Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.09.1997

OVG NRW (ermittlung, stadt, höhe, der rat, verhältnis zu, rückrechnung, stand der technik, herstellungskosten, betrag, 1995)

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 3372/96
Datum:
19.09.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 A 3372/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 13 K 30694/94
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Eigentümerin von 75 Baugrundstücken in F. , die an die städtische
Entwässerung angeschlossen sind.
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Mit Grundbesitzabgabenbescheid vom 14. Januar 1992 zog der Beklagte die Klägerin
für das Jahr 1992 zu Entwässerungsgebühren in Höhe von insgesamt 148.295,02 DM
heran. Wegen der Berechnung im einzelnen wird auf den Inhalt des angefochtenen
Bescheides einschließlich seiner 75 Anlagen Bezug genommen.
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Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
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Während des Klageverfahrens setzte der Rat der Gemeinde F. mit der 13.
Änderungsatzung zur Entwässerungsgebührensatzung vom 19. April 1996 den
Grenzwert für den Abzug der nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten und
zurückgehaltenen Wassermengen für laufend wiederkehrende Verwendungszwecke
rückwirkend zum 1. Januar 1992 auf 20 cbm/Jahr herab und hob darüber hinaus
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ebenfalls rückwirkend zum 1. Januar 1992 den Ausschluß des Abzuges für das
hauswirtschaftlich genutzte, das zur Speisung von Heizungsanlagen verbrauchte und
das zum Sprengen von Gärten verwendete Wasser auf.
Ihre gleichwohl aufrecht erhaltene Klage hat die Klägerin im wesentlichen wie folgt
begründet: Die kalkulatorischen Kosten seien zu hoch bemessen. Bei der Verzinsung
des aufgewendeten Kapitals sei auf die tatsächlich verausgabten Anschaffungs- und
Herstellungskosten abzustellen. Die von dem Beklagten vorgenommene Rückrechnung
auf der Grundlage des neu erstellten Kanalkatasters führe zu einer Überdeckung und
einer Verletzung des Kostenüberschreitungsverbotes. Darüber hinaus seien bei der
Ermittlung der Zinsbasis nicht alle geflossenen Zuschüsse abgesetzt worden. Auch
erscheine der einheitliche Frischwassermaßstab für die Stadt F. unzulässig. Die
Bebauungsstruktur sei unterschiedlich. Es gebe Einfamilienhäuser, aber auch einen
größeren Teil hochgeschossige Mietwohnhäuser.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Grundbesitzabgabenbescheid vom 14. Januar 1992 in der Fassung des
Summenbescheides mit 75 Anlagen und den Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 1994
hinsichtlich der festgesetzten Entwässerungsgebühren aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
10
Zur Begründung hat er im wesentlichen folgendes vorgetragen: Der
Frischwassermaßstab sei für die Gemeinde F. auch zur Umlegung der Kosten der
Regenwasserbeseitigung zulässig. F. sei eine Kleinstadt mit ausgeprägten ländlichen
Siedlungsstrukturen. Nur im Stadtzentrum sowie in W. und in L. befänden sich
insgesamt 4 höhergeschossige Gebäude. Im übrigen ist der Beklagte dem Vorbringen
der Klägerin hinsichtlich der Ermittlung der Anschaffungswerte und des Abzugskapitals
im einzelnen entgegengetreten und hat den streitigen Gebührensatz für ordnungsgemäß
kalkuliert, jedenfalls aber aufgrund der zwischenzeitlich vorgelegten Nachkalkulation für
gerechtfertigt gehalten.
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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur
Begründung hat es im wesentlichen folgendes ausgeführt: Der Gebührenmaßstab des
einheitlichen Frischwassermaßstabes sei für die Stadt F. zulässig; eine inhomogene
Bebauung könne nicht festgestellt werden. Der Gebührensatz von 4,22 DM/cbm
Abwasser verstoße jedoch gegen das Kostenüberschreitungsverbot nach § 6 Abs. 1 S.
3 KAG. Der Beklagte habe zwar in zulässiger Weise die Abschreibungen auf der Basis
des Wiederbeschaffungszeitwertes berechnet, auch sei dessen Ermittlung im einzelnen
nicht zu beanstanden, jedoch sei der Beklagte bei der Ermittlung des
Abschreibungssatzes von 2 % auf der Grundlage einer angenommenen Nutzungsdauer
des Kanalnetzes von 50 Jahren von unzutreffenden Erwägungen ausgegangen. Dem
Gericht sei es aufgrund des vorliegenden methodischen Fehlers nicht möglich, die
tatsächlich anzusetzenden Abschreibungen zu ermitteln. Darüber hinaus bestünden
erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Berechnung der kalkulatorischen
Zinsen. So dürfte die Gebührenbedarfsberechnung wegen des Ansatzes eines falschen
Anschaffungswertes für das Anlagevermögen fehlerhaft sein. Zwar sei nicht zu
beanstanden, daß, soweit die Anschaffungskosten nicht zu ermitteln seien, die
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Anschaffungswerte im Wege der Rückrechnung aus Wiederbeschaffungszeitwerten mit
unterschiedlichen Preisindizes ermittelt worden seien. Die hier erfolgte konkrete
Berechnung begegne jedoch erheblichen Bedenken, weil der nach dem
Mengenverfahren ermittelte Wiederbeschaffungszeitwert des Anlagevermögens zum
Zwecke der Ermittlung des Anschaffungswertes nicht angemessen reduziert worden sei.
Die weitere Frage, ob die Berücksichtigung des Abzugskapitals ordnungsgemäß erfolgt
sei, könne offenbleiben. Der Beklagte habe das Abzugskapital zwar nicht mit dem
Nominalwert, sondern nur mit dem Restwert von der Zinsbasis abgezogen, jedoch habe
er zum Ausgleich bei der Ermittlung der Abschreibungen das Abzugskapital von der
Berechnungsbasis abgezogen.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten. Zur
Begründung verweist er auf eine neue Gebührenbedarfsberechnung auf der Basis der
Ist-Kosten 1992, auf die in diesem Rahmen erfolgte Ermittlung der kalkulatorischen
Kosten (Abschreibungen, Zinsen) auf der Grundlage eines gutachterlich festgestellten
Abschreibungssatzes von 1,61 % (Nutzungsdauer: 62 Jahre) für das Kanalvermögen
und auf die sich aus der Fortführung des neu erstellten Kanalkatasters seit 1990
ergebenden Anschaffungswerte, die seiner Auffassung nach zutreffend sind und den
streitigen Gebührensatz rechtfertigen. Bei der Ermittlung des Abschreibungsbetrages sei
der Wiederbeschaffungszeitwert nicht um den Wert der 1939 erstellten Kanäle zu
mindern, da diese noch nicht als abgeschrieben behandelt werden könnten. Zwar hätten
sie zu einem Zeitpunkt, als noch mit 2 % abgeschrieben worden sei, die seinerzeit
prognostizierte Nutzungsdauer erreicht, jedoch sei diese Prognose, wie sich nunmehr
auf der Grundlage des gutachterlich erstellten Schadenskatasters ergeben habe,
fehlerhaft gewesen. Eine fehlerhafte Prognose könne zur Bestimmung der
Nutzungsdauer der Kanäle nicht herangezogen werden. Die Zulässigkeit der
Rückrechnung zur Bestimmung der Anschaffungswerte begründet er im wesentlichen
damit, daß ein erheblicher Teil des Kanalnetzes in der Vergangenheit wegen der
Unvollständigkeit der Bauakten gar nicht erfaßt gewesen sei, so daß die bis zur
Erstellung des Kanalkatasters geführten manuellen Anlagennachweise und die darin
aufgeführten Anschaffungswerte fehlerhaft seien. Auch seien bei den Jahresmeldungen
des Bauamtes an die Kämmerei zum Zwecke der Fortschreibung der
Anlagennachweise nicht die tatsächlichen Anschaffungskosten, sondern lediglich
Durchschnittskosten mitgeteilt worden. Diese Durchschnittskosten seien noch dazu zu
niedrig angesetzt gewesen, wie sich aus dem Bericht der KGSt vom 25. Juli 1974
ergebe. Die Fehlerhaftigkeit der Anlagennachweise lasse sich auch daran erkennen,
daß neue Kanäle bis 1976 mit unveränderten Sätzen und im Jahr 1977 plötzlich mit fast
verdoppelten Beträgen bewertet worden seien. Des weiteren seien nicht alle
Herstellungskosten, insbesondere Kosten der Vorfinanzierung und für Nebenleistungen
und Eigenleistungen der Stadt F. , berücksichtigt worden. Zudem seien die
Leitungskosten der Straßenentwässerung und die Kosten der Schmutzwasserkanäle in
Erschließungsgebieten in den zurückliegenden Jahren unter anderen Haushaltsstellen
veranschlagt und abgerechnet worden, so daß auch aus diesem Grund die
Anschaffungswerte aus den Anlagennachweisen kein vollständiges Bild böten. Soweit
aussagekräftige Anschaffungskosten dokumentiert gewesen seien, wie etwa für die
Sonderbauwerke, seien diese übernommen worden. Ab 1991 würden die
Anschaffungswerte nach den jeweiligen tatsächlichen Abrechnungen zuzüglich eines
Zuschlags für Eigenleistungen angesetzt und das Kanalkataster werde in dieser Weise
fortgeschrieben. Ein Abzug von dem durch Rückrechnung ermittelten Anschaffungswert
sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht vorzunehmen; vielmehr
zeige die Neuberechnung für Straßen im freien Gelände, daß die Verlegung im freien
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Gelände aufgrund der Notwendigkeit der Anlegung einer ca. 4 - 5 m breiten Baustraße
sogar teurer sei als die Wiederherstellung einer Kanalleitung in einer Straße. Soweit die
Klägerin bemängelt habe, daß etwa die Kanalleitung "V. bach" und das
Regenüberlaufbecken M. bach noch wertmäßig in dem neu erstellten Kanalkataster
geführt würden, sei richtigzustellen, daß die Kanalleitung "V. bach" lediglich mit einem
Erinnerungswert von 1,00 DM und das Regenüberlaufbecken überhaupt nicht im
Kanalkataster geführt würden. Schließlich habe die Umstellung auf getrennte Maßstäbe
für Schmutz- und Regenwasserbeseitigung gezeigt, daß der in der Nachkalkulation
angesetzte städtische Entwässerungsanteil mit 23,69 % der Gesamtkosten zu hoch
bemessen sei; gerechtfertigt sei allenfalls ein Anteil von 28 % der Kosten der
Regenwasserbeseitigung bzw. 13 % der Gesamtkosten.
Der Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen,
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung macht sie im wesentlichen folgendes geltend: Soweit die
Abschreibungssätze geändert worden seien, müßten Teilwertabschreibungen erfolgen,
um eine Nachholung von Abschreibungen und damit eine Doppelbelastung der
Gebührenpflichtigen zu vermeiden. Gleiches gelte in bezug auf die nach dem
gutachterlich erstellten Schadenskataster auszutauschenden Kanäle. Hinsichtlich der
Kanäle, die noch eine Lebensdauer von 5 Jahren aufwiesen, sei es unzulässig, den
Restwert auf die Restlebensdauer abzuschreiben. Die Berechnung der kalkulatorischen
Zinsen ohne Abzug der erwirtschafteten Abschreibungen nach
Wiederbeschaffungszeitwerten sei unzulässig, da ansonsten die Gemeinde mit dem
über die Abschreibungen zurückgeflossenen Inflationsausgleich Zinsen erwirtschaften
könne. Damit werde der Inflationsausgleich zweimal erfaßt: einmal über die
Abschreibungen zu Lasten der Gebührenpflichtigen und zum anderen über den
ermöglichten Zinsgewinn. Grundlage der Verzinsung sei nach dem allein maßgebenden
"monetären" Kapitalbegriff lediglich das tatsächlich aufgebrachte und in der Anlage
gebundene Eigenkapital der Gemeinde ohne die Gewährleistung eines
Inflationsausgleichs. Entsprechendes gelte für die Abschreibung des Abzugskapitals, da
auch hierdurch der Gemeinde ein von den Gebührenpflichtigen finanzierter Zinsgewinn
ermöglicht werde. Hiernach liege auch ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vor.
Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sei gestört, da die Gemeinde
hinsichtlich des von den Gebührenzahlern bereits erstatteten Kaufkraftverlustes keine
Leistung erbringe. Die Ermittlung des Anschaffungswertes durch Rückrechnung sei
unzulässig. Die in der Kämmerei geführten Anlagennachweise über die
Anschaffungswerte seien vollständig und daher der Ermittlung der kalkulatorischen
Zinsen zugrundezulegen. Die rückgerechneten Anschaffungswerte seien überhöht, wie
die enorme Divergenz von 72 % zu den niedrigeren Anschaffungswerten nach den
Anlagennachweisen belege. Dies werde bestätigt durch die krassen Abweichungen im
Verhältnis zu den niedrigeren Herstellungskosten, wie sie für eine Vielzahl von
einzelnen Erschließungsmaßnahmen nachzuweisen seien. Allerdings könnten auch die
Anschaffungswerte nach den Anlagennachweisen nicht ohne weiteres übernommen
werden, da eine 1986 an den R. verkaufte Anlage nicht abgesetzt worden sei. Ähnliches
gelte für die Kapitalkartei für das Abzugskapital, da Zuschüsse, die die Stadt F. etwa für
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das Sanierungsgebiet Union erhalten habe, zu Lasten der Gebührenpflichtigen nicht in
der Kartei verbucht worden seien. Die tatsächlichen Herstellungskosten könnten im
übrigen auch über die Kapitalkartei für das Abzugskapital ermittelt werden. Diese sei
seit 1954 geführt worden und weise jahresbezogene Zuschußbeträge aus. Hierzu
müsse es noch Verwaltungsvorgänge geben, aus denen die bezuschußten
Baumaßnahmen und die hierfür aufgelisteten Herstellungskosten entnommen werden
könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der hierzu, sowie zu den weiteren
Verfahren 9 A 3369/96 und 9 A 3373/96 beigezogenen Verwaltungsvorgängen des
Beklagten, die insgesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind,
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet, die Klage der Klägerin ist
unbegründet.
21
Der Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 14. Januar 1992 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 1994 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin
nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit darin für das Jahr 1992
Entwässerungsgebühren festgesetzt worden sind.
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Rechtsgrundlage der angefochtenen Entwässerungsgebühren ist die Gebührensatzung
zur Entwässerungssatzung der Stadt F. vom 3. Juni 1981 i.d.F. der 9. Änderungssatzung
vom 13. Dezember 1991 und der rückwirkend zum 1. Januar 1992 in Kraft gesetzten 13.
Änderungssatzung vom 19. April 1996 (GS 1992).
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Die Bestimmungen der Gebührensatzung sind formell gültiges Satzungsrecht; sie sind,
soweit hier von Belang, auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
24
Der in § 2 GS 1992 vorgesehene einheitliche Frischwassermaßstab ist sowohl für die
Umlegung der Kosten der Schmutzwasserbeseitigung als auch für die Umlegung der
Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung grundsätzlich ein zulässiger
Wahrscheinlichkeitsmaßstab i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes
für das Land Nordrhein-Westfalen - KAG -,
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vgl. OVG NW, Urteil vom 6. Februar 1986 - 2 A 3373/83 -, KStZ 1986, 192; Beschluß
vom 9. Mai 1990 - 2 A 2737/87 -; Urteil vom 15. April 1991 - 9 A 803/88 -; Beschluß vom
31. Januar 1990 - 2 A 1124/86 -,
26
der aufgrund der im wesentlichen homogenen Bebauung auf dem Gebiet der Stadt F.
und der zugehörigen Ortschaften,
27
vgl. zu dem Kriterium der homogenen Bebauung: BVerwG, Beschluß vom 25. Februar
1972 - 7 B 92/70 -, KStZ 1972, 111 (112); OVG NW, Urteil vom 15. April 1991, a.a.O.,
28
im vorliegenden Fall für den Veranlagungszeitraum 1992 zugrundegelegt werden
konnte. Zur Begründung im einzelnen nimmt der erkennende Senat Bezug auf die
zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf S. 8 des
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Entscheidungsabdrucks, zumal die Klägerin im Berufungsverfahren ihre Bedenken
gegen die Zulässigkeit des einheitlichen Frischwassermaßstabes nicht weiterverfolgt
hat.
Soweit die Regelung in § 2 Abs. 5 der Gebührensatzung i.d.F. der 9. Änderungssatzung
über den Grenzwert von 60 cbm für den Abzug von nachweislich auf dem Grundstück
verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen für laufend wiederkehrende
Verwendungszwecke (§ 2 Abs. 5 a der Gebührensatzung) und den darüber hinaus
festgelegten vollständigen Ausschluß von hauswirtschaftlich genutztem, zur Speisung
von Heizungsanlagen verbrauchtem und dem zum Sprengen von Gärten verwendeten
Wasser (§ 2 Abs. 5 b-d der Gebührensatzung) angesichts der neueren Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats,
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vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. März 1995 - 8 N 3.93 -, DÖV 1995, 826; OVG NW,
Urteile vom 18. März 1996 - 9 A 384/93 - und - 9 A 428/93 -; Urteil vom 2. September
1996 - 9 A 5000/94 -; Urteile vom 16. September 1996 - 9 A 1721-1724/96 -,
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begründeten Zweifeln unterlag, hat der Rat der Stadt F. diesen Bedenken Rechnung
getragen und den Grenzwert mit der 13. Änderungssatzung vom 19. April 1996
rückwirkend u.a. für den hier maßgebenden Veranlagungszeitraum (1992) auf 20 cbm
reduziert. Eine darüber hinausgehende Reduzierung des Grenzwertes auf einen Wert
unter 20 cbm oder ein völliges Absehen von einem Grenzwert ist für den
Veranlagungszeitraum nicht zwingend geboten; vielmehr sind im Rahmen des dem
Ortsgesetzgeber bei der Festlegung des Gebührenmaßstabes zustehenden weiten
Organisationsermessens,
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vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. März 1995, a.a.O.; Beschluß vom 12. Februar 1974 - VII
B 89.73 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 21,
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etwaige verbleibende Ungleichbehandlungen innerhalb der Gruppen der
Gebührenpflichtigen durch den Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt.
Die sich ergebenden Jahresbeträge bewegen sich mit 84,40 DM (4,22 DM/cbm x 20
cbm) für Nichtverbandsmitglieder bzw. 60,80 DM (3,04 DM/cbm x 20 cbm) für
Verbandsmitglieder noch in einem Rahmen, der angesichts einer monatlichen
Belastung von 7,03 DM für Nichtverbandsmitglieder bzw. 5,06 DM für
Verbandsmitglieder unterhalb der Schwelle der Erheblichkeit liegt.
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Auch der hier im wesentlichen streitige Gebührensatz von 4,22 DM/cbm für
Nichtverbandsmitglieder (§ 2 Abs. 10 Satz 1 GS 1992) ist wirksam. Dabei kann
dahinstehen, ob die der Ermittlung des Gebührensatzes ursprünglich zugrundeliegende
Gebührenbedarfsberechnung nach der Beschlußvorlage 260/91 vom 10. Oktober 1991
und der ersten Ergänzung vom 9. Dezember 1991 unzulässige Kostenansätze enthält,
die zu einer im Rahmen des Kostenüberschreitungsverbotes des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG
beachtlichen,
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vgl. hierzu: OVG NW, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, GemH 1994, 233,
36
Überdeckung führen. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre der Gebührensatz schon auf
dieser Grundlage gerechtfertigt. Sollte sich hieraus eine beachtliche Überdeckung
ergeben, wird der in Rede stehende Gebührensatz jedenfalls von der in zulässiger
Weise nachgereichten,
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vgl. hierzu ebenfalls: OVG NW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.,
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auf der Basis der Ist-Werte 1992 erstellten Nachkalkulation und einer Neuberechnung
der kalkulatorischen Kosten im Ergebnis gerechtfertigt.
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Ausgehend von der von dem Beklagten im Berufungsverfahren beigebrachten
Nachkalkulation betrugen die auf die Nichtverbandsmitglieder umzulegenden Kosten für
die Abwasserklärung abzüglich allgemeiner Erstattungen von 20.034,00 DM und des -
möglicherweise überhöhten - städtischen Entwässerungsanteils von 23,69 %
(401.264,00 DM) insgesamt 1.292.549,00 DM. Daß hierin Kosten enthalten sind, die der
Art und/oder der Höhe nach nicht hätten angesetzt werden dürfen, ist nicht ersichtlich
und auch nicht vorgetragen.
40
Auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen sind für den Veranlagungszeitraum 1992
als umlagefähige Kosten der Abwasserableitung mindestens Kosten von 3.646.660,00
DM gerechtfertigt; eine endgültige Festlegung der oberen Grenze ist nicht erforderlich,
da der Gebührensatz von 4,22 DM/cbm schon unter Zugrundelegung der unteren
Grenze der gerechtfertigten Kosten vor dem Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs.
1 Satz 3 KAG Bestand hat.
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Zunächst ist der Ansatz der tatsächlich im Jahr 1992 angefallenen Betriebskosten für die
Unterhaltung der Entwässerungsanlagen, der Kanaluntersuchungen, der
Bewirtschaftung, der vermischten Ausgaben und der Verwaltungskosten (UA 600 und
UA 020) in Höhe von insgesamt 467.552,00 DM sowohl dem Grunde als auch der Höhe
nach gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG nicht zu beanstanden; auch die Klägerin hat
Einwendungen hiergegen nicht geltend gemacht.
42
Hinsichtlich der Abschreibungen ist für das Jahr 1992 ein Betrag von 2.261.723,00 DM
anzusetzen. Dieser Betrag ergibt sich auf der Grundlage eines
Wiederbeschaffungszeitwertes für das Kanalnetz einschließlich der Sonderbauwerke
von rund 137.406.462,00 DM und einem hierauf anzuwendenden Abschreibungssatz
von 1,61 % (effektive Nutzungsdauer: rund 62 Jahre), sowie einem
Wiederbeschaffungszeitwert für den maschinellen Teil von rund 741.821,00 DM und
einem hierfür maßgebenden Abschreibungssatz von 6,67 % (Nutzungsdauer: rund 15
Jahre).
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Die Abschreibungen von dem auf der Grundlage des Wiederbeschaffungszeitwertes
ermittelten Anlagevermögen ist nach § 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 Satz 1
KAG grundsätzlich zulässig, wie der erkennende Senat in seinem bereits zitierten Urteil
vom 5. August 1994 auf der Grundlage sachverständiger Feststellungen entschieden
und dies nochmals in seinem Urteil vom 1. Juli 1997 - 9 A 6103/95 - ausdrücklich
bestätigt hat.
44
Daß im vorliegenden Fall dem mit der Ermittlung der Wiederbeschaffungszeitwerte
beauftragten Gutachter methodische Fehler unterlaufen sind, ist - bis auf eine
Ausnahme - nicht festzustellen.
45
Zunächst ist in sachgerechter Weise der auf dem Gebiet der Stadt F. und der
zugehörigen Ortschaften tatsächlich vorhandene Gesamtbestand an
Kanalisationsanlagen (Kanäle und Sonderbauwerke) auf der Grundlage der
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vorhandenen Bestands- pläne, Bauwerksverzeichnisse, Abrechnungszeichnungen von
Baumaßnahmen, der Zentralabwasserpläne und im Wege von Neuvermessungen in der
Örtlichkeit ermittelt worden. Hieraus ergaben sich die jeweiligen Längen, Durchmesser
und Höhenlagen der einzelnen Haltungen zwischen den Schächten sowie die für die
Preisberechnung ebenfalls notwendigen Merkmale der Profilart, des Profils und der
Höhe, der Schacht-, Rohr- und Bodenart, der Wasserhaltung, der Fahrbahn- und
Verbauart.
Allerdings mußten hierbei diejenigen Kanäle außer Betracht bleiben, deren
prognostizierte Nutzungsdauer abgelaufen war, so daß insoweit das Kanalkataster zu
korrigieren ist. Aus der Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG, wonach Abschreibungen
nach der mutmaßlichen Nutzungsdauer gleichmäßig zu bemessen sind, ergibt sich, daß
nach Ablauf der angenommenen Nutzungsdauer eine weitere Abschreibung nicht mehr
vorgenommen werden darf. Denn nach diesem Zeitraum ist nichts mehr gleichmäßig zu
verteilen, weil bereits 100 % der angenommenen Nutzungsdauer erreicht sind.
47
Vgl. OVG NW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O..
48
Gemessen hieran durften die im Jahr 1939 erstellten Kanäle bei der Ermittlung des
Wiederbeschaffungszeitwertes für das Jahr 1992 nicht berücksichtigt werden. Denn
bereits mit dem Jahr 1990 war ihre zu diesem Zeitpunkt mit 50 Jahren prognostizierte
Nutzungsdauer abgelaufen. Allerdings stellt sich, worauf auch der Beklagte in der
mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, nunmehr die damalige Annahme einer
Nutzungsdauer von lediglich 50 Jahren vor dem Hintergrund der nach dem
Schadenskataster anzunehmenden effektiven Nutzungsdauer von durchschnittlich 62
Jahren als fehlerhaft dar; dies hat aber keinen Einfluß auf die Bestimmung des
berücksichtigungsfähigen Anlagevermögens. Letztere richtet sich ausschließlich nach
dem Ablauf der angenommenen Nutzungsdauer, der in dem Moment eintritt, in dem das
letzte Jahr der angenommenen Nutzungsdauer abläuft. Dies tritt daher unabhängig
davon ein, ob die der Bestimmung der Nutzungsdauer zugrundeliegende Prognose in
rechtlicher Hinsicht Bestand hat; ein Wiederaufleben von Kanälen, die ihre
prognostizierte Nutzungsdauer tatsächlich einmal erreicht haben, durch eine
rückwirkende Korrektur der Prognose ist damit ausgeschlossen. Weitere Kanäle sind
jedoch nicht auszugliedern, weil das Kanalkataster nach dem Jahr 1939 erst wieder für
das Jahr 1947 die Herstellung von Kanälen ausweist; deren Nutzungsdauer war im Jahr
1992 auch bei einer damals noch angenommenen Nutzungsdauer von 50 Jahren noch
nicht abgelaufen.
49
Des weiteren sind seitens des Gutachters in nicht zu beanstandender Weise auf der
Grundlage von Ausschreibungen aus den Jahren 1984 bis 1990 im Bereich der Stadt F.
und des Kreises U. ortsnahe material- und lagebezogene Nettoeinheitspreise als
Mittelwerte ermittelt worden. Dabei ist in hinreichender Weise der bestehenden
Bandbreite der unterschiedlichen Schachttypen und Kanalrohre Rechnung getragen
und darüber hinaus auch bei den Preisen für den Erdaushub und die
Fahrbahnwiederherstellung die notwendige Differenzierung zwischen dem Verlegen
eines Kanals in befestigten Flächen einerseits und im freien Gelände andererseits
getroffen worden.
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Die notwendige Umrechnung der aus der Preisermittlung für die Jahre 1984 bis 1990
gewonnenen Einheitspreise auf das vom Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik
in seinen Preisindex-Tabellen zugrundegelegte Preisindex-Basisjahr 1980 (100 %) ist
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im Ergebnis ebensowenig zu beanstanden, wie die von dem Gutachter auf der
Grundlage der Preisindex-Tabellen ermittelte Baupreisindex-Tabelle. Soweit bei der
Erstellung der Baupreisindex-Tabelle für den Zeitraum vor 1968 die einschlägigen
Preisindizes für Wohngebäude zugrunde gelegt und diese auf der Grundlage der
Basisjahre 1950, 1958 und 1962 auf das Basisjahr 1980 umgerechnet worden sind, ist
dies in Ermangelung von landesweit festgestellten Preisindizes für Ortskanäle zulässig
und noch geeignet, die Preisentwicklung von Ortskanälen für diesen Zeitraum
hinreichend genau zu erfassen. Zwar sind insoweit die von dem Bundesamt für Statistik
für die Jahre 1962 bis 1967 ermittelten höheren Preisindizes für Ortskanäle nicht
berücksichtigt worden, jedoch ist es vertretbar, sich auf landesspezifische und damit
relativ ortsnah begründete Preisindizes zu beschränken und damit abweichende
Preisentwicklungen in den übrigen Bundesländern auszuschließen.
Auch die Verwendung des auf dieser Grundlage für das Jahr der Währungsreform -
1948 - durch Extrapolation errechneten Preisindexes in bezug auf die vor diesem
Zeitpunkt erstellten und noch berücksichtigungsfähigen Kanäle des Baujahres 1947 gibt
zu Bedenken keinen Anlaß, da die einheitliche Bewertung dieser Kanäle der mit der
Währungsreform eingetretenen Zäsur in der Vermögensbewertung Rechnung trägt.
52
Vgl. OVG NW, Urteil vom 20. März 1997 - 9 A 1921/95 -.
53
Schließlich sind auch die weiteren in Ansatz gebrachten Zuschläge sowohl dem Grunde
als auch der Höhe nach gerechtfertigt. Dies gilt zunächst für den
Mehrwertsteuerzuschlag von seinerzeit noch 14 % statt der nunmehr an sich
gerechtfertigten 15 %, da die ermittelten Einheitspreise sämtlich Nettopreise sind.
Sachgerecht war es auch, für die über die Einheitspreise nicht erfaßten Kosten, wie
Baustelleneinrichtung und -räumung, Verkehrssicherung, Aufnehmen und Umsetzen
von Hindernissen, Markierungsarbeiten und Entschädigungsleistungen für in Anspruch
genommene Privatflächen und Grunddienstbarkeiten einen Zuschlag vorzunehmen;
daß dieser mit 10 % der Baukosten übersetzt ist, ist nicht festzustellen.
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Soweit zusätzlich ein Zuschlag für Ingenieurleistungen einschließlich der
Eigenleistungen der Stadt F. vorgenommen worden ist, entspricht die Berücksichtigung
dieser Kosten im Rahmen der kalkulatorischen Kosten der Rechtsprechung des
erkennenden Senats. Bei den für diese Leistungen anfallenden Kosten handelt es sich
nicht um normale Betriebskosten; vielmehr sind diese lediglich in gleicher Weise wie die
durch die Herstellung von Kanälen und Sonderbauwerken verursachten sonstigen
Kosten zu aktivieren und über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des
Anlagegutes abzuschreiben.
55
Vgl. OVG NW, Endurteil vom 24. Juli 1995 - 9 A 2251/93 -, StuGR 1995, 486; OVG NW,
Urteil vom 20. März 1997, a.a.O.
56
Gegen die Bemessung des diesbezüglichen Zuschlags mit insgesamt 15 % bestehen
auch der Höhe nach keine Bedenken, da damit sowohl Eigen- als auch
Fremdleistungen abgedeckt werden.
57
Soweit in der Vergangenheit die Kosten für derartige Leistungen in voller Höhe als
Betriebskosten des jeweiligen Erhebungszeitraumes angesetzt und von den
Gebührenpflichtigen über die Gebühren bezahlt worden sein sollten, brauchte kein
Ausgleich in der Kalkulation vorgenommen zu werden. Denn angesichts der
58
Periodenbezogenheit der durchzuführenden Kalkulation bedarf es bei Fehlern in der
Vergangenheit keines Ausgleichs für die Zukunft. Vielmehr sind sämtliche Kalkulationen
so durchzuführen, wie wenn von Anfang an korrekt vorgegangen worden wäre,
vgl. OVG NW, Endurteil vom 24. Juli 1995, a.a.O,
59
wobei allerdings, wie oben dargelegt, hinsichtlich der Bestimmung des
berücksichtigungsfähigen Anlagevermögens eine Korrektur einer bereits tatsächlich
erfüllten Prognose der Nutzungsdauer hiervon ausgenommen ist.
60
Auf der Grundlage der hiernach festgestellten Massen, der ermittelten Einheitspreise
und der Zuschläge, multipliziert mit dem Baupreisindex des laufenden Jahres und
dividiert durch den Baupreisindex nach der Baupreisindex-Tabelle, ist der jeweilige
Wiederbeschaffungszeitwert methodisch einwandfrei errechnet worden.
61
Soweit demgegenüber die Klägerin allein den in den Anlagennachweisen seit 1974
manuell bis 1990 fortgeschriebenen und wesentlich niedrigeren
Wiederbeschaffungswert von 58.865.694,00 DM gelten lassen will, bleibt dies
angesichts der beanstandungsfreien Ermittlung der Massen und Preise und damit des
Wiederbeschaffungszeitwertes nach dem Kanalkataster ohne Erfolg.
62
Eine weitergehende Überprüfung der Massen- und Preisermittlung und der hierauf
beruhenden Berechnung der einzelnen Wiederbeschaffungszeitwerte ist auch unter der
Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht angezeigt. Im Rahmen des
Amtsermittlungsgrundsatzes sind die Verwaltungsgerichte zwar verpflichtet, jede
mögliche Aufklärung des Sachverhalts bis an die Grenze der Zumutbarkeit zu
versuchen, sofern die Aufklärung nach ihrer Auffassung für die Entscheidung des
Rechtsstreits erforderlich ist. Bei der Überprüfung einer Kalkulation geht der erkennende
Senat aufgrund der Bindung des Beklagten an Gesetz und Recht gemäß Art. 20 Abs. 3
des Grundgesetzes (GG) grundsätzlich davon aus, daß dessen Auskünfte über die
maßgebenden Massen bzw. die zu den einzelnen Kostenpositionen angefallenen
Kosten der Wahrheit entsprechen. Aufklärungsmaßnahmen sind daher nur insoweit
angezeigt, als sich dem Gericht etwa Widersprüche, methodische Fehler, Rechenfehler
oder mit höherrangigem Recht unvereinbare Kostenansätze nach dem Sachvortrag der
klagenden Partei oder aber den beigezogenen Unterlagen aufdrängen. Läßt es die
klagende Partei, insbesondere die anwaltlich vertretene Partei, insoweit an
substantiiertem Sachvortrag fehlen und ergibt sich auch aus den Unterlagen kein
konkreter Anhaltspunkt für einen fehlerhaften Ansatz, hat es hiermit sein Bewenden. Die
Untersuchungsmaxime ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht werde mit ihrer Hilfe
schon die klagebegründenden Tatsachen finden.
63
Vgl. OVG NW, Beschluß vom 11. Juni 1996 - 9 A 1864/94 -; Urteil vom 1. Juli 1997,
a.a.O.
64
Gemessen hieran ist eine weitere Überprüfung der Massen- und Kostenermittlung des
Kanalkatasters nicht geboten; die darin getroffenen Feststellungen sind von der Klägerin
nicht in dem erforderlichen substantiiertem Maß in Frage gestellt worden. Insbesondere
genügt es angesichts der in allen Einzelheiten aufgelisteten Massen und Kosten nicht,
deren Berechtigung unter pauschalem Hinweis auf die bislang geführte Anlagenkartei in
Frage zu stellen, zumal die Klägerin, wie sie selbst geltend gemacht hat, aus der
früheren beruflichen Tätigkeit zweier Vorstandsmitglieder im Rat bzw. als
65
Beigeordneter/Dezernent für das Bauamt der Stadt F. über besondere Kenntnisse
hinsichtlich der einzelnen Kanalbaumaßnahmen verfügt.
Soweit die Klägerin geltend macht, daß in den Jahren 1977/78 für die Verrohrung des V.
bach unzulässigerweise rund 400.000,00 DM als Zugänge bei den Anschaffungs- und
Wiederbeschaffungszeitwerten verbucht worden seien, die abgezogen werden müßten,
folgt der erkennende Senat dem nicht. Denn dem zur Stützung ihres Vorbringens
beigefügten Zeitungsbericht ist gerade zu entnehmen, daß nicht die Stadt F. , sondern
die Firma U. die Verlegung des V. bach bezahlt, dann aber versucht hat, von der Stadt
F. entsprechenden Ersatz zu erlangen, was jedoch gescheitert ist. Daraus wird deutlich,
daß nicht die Stadt F. , sondern die Firma U. den finanziellen Aufwand der
Bachverrohrung von Anfang an getragen hat, so daß gar kein Anlaß bestand, den für die
Bachverrohrung aufgewandten Betrag in den Anlagennachweisen der Stadt F.
wertmäßig zu verbuchen. Auf der Grundlage der in dieser Form nicht haltbaren, weil
widersprüchlichen Behauptung der Klägerin besteht daher kein Anlaß, diesem Umstand
weiter nachzugehen; dies gilt um so mehr, als der Beklagte in der mündlichen
Verhandlung ausdrücklich klargestellt hat, daß der Kanal "V. bach" lediglich mit einem
Erinnerungswert von 1,00 DM geführt werde, und die Klägerin dies nicht weiter in Frage
gestellt hat. Da sich dem Senat aus dem Kanalkataster Gegenteiliges nicht aufdrängt,
hätte es der Klägerin oblegen, ihre bis zu diesem Zeitpunkt lediglich pauschal gehaltene
- widersprüchliche - Behauptung unter Bezugnahme auf das im Termin zur mündlichen
Verhandlung vorliegende Kanalkataster zu substantiieren. Dies ist jedoch nicht erfolgt;
auch wurde seitens der in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretenen Klägerin
weder ein Beweisantrag noch ein Antrag auf Unterbrechung der Sitzung zum Zwecke
der Einsichtnahme in das Kanalkataster gestellt. Dabei ist mitzuberücksichtigen, daß die
Klägerin mit den auch im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesenden Herren W.
und B. über Vorstandsmitglieder verfügt, denen das Kanalkataster bereits seit Jahren
bekannt ist und die in besonderem Maße über die internen haushalts- und
gebührenrechtlich relevanten Vorgänge in der Stadt F. informiert und damit auch in
besonderer Weise zur Mitwirkung bei der Aufklärung entsprechender Sachverhalte
verpflichtet sind.
66
Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin geltend gemacht hat, das 1986 an den R.
verkaufte Regenüberlaufbecken Mühlenberg sei bei der Ermittlung des
Wiederbeschaffungszeitwertes mitberücksichtigt worden. Dem ist der Beklagte in der
mündlichen Verhandlung ausdrücklich entgegengetreten. Da sich dem Senat aus dem
Kanalkataster auch insoweit Gegenteiliges nicht aufdrängt, hätte es der in besonderer
Weise sachkundigen Klägerin auch in diesem Fall oblegen, ihre Behauptung
klarzustellen und unter Bezugnahme auf das im Termin zur mündlichen Verhandlung
vorliegende Kanalkataster zu substantiieren. Dies ist jedoch ebensowenig erfolgt wie in
bezug auf den behaupteten Wertansatz für den "V. bach".
67
Soweit die Klägerin schließlich bemängelt, daß ausweislich des Erläuterungsberichts
des Kanalkatasters der Gutachter nicht den "Stand der Technik" zugrundegelegt habe,
kann dies allenfalls so verstanden werden, daß gerügt wird, der
Wiederbeschaffungszeitwert sei auf der Grundlage der vorhandenen
abwassertechnischen Einrichtungen ermittelt worden.
68
Mit der Orientierung an dem tatsächlich bestehenden Standard bei der Ermittlung der
Wiederbeschaffungszeitwerte hat sich der Gutachter in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des erkennenden Senats befunden.
69
Vgl. OVG NW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O..
70
Ist danach sowohl die Massen- als auch die Preisermittlung in methodischer Hinsicht
nicht zu beanstanden und drängt sich auch nicht auf, daß eine fehlerhafte
Preiszuordnung erfolgt ist, ist der hiernach ermittelte Wiederbeschaffungszeitwert den
kalkulatorischen Abschreibungen zugrundezulegen.
71
Aus den Listen 1 und 2 des Kanalkatasters ergibt sich zum Stand vom 30. Juni 1990 für
das Kanalnetz einschließlich der Sonderbauwerke ein Wiederbeschaffungszeitwert von
142.788.055,00 DM. Abzüglich der Summe der auf die 1939 erstellten Kanäle
entfallenden Wiederbeschaffungszeitwerte (11.916.574,00 DM) und bereinigt um die
ebenfalls in den Listen noch enthaltenen Wiederbeschaffungszeitwerte für die
maschinellen Teile (109.045,00 DM) verbleibt ein Wiederbeschaffungszeitwert für das
Kanalvermögen einschließlich Sonderbauwerke von 130.762.436,00 DM zum Stand
vom 30. Juni 1990.
72
Rechnet man die kanal- und sonderbauwerksbezogenen Zugänge für 1991
(2.462.542,00 DM) und für 1992 (4.456.138,00 DM) hinzu und zieht man den für 1992
verbuchten Abgang (274.654,00 DM) ab, errechnet sich für das Veranlagungsjahr 1992
ein Wiederbeschaffungszeitwert von 137.406.462,00 DM für Kanäle und
Sonderbauwerke. Dabei verzichtet der erkennende Senat zugunsten der
Gebührenpflichtigen auf die Inflationierung des Wiederbeschaffungszeitwertes mit Stand
vom 30. Juni 1990 für den Rest des Jahres 1990 und für die Jahre 1991 und 1992,
wobei jedoch klarzustellen ist, daß die Stadt F. zu einer solchen Begünstigung der
Gebührenpflichtigen gesetzlich nicht verpflichtet ist. Des weiteren läßt der Senat
ebenfalls zugunsten der Gebührenpflichtigen die Inflationierung des Zugangs 1991 im
Jahr 1992 außer Betracht.
73
Hinsichtlich des Kanalvermögens einschließlich des baulichen Teils der
Sonderbauwerke ist von einem Abschreibungssatz von 1,61 % auszugehen. Die damit
zugrundegelegte durchschnittliche effektive Nutzungsdauer der bestehenden Kanäle
von rund 62 Jahren ist durch das gutachterlich erstellte Schadenskataster hinreichend
belegt. Hiernach sind 585 Haltungen mit einer Gesamtlänge von 20,472 km vor Ort
untersuchter Kanalstreckenteile fast aller anzutreffenden Baujahre aus nahezu allen
Ortsteilen Fröndenbergs und damit ein repräsentativer Ausschnitt der Überprüfung
zugrundegelegt worden. Auf der Grundlage der vor Ort getroffenen
Schadensfeststellungen wurden die einzelnen Schadensbilder und hierauf basierend
die Zustandsklassen festgelegt. Die Kriterien, die für den die effektive Nutzungsdauer
begrenzenden Materialaustausch zugrundegelegt worden sind, lassen eine sachwidrige
Einschätzung nicht erkennen; auch sind seitens der Klägerin zu den einzelnen Stufen
des Bewertungsverfahrens substantiierte Einwände nicht erhoben worden. Auf dieser
Grundlage ist als Mittelwert aus allen untersuchten Haltungen eine effektive
Nutzungsdauer von 60 Jahren ermittelt worden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß
diese im Februar 1996 ermittelte effektive Nutzungsdauer nicht auf den hier
maßgebenden Veranlagungszeitraum 1992 übertragen werden kann, drängen sich dem
Senat nicht auf und sind auch von der Klägerin nicht geltend gemacht worden. Selbst
wenn für das Jahr 1992 von einer erhöhten Nutzungsdauer ausgegangen werden
müßte, ist diesem Umstand durch die Erhöhung der gutachterlich ermittelten
durchschnittlichen effektiven Nutzungsdauer um zwei Jahre auf 62 Jahre angemessen
Rechnung getragen worden.
74
Ausgehend von dem hiernach gerechtfertigten Abschreibungssatz für das Kanalnetz
einschließlich des baulichen Teils der Sonderbauwerke von 1,61 % errechnet sich bei
einem Wiederbeschaffungszeitwert von 137.406.462,00 DM ein Abschreibungsbetrag
für das Jahr 1992 in Höhe von 2.212.244,00 DM.
75
Soweit die Klägerin für die Kanäle der Zustandsklasse 0, die nach den Feststellungen
des Gutachters im Februar 1996 sofort auszutauschen sind, Teilwertabschreibungen
ohne Belastung der Gebührenschuldner fordert, greift dies nicht durch. Da
Abschreibungen vom Wiederbeschaffungszeitwert und nicht von Restbuchwert
vorzunehmen sind und im übrigen periodenbezogen erfolgen,
76
vgl. OVG NW, Urteil vom 6. Juni 1997 - 9 A 5742/95 -; OVG NW, Urteil vom 1. Juli 1997,
a.a.O.,
77
kann die von der Klägerin befürchtete Nachholung von Abschreibungen nicht eintreten.
Aufgrund des Umstandes, daß in der Vergangenheit bis 1988 gegenüber dem nunmehr
anzuwendenden Abschreibungssatz von 1,61 % ein Abschreibungssatz von lediglich
1,2 % zur Anwendung gelangt ist, können Nachforderungen der Stadt F. hierauf nicht
begründet werden. Soweit demgegenüber im Zeitraum von 1988 bis 1991
Abschreibungen mit einem höheren Abschreibungssatz von 2 % erfolgt sind, ist
andererseits allerdings auch ein Ausgleich für die Vergangenheit nicht geboten, da die
Korrektur vergangener Leistungsperioden nicht Gegenstand der für jede
Leistungsperiode selbständig zu erstellenden und nur auf diese Periode bezogenen
Kalkulation ist.
78
Vgl. OVG NW, Urteil vom 1. Juli 1997 a.a.O.
79
Eine Ausnahme ist, wie oben dargelegt, lediglich insoweit anzuerkennen, als die (auch
fehlerhaften) Prognosen der Nutzungsdauer aus bereits abgelaufenen
Gebührenperioden zur Bestimmung des berücksichtigungsfähigen Anlagevermögens
mitzuberücksichtigen sind.
80
Für den maschinellen Teil (Pumpen, Strahlbelüfter etc.)ist ein - von der Klägerin nicht
weiter angegriffener - Wiederbeschaffungszeitwert von 741.820,80 DM (Stand: 31.
Dezember 1991: 654.212,39 DM, zuzüglich Zugänge 1992 in Höhe von 87.608,41 DM)
anzusetzen. Hinsichtlich der maschinellen Bauteile ist beanstandungsfrei von einer
Lebensdauer von 15 Jahren ausgegangen und damit ein Abschreibungssatz von rund
6,67 % in Ansatz gebracht worden. Danach errechnet sich ein Abschreibungsbetrag von
49.479,00 DM. Zuzüglich des auf die Kanäle und den baulichen Teil der
Sonderbauwerke entfallenden Abschreibungsbetrages von 2.212.244,00 DM ergibt sich
ein Jahresabschreibungsbetrag 1992 in Höhe von 2.261.723,00 DM.
81
Die in der Nachkalkulation des weiteren angesetzten Abschreibungsbeträge von
44.141,00 DM für die Erstellung des Kanalkatasters und 8.000,00 DM für die
Erarbeitung des Zentralabwasserplans sind ebenso wie die hierfür angesetzten
kalkulatorischen Zinsen (Kanalkataster: 31.781,00 DM, Abwasserplan: 5.760,00 DM)
nicht gerechtfertigt. Es spricht viel dafür, daß es sich bei den Kosten für die Erstellung
des Kanalkatasters in Höhe von insgesamt 441.410,00 DM nicht um anlagenbezogene
Herstellungs-, sondern um laufende allgemeine Betriebskosten handelt, die somit in
dem Jahr anzusetzen sind, in dem sie anfallen. Gegenteiliges konnte der Beklagte im
82
Termin zur mündlichen Verhandlung dem Senat gegenüber nicht plausibel machen.
Danach hätten diese Kosten allenfalls im Jahr 1991 berücksichtigt werden können.
Denn ausweislich der Ratsvorlage 260/91 vom 10. Oktober 1991 war die
katastermäßige Erfassung des städtischen Kanalnetzes und der Betriebsanlagen 1991
abgeschlossen und für die Ingenieurleistungen war zu diesem Zeitpunkt (1991) bereits
der Gesamtbetrag von 441.410,00 DM entrichtet worden. Weitere Kosten sind im
Veranlagungszeitraum 1992 nicht angefallen.
Entsprechendes gilt für die Kosten von 80.000,00 DM für die Erstellung des
Zentralabwasserplans. Haushaltsmittel von 80.000,00 DM für die Abwasserpläne L. /T.
sind im Haushaltsplan 1991 veranschlagt worden; die Leistung ist im Jahre 1991 und
damit nicht im Veranlagungszeitraum 1992 erbracht worden, so daß der Ansatz dieser
Kosten im Veranlagungszeitraum 1992 gegen den Grundsatz der Periodenbezogenheit
verstoßen würde. Selbst wenn es sich bei diesen Kosten um konkret anlagenbezogene
Herstellungskosten handeln sollte, könnten diese als kalkulatorische Kosten im
Veranlagungszeitraum 1992 keine Berücksichtigung finden, da es sich, wie schon der
Begriff "Abwasserplanung" nahelegt, lediglich um die Kosten der Planung zukünftiger
Anlagen(investitionen) handelt, die erst im Zeitpunkt ihrer Inbetriebnahme - und dann
auch nur mit dem anlagenbezogenen Abschreibungssatz - ansatzfähig sind.
83
Vgl. OVG NW, Teilurteil vom 15. Dezember 1994 - 9 A 2251/93 -, StuGR 1995, 191.
84
Daß es sich bei den insoweit angesetzten Kosten um Kosten handelt, die für die
Herstellung einer konkreten und im Jahr 1992 in Benutzung genommenen Anlage
aufgewandt worden sind, hat der Beklagte nicht darlegen können.
85
Soweit in der Nachkalkulation auf der Grundlage der Anschaffungswerte eine Zinsbasis
von 46.590.191,00 DM und mit einem Zinssatz von 8 % kalkulatorische Zinsen in Höhe
von 3.727.215,00 DM ermittelt worden sind, kann dahinstehen, ob dieser Kostenansatz
der gesamten Höhe nach gerechtfertigt ist.
86
Die Berechnung der kalkulatorischen Zinsen auf der Basis des Anschaffungswertes
entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats.
87
Vgl. grundlegend: OVG NW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O..
88
Auch begegnet die Ermittlung der einzelnen Anschaffungswerte dem Grunde nach
keinen durchgreifenden Bedenken.
89
Hinsichtlich der Sonderbauwerke sind entsprechend der Rechtsprechung des
erkennenden Senats,
90
vgl. OVG NW, Endurteil vom 24. Juli 1995, a.a.O.,
91
die in der Anlagenkartei dokumentierten Anschaffungskosten zuzüglich eines - wie oben
dargelegt - zulässigen Zuschlags für erbrachte städtische Eigenleistungen eingestellt
worden. Entsprechendes gilt hinsichtlich des Kanalvermögens für die in den Jahren
1991 und 1992 angesetzten, tatsächlich aufgewandten Anschaffungskosten.
92
Für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1990 sind hingegen die Anschaffungswerte im
Wege der Rückrechnung aus dem nach dem Mengenverfahren ermittelten
93
Wiederbeschaffungszeitwert ermittelt worden. Dies ist jedoch aufgrund der die
Archivierung der Anschaffungswerte betreffenden Defizite in der Stadt F.
ausnahmsweise nicht zu beanstanden.
Zwar ist es bei der Ermittlung des Anschaffungswertes regelmäßig allein sachgerecht,
die tatsächlich aufgewendeten Kosten zugrundezulegen, da eine Rückrechnung vom
Wiederbeschaffungszeitwert etwa nach dem Mengenverfahren über Indizes in der
Vielzahl der Fälle nicht den gleichen Grad an Genauigkeit beanspruchen kann. Das
Mengenverfahren kann jedoch ausnahmsweise als eine zur Bestimmung des
Anschaffungswertes geeignete Methode anerkannt werden, und zwar, wenn ein
Rückgriff auf die tatsächlichen Anschaffungswerte nicht oder nur in eingeschränktem
Maße möglich ist und daher infolge des Ausmaßes der erforderlichen Schätzungen mit
noch größeren Unsicherheiten als bei dem Mengenverfahren zu rechnen ist.
94
Vgl. OVG NW, Endurteil vom 24. Juli 1995, a.a.O..
95
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Beklagte hat plausibel dargelegt und
durch Vorlage entsprechender Verwaltungsvorgänge auch belegt, daß zwar ab dem
Jahr 1978 Anschaffungswerte in den Anlagennachweisen geführt und mit Zu- und
Abgängen fortgeschrieben worden, diese aber letztendlich nicht aussagekräftig sind.
96
Dies ergibt sich zum einen aus dem Umstand, daß im Jahre 1974 eine Neuaufnahme
des Kanalbestandes erfolgt ist, offenkundig vor dem Hintergrund, daß aufgrund der
kommunalen Neuordnung 1968 und der damit erfolgten Zusammenfassung der bis
dahin selbständigen Gemeinden keine abschließende Klarheit mehr über die bis dahin
verlegten Kanäle und deren Anschaffungswerte zu erlangen war. Desgleichen ist die im
Rahmen der Neuaufnahme 1974 erfolgte Bewertung des Kanalnetzes nach
Wiederbeschaffungswerten ein deutlicher Beleg dafür, daß offenbar die
Anschaffungswerte insgesamt oder aber zu einem maßgeblichen Teil nicht mehr zu
eruieren waren. Denn ansonsten hätte eine Neuberechnung entsprechend der
jeweiligen Preissteigerungen auf der Grundlage der auch seinerzeit schon
veröffentlichen Preisindizes ausgereicht.
97
Hinzu kommt, daß die von dem Beklagten für die Zeit ab 1975 vorgelegten Mitteilungen
des Bauamtes über die aufgewandten Kosten, die an die Kämmerei zum Zwecke der
Fortschreibung der Anlagennachweise gerichtet gewesen und teilweise sogar von dem
Vorstandsmitglied der Klägerin B. unterzeichnet sind, die Kosten durchgängig bis 1991
offenkundig nicht nach den tatsächlichen Herstellungskosten, sondern nach
Einheitssätzen ausweisen.
98
Daß diese nach Einheitssätzen bemessenen Anschaffungswerten zudem bei weitem
nicht den tatsächlichen Herstellungskosten entsprachen, wird an dem von der Klägerin
selbst in Bezug genommenen Beispiel der Erschließungsmaßnahme in dem
Bebauungsplanbereich Nr. 25 "A. R. bach" im Stadtteil W. deutlich. Ausweislich der von
der Klägerin in Kopie vorgelegten Abrechnungsunterlagen ergeben sich reine
Baukosten des Schmutz- und Regenwasserkanals in Höhe von insgesamt 279.996,30
DM (Schmutzwasserkanal: 163.425,40 DM + Regenwasserkanal: 116.570,90 DM) ohne
Planungskosten, Baunebenleistungen etc. In dem von dem Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorgang über die Neuaufnahme des Kanalnetzes 1974 findet sich bezogen
auf den Bebauungsplan "A. R. bach" zum einen ein Kanalbestand von 578,00 m, die mit
einem Einheitssatz von 150,00 DM/m, insgesamt somit 86.700,00 DM in Ansatz
99
gebracht worden sind. Zum anderen sind in einem offenbar durch die fortschreitenden
Bauarbeiten bedingten "Nachtrag zu den Kosten bzw. Längen" für das Gebiet des
Bebauungsplans Nr. 25 in F. -W. zusätzlich 190 m Schmutzwasserkanal mit einem
Betrag von 28.500,00 DM (bei einem Einheitssatz von 150,00 DM/m) und 521 m
Regenwasserkanal mit einem Betrag von 88.500,00 DM (bei einem Einheitssatz von
170,00 DM) verzeichnet. Als Gesamtsumme errechnet sich hieraus ein Betrag von
lediglich 203.700,00 DM, wohingegen allein die reinen tatsächlichen Baukosten um
mehr als 70.000,00 DM (mehr als 34 %) höher gelegen haben, ohne daß hierbei die
sonstigen Kosten (anteilige Planungskosten, anteilige Kosten der anzulegenden
Baustraße, anteilige Kosten der seinerzeit zu zahlenden Entschädigungen etc.)
berücksichtigt worden sind. Auf diese deutliche Divergenz ist die Klägerin in der
mündlichen Verhandlung seitens des Senats hingewiesen worden, jedoch hat sie diese
Unstimmigkeiten nicht klarzustellen vermocht.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß in einer Mitteilung des Bauamtes an die
Kämmerei vom 30. September 1975 zur Fortschreibung des Bestandsverzeichnisses
der Kanalleitungen hinsichtlich des Gebietes "R. bach" Schmutzwasserkanäle mit einer
Gesamtlänge von 730 m und Regenwasserkanäle mit einer Gesamtlänge von 510 m
verzeichnet und mit den Einheitssätzen von 150,00 DM/m bzw. 170,00 DM/m als
"Zugang 1974" wertmäßig angesetzt sind. Anhaltspunkte dafür, daß es sich hierbei um
eine andere Baumaßnahme aus dem Jahr 1974 handelt, die bei der Neuaufnahme des
Kanalkatasters in demselben Jahr keine Berücksichtigung gefunden hat, sind nicht
ersichtlich. Festzustellen ist bei dieser Mitteilung, daß nunmehr die Kanallängen nicht,
wie es nach der Neuaufnahme und dem Nachtrag zutreffend gewesen wäre, mit 768 m
(Schmutzwasserkanal) und 521 m (Regenwasserkanal), sondern lediglich mit 730 m
bzw. 510 m, und damit auch die diesbezüglichen Wertansätze bei ansonsten gleich
gebliebenen Einheitssätzen für 1974 (noch) niedriger angegeben sind, als dies den
tatsächlichen Herstellungskosten entsprochen hätte.
100
Zusätzlich sind offenbar auch bei der Handhabung der Einheitssätze Fehler erfolgt, die
deutlich werden lassen, daß die Einheitssätze völlig losgelöst von tatsächlichen
Herstellungskosten angesetzt worden sind. Wie der Beklagte bereits in der ersten
Instanz in seiner Stellungnahme vom 24. April 1996 eingehend dargelegt hat, sind etwa
Schmutzwasserkanäle mit einem Durchmesser von 25 cm, die in der Zeit zwischen
1974 und 1976 hergestellt worden sind, über die Jahre mit dem unveränderten
"Zeitwert"satz von 150,00 DM/m und plötzlich im Jahr 1977 mit einem doppelt so hohen
Satz von 300,00 DM/m bewertet worden.
101
Daneben sind Leitungskosten der Straßenentwässerung nicht in den in den
Anlagennachweisen aufgeführten Anschaffungskosten enthalten, sondern unter der
Haushaltsstelle "Straßenbau-kosten" verbucht worden; auch sind Kosten der
Herstellung von Schmutzwasserkanälen in Erschließungsgebieten nicht im Rahmen
des Gebührenhaushaltes, sondern in anderen Haushaltsstellen angesetzt worden. Es
liegt auf der Hand, daß eine nachträgliche Ermittlung des auf diese
Entwässerungsanlagen jeweils entfallenden Kostenanteils nur durch zum Teil grobe
Schätzungen zu bewerkstelligen ist, die die Unsicherheiten bei der Rückrechnung nach
dem Mengenverfahren überträfen.
102
Auch sind in der Vergangenheit erbrachte Ingenieurleistungen der Stadt F. in den
Anschaffungswerten der Anlagennachweise nicht erfaßt worden, so daß auch insoweit
eine Schätzung vorgenommen werden müßte.
103
Schließlich ist das Bestandsverzeichnis über die vorhandenen Kanäle und damit auch
die hierauf basierenden Anlagennachweise in erheblichem Umfang unvollständig
gewesen. Wie das Vorstandsmitglied der Klägerin B. in dem von ihm als Dezernent des
Bauamtes unterzeichneten und an die Kämmerei gerichteten Schreiben vom 11. April
1989 selbst dargelegt hat, ist nach der Fertigstellung des Kanalkatasters festgestellt
worden, daß "der seinerzeit übernommene Bestand nicht dem tatsächlichen Ist
entsprach. So wurde z.B. in den Stadtteilen A. , D. und L. ein Fehl von 7,5 km, in F. -
Mitte und den übrigen Stadtteilen ein Fehl von 25 km ermittelt."
104
Der Hinweis der Klägerin, es müßten auch die zwischenzeitlich in Auftrag gegebenen
Kanalbaumaßnahmen berücksichtigt werden, so daß der Fehlbestand gar nicht so
gravierend gewesen sei, vermag die Angaben in dem Schreiben vom 11. April 1989
nicht zu entkräften. In dem genannten Schreiben sind die "in den letzten Jahren
durchgeführten umfangreichen Kanalbaumaßnahmen (u.a. A. , B. , B. und S. )" bereits
zusätzlich berücksichtigt und "die enorme Differenz des angegebenen Ist- Bestandes
zur Aufstellung des Kanalkatasters zum tatsächlichen Bestand" eben nicht nur mit
diesen Baumaßnahmen, sondern auch mit dem festgestellten Fehlbestand von
immerhin zusammen 32,5 km begründet worden. Da die Klägerin durch ihr
Vorstandsmitglied B. weiteres hierzu im Termin nicht vorgebracht hat und sich dem
Senat auch im übrigen die Fehlerhaftigkeit dieser Erklärung aus den vorliegenden
Unterlagen nicht aufdrängt, sondern diese im Gegenteil durch den nach dem
Kanalkataster zum 30. Juni 1990 festgestellten Bestand von rund 146 km eher bestätigt
wird, muß die Klägerin die in Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes abgegebenen
Erklärungen ihres Vorstandsmitglieds gegen sich gelten lassen.
105
Die hiernach in der Summe bestehenden Unwägbarkeiten bei der Ermittlung der
Anschaffungswerte sind nach der Überzeugung des Senats höher zu gewichten als bei
der Rückrechnung nach dem Mengenverfahren, so daß diese Berechnungsmethode
zulässig ist.
106
Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß bei den Rückrechnungen der einzelnen Haltungen
auf der Basis der nicht zu beanstandenden Baupreisindex-Tabelle dem Gutachter
Fehler unterlaufen sind, drängen sich nicht auf und sind auch von der Klägerin nicht
geltend gemacht worden.
107
Soweit die Klägerin gegenüber der Ermittlung der Anschaffungswerte im Wege der
Rückrechnung auf die zum Teil gravierenden Abweichungen der rückgerechneten
Anschaffungswerte im Verhältnis zu den in den Anlagennachweisen aufgeführten
Anschaffungswerten hinweist, etwa für die Jahre 1978 bis 1984 auf eine Abweichung
von rund 8,7 Mio. DM (rund 72 %), wobei der erkennende Senat diese Berechnung im
einzelnen nicht nachgeprüft hat, rechtfertigt dies im Ergebnis keine andere Bewertung
der Zulässigkeit der Rückrechnung.
108
Die Bezugnahme auf die Anschaffungswerte nach den Anlagennachweisen ist von
vornherein fehlerhaft, weil diese Werte nur einen Teil des Anlagenbestandes erfassen,
die tatsächlichen Anschaffungskosten nicht wiedergeben und im übrigen auch die
Kosten der Eigenleistungen und der Straßenentwässerung nicht enthalten, so daß diese
damit insgesamt nicht aussagekräftig sind.
109
Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin die Kosten einzelner
110
Erschließungsmaßnahmen aufgelistet und hierbei zu Abweichungen von teilweise über
90 % gelangt ist. Beispielhaft angeführt seien die vorgelegten Abrechnungen für die
Abrechnungsgebiete "S. -, M. straße, A. S. , G. Weg" und "M. -Nord-West". Den
Unterlagen über die Abrechnung des erstgenannten Gebietes ist lediglich eine
Kostenzusammenstellung nach Einheitssätzen zu entnehmen, die die tatsächliche
Höhe der Anschaffungskosten gerade nicht erkennen läßt. Aus den Unterlagen für das
weitere Abrechnungsgebiet ergibt sich zwar zunächst ein Betrag für die reinen
Kanalbaukosten von 1.010.167,76 DM, doch ist zusätzlich ein Anteil an der Baustraße,
den Ingenieur- und Vermessungskosten sowie dem Grunderwerb hinzuzurechnen, der
aus den Unterlagen allerdings nicht aufgeschlüsselt werden kann. Schon aus den
genannten beiden Beispielen wird deutlich, daß Vergleiche auf dieser Grundlage
fehlschlagen müssen; darüber hinaus bestätigen gerade diese Unterlagen in
signifikanter Weise, in welchem Umfange bei der Ermittlung der Anschaffungswerte auf
der Grundlage der Abrechnungen einzelner Erschließungsgebiete Schätzungen
erforderlich sind.
Es mag der Klägerin zuzugestehen sein, daß etwa über die die Zuschußgewährung
betreffenden Verwaltungsvorgänge für einzelne Jahre und Maßnahmen die
Anschaffungskosten annähernd genau ermittelt werden können. Im Rahmen der
vergleichenden Bewertung der Nachteile nach dem Mengenverfahren einerseits und der
Nachteile der Ermittlung der Anschaffungskosten aus vorhandenen Unterlagen
andererseits kommt es hierauf nicht an. Maßgebend ist eine wertende
Gesamtbetrachtung bezogen auf den der Rückrechnung unterliegenden
Bewertungszeitraum (hier: 1947 bis 1990). Ergibt sich hiernach, wie im vorliegenden
Fall, trotz der - möglicherweise - für einzelne Jahre feststellbaren Herstellungskosten
aufgrund der Unwägbarkeiten im übrigen insgesamt ein Überwiegen der Nachteile der
Ermittlung der Anschaffungskosten aus noch vorhandenen Unterlagen, so ist die
Rückrechnung insgesamt gerechtfertigt.
111
Zutreffend ist allerdings, daß, wie auch das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, die
Rückrechnung nach dem Mengenverfahren über Indizes generelle Schwächen aufweist,
da der als Ausgangswert verwendete Wiederbeschaffungszeitwert u.a. Kosten enthält,
die bei der Wiederherstellung von Kanalanlagen regelmäßig, bei der erstmaligen
Herstellung aber nur teilweise anfallen, z.B. Aufbruch und Wiederherstellung von
Straßenbefestigungen, Verlegen von Versorgungsleitungen,
Verkehrslenkungsmaßnahmen, Überpumpen von Abwasser), so daß der
Wiederbeschaffungszeitwert zum Zwecke der Ermittlung des Anschaffungswertes
angemessen reduziert werden muß.
112
Vgl. OVG NW, Endurteil vom 24. Juli 1995, a.a.O.
113
Dieser Grundsatz schließt es jedoch nicht aus, in den Fällen, in denen belegt werden
kann, daß aufgrund besonderer Umstände gleichwohl die Kosten der erstmaligen
Herstellung den Kosten einer Wiederherstellung entsprechen oder diese sogar deutlich
übersteigen, auf einen Abschlag völlig zu verzichten.
114
Ob eine derartige Fallgestaltung hier gegeben ist, erscheint zweifelhaft. Zwar hat der
Beklagte im Termin darauf hingewiesen, daß bei einer erstmaligen Verlegung der
Kanäle im freien Gelände eine Baustraße angelegt werden müsse, so daß die
Herstellungskosten höher seien, als bei der Wiederherstellung von Kanälen, die bereits
in befestigten Flächen, etwa in einer Straße, verlegt seien. Eine derartige
115
Schlußfolgerung drängt sich jedoch vom Ergebnis her nicht ohne weiteres auf. Denn
wie die von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen über einzelne
Erschließungsmaßnahmen erkennen lassen, sind Kanäle regelmäßig lediglich als Teil
einer abwasser- aber auch straßenmäßigen Gesamterschließung hergestellt worden, so
daß die Kosten einer hierfür etwa erforderlichen Baustraße aufgeteilt werden müßten.
Schon deshalb dürfte ein völliges Absehen von einem Abschlag nicht gerechtfertigt
sein. Dies kann jedoch letztendlich offenbleiben, da selbst dann, wenn man von der
Notwendigkeit eines Abschlags ausgeht, der streitige Gebührensatz im Ergebnis
Bestand hat.
Eine strukturell bedingte Überhöhung der durch Rückrechnung ermittelten
Anschaffungswerte dürfte nach den Erkenntnissen des Senats aus einem anderen
Verfahren einen Abschlag in einer Größenordnung von wahrscheinlich nicht mehr als
15 % rechtfertigen; unabhängig hiervon setzt der Senat zugunsten der
Gebührenpflichtigen einen mit Sicherheit die üblichen Dimensionen sprengenden, frei
gegriffenen Abschlag von 25 % an.
116
Ausgehend von dem rückgerechneten Anschaffungswert des gesamten
Anlagevermögens von rund 82.104.711,00 DM (Kanalvermögen: 81.484.453,33 DM;
maschineller Teil: 620.257,54 DM) ergibt sich auf der Basis der zutreffenden
Abschreibungssätze für das Jahr 1992 ein Gesamtabschreibungsbetrag von
20.554.999,00 DM (Kanalnetz: Abschreibung 1992 1.297.239,39 DM + bisherige
Abschreibungen 18.950.986,86 DM; technische Einrichtungen: Abschreibung 1992
39.340,92 DM; bisherige Abschreibungen: 267.432,32 DM). Zieht man diesen Betrag
von dem Gesamtanschaffungswert ab, ergibt sich ein Restbuchwert des
Anschaffungswertes von 61.549.712,00 DM.
117
Anhaltspunkte dafür, daß der Restbuchwert fehlerhaft errechnet worden ist, liegen nicht
vor; insbesondere ist nicht festzustellen, daß der Gutachter die auf der Grundlage der
ursprünglichen Abschreibungssätze ermittelten bisherigen Abschreibungsbeträge bei
der Ermittlung des Restbuchwertes in Ansatz gebracht hat. Dies zeigen die
eingereichten Listen, nach denen durchgängig mit den den geänderten Nutzungsdauern
entsprechenden Abschreibungssätzen gerechnet worden ist. Lediglich in den von der
Klägerin in bezug genommenen Anlagennachweisen sind die ursprünglichen
Restbuchwerte fortgeführt worden. Dies war unzulässig, da die Ermittlung des
Jahresabschreibungsbetrages für eine Leistungsperiode bei geänderten
Abschreibungssätzen allein auf der Grundlage der in dieser Leistungsperiode
maßgebenden korrigierten Prognose der Nutzungsdauer und damit nach dem
geänderten Abschreibungssatz zu erfolgen hat.
118
Vgl. OVG NW, Urteil vom 6. Juni 1997, a.a.O.
119
Soweit aufgrund der geänderten Abschreibungssätze gegenüber den bis 1987
angewandten geringeren Abschreibungssätzen (1,2/2,0 %) der Restbuchwert geringer
ausfällt, sind die Gebührenpflichtigen hiervon nur begünstigt. Soweit gegenüber dem ab
1988 zur Anwendung gelangten Abschreibungssatz für das Kanalvermögen von 2,0 %
durch die Anwendung des Abschreibungssatzes von 1,61 % sich nunmehr ein höherer
Restbuchwert ergibt, bedarf es auch hier, wie oben dargelegt, wegen der
Periodenbezogenheit der Gebührenkalkulation keines Ausgleichs für die
Vergangenheit.
120
Vgl. OVG NW, Urteil vom 1. Juli 1997, a.a.O.
121
Zieht man von dem Restbuchwert von 61.549.712,00 DM einen Anteil von 25 %
(15.387.428,00 DM) ab, ergibt sich ein Restbuchwert von 46.162.284,00 DM, der der
weiteren Berechnung zugrundegelegt wird.
122
Hiervon ist gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz KAG zur Ermittlung der Zinsbasis das
sogenannte Abzugskapital abzuziehen. Hierbei ist es grundsätzlich zulässig, lediglich
den Restbuchwert des Abzugskapitals abzuziehen, sofern im Rahmen der
Abschreibung der Anschaffungswerte das Abzugskapital bereits wertmindernd
berücksichtigt worden ist.
123
Vgl. OVG NW, Urteil vom 20. März 1997, a.a.O.
124
Dies ist hier der Fall, da der Gutachter die Restbuchwerte der Anschaffungswerte ohne
vorherigen Abzug der jeweils geleisteten Zuschüsse und Beiträge berechnet und damit
die abschreibungsbedingte Wertminderung des durch die Zuschüsse und Beiträge
(mit)gebildeten Anlagevermögens bereits berücksichtigt hat.
125
Entgegen der Auffassung der Klägerin müssen für die Ermittlung der Zinsbasis lediglich
die auf der Grundlage der Anschaffungswerte, nicht aber die nach
Wiederbeschaffungszeitwerten berechneten Abschreibungen abgezogen werden. § 6
Abs. 2 KAG enthält kein Verbot gegenüber der Gemeinde, die nach
Wiederbeschaffungswerten berechneten und über die Gebühren zurückgeflossenen
Abschreibungen etwa zum Zwecke der Erzielung von Zinsgewinnen einzusetzen und
dem allgemeinen Haushalt zuzuführen.
126
Vgl. OVG NW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.; OVG NW, Urteil vom 20. März 1997,
a.a.O.
127
Dies zu ändern ist Sache des Gesetzgebers, der erkennende Senat ist an das geltende
Recht gebunden.
128
Zur Ermittlung des hiernach allein noch abzuziehenden Restbuchwertes des
Abzugskapitals ist die vorgelegte Kapitalkartei um die Zugänge aus den Jahren 1991
und 1992 zu ergänzen und dann insgesamt um die mit den nunmehr maßgebenden
Abschreibungssätzen von 1,61 % bzw. 6,67 % ab 1954 zu vermindern. Hiernach ergibt
sich zunächst ein Restbuchwert des Abzugskapitals von 13.164.655,00 DM.
129
Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß das Zuschußkapital, das den vor der kommunalen
Neuordnung selbständigen Gemeinden ausgezahlt worden ist, keinen Eingang in die
seit 1954 und damit bereits vor der Neuordnung geführte Kapitalkartei gefunden hat,
bestehen auch nach den Darlegungen der Klägerin nicht, so daß das Abzugskapital
nicht weiter zu erhöhen ist. Soweit die Klägerin ein Zuschußvolumen für die Jahre 1964
bis 1968 von 1.147.773,00 DM beziffert, gehen die in der Kapitalkartei in dieser Zeit
verbuchten Eingänge weit darüber hinaus.
130
Ob darüber hinaus der Restbuchwert um den von der Klägerin geltend gemachten
Zuschußbetrag für das Sanierungsgebiet U. in Höhe von 1.403.000,00 DM zu erhöhen
ist, erscheint nach den Ausführen des Beklagten wenig wahrscheinlich; der Senat
braucht diese Frage jedoch nicht zu entscheiden, weil es hierauf nicht ankommt. Erhöht
131
man den Restbuchwert des Abzugskapitals um die von der Klägerin genannte Summe,
so errechnet sich ein Restbuchwert von 14.567.655,00 DM.
Zugunsten der Gebührenpflichtigen läßt der Senat auch diesen - erhöhten - Wert
unberücksichtigt und geht bei seiner Berechnung von dem um 2.534.450,00 DM
höheren nominalen Betrag des gesamten Abzugskapitals von 17.102.105,00 DM aus.
Zieht man diesen Betrag von dem - um 25 % reduzierten - Restbuchwert des
Anschaffungswertes (46.162.284,00 DM) ab, verbleibt als Zinsbasis ein Betrag von
29.060.179,00 DM. Wendet man hierauf einen - zulässigen - Zinssatz von 8 % an,
132
vgl. OVG NW, Urteil vom 5. August 1994, a.a.O.; Urteil vom 19. Mai 1995 - 9 A 560/93 -,
StuGR 1995, 315,
133
so errechnet sich für das Veranlagungsjahr 1992 ein Zinsbetrag von rund 2.324.814,00
DM.
134
Zusammen mit den gerechtfertigten Betriebskosten (467.552,00 DM), den
kalkulatorischen Abschreibungen (2.261.723,00 DM) und abzüglich der in der
Nachkalkulation ausgewiesenen vermischten Einnahmen von 275.344,00 DM ergeben
sich für die Abwasserableitung Gesamtkosten von 4.778.745,00 DM.
135
Die in der Ist-Kosten-Rechnung aufgeführte Entnahme aus der Rücklage in Höhe von
70.000,00 DM ist hier nicht zu berücksichtigen, da sich die Höhe der gerechtfertigten
Kosten allein nach § 6 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 KAG richtet, der eine
Rücklagenentnahme nicht zwingend gebietet.
136
Abzüglich des - möglicherweise zu hoch bemessenen - städtischen
Entwässerungsanteils von 23,69 % (1.132.085,00 DM) verbleiben als umlagefähige
Kosten der Abwasserableitung 3.646.660,00 DM. Legt man diese Kosten auf die für die
Abwasser-Ableitung maßgebliche Abwassermenge von 1.167.150 cbm um, führt dies zu
einem Anteil der Abwasserableitung an dem Gebührensatz von 3,12 DM/cbm.
137
Zusammen mit dem Klärkostenanteil A. Gebührensatz von 1,21 DM/cbm errechnet sich
hieraus ein Gebührensatz von 4,33 DM, der trotz der mehrfachen Begünstigung der
Gebührenpflichtigen um 0,11 DM über dem streitigen Gebührensatz von 4,22 DM/cbm
liegt, so daß sogar eine Unterdeckung gegeben, der streitige Gebührensatz mithin nicht
einmal kostendeckend gewesen ist.
138
Ein Verstoß des hiernach gerechtfertigten Gebührensatzes gegen das
Äquivalenzprinzip liegt nicht vor. Maßstab für die insoweit entscheidende Feststellung
des gröblichen Mißverhältnisses,
139
vgl. BVerwG, Urteil vom 24. März 1961 - VII C 109.60 -, BVerwGE 12, 162,
140
ist das Verhältnis zwischen der erhobenen Gebühr einerseits und der hierfür erbrachten
Gegenleistung andererseits. Gegenleistung der Stadt F. für die erhobenen
Entwässerungsgebühren ist die Abwasserbeseitigung; daß die Beseitigung von 1.000 l
Abwasser für - nicht einmal kostendeckende - 4,22 DM grob unverhältnismäßig ist, ist
nicht einmal ansatzweise zu erkennen.
141
Fehler in der Berechnung der konkreten Gebühren sind nicht ersichtlich und auch nicht
142
vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
143
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben.
144