Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 17.11.2008

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Oberverwaltungsgericht NRW, 6 B 1073/08
Datum:
17.11.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 B 1073/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 2 L 111/08
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der
Streitwertfestsetzung geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese
selbst tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde ist begründet.
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Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO in
Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Die Auswahlentscheidung zu
Gunsten der Beigeladenen ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Auswahlentscheidung beruht auf einer rechtmäßigen Beurteilung des
Antragstellers. Die dienstliche Beurteilung von Polizeivollzugsbeamten erfolgt nach den
Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen - BRL
Pol - (RdErl. d. Innenministeriums vom 25. Januar 1996, geändert durch Runderlass
vom 19. Januar 1999, SMBl. NRW. 203034). Das Beurteilungsverfahren ist zweistufig
ausgestaltet. Nach Nr. 9.3 Abs. 2 BRL Pol beauftragt der Endbeurteiler einen
Vorgesetzten des Beamten mit der Erstellung eines Beurteilungsvorschlags. Dieser
muss nach Nr. 9.1 Abs. 3 Satz 2 BRL Pol in der Lage sein, sich aus eigener
Anschauung ein Urteil über den zu beurteilenden Beamten zu bilden; einzelne
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Arbeitskontakte oder kurzfristige Einblicke in die Arbeit reichen hierfür nicht aus. Der
Endbeurteiler entscheidet abschließend über die Beurteilung (Nr. 9.2 Abs. 1 Satz 2 BRL
Pol).
Der Erstbeurteiler PHK T. , der für die hier in Rede stehende Beurteilung des
Antragstellers vom 30. Januar 2008 den Beurteilungsvorschlag erstellt hat, war nicht in
der Lage, sich aus eigener Anschauung ein Bild über die Leistungen des Antragstellers
zu machen. Im fraglichen Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2003 bis zum 30.
September 2005 war er nicht Vorgesetzter des Antragstellers und es bestanden
offensichtlich auch keine anderweitigen Arbeitskontakte. Gleichwohl ist es hier
entgegen Nr. 9.1 Abs. 3 Satz 2 BRL Pol rechtlich nicht zu beanstanden, dass PHK T. als
Erstbeurteiler des Antragstellers tätig geworden ist. Ein anderer Vorgesetzter (vgl. Nr.
9.3 Abs. 2 BRL Pol) mit ausreichenden Arbeitskontakten zum Antragsteller im
Beurteilungszeitraum stand nicht zur Verfügung. Der einzige vorgesetzte Beamte, der
sich aufgrund eigener Anschauung ein Urteil über den Antragsteller bilden konnte,
EPHK a.D. O. , war bereits im Jahr 2006 in den Ruhestand versetzt worden und kam
aus diesem Grunde nicht mehr als Erstbeurteiler in Frage.
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Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 20. August 2004 - 2 B 64.04 -, Buchholz 232.1 § 40
BLV Nr. 25.
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Die fehlende Einhaltung der Vorgaben von Nr. 9.1 Abs. 3 Satz 2 BRL Pol kann unter
diesen Umständen der Rechtmäßigkeit der Beurteilung nicht entgegengehalten werden.
Anderenfalls wäre die Erstellung einer (rechtmäßigen) Beurteilung von vornherein
ausgeschlossen. Das wäre jedoch nicht mit Nr. 3.1 Abs. 1 BRL Pol zu vereinbaren,
wonach die Beamten (zwingend) alle drei Jahre zu einem Stichtag zu beurteilen sind. In
einer solchen Situation genügt der Dienstherr seiner prinzipiellen Pflicht zur
gleichmäßigen Anwendung der selbst aufgestellten Beurteilungsrichtlinien, wenn er
eine Verfahrensweise wählt, die dem inneren Sinn der Richtlinien bestmöglich gerecht
wird. Das ist hier geschehen, indem der Erstbeurteiler - wie seine im
Beschwerdeverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung hinreichend belegt - mit
dem früheren Vorgesetzten des Antragstellers über dessen dienstliche Leistungen im
Beurteilungszeitraum gesprochen, sich dadurch ein Bild gemacht und auf dieser
Grundlage sich den Beurteilungsvorschlag des früheren Vorgesetzten aus dem
vorangegangenen Beurteilungsverfahren zu eigen gemacht hat. Nr. 9.1 Abs. 3 Satz 2
BRL Pol verfolgt das Ziel, der Beurteilung eine möglichst vollständige und richtige
Tatsachengrundlage zu verschaffen.
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Vgl. Willems, NWVBl. 2001, 121 (126).
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Diesem Zweck diente im Streitfall auch die Vorgehensweise des Erstbeurteilers. Dabei
standen ihm eindeutig besser geeignete Alternativen nicht zur Verfügung. Rechtliche
Bedenken gegen die Erstbeurteilung bestehen demgemäß nicht.
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Ausgehend davon folgt der Senat dem Verwaltungsgericht auch nicht darin, der
Erstbeurteiler PHK T. habe die ihm zustehende Beurteilungsermächtigung nicht
hinreichend ausgeübt. Seine Anmerkung unter Ziffer V. der Beurteilung, der Vorschlag
beruhe ausschließlich auf der Bewertung durch EPHK a.D. O. , besagt nichts
Gegenteiliges. Die dahinter stehende Vorgehensweise hat PHK T. in seiner
eidesstattlichen Versicherung vom 26. Juni 2008 dahingehend erläutert, dass die im
Vorfeld der dienstlichen Beurteilung geführten Gespräche mit EPHK a.D. O. über die
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dienstlichen Leistungen des Antragstellers deutlich gemacht hätten, dass EPHK a.D. O.
seine Bewertungen in dem früher von ihm erstellten Beurteilungsvorschlag aufrecht
erhalte. Mangels eigener Arbeitskontakte habe er sich entschlossen, diese
Bewertungen zu übernehmen. Eine zutreffendere Beschreibung sei ihm anders nicht
möglich gewesen. Die abgegebene Bewertung sei für ihn schlüssig gewesen und habe
auch dem von ihm angewandten Beurteilungsmaßstab entsprochen. Mit der in dieser
Vorgehensweise zum Ausdruck kommenden eigenen Bewertung der ihm vermittelten
Tatsachen hat der Erstbeurteiler PHK T. unter den hier gegebenen Umständen den
Anforderungen an einen eigenständigen Beurteilungsvorschlag hinreichend genügt.
Der Endbeurteiler hat die von ihm vorgenommene Absenkung dieses
Beurteilungsvorschlags hinreichend plausibilisiert. Stimmen Erst- und Endbeurteilung
bei der Bewertung der Hauptmerkmale und des Gesamturteils nicht überein, hat der
Schlusszeichnende nach Nr. 9.2 Abs. 2 Satz 2 BRL Pol die abweichende Beurteilung
zu begründen. Die Anforderungen an die Abweichungsbegründung werden
ausschlaggebend von dem Grund bestimmt, der den Endbeurteiler zu einer
abweichenden Beurteilung veranlasst. Liegt dieser allein in einer anders lautenden
Bewertung des individuellen Leistungs- und Befähigungsprofils des beurteilten
Beamten, z.B. in Bezug auf einzelne Submerkmale, so muss dies in der
Abweichungsbegründung deutlich werden. Liegt der Grund für die Abweichung
vorrangig in einzelfallübergreifenden Erwägungen wie beispielsweise in einer im
Vergleich mit den allgemeinen Beurteilungsmaßstäben zu wohlwollenden oder zu
strengen Grundhaltung des Erstbeurteilers, muss der Schlusszeichnende diesen Aspekt
in den Mittelpunkt seiner Begründung rücken. Da diese im letztgenannten Fall
zwangsläufig vom Einzelfall abstrahiert, ergibt sich trotz eines eventuell entstehenden
formelhaften Eindrucks kein rechtlich relevantes Begründungsdefizit.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Dezember 1999
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- 6 A 3593/98 -, OVGE 48, 86, Urteil vom 23. Juni 2006 - 6 A 1216/04 - und Beschluss
vom 31. August 2007 - 6 B 993/07 -.
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Die Abweichungsbegründung genügt diesen Anforderungen. Der Antragsgegner hat
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die Bewertungen des Erstbeurteilers sowohl mit einzelfallübergreifenden als auch mit
individuellen Erwägungen geändert. In der der dienstlichen Beurteilung angefügten
Begründung ist ausgeführt, dass sich durch die Zusammenfassung der Beamten der I.
und II. Säule die Vergleichsgruppe stark verändert habe, so dass sich ein strengerer
Maßstab ergebe. Es ist nachvollziehbar, dass sich hierdurch eine hohe Leistungsdichte
ergibt und die Leistung des Antragstellers deshalb bei Betrachtung der gesamten
Vergleichsgruppe weniger gut einzustufen sein kann. Zusätzlich hat sich der
Endbeurteiler mit der Dienstausübung des Antragstellers auseinandergesetzt und die
Absenkung vertiefend erläutert, indem er die Defizite des Antragstellers bei der
Leistungskonstanz, der Innovation, der Bearbeitung komplexer Sachverhalte, der
Effektivität der Arbeitsleistung und der Bewältigung von Zusatzaufgaben festgestellt hat.
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Mit den dagegen erhobenen Einwänden setzt der Antragsteller letztlich nur seine
eigene, insoweit nicht maßgebliche Leistungseinschätzung an die Stelle der Bewertung
des Beurteilers. Dass die vom Antragsteller vorgetragenen Umstände - wie etwa das
regelmäßige Einreichen von Vorschlägen, der Einsatz als Gruppenführer bei
Sondereinsätzen, die Einweisung von Kollegen an Radargeräten - zwingend zu einer
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überdurchschnittlichen Beurteilung hätten führen müssen, ist nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der
Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, da sie
keine Anträge gestellt und sich daher keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (§ 154
Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei der sich
daraus ergebende Wert im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der begehrten
Entscheidung zu halbieren ist.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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