Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.09.1997

OVG NRW (aufnahme einer erwerbstätigkeit, antragsteller, ausländer, abschiebung, einstellung, erwerbstätigkeit, lokal, koch, festnahme, tätigkeit)

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 3365/95
Datum:
09.09.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 3365/95
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 L 688/94
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auch für die Beschwerdeinstanz auf 910,35 DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde ist begründet.
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Das Verwaltungsgericht hat dem Aussetzungsantrag zu Unrecht stattgegeben.
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Der angefochtene, kraft Vollziehungsanordnung sofort vollziehbare Leistungsbescheid
des Antragsgegners vom 19. Januar 1994 ist offensichtlich rechtmäßig. Mit Blick darauf
überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das geltend gemachte
Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
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Rechtsgrundlage für die Kostenforderung des Antragsgegners ist § 82 Abs. 4 in
Verbindung mit § 83 Abs. 1 und 4 S. 1 AuslG. Nach § 82 Abs. 4 AuslG haftet für die
Kosten der Abschiebung, wer den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, wenn
diesem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder
des Arbeitsförderungsgesetzes nicht erlaubt war. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
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Unstreitig war der malaysische Staatsangehörige als Arbeitnehmer in der Eigenschaft
eines Kochs in dem vom Antragsteller betriebenen Restaurant beschäftigt. Diese
Tätigkeit war dem Ausländer mangels Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis auch nicht
gestattet.
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Die sich aus dem Gesetzeszweck ergebende weitere Voraussetzung, daß nämlich der
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Antragsteller die Ausreisepflicht des Ausländers kannte oder bei Anwendung der im
Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können,
vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1979 - 1 C 48.75 -, EZAR 137 Nr. 1 (zu § 24 Abs. 6
a AuslG 1965); OVG NW, Urteil vom 16. April 1997 - 17 A 3412/94 -,
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ist ebenfalls erfüllt. Nach Aktenlage, insbesondere dem eigenen Vorbringen des
Antragstellers bestehen keine Zweifel daran, daß dem Antragsteller die illegale
Erwerbstätigkeit des Ausländers nach vorstehendem Verschuldensmaßstab anzulasten
ist. Dabei kommt es auf die vom Antragsteller geschilderten Umstände der Einstellung
des malaysischen Staatsangehörigen durch seinen chinesischen Geschäftspartner
ungeachtet der Frage nach der Glaubhaftigkeit der Angaben nicht an. Ebenso kann
dahinstehen, ob der Ausländer nach den Feststellungen der Polizei bei seiner
Festnahme etwa zwei Monate in dem Lokal des Antragstellers beschäftigt war. Ein
verwerfbarer Pflichtverstoß liegt jedenfalls darin, daß der Ausländer mit Kenntnis und
Billigung des Antragstellers in der Zeit vom 1. Oktober 1993 bis zu seiner Festnahme
am 5. Oktober 1993 in dem Lokal des Antragstellers als Koch beschäftigt war. Nach
seinem eigenen Vorbringen war dem Antragsteller seit Ende September 1993 bekannt,
daß der malaysische Staatsangehörige ab 1. Oktober 1993 in dem von ihm geführten
Restaurant eine Tätigkeit als Koch aufnehmen sollte. Als der Antragsteller diesen
sodann am Tage seiner Rückkehr aus am 1. Oktober 1993 in seinem Lokal antraf, war
er als Konzessionsinhaber verpflichtet, unverzüglich konkrete Feststellungen über das
Vorliegen der aufenthalts- und arbeitsrechtlichen Voraussetzungen für eine
Beschäftigung des Ausländers zu treffen.
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Vgl. BVerwG, Beschluß vom 22. Juli 1987 - 1 B 170/86 -, NVwZ 1987, 1086; VGH
Baden-Württemberg, Urteil vom 15. August 1985 - 11 S 2355/82 -, EZAR 137 Nr. 8.
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Der Antragsteller hatte keinerlei Veranlassung, auf die Ordnungsmäßigkeit der
Beschäftigung des ihm nicht bekannten Ausländers zu vertrauen. Eigenem Vorbringen
zufolge waren ihm die näheren Umstände der Einstellung des Ausländers nicht
bekannt. Von seinem chinesischen Geschäftspartner, der angeblich am 1. Oktober 1993
bereits verschwunden war, hatte er keine Informationen dazu erhalten, ob der Ausländer
zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit berechtigt war. Hieraus sowie aus dem Umstand,
daß eine sprachliche Verständigung mit dem Ausländer angeblich nicht möglich war,
mußte es sich dem Antragsteller aufdrängen, Erkundigungen über die
Ordnungsmäßigkeit einer Beschäftigung einzuziehen. So hätte der Antragsteller die
Vorlage von Urkunden, insbesondere des Passes verlangen müssen.
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Vgl. BVerwG, Beschluß vom 13. September 1988 - 1 B 22.88 -, EZAR 137 Nr. 11;
Beschluß vom 22. Juli 1987, aaO; VGH Kassel, Urteil vom 21. September 1994 - 10 UE
985/94 -, NVwZ-RR 1995, 111.
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Daß er dies ohne Erfolg versucht hat, hat er nicht dargelegt. Solche Bemühungen wären
aber offensichtlich erfolgreich gewesen. Denn wie sich bei der Festnahme des
Ausländers am 5. Oktober 1993 herausgestellt hat, führte der Ausländer einen Paß bei
sich. Da dieser ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Kopie
keinerlei Eintragungen über eine Aufenthaltsgenehmigung enthielt, hätte der
Antragsteller bereits am 1. Oktober 1993 unter Beachtung der Sorgfaltspflichten eines
Gewerbetreibenden die mangelnde Berechtigung des Ausländers zur Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit unschwer feststellen können. Desweiteren hätte sich der Antragsteller
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auch am selben Tage an die Ausländerbehörde mit der Bitte um Überprüfung des
Aufenthaltsstatus wenden können. Bis zur Klärung des Aufenthaltsstatus des
Ausländers hätte der Antragsteller den malaysischen Staatsangehörigen sofort von
seiner Tätigkeit als Koch entbinden müssen. Hierzu war er als alleiniger
Konzessionsinhaber verpflichtet. Das Unterlassen all dieser möglichen und zumutbaren
Maßnahme stellt unter Beachtung des vorgenannten Verschuldensmaßstabs einen
schuldhaft begangenen Pflichtenverstoß dar. Daran ändert auch nichts die Einstellung
des gegen den Antragsteller eingeleiteten Ermittlungsverfahrens. Nach dem
entsprechenden Beschluß des Amtsgerichts vom 31. August 1994 ist dies
ausschlaggebend mit den nicht aufklärbaren Umständen der Einstellung des Herrn
begründet worden. Diese spielen jedoch im vorliegenden Verfahren - wie dargelegt -
keine Rolle.
Vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 1985 - 11 S 760/82 -, EZAR 137
Nr. 6.
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Ob und inwieweit Rechtsmängel der Abschiebung der Haftung des Arbeitsgebers für die
Kosten der Abschiebung entgegenstehen können,
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Vgl. dazu im einzelnen OVG NW, Urteil vom 16. April 1997 - 17 A 3412/94 - m.w.N.;
VGH Kassel, Urteil vom 6. Oktober 1994 - 10 UE 2754/93 -, NVwZ-RR 1995, 111,
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kann hier dahinstehen. Denn die Abschiebung des malaysischen Staatsangehörigen ist
nach Aktenlage rechtmäßig gewesen. Der unerlaubt eingereiste Ausländer war
vollziehbar ausreisepflichtig (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 AuslG). Ihm ist auch unter Hinweis auf §§
50 Abs. 1 und 5, 49 Abs. 2 Satz 1 AuslG die Abschiebung zuvor angedroht worden.
Irgendwelche Rechtsmängel sind im vorliegenden Verfahren weder dargetan noch aus
den Akten ersichtlich.
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Schließlich besteht im vorliegenden summarischen Verfahren auch keine
Veranlassung, die Höhe der Kostenforderung hinsichtlich der einzelnen
Kostenpositionen, deren Rechtmäßigkeit sich nach § 83 Abs. 1 AuslG beurteilt, einer
näheren Prüfung zu unterziehen. Der Antragsteller hat insoweit keine Bedenken geltend
gemacht. Solche drängen sich unter den Umständen des Falles auch nicht auf. Eine
nähere Überprüfung muß ggf. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Hinsichtlich der Streitwertbemessung geht auch der Senat von dem Streitwertkatalog in
der Fassung vom Januar 1996 aus und setzt den Streitwert in Höhe eines Viertels des
für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts fest (I Nr. 7 des
Streitwertkatalogs).
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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