Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.06.2004

OVG NRW: aufsichtsbehörde, geschäftsführung, unnötige kosten, einziehung, handbuch, inkasso, berufsausübung, rechtsgrundlage, fremder, missverhältnis

Oberverwaltungsgericht NRW, 4 A 3964/99
Datum:
21.06.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 A 3964/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 15 K 4589/97
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.
Die unter II. des Bescheides des Beklagten vom 11. Oktober 1995 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides des Präsidenten des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. April 1997 getroffenen
Anordnungen werden insgesamt aufgehoben. Die dort unter III.
ausgesprochenen Weisungen werden insoweit aufgehoben, als sie sich
auf den Zeitraum nach dem 16. Juli 2003 erstrecken und dabei die
Bearbeitung solcher Forderungen betreffen, die die Klägerin zum
Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung erworben hat. Im Übrigen
wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens beider Instanzen
jeweils zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Im Jahre 1990 erteilte der Beklagte der Klägerin die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen
außergerichtlichen Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener
Forderungen sowie zum geschäftsmäßigen Erwerb von Forderungen zum Zwecke der
Einziehung auf eigene Rechnung.
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Nach Eingang zahlreicher Beschwerden stellte der Beklagte mit an den Inkassoagenten
E. C. gerichteten Bescheid vom 11. Oktober 1995 fest, dass dieser in acht Fällen gegen
seine Pflicht zur redlichen, gewissenhaften und ordnungsgemäßen Geschäftsführung
verstoßen habe, und sprach ihm in sieben dieser Fälle eine Missbilligung aus ( I. des
Bescheides). Gleichzeitig wies er Herrn C. an, in drei näher bezeichneten
Inkassoverfahren seine Forderungsaufstellungen zu berichtigen und ihm - dem
Beklagten - vorzulegen ( II. des Bescheides). Ferner erteilte er die Weisung, "durch
geeignete Maßnahmen sicher zu stellen, dass künftig in jedem Fall eine
kostentreibende Parallelbearbeitung vermieden" werde und über die danch zu
ergreifenden Maßnahmen bis zum 31. Dezember 1995 zu berichten ( III. des
Bescheides). Zur Begründung der letztgenannten Anordnungen legte der Beklagte dar,
dass die bisher hinsichtlich der Bearbeitung sogenannter Mehrfachfälle getroffenen
Maßnahmen nicht ausreichten.
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Nachdem die Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Namen von Herrn C. rechtzeitig
Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. Oktober 1995 eingelegt hatten, bat der
Beklagte mit Schreiben vom 25. Juni 1996 um Klarstellung, dass der Bescheid auch als
der Klägerin zugestellt angesehen werden könne und dass der Widerspruch sowie die
Bestellung der Prozessbevollmächtigten auch für diese erfolgt seien. Diese Bestätigung
erfolgte durch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter dem 28. Juni 1996. Zur
Begründung des Widerspruchs hatten sie bereits zuvor geltend gemacht, die unter II.
und III. des Bescheides erteilten Weisungen, auf die sie ihre Ausführungen "im Interesse
einer Konzentrierung des Streitstoffs und einer zügigen Behandlung des Verfahrens
beschränken" wollten, seien wegen fehlender Angabe der Ermächtigungsgrundlage
formell und mangels Rechtsgrundlage auch materiell rechtswidrig. § 2 der Zweiten
Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes (2. AVO RBerG) sei nicht
einschlägig, da sich die Weisungen nicht auf die Art der Akten- oder Buchführung
bezögen. Aus § 3 2. AVO RBerG ergebe sich kein Weisungsrecht. Bei Verstößen gegen
die Verpflichtung zur redlichen, gewissenhaften und ordnungsgemäßen
Geschäftsführung könnten nur entsprechende Feststellungen ausgesprochen und im
Falle schuldhafter Verstöße gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 2. AVO RBerG Missbilligungen
und Rügen erteilt sowie der Widerruf der Erlaubnis angedroht werden. Die Annahme, es
bestehe darüber hinaus ein Weisungsrecht, sei auch nicht mit den allgemeinen
Grundsätzen des staatlichen Aufsichtsrechts vereinbar. Weisungsbefugnisse bestünden
nur im Bereich der Fach- und Dienstaufsicht, die hier nicht gegeben sei. Der
Rechtsaufsicht, der Wirtschaftsaufsicht über Gewerbetreibende und der Berufsaufsicht
der Kammern über die Kammerangehörigen seien Eingriffe in die Berufsausübung
durch Weisungen dagegen fremd. Das von dem Beklagten in Anspruch genommene
Weisungsrecht sei auch mit Art. 12 GG nicht vereinbar. Die vorliegend unter II. und III.
des Bescheides getroffenen Weisungen beruhten darüber hinaus auf unrichtigen
zivilrechtlichen Annahmen namentlich zur Schadensminderungspflicht und griffen ferner
in die zwischen Inkassounternehmern und Auftraggebern bestehende Vertragsfreiheit
ein, in dem sie eine bestimmte Art und Weise der Bearbeitung von Inkassoaufträgen
vorgäben. Die vom Beklagten verlangte Vermeidung von Parallelbearbeitungen
begegne im übrigen einer Vielzahl praktischer Probleme, die der Beklagte offenbar nicht
bedacht habe. Es sei auch zu berücksichtigen, dass sich aus der Umsetzung der
Weisung erhebliche zusätzliche Kostenbelastungen für sie - die Klägerin - ergäben. Die
Aufsichtsbehörde sei nicht befugt, - wie hier geschehen - in die Einzelheiten der
Geschäftsführung "hineinzuregieren".
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Mit Bescheid vom 29. April 1997 wies der Präsident des Oberlandesgerichts Düsseldorf
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den Widerspruch mit der Maßgabe zurück, dass der in dem angegriffenen Bescheid
verwendete Begriff der "kostentreibenden Parallelbearbeitung" im Sinne einer
Klarstellung zu konkretisieren und die Fristen für die Vorlage- und Berichtspflicht auf
drei Monate nach Bestandskraft des Bescheides festzusetzen seien. Der Präsident des
Oberlandesgerichts legte dabei zugrunde, dass sich der Widerspruch nur gegen die
unter II. und III. des angegriffenen Bescheides getroffenen Regelungen richte, und führte
zur Begründung seiner Entscheidung u.a. aus: Eine hinreichende Rechtsgrundlage für
die erteilten Weisungen ergebe sich zumindest aus § 3 Abs. 1 Satz 1 2. AVO RBerG.
Die erteilten Weisungen hielten sich innerhalb der aus dieser Norm abzuleitenden
Aufsichtsbefugnis. Das Gebot der redlichen Geschäftsführung untersage es dem
Erlaubnisinhaber, sich zum "blinden" Wahrer der Interessen seiner Mandanten zu
machen. Als Organ der Rechtspflege müsse er vielmehr stets auch die schützenswerten
Belange und Rechtsgüter der Allgemeinheit im Auge behalten. Die dem
Inkassounternehmer obliegenden Berufspflichten gingen damit über die Stellung eines
bloßen Erfüllungsgehilfen des Gläubigers hinaus. Sie begründeten vielmehr eigene
Pflichten des Inkassounternehmers gegenüber dem Schuldner, wobei ihn auch eine
soziale Verantwortung gegenüber dem oft in eine extreme Notlage geratenen Schuldner
treffe. Dies schließe die Durchsetzung berechtigter Ansprüche mit dem dafür
vorgesehenen zulässigen Mittel zwar nicht aus. Der Inkassounternehmer, der sich im
eigenen Gebühreninteresse oder zur Vereinfachung seiner Arbeitsabläufe über das
Gebot der Rücksichtnahme auf den Schuldner hinwegsetze und der sich dadurch
Erkenntnissen verschließe, die die Kostenbelastung des Schuldners gemindert hätten,
verletze jedoch seine Pflicht zur redlichen, gewissenhaften und ordnungsgemäßen
Geschäftsführung. Hiervon ausgehend sei es der Klägerin nicht gestattet, mehrere
Ansprüche gegen denselben Schuldner parallel in getrennten Verfahren zu bearbeiten,
wenn kein sachlicher Grund für dieses Vorgehen vorhanden sei. In diesem Sinne sei
auch erkennbar die unter III. des angefochtenen Bescheides getroffene Anordnung zu
verstehen, "künftig in jedem Falle eine kostentreibende Parallelbearbeitung" zu
vermeiden. Auch die Aufforderung zur Berichtigung und Vorlage der
Forderungsaufstellungen in den unter II. des Bescheides genannten Inkassoverfahren
sei nicht zu beanstanden.
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst auf ihre Ausführungen
im Widerspruchsverfahren Bezug genommen und ergänzend vorgetragen: Die
Ableitung eines Weisungsrechts aus § 3 Abs. 1 2. AVO RBerG sei nicht hinreichend
begründet. Nach der zutreffenden Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts
beschränke sich die Aufsichtskompetenz darauf, ob die für die Erteilung der Erlaubnis
notwendigen Voraussetzungen der Zuverlässigkeit, persönlichen Eignung und
genügenden Sachkunde weiter gegeben seien und ob sich der Erlaubnisinhaber bei
seiner Tätigkeit innerhalb des ihm Erlaubten halte. In diesem Zusammenhang komme
auch die Untersagung bestimmter Tätigkeiten in Betracht. Vorliegend gehe es aber nicht
um das Vorliegen von Zulassungsvoraussetzungen oder um eine
Erlaubnisüberschreitung, sondern um Fragen der internen Geschäftsführung, die sich
nach Zivilrecht beurteilten und über die auf Antrag betroffener Schuldner die
Zivilgerichte zu entscheiden hätten. Stehe der Aufsichtsbehörde nur eine
Rechtmäßigkeitskontrolle zu, könne sie keine konkreten Weisungen erteilen, sondern
dürfe nur beanstanden, was eindeutig dem Recht widerspreche. Auch nach der
Widerspruchsentscheidung sei unklar, was unter der Vermeidung kostentreibender
Parallelbearbeitungen zu verstehen sei. Der Hinweis, dass die Schuldner nicht mit
unnötigen Kosten belastet werden dürften, sei zu unbestimmt. Der
Widerspruchsbescheid setze sich insbesondere nicht damit auseinander, dass eine
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zusammenfassende Bearbeitung von Forderungen schon vielfach deshalb ausscheide,
weil die Forderungen dem Inkassounternehmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten
"übergeben" würden. Gerade in solchen Fällen ergäben sich oft Probleme, die eine
Umsetzung der erteilten Weisung unmöglich machten. Noch schwieriger werde die
Situation, wenn z.B. der Rechtsgrund der Forderungen verschieden sei, die
Verjährungsfristen differierten und verschiedene Sicherheiten vorlägen oder aber auch,
wenn sich für verschiedene Forderungen unterschiedliche Zinssätze ergäben. Die
Rechtsprechung der Zivilgerichte zur Erforderlichkeit von Beitreibungsmaßnahmen sei
im übrigen uneinheitlich. Jeder Inkassounternehmer müsse - wie auch jeder
Rechtsanwalt - das Recht haben, in strittigen Rechtsfragen eine eigene Auffassung zu
vertreten und eine Klärung durch die zuständigen Gerichte herbeizuführen. Darin liege
keine Verletzung berufsrechtlicher Pflichten. So würde auch keinem Rechtsanwalt durch
die Rechtsanwaltskammer eine Weisung etwa des Inhalts erteilt, in Zukunft nur noch in
vollem Umfang begründete Kostenfestsetzungsanträge bei Gericht zu stellen, um ihm für
den Fall der Nichtbefolgung der Weisung den Zulassungswiderruf anzudrohen.
Die Klägerin hat den Antrag gestellt:
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"Der Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober 1995 und der Widerspruchsbescheid des
Präsidenten des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. April 1997 werden
aufgehoben."
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat er sich u.a. auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen
und ergänzend ausgeführt, eine erneute Eingabe der Eheleute A. , auf deren
Forderungsangelegenheiten sich der Bescheid u.a. beziehe, verdeutliche, zu welchen
Auswüchsen die kostentreibende Parallelbearbeitung von Inkassovorgängen bei der
Klägerin führe, und bestätige die Notwendigkeit der unter III. des Bescheides
getroffenen Anweisung.
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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und
zur Begründung u.a. ausgeführt: Gegenstand der Klage seien allein die unter II. und III.
des angefochtenen Bescheides erteilten Weisungen, nicht aber die unter I. des
Bescheides ausgesprochene Missbilligung. Bei anderer Sichtweise wäre die Klage
wegen Teilbestandskraft des angefochtenen Bescheides als unzulässig abzuweisen,
weil sich die Widerspruchsentscheidung entsprechend dem Widerspruchsvorbringen
gleichfalls nur auf die Weisungen unter II. und III. beziehe. Diese Weisungen seien
rechtmäßig und fänden jedenfalls in § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 4 2. AVO RBerG eine
hinreichende Rechtsgrundlage. Die 2. AVO RBerG sei gültiges Recht. Als
Inkassounternehmen unterstehe die Klägerin in ihrem gesamten Tätigkeitsbereich der
Aufsicht des Beklagten nach § 3 Abs. 1 Satz 1 2. AVO RBerG. Diese Aufsichtsbefugnis
umfasse auch ein Weisungsrecht der Aufsichtsbehörde. Die von der Klägerin in
Anlehnung an einen Aufsatz von Hoechstetter erhobenen Einwände griffen nicht durch.
Unzutreffend sei zunächst die Behauptung, ein Weisungsrecht sei staatlicher Aufsicht
außerhalb des Bereichs der Fach- und Dienstaufsicht fremd. Im Recht der
Wirtschaftsaussicht, etwa im Hypothekenbankgesetz oder in dem Gesetz über
Bausparkassen, fänden sich sehr wohl vergleichbare, bis ins Einzelne gehende
Weisungsrechte. Der Gesetzgeber sei prinzipiell nicht gehindert, die
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Aufsichtsbefugnisse an den Bedürfnissen des jeweiligen Regelungsbereichs zu
orientieren. Bei der Bestimmung des Umfangs der Aufsichtskompetenz über
Erlaubnisinhaber nach dem Rechtsberatungsgesetz komme dabei dem Umstand
besondere Bedeutung zu, dass dieses Gesetz nicht nur ein Berufsordnungsgesetz der
Rechtsbeistände sei, sondern auch dem Schutz der Allgemeinheit diene. Damit
korrespondiere die Verpflichtung zur redlichen, gewissenhaften und ordnungsgemäßen
Geschäftsführung nach § 1 Abs. 1 2. AVO RBerG. Ausgehend davon sei es auch im
Hinblick auf Art. 3 GG zulässig, wenn der Aufsichtsbehörde gegenüber dem
Erlaubnisinhaber nach dem Rechtsberatungsgesetz im Gegensatz zu anderen
Berufsordnungen - etwa jenen der Rechtsanwälte und Notare - ein Weisungsrecht zur
Beseitigung festgestellter Verstöße eingeräumt werde. Als sachgerechte und
verhältnismäßige Regelung der Berufsausübung verstoße ein solches Recht auch nicht
gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Denjenigen Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz des
Gesetzvorbehalts, Art. 20 Abs. 3 GG, ergäben, sei ebenfalls genügt. Dies zugrunde
legend seien die getroffenen Weisungen nicht zu beanstanden. Mit der
Parallelbearbeitung in den Inkassoverfahren Hartwig und A. habe die Klägerin gegen
die Verpflichtung zur redlichen und gewissenhaften Führung der übernommenen
Geschäfte verstoßen, soweit hierdurch sachlich nicht gerechtfertigte Mehrkosten
entstanden seien. Dies rechtfertige die durch den Widerspruchsbescheid präzisierte
präventive Weisung, durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen, dass künftig in
jedem Falle eine "kostentreibende" Parallelbearbeitung vermieden werde. Diese
Weisung sei insbesondere auch hinreichend bestimmt und verstoße nicht gegen den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die unter II. ausgesprochenen einzelne
Inkassoverfahren betreffenden Weisungen seien gleichfalls nicht zu beanstanden,
wobei der Widerspruchsbescheid die Weisung in der Angelegenheit A. zu Recht
modifiziert habe.
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2002 hat der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß § 124
Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
zugelassen.
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Mit ihrer rechtzeitig eingegangenen Berufungsbegründung macht die Klägerin unter
Bezugnahme auf ihre bisherigen Ausführungen im Wesentlichen geltend: Der Beklagte
sei als Aufsichtsbehörde zwar gemäß den §§ 2 und 3 2. AVO RBerG weisungsbefugt.
Diese Weisungsbefugnis gestatte es aber nicht, konkrete Auflagen für
Forderungsaufstellungen zu formulieren oder anzuordnen, als "kostentreibend"
bezeichnete Parallelbearbeitungen zu unterlassen. Der Beklagte habe im Wege der
Aufsicht zu überwachen, ob der Inkassounternehmer genügende Sachkunde und die
erforderliche Zuverlässigkeit besitze und ob er sich redlich verhalte. Er habe indes nicht
zu beurteilen, ob vom Inkassounternehmer in Einzelfällen vertretene zivilrechtliche
Rechtsauffassungen richtig seien. Beurteilungsmaßstab für die Aufsichtsbehörde könne
allenfalls sein, ob das Verhalten eines Inkassounternehmers rechtlich noch vertretbar
sei. So sei ihre - der Klägerin - Ansicht über die Berechtigung von Inkassokosten durch
Zivilgerichte vielfach geteilt worden. In Rechtsprechung und Literatur würden zu der
Frage, in welcher Höhe der Ersatz von Inkassokosten verlangt werden könne,
unterschiedliche Auffassungen vertreten. Zu der Entscheidung, welche dieser
Meinungen zutreffe, sei nicht die Aufsichtsbehörde, sondern das zuständige Zivilgericht
berufen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Januar 1983. Dort sei eine um ein Vielfaches
überhöhte Vergütungsforderung beanstandet worden, deren Geltendmachung sich als
unredlich dargestellt habe. Solche Umstände seien vorliegend nicht gegeben. Die
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Unrichtigkeit der Auffassung des Beklagten zeige auch ein Vergleich zum Berufsrecht
der Rechtsanwälte. Gegenüber der Rechtsanwältin Dr. X. , mit der sie - die Klägerin - in
Mahn- und Vollstreckungssachen seit langem zusammenarbeite, habe sich die
zuständige Rechtsanwaltskammer in Beschwerdefällen stets auf den Standpunkt
gestellt, dass es sich bei der Beurteilung der Angemessenheit von Inkassokosten um
eine zivilrechtliche Frage handele, für deren Beantwortung die Rechtsanwaltskammer
unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten unzuständig sei. Entsprechendes müsse auch
vorliegend gelten. Die Anweisung, "kostentreibende" Parallelbearbeitungen zu
vermeiden, verlange im übrigen - ungeachtet ihrer nicht hinreichenden Konkretisierung -
von der Klägerin etwas materiell- rechtlich Unmögliches. Dies gelte etwa dann, wenn
nach und nach von verschiedenen Mandanten Forderungen zur Einziehung gegen ein
und denselben Schuldner übertragen worden seien. Diese Forderungen beruhten
zumeist auf unterschiedlichen Rechtsgründen und seien auch hinsichtlich der
Zinsdaten, Zinshöhen und Verjährungsfristen verschieden. Ungeklärt sei auch, wie
eingehende Teilzahlungen zu verrechnen seien. Komme es im Einzelfall etwa zu einer
mehrfachen - sachlich nicht gebotenen - Einwohnermeldeamtsanfrage, so lasse sich
daraus nicht der Vorwurf mangelnder Zuverlässigkeit bzw. Redlichkeit ableiten. Solche
unnötigen Kosten würden nicht etwa vorsätzlich produziert, sie ließen sich aber bei den
vielen Tausend in der Bearbeitung befindlichen Forderungsfällen nicht stets - etwa bei
fraglicher Schuldneridentität - vermeiden. Über die Erstattungsfähigkeit sei in dem
jeweils einschlägigen gerichtlichen Verfahren zu entscheiden. Unrichtig sei es
jedenfalls, bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Inkassokosten auf das bloße
Verhältnis von Hauptforderung und Rechtsverfolgungskosten abzustellen und insoweit
ein "Missverhältnis" auszumachen. Denn die Höhe der die Hauptforderung
übersteigenden Inkassokosten, die etwa bei einer Bearbeitung über 10 bis 15 Jahre
entstünden, seien nicht vom Gläubiger zu vertreten, sondern allein vom Schuldner, dem
es freigestanden habe, die Hauptforderung rechtzeitig zu erfüllen.
Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 11. Oktober
1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Präsidenten des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. April 1997 hinsichtlich der unter II. und III.
ergangenen Weisungen aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen,
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und führt unter Bezugnahme auf die angegriffenen Bescheide und das angefochtene
Urteil aus: Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 1998
ergebe sich, dass die Aufsichtsbehörde gemäß § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 4 2. AVO RBerG
zu Weisungen berechtigt sei. Die nach der genannten Vorschrift auszuübende Aufsicht
beziehe sich auch auf die Frage, ob der Erlaubnisinhaber beim Forderungseinzug
unnötige Kosten verursache. Nach der erwähnten Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts gehöre es zur Aufsicht, den Erlaubnisinhaber daraufhin zu
überwachen, ob die für die Erteilung der Erlaubnis notwendigen Voraussetzungen der
Zuverlässigkeit, persönlichen Eignung und genügenden Sachkunde weiterhin gegeben
seien und ob sich der Erlaubnisinhaber bei seiner Tätigkeit innerhalb des ihm Erlaubten
halte. Deshalb habe die Aufsichtsbehörde den Erlaubnisinhaber auch daraufhin zu
überwachen, ob er der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 2. AVO RBerG übernommenen
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Verpflichtung genüge, seine Geschäfte redlich, gewissenhaft und ordnungsgemäß zu
führen. Dass die Aufsichtsbehörde dabei auch die Behandlung zivilrechtlicher Fragen
durch den Erlaubnisinhaber zu überwachen habe, ergebe sich aus dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Januar 1983. Beim außergerichtlichen
Forderungseinzug habe der Gläubiger gemäß den §§ 284, 286 BGB a.F. und §§ 280
Abs. 1 und 2, 286 BGB n.F. jeweils i.V.m. § 249 BGB nur Anspruch auf Ersatz der
Kosten derjenigen Maßnahmen, die bei der gegebenen Sachlage als vernünftig und
zweckmäßig erschienen. Entsprechendes gelte im Rahmen des prozessualen
Kostenerstattungsanspruchs nach §§ 91 ff. ZPO oder beim Ersatz von
Zwangsvollstreckungskosten gemäß § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die unter den II. und III.
des angefochtenen Bescheides erteilten Weisungen dienten dazu, die Klägerin zu
veranlassen, sich nach diesem allgemein und auch von ihr selbst anerkannten
Rechtsstandpunkt zu verhalten. Letztlich werde die Klägerin nur davor bewahrt,
unnötige Betriebsausgaben zu tätigen, weil sie weder von dem Schuldner noch von
ihrem Auftraggeber die durch kostentreibende Parallelbearbeitung entstandenen
Mehrkosten ersetzt verlangen könne. Die Notwendigkeit der ausgesprochenen Weisung
werde auch durch die von der Klägerin mit der Berufungsbegründung vorgelegten
Forderungsaufstellungen belegt, bei denen Hauptforderung und
Rechtsverfolgungskosten jeweils ein grobes Missverhältnis aufwiesen. Die Tätigkeit der
Klägerin unterfalle auch weiterhin - insgesamt - Art. 1 § 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 5 RBerG.
Auf die Wirksamkeit von § 1 Abs. 1 5. AVO RBerG, der nur der Auslegung der
vorgenannten Norm diene, komme es nicht an. Im Übrigen sei mit der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs von der
Verfassungsmäßigkeit der 5. AVO auszugehen. Die gegenteilige Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juli 2003 betreffe einen anderen Sachverhalt und
überzeuge außerdem nicht. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass nach außen
regelmäßig nicht erkennbar werde, ob eine Abtretung nur zu Einziehungszwecken oder
auf Grundlage eines Forderungskaufs erfolgt sei. Folge man dem
Bundesverwaltungsgericht, fände eine wirksame Kontrolle von Inkassounternehmen
nicht mehr statt. Für den Fall, dass auch der Senat von der Verfassungswidrigkeit des §
1 5. AVO RBerG ausgehe, müsse eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht
erfolgen, die er - der Beklagte - "ergänzend" beantrage.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte,
die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf die weiteren von der Klägerin
eingereichten Unterlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist zum Teil
begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage hinsichtlich der unter II. des
angefochtenen Bescheides ausgesprochenen Weisungen insgesamt und hinsichtlich
der unter III. getroffenen Anordnungen teilweise zu Unrecht abgewiesen.
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Die unter II. ausgesprochenen Weisungen sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin
in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für die unter III. des Bescheides
getroffenen Anordnungen gilt dies nur insoweit, als sie sich auf den Zeitraum nach dem
16. Juli 2003 erstrecken und dabei die Bearbeitung solcher Forderungen betreffen, die
die Klägerin zum Zwecke der Einziehung auf eigene Rechnung erworben hat; im
Übrigen sind die unter III. ausgesprochenen Weisungen rechtmäßig.
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Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Verordnung zur Ausführung des
Rechtsberatungsgesetzes - 2. AVO RBerG - vom 3. April 1936 (RGBl. I S. 359, BGBl. III
303-12-2) unterstehen Personen und Personenvereinigungen, denen die Erlaubnis
nach Art. 1 § 1 RBerG erteilt ist, der Aufsicht des Landgerichts - bzw.
Amtsgerichtspräsidenten. Der Zweck dieser Aufsicht ergibt sich aus dem Schutzzweck
des Rechtsberatungsgesetzes, das dem Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren durch
unzuverlässige und/oder unkundige Berufsausübung bzw. durch ungeeignete Personen
sowie dem Schutz der reibungslosen Abwicklung des Rechtsverkehrs dient.
24
Vgl. etwa Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 3. Aufl., RBerG Art. 1 § 1 Rdn. 11
m.w.N.
25
Richtet sich das Erlaubnisverfahren (Art. 1 § 1 RBerG) darauf, durch die Prüfung der
Zuverlässigkeit, Eignung und Sachkunde sicherzustellen, dass nur solchen Personen
eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz erteilt wird, die Gewähr für eine den
Schutzzwecken des Gesetzes entsprechende Berufsausübung bieten, so soll mit der
Aufsicht über die Erlaubnisinhaber Sorge dafür getragen werden, dass die
Erlaubnisinhaber bei ihrer Berufsausübung diese Gewähr - unter Einhaltung der
Grenzen der Erlaubnis - auch tatsächlich erfüllen.
26
Vgl. etwa Caliebe, in: Seitz, Inkasso-Handbuch, 3. Aufl., Rdn. 1709.
27
Zur Aufsicht nach § 3 Abs. 1 2. AVO RBerG gehört es demnach, den Erlaubnisinhaber
daraufhin zu überwachen, ob die für die Erteilung der Erlaubnis notwendigen
Voraussetzungen der Zuverlässigkeit, persönlichen Eignung und genügenden
Sachkunde weiterhin gegeben sind und ob sich der Erlaubnisinhaber bei seiner
Tätigkeit innerhalb des ihm Erlaubten hält.
28
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1998 - 1 C 4.97 -, GewArch 1999, 34 = NJW
1999, 440 = DVBl. 1999, 469.
29
Damit ist zugleich die redliche, gewissenhafte und ordnungsgemäße Führung der
übernommenen Geschäfte der Aufsicht unterworfen, die dem Erlaubnisinhaber nach § 1
Abs. 1 Satz 1 2. AVO RBerG obliegt. Denn insbesondere in einer diesen Anforderungen
genügenden Geschäftsführung dokumentiert sich das Fortbestehen der für die
Erlaubniserteilung erforderlichen Zuverlässigkeit, persönlichen Eignung und
genügenden Sachkunde. Entsprechend wird die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der
Geschäftsführung in § 3 Abs. 1 Satz 3 2. AVO RBerG auch ausdrücklich erwähnt.
30
Die Mittel, die der Aufsichtsbehörde zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe zur Verfügung
stehen, sind in § 3 Abs. 1 2. AVO RBerG nicht abschließend aufgeführt. Satz 4 der
Vorschrift behält lediglich bestimmte Aufsichtsmaßnahmen, nämlich die Erteilung von
Missbilligungen und Rügen sowie die Androhung des Widerrufs der Erlaubnis, dem
aufsichtführenden Präsidenten vor, der die Ausübung der Aufsicht im Übrigen anderen
Beamten übertragen kann. Aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber hier Warnung,
Verweis und Geldstrafe nicht erwähnt hat, mag zwar zu schließen sein, dass er diese
Aufsichtsmittel der Aufsichtsbehörde gegenüber den Erlaubnisinhabern nicht in die
Hand geben will. Die Zuständigkeitsregelung, die die Delegation der schwerer
wiegenden Aufsichtsmittel verbietet, besagt aber nicht, dass der Aufsichtsbehörde die
allgemeinen Mittel, die zur Überwachung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung
des Aufsichtspflichtigen erforderlich sind und ohne die sich die Aufsicht sachgemäß
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nicht durchführen lässt, vorenthalten bleiben sollen. Vielmehr zeigt die Ermächtigung
zur Übertragung der Aufsicht auf nachgeordnete Beamte, dass es der Gesetzgeber als
selbstverständlich ansieht, dass der Aufsichtsbehörde neben den besonders erwähnten
weitere zum Wesen jeder staatlichen Aufsicht gehörige Befugnisse zustehen sollen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. April 1966 - I C 103.62 -, Rechtspfleger 1967, 48.
32
Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner bereits zitierten
Entscheidung vom 29. September 1998 - 1 C 4.97 -, a.a.O., ausgeführt, § 3 Abs. 1 Satz 1
und Satz 4 2. AVO RBerG ermächtige nach seinem Sinngehalt dazu, die erforderlichen
Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um den Grund der sich bei einer Überprüfung
ergebenden Beanstandungen zu beheben.
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Nach diesen Grundsätzen kommen im Bereich der präventiven Aufsicht, die einen
Verstoß gegen Berufspflichten nicht voraussetzt, etwa Berichtsanforderungen,
Auskunftsverlangen, Anforderung von Akten und Buchführungsunterlagen oder
Geschäftsprüfungen in Betracht.
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Vgl. dazu etwa Caliebe, in: Seitz, Inkasso- Handbuch, a.a.O., Rdn. 1713 m.w.N.
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Im Bereich der repressiven Aufsicht, also nach Feststellung pflichtwidrigen Verhaltens,
können neben Missbilligungen, Rügen und der Androhung der Widerrufs (§ 3 Abs. 1
Satz 4 2. AVO RBerG) der Widerruf der Erlaubnis (§ 14 1. AVO RBerG) sowie
Weisungen einschließlich Untersagungsverfügungen ausgesprochen werden.
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Vgl. zur Untersagung: BVerwG, Urteil vom 29. September 1998 - 1 C 4.97 -, a.a.O.; zu
Weisungen im Allgemeinen: Caliebe in: Seitz, Inkasso-Handbuch, a.a.O., Rdn. 1717,
Chemnitz, Anmerkung zu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. September 1998 - 1
C 4.97 -, EWiR 1999, 33.
37
Dass die von Hoechstetter,
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Aufsicht und Weisungsbefunisse der Justizbehörden, Rechtsbeistand 1996, 5 ff., 40 ff.,
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gegen ein aus § 3 Abs. 1 2. AVO RBerG abgeleitetes Weisungsrecht erhobenen
Bedenken nicht zu überzeugen vermögen, hat das Verwaltungsgericht in der
angegriffenen Entscheidung zutreffend aufgezeigt. Auch die Klägerin bestreitet die
Existenz eines solchen Weisungsrechts im Berufungsverfahren nicht mehr.
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Die Ausübung der beschriebenen Aufsichsbefugnisse ist jedoch in mehrfacher Hinsicht
begrenzt: Eine Beschränkung der Aufsicht nach § 3 Abs. 1 2. AVO RBerG ergibt sich
zunächst unter dem Gesichtspunkt der Reichweite der im RBerG normierten
Erlaubnispflicht. Die Aufsicht erstreckt sich nämlich nur auf jene Tätigkeiten, die nach
dem Rechtsberatungsgesetz und den dazu erlassenen Ausführungsverordnungen
erlaubnispflichtig sind. Dabei ist für Inkassotätigkeiten zu berücksichtigen, dass Art. 1 §
1 Abs. 1 RBerG solche Tätigkeiten nur insoweit der Erlaubnispflicht unterstellt, als sie
die Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen
betreffen (Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG). Die Erlaubnisbedürftigkeit nach Art. 1 § 1
RBerG ist allerdings durch § 1 Abs. 1 Satz 1 5. AVO RBerG auch auf den
geschäftsmäßigen Erwerb von Forderungen zum Zwecke der Einziehung auf eigene
Rechnung (Forderungskauf) erstreckt worden. Dabei handelt es sich nicht etwa - wie der
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Beklagte meint - lediglich um eine Klarstellung des Anwendungsbereichs von Art. 1 § 1
Abs. 1 RBerG, sondern um eine normative Erweiterung der Erlaubnispflicht.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2003 - 6 C 27.02 -, NJW 2003, 2767; vgl. ferner BGH,
Urteil vom 24. Oktober 2000 - XI ZR 273/99 -, NJW- RR 2001, 1420; Renner/Caliebe,
a.a.O., § 15 AVO Rdn. 1.
42
Diese Erweiterung der Erlaubnispflicht durch § 1 Abs. 1 Satz 1 5. AVO RBerG ist jedoch
seit dem 16. Juli 2003 nicht mehr mit höherrangigem Recht vereinbar und daher
ungültig. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem zuvor zitierten Urteil im
Einzelnen dargelegt, dass die in Rede stehende Vorschrift seit dem genannten
Zeitpunkt nicht mehr mit rechtstaatlichen Grundsätzen zu vereinbaren ist, weil sie sich
auf eine seit 54 Jahren außer Kraft getretene Ermächtigungsgrundlage stützt, nämlich
auf den nach Art. 129 Abs. 3 GG erloschenen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 RBerG, und es der
Gesetzgeber versäumt hat, die einen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12
Abs. 1 GG) bewirkende Vorschrift des § 1 Abs. 1 5. AVO RBerG auf eine Art. 19 Abs. 1
GG genügende gesetzliche Grundlage zu stellen. Diesen Erwägungen, die durch das
Vorbringen des Beklagten nicht durchgreifend in Frage gestellt werden, schließt sich der
erkennende Senat an. Er ist ferner - wie das Bundesverwaltungsgericht - der Ansicht,
dass entgegen der Auffassung des Beklagten die Verwaltungsgerichte über die
Ungültigkeit des § 1 Abs. 1 5. AVO RBerG ohne Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 GG) selbst entscheiden können. Auch in
dieser Hinsicht bezieht sich der Senat zur Begründung seiner Entscheidung auf die
Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem angeführten Urteil vom 16. Juli
2003.
43
Weitere Grenzen für die Ausübung der dem Beklagten nach § 3 Abs. 1 2. AVO RBerG
zustehenden Aufsichtsbefugnisse ergeben sich insbesondere aus dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit, wobei zu berücksichtigen ist, dass die in Betracht kommenden
Aufsichtsmaßnahmen regelmäßig in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG
eingreifen,
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vgl. etwa Caliebe, in: Seitz, Inkasso-Handbuch, a.a.O., Rdn. 1710 f.,
45
sowie ferner aus der Eigenart der vom Rechtsberatungsgesetz erfassten
rechtsberatenden Tätigkeiten.
46
Vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 1998 - AnwZ(B) 79/97 -, BRAK-Mitt. 1998, 236.
47
Nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG erfasst das Gesetz die geschäftsmäßige
Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Geschäftsmäßigkeit in diesem Sinne setzt
begrifflich eine selbstständige Tätigkeit voraus, d.h. eine Tätigkeit, bei der sowohl die
Entscheidung über die Annahme des Auftrags als auch die Durchführung des Auftrags
frei von Weisungen in eigener Entscheidung und Verantwortung ausgeübt wird.
48
Vgl. Caliebe, in: Seitz, Inkasso-Handbuch, a.a.O., Rdn. 1058 m.w.N.
49
Mit dieser Selbstständigkeit ist eine Weisungsgebundenheit des Erlaubnisinhabers in
einer einzelnen Rechtsangelegenheit grundsätzlich nicht vereinbar.
50
Eine Weisung, die auf eine vom Erlaubnisinhaber wahrgenommene
51
Einzelangelegenheit, hier also auf ein einzelnes Inkassoverfahren, zielt, ist darüber
hinaus hinsichtlich des oben beschriebenen Zwecks der Aufsicht regelmäßig nicht
erforderlich und deshalb zugleich unverhältnismäßig. Denn die Aufsicht dient dem
Schutz der Allgemeinheit und nicht der Wahrung der Belange des einzelnen
Auftraggebers des Erlaubnisinhabers oder - im Falle einer Inkassotätigkeit - dem Schutz
der Interessen des einzelnen Schuldners. Die Wahrung der Interessen der
Allgemeinheit fordert aber regelmäßig nicht mehr als "fallübergreifende" und in diesem
Sinne abstrakte Weisungen, die dem einzelnen Auftraggeber bzw. Schuldner lediglich
"reflexartig" zu Gute kommen.
Vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 1998 - AnwZ(B) 79/97 -, a.a.O. (für den Inhaber einer
Vollerlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG a.F.); Rennen/Caliebe, a.a.O., 2. AVO § 3 Rdn. 11.
52
Nach Maßgabe dieser Erwägungen sind die unter II. des angefochtenen Bescheides
ausgesprochenen Weisungen sämtlich durch die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 2. AVO RBerG
eingeräumte Aufsichtsbefugnis des Beklagten nicht gedeckt und deshalb rechtswidrig.
Diese Weisungen enthalten nämlich alle Anordnungen für die Bearbeitung einzelner
Inkassofälle.
53
Die unter III. von dem Beklagten ausgesprochenen Weisungen, durch geeignete
Maßnahmen, sicherzustellen, dass "künftig in jedem Falle eine kostentreibende
Parallelbearbeitung vermieden" wird, und über die "danach zu ergreifenden
Maßnahmen" zu unterrichten, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren
Rechten, soweit sie sich auf die Zeit nach dem 16. Juli 2003 erstrecken und dabei die
Bearbeitung solcher Forderungen betreffen, die die Klägerin zum Zwecke der
Einziehung auf eigene Rechnung erworben hat; insofern ist nämlich - wie ausgeführt -
mit der Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 5. AVO RBerG auch die
Aufsichtsbefugnis des Beklagten weggefallen. Im Übrigen halten sich die unter III.
ausgesprochenen Weisungen - unter Berücksichtigung der insoweit im
Widerspruchsbescheid vorgenommenen Präzisierungen - jedoch innerhalb des durch §
3 Abs. 1 2. AVO RBerG gesteckten Rahmens und sind deswegen - ungeachtet der
Frage, ob und inwieweit § 2 Abs. 1 Satz 2 2. AVO RBerG ebenfalls als
Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommen könnte - rechtlich nicht zu beanstanden.
54
Die Weisungen beziehen sich in dem noch in Rede stehenden Umfang zunächst auf
einen zulässigen Aufsichtsgegenstand, nämlich insbesondere auf die gewissenhafte
Führung der übernommenen Geschäfte im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 2. AVO RBerG,
die es erfordert, dass der Erlaubnishaber jeden Einzelfall in rechtlicher und tatsächlicher
Hinsicht sorgfältig prüft. Dies schließt für eine Inkassotätigkeit mit ein, in jedem Fall
hinreichend zu prüfen, ob die zivilrechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung
von Inkassokosten erfüllt sind. Gegen diese Prüfungspflicht hat die Klägerin ausweislich
der unter III. des angefochtenen Bescheides getroffenen Feststellungen verstoßen,
indem sie keine genügenden organisatorischen Vorkehrungen geschaffen hat, in der
Bearbeitung befindliche "Mehrfachfälle" vollständig und rechtzeitig zu erkennen. Nach
den dort geschilderten Umständen, die die Klägerin nicht in Abrede stellt, ist ferner
davon auszugehen, dass diese Pflichtverletzung schuldhaft erfolgte. Es kann deshalb
offen bleiben, ob repressive Aufsichtsmaßnahmen wie die in Rede stehende Weisung
stets schuldhaft begangene Pflichtverletzungen voraussetzen, so Caliebe, in: Seitz,
Inkasso-Handbuch, a.a.O., Rdn. 1766,
55
was nach Ansicht des Senats allerdings eher fernliegt. In umgekehrter Hinsicht ist
56
jedoch - mit Blick auf das klägerische Vorbringen - festzuhalten, dass ein vorsätzlicher
Pflichtenverstoß jedenfalls nicht erforderlich ist.
Die auf die Vermeidung "kostentreibender Parallelbearbeitungen" gerichtete Weisung
unter III. des angefochtenen Bescheides ist nach Überzeugung des Senats auch
inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 VwVfG). Zwar mögen die zivilrechtlichen
Voraussetzungen für die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten im Einzelnen vielfach
unterschiedlich beurteilt werden, wie die Klägerin mehrfach vorgetragen hat. Es ist aber
allgemein anerkannt, dass nur die Kosten sachdienlicher
Rechtsverfolgungsmaßnahmen erstattungsfähig sind.
57
Vgl. etwa Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Aufl., § 286 Rdn. 47.
58
Daraus folgt, dass Mehrkosten, die durch die selbstständige Bearbeitung mehrerer
Forderungen gegen denselben Schuldner entstanden sind, nur dann ersetzt verlangt
werden können, wenn für die selbstständige Verfolgung der Forderungen vernünftige
Gründe sprachen.
59
Vgl. beispielsweise Putzo, in: Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 24. Aufl., § 91 Rdn.
10.
60
Nur auf diesen unbestrittenen Grundsatz bezieht sich die Weisung des Beklagten, wie
sich aus den Erläuterungen in dem Widerspruchsbescheid sinngemäß ergibt. Der damit
gegebene hohe, in der Sache unausweichliche Grad an Abstraktheit der Weisung steht
ihrer hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit nicht entgegen. Die Verwendung
abstrakter Begriffe ist nämlich grundsätzlich zulässig, wenn ihre Bedeutung im
konkreten Einzelfall hinreichend bestimmt werden kann.
61
Vgl. P. u. U. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 37 Rdn. 12 m.w.N.
62
Diese Voraussetzung liegt für die Weisung, mehrere Forderungen gegen denselben
Schuldner nicht ohne vernünftigen Grund getrennt zu bearbeiten, vor. Dabei stellt der
Senat zum einen in Rechung, dass der Anwendungsbereich der Weisung in dem
Widerspruchsbescheid bezogen auf die Tätigkeit der Klägerin in wesentlichen Punkten
erläutert worden ist, und berücksichtigt zum anderen, dass die Anordnung in allen
Zweifelsfällen der Klägerin nicht die Möglichkeit nimmt, den für sie jeweils günstigsten
vertretbaren Standpunkt einzunehmen. Die namentlich unter dem letztgenannten
Gesichtspunkt erhobenen Bedenken der Klägerin gehen deshalb ins Leere. Erst recht
ergeben sich danach keine Anhaltspunkte dafür, dass die Weisung der Klägerin
Unmögliches abverlange.
63
Von diesen Erwägungen ausgehend ist die streitige Weisung auch nicht
unverhältnismäßig. Dies gilt auch insofern, als sie sich auf Änderungen in der
Büroorganisation richtet, die ein vollständiges und rechtzeitiges Erkennen von
"Parallelfällen" gewährleisten sollen, zumal der Beklagte die Wahl des richtigen Mittels
zur Erreichung dieses Ziels der Klägerin überlassen hat und auch nicht ersichtlich ist,
dass der notwendige Kostenaufwand unangemessen, also unverhältnismäßig im
engeren Sinne, wäre. Zu dem letztgenannten Aspekt hat der Beklagte im Übrigen
zutreffend darauf hingewiesen, dass Maßnahmen zur Vermeidung nicht
erstattungsfähiger Kosten grundsätzlich im eigenen wirtschaftlichen Interesse der
Klägerin liegen.
64
Die unter III. weiterhin angesprochene Berichtsanforderung gehört - wie dargelegt -
ebenfalls zu den zulässigen Aufsichtsmitteln und ist gleichfalls nicht zu beanstanden.
65
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 VwGO. Der
Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167
VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
66
Der Senat lässt die Revision zu, weil die Rechtssache im Hinblick auf den Umfang des
aus § 3 Abs. 1 2. AVO RBerG abgeleiteten Weisungsrechts grundsätzliche Bedeutung
hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
67