächtigung zum Erlaß gemeindlicher
Satzungen eine Bestimmtheit der Ermächtigung nur insoweit zu fordern ist, als sich aus
der Ermächtigung zweifelsfrei entnehmen lassen muß, welchen Gegenstand die
autonome Rechtsetzung betreffen darf. Vgl. BVerwG, Beschluß vom 17. Juli 1989 - 8 B
159.88 -, Buchholz 401.68 Nr. 24; BVerfG, Beschluß vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62
und 308/64 -, BVerfGE 33, 125 (157 ff.); Beschluß vom 10. März 1998 - 1 BvR 178/97 -,
HSGZ 1998, 327 (329).
67
Mangels Existenz einer landesrechtlichen Ermächtigung, abweichend von den
Pauschalsätzen der Entscheidung 88/408/EWG durch Satzung die Höhe der Gebühren
festzulegen, sind die Gebührensätze in § 2 Abs. 1 GS unwirksam, soweit sie bezüglich
der in Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG aufgeführten Fleischarten höhere
Gebühren als die der EG-Pauschalgebühren festsetzen.
68
Eine solche Fallgestaltung ist hier gegeben. Selbst die niedrigsten Gebührensätze der
gestaffelten Gebührensätze in § 2 Abs. 1 GS sind höher als die Pauschalsätze nach Art.
2 Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG. Diese betragen unter Anwendung des nach
Art. 9 der Entscheidung 88/408/EWG in der Fassung der Änderungsentscheidung vom
14. Juni 1993 (93/386/EWG) und vom 21. September 1993 (93/513/EWG)
zugrundezulegenden amtlichen Umrechnungskurses für den 1. September 1992 (1 ECU
= 2,02635 DM, s. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 226, S. 1) für
ausgewachsene Rinder 9,12 DM (= 4,5 ECU * 2,02635), für Jungrinder 5,07 DM (= 2,5
69
ECU * 2,02635), für Schweine 2,63 DM (= 1,3 * 2,02635) und für Schafe/Ziegen der
schwersten Kategorie 1,01 DM (= 0,5 ECU * 2,02635). Demgegenüber hat der Beklagte
bei Rindern einen Gebührensatz von mind. 13,00 DM, bei Schafen/Ziegen von mind.
4,50 DM und bei Schweinen (einschließlich Trichinenuntersuchung von mind. 11,00 DM
festgesetzt.
Die Teilunwirksamkeit der Gebührensatzfestsetzung führt zur Gesamtungültigkeit der in
§ 2 Abs. 1 GS festgelegten Gebührensätze, soweit diese sich auf die in Art. 2 Abs. 1 der
Entscheidung 88/408/EWG aufgeführten Fleischarten Rindfleisch, Schweinefleisch,
Schaf- und Ziegenfleisch beziehen. Die Entscheidung 88/408/EWG sieht nämlich eine
Aufspaltung der Gebührensätze bei Rindfleisch für ausgewachsene Rinder und für
Jungrinder vor, bei Schaf- und Ziegenfleisch eine Aufspaltung nach drei
Gewichtsklassen. Da die Gebührensatzung eine solche notwendige Auffächerung der
Gebührensätze, Gebührenmaßstäbe und Gebührentatbestände nicht vorsieht, kann
bezüglich der vom Beklagten formulierten Einheitstatbestände für Rinder, Schafe und
Ziegen kein konkreter, reduzierter Gebührensatz festgelegt werden. Auch bezüglich der
Schlachttier- und Fleischuntersuchungen bei Schweinen kann kein reduzierter
Gebührensatz festgelegt werden. Denn der Beklagte hat in der Gebührensatzung keinen
isolierten Maßstab für Schlachttier- und Fleischuntersuchungen bei Schweinen gebildet.
Vielmehr hat er einen Kombinationsmaßstab (Einheitsmaßstab) für die Schlachttier- und
Fleischuntersuchungen einschließlich Trichinenuntersuchung gewählt, obwohl die
Trichinenuntersuchung nicht von den Pauschalsätzen des Art. 2 Abs. 1 der
Entscheidung 88/408/EWG erfaßt wird, wie der Senat in seinem Urteil vom heutigen
Tage in dem Verfahren 9 A 2561/97 ausgeführt hat. Wegen der Zusammenfassung
zweier verschiedener Gebührenmaßstäbe in einem Gebührensatz ist es nicht möglich,
den Gebührensatz auf den EG-Pauschalsatz von 2,63 DM zu reduzieren. Denn dann
entfiele eine zulässige Gebühr für die Trichinenuntersuchung.
70
Damit ist die Anfechtungsklage, soweit sie sich gegen die Festsetzung von Gebühren
für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung bei Rindern, Schweinen und
Schafen/Ziegen richtet, begründet, d. h. hinsichtlich eines Gebührenbetrages von
7.400,60 DM.
71
Zu II.
72
Die sich auf diesen Teil der Anfechtungsklage beziehende Klageerweiterung in Gestalt
eines Folgenbeseitigungsantrags ist nach § 113 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwGO zulässig.
73
Die Zahlungsklage ist auch - als gesetzlich geregelte Stufenklage - begründet.
74
Nach Aufhebung der Gebührenbescheide sind die seitens der Klägerin unstreitig auf
diesen Teil der Gebührenfestsetzung in Höhe von 7.400,60 DM geleisteten Zahlungen
ohne Rechtsgrund geleistet. Der Klägerin steht insoweit ein
Folgenbeseitigungsanspruch in Form eines Erstattungsanspruchs zu.
75
Zu III.
76
Die Berufung ist nicht begründet, soweit sie sich auf die in den Bescheiden vom 11. Mai
1993 (Nr. 950) und 24. Mai 1993 (Nr. 960) festgesetzten Gebühren für je eine
bakteriologische Untersuchung (á 50,10 DM) bezieht.
77
Die beiden angefochtenen Bescheide (und der Summenbescheid) sind insoweit nicht
rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht ihren Rechten.
78
Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Erhebung von Gebühren für die Durchführung
derartiger Untersuchungen nicht unter die nach § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG 1987
verbindliche Verbotsnorm des Art. 5 Abs. 1 der Entscheidung 88/408/EWG fällt.
79
Die bakteriologischen Untersuchungen fallen nicht unter die Schlachttier- und
Fleischuntersuchung nach der Richtlinie 64/433/EWG in der ab. 1. Januar 1993
anzuwendenden kodifizierten Fassung des Anhangs zur Richtlinie 91/497/EWG vom
29. Juli 1991 (Abl. Nr. L 268, S. 68). Sie ist keine Schlachttieruntersuchung im Sinne des
Anhang I Kapitel VI Richtlinie 64/433/EWG, weil sie nicht am lebenden Schlachttier,
sondern nach der Schlachtung an Tierkörperteilen vorgenommen wird. Sie gehört auch
nicht zu der obligatorischen Fleischuntersuchung nach Anhang I Kapitel VIII Nrn. 40 bis
41 A - E der Richtlinie 64/433/EWG. Diese besteht bei jedem Tier aus dem Besichtigen,
Durchtasten und Anschneiden bestimmter Organe des Tieres, wobei dies je nach
Tiergattung variieren kann. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine
Laboruntersuchung, die nur im Verdachtsfall gemäß Anhang I Kapitel VIII Nr. 41 F der
Richtlinie 64/433/EWG an den wesentlichen Teilen eines verdächtigen Tieres, nicht an
allen Tieren vorgenommen wird (S. auch § 5 Abs. 3 Nr. 3 der Fleischhygiene-
Verordnung (FlHV) vom 30. Oktober 1986, BGBl. I S. 1678, i.V.m. der Anlage 1 Kapitel
III Nr. 3). Da diese Laboruntersuchung nur durch den verdächtigen Zustand eines
bestimmten geschlachteten Tieres veranlaßt ist und einem bestimmten Verursacher,
dem Besitzer des verdächtigen Tieres, angelastet werden kann, bestand für den EG-
Richtliniengeber keine Veranlassung, die Kosten für derartige Sonderuntersuchungen
dem Gebührenbereich nach Art. 2 der Entscheidung 88/408/EWG zuzuordnen und die
Besitzer unverdächtiger und gesunder Tiere mit derartigen Zusatzkosten zu belasten.
80
Die bakteriologischen Fleischuntersuchungen im Verdachtsfall sind auch keine
Hygienekontrollen im Sinne der Richtlinie 85/358/EWG und der Richtlinie 86/469/EWG.
Die Hygienekontrollen in den Schlachthöfen nach Art. 4 der Richtlinie des Rates vom
16. Juli 1985 zur Ergänzung der Richtlinie 81/602/EWG über ein Verbot von bestimmten
Stoffen mit hormoneller Wirkung und von Stoffen mit thyreostatischer Wirkung
(85/358/EWG) bzw. nach Art. 6 i.V.m. Anhang II und nach Art. 8 der Richtlinie des Rates
vom 16. September 1986 über die Untersuchung von Tieren und von frischem Fleisch
auf Rückstände (86/469/EWG) sind stichprobenweise EG-weit nach einheitlichen
Standards durchgeführte Untersuchungen auf Rückstände und verbotene Stoffe im
Sinne der erwähnten Richtlinien. Sie werden im Interesse des (Fleisch)Verbrauchers im
Vorfeld eines konkreten Verdachtes an jedem Tier durchgeführt, das in den
Stichprobenraster fällt (siehe Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 64/433/EWG).
81
Die Gebührenbescheide finden ihre Rechtsgrundlage in den §§ 1, 4, 7 der
Gebührensatzung.
82
Diese Satzungsbestimmungen, die den Gebührenpflichtigen, den Gebührentatbestand,
den Gebührenmaßstab und den Gebührensatz sowie die Fälligkeit regeln, sind
wirksam.
83
Gesetzliche Grundlage der Gebührenregelung in der Gebührensatzung ist das
Fleischbeschaukostengesetz i.V.m. § 24 FlHG 1987 in der Fassung des
Änderungsgesetzes vom 18. Dezember 1992, BGBl. I S. 2022, und den ergänzenden
84
Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes NW (§§ 1, 2, 4, 5), soweit diese nicht
durch § 24 FlHG verdrängt sind.
Wie der Senat unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des
Fleischbeschaukostengesetzes in seinem
85
Urteil vom 30. November 1989 - 9 A 2109/87 -, NWVBl. 1990, 307,
86
ausgeführt hat, handelt es sich bei dem Fleischbeschaukostengesetz um eine
Spezialvorschrift auf dem Gebiet des Gebührenrechts, durch die die Gebührenerhebung
im Bereich der damaligen Fleischbeschau (jetzt Fleischhygiene) dem Bereich der
kommunalen Gebühren mit ergänzender Anwendung der Vorschriften des
Kommunalabgabengesetzes zugeordnet worden ist und nicht dem Bereich der
staatlichen Gebührenerhebung. Hieran hat sich durch den späteren Erlaß des den
Bereich der staatlichen Gebühren neu regelnden Gebührengesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 23. November 1971, GV NW S. 354, nichts geändert. Das
Fleischbeschaukostengesetz geht als Sondergesetz im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1
Gebührengesetz NW dem Gebührengesetz vor.
87
Die in § 1 Fleischbeschaukostengesetz ausgesprochene Ermächtigung an die Kreise,
die Erhebung von Gebühren durch Satzung zu regeln, soweit sie auf dem Gebiet der
Fleischbeschau als Ordnungsbehörden zuständig sind, ist eine inhaltlich hinreichend
bestimmte Ermächtigung. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist nämlich geklärt,
daß die Grundsätze, die gemäß Art. 80 Abs. 1 GG für die Übertragung rechtsetzender
Gewalt an die Exekutive gelten, auf die Verleihung autonomer Satzungsgewalt an die
Gemeinden nicht anwendbar sind, daß deshalb bei der Ermächtigung zum Erlaß
gemeindlicher Satzungen eine Bestimmtheit der Ermächtigung nur insoweit zu fordern
ist, als sich aus der Ermächtigung zweifelsfrei entnehmen lassen muß, welchen
Gegenstand die autonome Rechtsetzung betreffen darf.
88
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 17. Juli 1989 - 8 B 159.88 -, Buchholz 401.68 Nr. 24;
BVerfG, Beschluß vom 9. Mai 1972 - 1 BvR 518/62 und 308/64 -, BVerfGE 33, 125 (157
ff.); Beschluß vom 10. März 1998 - 1 BvR 178/97 -, HSGZ 1998, 327 (329).
89
Der Gegenstand der autonomen Rechtsetzungsbefugnis, Gebührensatzungen auf dem
Gebiet der Fleischhygiene zu erheben, läßt sich dem Gesetz ohne weiteres entnehmen.
Darüber hinaus wird § 1 Fleischbeschaukostengesetz ergänzt zunächst durch § 24
FlHG 1987 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 18. Dezember 1992, der - die
frühere „Kann-Regelung" des § 4 KAG NW insoweit verdrängend - nunmehr zwingend
die Erhebung von Gebühren vorschreibt, und zwar als kostendeckende Gebühren.
90
Vgl. Urteil des Senats vom 24. März 1992 - 9 A 2338/89 -.
91
Die Verpflichtung zur Erhebung kostendeckender Gebühren bedeutet zweierlei: einmal,
daß eine Gebührenerhebung mit Unterdeckung unzulässig ist, zum andern, daß die zu
erhebenden Gebühren nach den bundesrechtlichen Grundsätzen zur Kostendeckung
die in dem entsprechenden Verwaltungszweig entstehenden Kosten nicht übersteigen
dürfen, es sei denn, die in § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG 1987 in der Fassung des
Änderungsgesetzes vom 18. Dezember 1992 für die Gebührenbemessung in Bezug
genommene Richtlinie 85/73/EWG schreibt etwas anderes vor.
92
Vgl. Urteil des Senats vom 24. März 1992, a.a.O.
93
Wie bereits oben ausgeführt, fallen die bakteriologischen Untersuchungen nicht unter
den Anwendungsbereich der Richtlinie 85/73/EWG und der Entscheidung 88/408/EWG,
so daß insoweit eine besondere Begrenzung der Gebührenbemessung und der
Gebührenhöhe durch Art. 2 der Entscheidung 88/408/EWG (Pauschalsätze) nicht
eingreift.
94
In Übereinstimmung mit diesen gesetzlichen Vorgaben hat der Beklagte in § 1 der
Gebührensatzung den Kreis der Abgabeschuldner, in den §§ 1 und 4 den
gebührenpflichtigen Tatbestand und den Maßstab (Durchführung einer
bakteriologischen Fleischuntersuchung, Gebühr je Tier) und in § 4 der
Gebührensatzung den Satz der Abgabe (50,10 DM je untersuchtes Tier) festgelegt. Den
konkret festgelegten Abgabesatz von 50,10 DM/untersuchtes Tier hat der Beklagte
ermittelt auf der Basis veranschlagter 32 Untersuchungen pro Jahr und einem
veranschlagten Kostenvolumen von insgesamt 1.602,30 DM. Letzteres ist - wie sich aus
der vorgelegten Gebührenkalkulation ergibt - seinerseits kalkuliert unter
Zugrundelegung von Personalkosten für das Fach- und Verwaltungspersonal (727,54
DM), Sachkosten (541,96 DM bestehend aus Versandkosten und Auslagen in Gestalt
von Gebühren für das staatliche Veterinäruntersuchungsamt) und
Wegestreckenentschädigung laut Tarifvertrag (0,52 DM/km bei angenommen 2 x 10 km
pro Fall = 332,80 DM). Konkrete Einwendungen gegen die Richtigkeit der Ansätze der
Gebührenkalkulation hat die Klägerin nicht erhoben. Auch der Senat hat keine
Anhaltspunkte dafür, daß die Kalkulation fehlerhaft sein könnte.
95
Die Berufung war daher hinsichtlich dieses Teils der Klage zurückzuweisen.
96
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO.
97
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO nicht gegeben sind.
98