Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.02.2003

OVG NRW (aufschiebende wirkung, wohnhaus, bebauungsplan, grundstück, objektiv, festsetzung, nachbar, umwandlung, lagerplatz, lasten)

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 B 2374/02
Datum:
25.02.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 B 2374/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 4 L 1816/02
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen
die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners
vom 25. Januar 2002 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt der Antragsgegner; von
den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner und
der Beigeladene die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten
der Antragstellerin je zur Hälfte, ihre eigenen im Beschwerdeverfahren
angefallenen außergerichtlichen Kosten tragen sie jeweils selbst.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e:
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Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Interesse der Antragstellerin an der
aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs überwiegt gegenüber dem Interesse des
Beigeladenen an der sofortigen (weiteren) Ausnutzung der ihm erteilten
Baugenehmigung, weil diese nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung offensichtlich
rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt.
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Die offensichtliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung folgt daraus,
dass das genehmigten Vorhaben ersichtlich bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
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Das Vorhaben liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 15 der früheren
Gemeinde L. . Dieser weist den Standort des strittigen Vorhabens als ein
eingeschränktes Gewerbegebiet aus, in dem nur nicht wesentlich störende Betriebe
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zulässig sind. Von der Wirksamkeit dieses Bebauungsplans ist ungeachtet der Absicht
der Stadt M. , den betroffenen Bereich künftig für Wohnbaunutzungen planerisch sichern
zu wollen, weiterhin auszugehen. Insbesondere liegt auch hinsichtlich des hier
festgesetzten eingeschränkten Gewerbegebiets - ebenso wie bei der Ausweisung des
östlichen Industriegebiets - kein Anhalt dafür vor, dass die entsprechende Festsetzung
funktionslos geworden wäre.
Zu dem ausgewiesenen Industriegebiet vgl. bereits: OVG NRW, Beschluss vom 26.
September 2002 - 7 B 1716/02 -.
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Mit der wirksamen und weiterhin nach § 30 Abs. 1 BauGB beachtlichen
Gewerbegebietsausweisung ist das strittige Vorhaben offensichtlich unvereinbar.
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Dem Beigeladenen ist nicht etwa ein (nicht wesentlich störender) Gewerbebetrieb
genehmigt worden, sondern ein Wohnhaus. Dies folgt bereits aus dem Tenor der
angefochtenen Baugenehmigung vom 25. Januar 2002, der das genehmigte Vorhaben
eindeutig und unmissverständlich umschreibt als "Wohnhaus mit Büroflächen". Die
Baugenehmigung gibt weder vor, dass das Grundstück nur für einen Gewerbebetrieb
genutzt werden darf, noch gibt sie etwa vor, dass das Wohnhaus ausschließlich als
Betriebswohnung iSv § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zu nutzen ist. Maßgeblich für den Inhalt
dessen, was genehmigt wird, ist in erster Linie die Baugenehmigung selbst. Der
Bauschein bestimmt insbesondere Art und Umfang des genehmigten Vorhabens. Die
mit dem Bauantrag einzureichenden Bauvorlagen (vgl. nunmehr § 69 Abs. 1 Satz 1
BauO NRW) haben demgegenüber in aller Regel keine selbstständige Bedeutung,
vielmehr eine konkretisierende und erläuternde Funktion. Wenn und soweit der Text des
Bauscheins abschließende und erschöpfende Regelungen trifft, hat es damit sein
Bewenden.
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Vgl.: OVG NRW, Urteil vom 26. Juli 1995 - 7 A 2179/93 - JURIS-Dokumentation, m.w.N..
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Der Umstand, dass die genehmigten Bauvorlagen im Erdgeschoss des Wohnhauses
auch "Büroräume" aufweisen und dass im genehmigten Lageplan ein rd. 6 x 9 m großer
"Lagerplatz" eingetragen ist, der nach der genehmigten Betriebsbeschreibung der
Lagerung von Baumaterialien dienen soll, ändert nichts daran, dass der Beigeladene
das strittige Vorhaben "Wohnhaus mit Büroräumen" auch dann
baugenehmigungskonform nutzen kann, wenn er auf die Anlage des Lagerplatzes
verzichtet und die Räume im Erdgeschoss nicht einer Büronutzung zuführt.
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Des Weiteren fehlt es auch im vorliegenden Fall - nicht anders als bei dem Sachverhalt,
der dem Beschluss des Senats vom 26. September 2002 (7 B 1716/02) zu Grunde lag -
daran, dass das Wohnen auf oder nahe dem Betriebsgrundstück mit Rücksicht auf die
Art und Größe des Betriebs aus betrieblichen Gründen objektiv sinnvoll und dass die
Betriebswohnung dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche
und Baumasse untergeordnet ist.
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Vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 1999 - 4 B 46.99 - BRS 62 Nr. 78.
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Die letztgenannte Voraussetzung ist entgegen der Auffassung des Beigeladenen in
seiner Beschwerdeerwiderung vom 11. Februar 2003 auch im vorliegenden Fall zu
beachten. Zwar trifft es zu, dass auf den hier in Rede stehenden, im Jahr 1971 bekannt
gemachten Bebauungsplan Nr. 15 gemäß der statischen, nicht dynamischen
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Verweisung des § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO die BauNVO 1968 anzuwenden ist und
dass § 8 Abs. 3 Nr. 1 dieser Fassung der BauNVO noch nicht den Zusatz enthielt "die
dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse
untergeordnet sind". Mit dem genannten, erst durch die BauNVO 1990 in diese
Verordnung aufgenommenen Zusatz hat sich an der Rechtslage jedoch nichts geändert.
Die Aufnahme dieses Zusatzes in die BauNVO hat lediglich klarstellende Funktion, ihr
kommt nicht die Bedeutung einer materiell-rechtlichen Änderung zu.
Vgl.: Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl. 2002, § 8 RdNr. 4.1; ebenso: Bielenberg in
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand August 2002, § 8 RdNr. 23; Ziegler in
Brügelmann, BauGB, Stand September 2002, § 8 RdNr. 56 m.w.N..
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Für die Genehmigungfrage macht es daher keinen Unterschied, welche Fassung der
BauNVO Bestandteil des Bebauungsplans iSv § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO ist.
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Nicht anders als in dem bereits angesprochenen Fall, der dem Beschluss des Senats
vom 26. September 2002 (7 B 1716/02) zu Grunde lag, dominiert auch hier die
Wohnnutzung das Vorhaben des Beigeladenen eindeutig. Das Wohnhaus selbst soll
mit seiner ausschließlich im Erdgeschoss vorgesehenen gewerblichen Nutzung (zwei
Büroräume mit weniger als 40 qm Grundfläche nebst großzügigem, einem normalen
Bad entsprechendem WC und gleichfalls großzügiger sog. Teeküche) allenfalls zu rd.
einem Drittel gewerblich genutzt werden. Hinsichtlich des Lagerplatzes scheidet eine
Zuordnung zu dem Wohnhaus (nebst Garage mit Abstellraum) ersichtlich aus. Da eine
bauliche Befestigung dieses Lagerplatzes in den genehmigten Bauvorlagen nicht
verlautbart ist, in der genehmigten Baubeschreibung vielmehr - abgesehen von der
Befestigung der Zufahrt mit Betonsteinpflaster - nur die Rede ist von einer
"allg.Eingrünung" der nicht überbauten Flächen, wäre die hier vorgesehene
gewerbliche Nutzung allenfalls in Relation zu setzen zu dem übrigen, eindeutig der
Wohnnutzung zuzuordnendem Freiflächengeschehen auf dem Grundstück. Der
Lagerplatz erfasst damit gleichfalls nur einen Bruchteil des eindeutig der Wohnnutzung
zuzuordnenden Freiflächengeschehens.
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Es ist im Übrigen auch nicht ansatzweise erkennbar, dass die Einrichtung des
Lagerplatzes von weniger als 60 qm Grundfläche und von den beiden Büroräumen es
aus - hier in den maßgeblichen Bauvorlagen ohnehin nicht näher verlautbarten -
betrieblichen Gründen objektiv sinnvoll erscheinen lassen, dass neben diesen
angegebenen gewerblichen Nutzungen betriebsbedingt gewohnt wird. Das Vorbringen
des Beigeladenen in seiner Beschwerdeerwiderung vom 11. Februar 2003 gibt zu einer
anderweitigen Einschätzung schon deshalb keinen Anlass, weil es ersichtlich von
einem Sachverhalt ausgeht, der mit der angefochtenen Baugenehmigung nichts zu tun
hat. Der hier in Rede stehende Lagerplatz ist schon von seinen in den genehmigten
Bauvorlagen festgelegten objektiven Gegebenheiten (insbesondere Lage und
Dimension) her nicht geeignet, eine Vielzahl der in der Beschwerdeerwiderung erstmals
angesprochenen Fahrzeuge sowie weitere Materialien aufzunehmen. Von der mit
Genehmigungsvermerk versehenen Betriebsbeschreibung ist das Abstellen von
Baufahrzeugen (Lkw, Bagger, Bauwagen pp) oder gar Warten von Maschinen ohnehin
nicht erfasst. Auch die weiter angesprochene Nutzung von Bereichen "außerhalb der
eingezäunten Lagerfläche" ist nicht genehmigt. Zur "Überwachung" eines nur knapp 60
qm großen Lagerplatzes für Baumaterialien ist eine Betriebsleiterwohnung vor Ort
objektiv nicht sinnvoll.
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Der Einschätzung, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine im hier festgesetzten
Gewerbegebiet zulässige Betriebswohnung handelt, steht schließlich auch nicht
entgegen, dass sich bei den Bauakten (Bl. 25 der Beiakte Heft 2) eine Baulast mit der
Verpflichtung befindet, nach der "die Wohnung auf dem o.g. Grundstück nur von dem in
§ 8 Abs. 3 Ziffer 1 der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke -
Baunutzungsverordnung - (BauNVO) genannten Personenkreis genutzt wird". Die
Baulast ist schon deshalb ungeeignet, ein dem hier in Rede stehenden Gewerbegebiet
zuzuordnendes betriebliches Wohnen dauerhaft zu sichern, weil keine Zuordnung des
Nutzerkreises zu einem konkreten in eben diesem Gewerbegebiet ansässigen Betrieb -
erst Recht nicht zu einem solchen auf dem strittigen Grundstück - erfolgt ist.
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Durch die nach alledem offensichtlich rechtswidrige Baugenehmigung wird die
Antragstellerin ersichtlich auch in ihren Rechten verletzt. Sie hat nach Auffassung des
Senats - unabhängig von der Frage, ob das strittige Vorhaben ihr gegenüber konkret
rücksichtslos ist - einen Anspruch darauf, dass in der hier gegebenen Situation in dem
'ihrem' Industriegebiet benachbarten Gewerbegebiet keine Baugenehmigung erteilt
wird, die zu ihren - der Antragstellerin - Lasten mit der Gewerbegebietsausweisung
unvereinbar ist.
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Allerdings ist dem Verwaltungsgericht einzuräumen, dass der höchstrichterlich
anerkannte sog. Gebietsgewährleistungsanspruch
19
- vgl. hierzu grundlegend: BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 - BRS 55
Nr. 110 -
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sich auf Fallgestaltungen bezieht, bei denen es um die Wahrung des Gebietscharakters
zu Gunsten eines innerhalb desselben Baugebiets ansässigen Nachbarn geht. Insoweit
kann sich der Nachbar im Plangebiet auch dann gegen die Zulassung einer
gebietswidrigen Nutzung wenden, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar
beeinträchtigt wird. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll
jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die
schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können.
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Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 2000 - 4 B 87.99 - BRS 63 Nr. 190.
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Um eine solche schleichende Umwandlung des Baugebiets, in dem der betroffene
Nachbar - hier die Antragstellerin - selbst ansässig ist, geht es im vorliegenden Fall
jedoch nicht. Der Betrieb der Antragstellerin liegt in dem im Bebauungsplan Nr. 15
festgesetzten Industriegebiet, während das Vorhaben des Beigeladenen -
unzulässigerweise - im angrenzenden eingeschränkten Gewerbegebiet errichtet wird.
Die Antragstellerin möchte im vorliegenden Fall anders als im Verfahren 7 B 1716/02
nicht eine schleichende Umwandlung ihres eigenen Baugebiets - des festgesetzten
Industriegebiets - verhindern, sondern sie möchte verhindern, dass das angrenzende, in
demselben Bebauungsplan festgesetzte eingeschränkte Gewerbegebiet durch das
Vorhaben des Beigeladenen und andere dort unzulässige betriebsfremde
Wohnvorhaben schleichend zu ihren Lasten in ein letztlich nur Wohnnutzung dienendes
(faktisches) Wohngebiet umgewandelt wird. Nach Auffassung des Senats ist in dieser
Konstellation jedenfalls ein Anspruch auf Bewahrung bestimmter Elemente der
festgesetzten Gebietstypik zu bejahen, der der im Industriegebiet ansässigen
Antragstellerin einen Anspruch darauf gewährt, dass im benachbarten eingeschränkten
Gewerbegebiet keine Vorhaben zugelassen werden, die zu ihren Lasten mit dem
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festgesetzten Gebietscharakter unvereinbar sind. Wie bei dem höchstrichterlich
anerkannten Gebietsgewährleistungsanspruch kommt es dabei im konkreten Fall nicht
entscheidend darauf an, ob der Plangeber bei der konkreten Ausweisung der beiden
benachbarten Baugebiete einen diesbezüglichen Nachbarschutz seiner
Baugebietsausweisung ausdrücklich beabsichtigt hat oder nicht. Ebenso wenig ist für
den nachbarlichen Abwehranspruch zu fordern, dass das unzulässige gebietsfremde
Vorhaben sich der Antragstellerin als Nachbarin gegenüber konkret als rücksichtslos
erweist. Der aus dem objektiven Charakter der getroffenen Baugebietsausweisungen
folgende nachbarliche Abwehranspruch ist anders als der sog.
Gebietsgewährleistungsanspruch jedoch nur eingeschränkt. Er gewährt nicht ein
Abwehrrecht gegenüber allen mit der getroffenen Baugebietsausweisung unvereinbaren
Vorhaben, sondern nur gegenüber solchen unzulässigen Vorhaben, die der Nachbar
aus Gründen, die das gesamte Plangebiet erfassen und dessen alle Grundeigentümer
bindenden und ihre eigenen Vorhaben schützenden Charakter betreffen, selbst nicht
verwirklichen dürfte.
Für diese Wertung sprechen insbesondere folgende Erwägungen: Der hier in Rede
stehende Bebauungsplan erfasst ein Areal, das insgesamt als zu gewerblichen
Zwecken nutzbar ausgewiesen ist. Mit der Festsetzung des größeren Industriegebiets
und des kleineren benachbarten eingeschränkten Gewerbegebiets, in dem nur nicht
wesentlich störende Betriebe zulässig sind, ist das Plangebiet insgesamt ausschließlich
gewerblicher Nutzung vorbehalten. Der Sache nach stellen sich die Planfestsetzungen
nicht anders dar, als wenn das Plangebiet insgesamt als gegliedertes Gewerbegebiet
ausgewiesen worden wäre. Der Unterschied zu einer solchen Variante besteht hier nur
darin, dass in dem als Industriegebiet ausgewiesenen Bereich auch die in einem
Gewerbegebiet nicht zulässigen erheblich belästigenden Gewerbebetriebe zulässig
sind. Ein wesentliches Merkmal sowohl der Gewerbegebiets- als auch der
Industriegebietsausweisung, nämlich der generelle Ausschluss jeglichen Wohnens, das
nicht ausnahmsweise als betriebsbezogenes Wohnen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 bzw. § 9
Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zugelassen werden kann, bleibt für das gesamte Plangebiet
erhalten. Bezogen auf diesen Ausschluss betriebsfremden Wohnens bei gleichzeitiger
Vorgabe ausschließlicher gewerblicher Nutzungen weisen die beiden hier festgesetzten
Baugebiete eine einheitliche Charakteristik auf, die es hier rechtfertigt, der
Antragstellerin einen das gesamte Plangebiet erfassenden Abwehranspruch
zuzugestehen. Ebenso wie sie es hinnehmen muss, dass sie ihr eigenes Grundstück
nicht für betriebsfremdes allgemeines Wohnen zur Verfügung stellen, sondern dieses -
abgesehen von eventuellen Ausnahmen nach § 9 Abs. 3 BauNVO - ausschließlich
gewerblich nutzen darf, kann sie erwarten, dass Gleiches nicht nur in ihrem eigenen
Industriegebiet geschieht, sondern auch in dem benachbarten eingeschränkten
Gewerbegebiet, das gleichfalls nicht für betriebsfremdes Wohnen, sondern
auschließlich für gewerbliche Nutzungen zur Verfügung steht. Für den Senat besteht
insoweit kein Zweifel, dass die Antragstellerin bei ihrer Ansiedlung im Industriegebiet
nicht damit rechnen mußte, dass in diesem Gebiet oder im benachbarten
eingeschränkten Gewerbegebiet eine ihren Betrieb möglicherweise gefährdende
Wohnnutzung zugelassen werden würde.
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Aus dieser Wertung folgt - worauf zur Vermeidung von Missverständnissen nochmals
hinzuweisen ist - nicht, dass die Antragstellerin damit einen Abwehranspruch gegen
jedes Vorhaben hätte, das mit den für das benachbarte eingeschränkte Gewerbegebiet
getroffenen Festsetzungen unvereinbar wäre. Namentlich hat sie nicht etwa einen - von
einer konkreten Unzumutbarkeit unabhängigen - Anspruch darauf, dass dort kein
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Gewerbebetrieb zugelassen wird, der wesentlich stört oder gar erheblich belästigt. Auch
ist darauf hinzuweisen, dass mit dieser Wertung nicht etwa die generelle Anerkennung
eines das gesamte Plangebiet eines Bebauungsplans erfassenden
Gebietsgewährleistungsanspruchs verbunden ist.
Vgl. in diesem Sinne etwa: VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 4. Mai 2001 - 3 S
597/00 - VBlBW 2001, 487; a.A. hingegen: VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 23.
August 1996 - 10 S 1492/96 - BRS 58 Nr. 160.
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Entscheidend für die Bejahung des eingeschränkten, über die Grenzen ihres eigenen
Baugebiets hinausgreifenden Abwehranspruchs der Antragstellerin ist vielmehr allein,
dass die im vorliegenden Bebauungsplan getroffenen Baugebietsausweisungen dem
Plangebiet insgesamt einen ausschließlich gewerblich nutzbaren Gebietscharakter
zukommen lassen, der alle Planbetroffenen objektiv vor einer mit den Vorgaben der
BauNVO unvereinbaren Verfremdung durch gewerbe- und industriegebietsfremde
Wohnnutzungen schützt. Darauf, ob ein solcher Nachbarschutz vom Plangeber
ausdrücklich beabsichtigt und entsprechend verlautbart ist
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- vgl. in diesem Sinne etwa: OVG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 14. Januar 2000 - 1 A
11751/99 - BRS 63 Nr. 191 -,
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kann es bei diesen objektiven Gegebenheiten ebenso wie bei dem Anspruch auf
Wahrung des Gebietscharakters innerhalb desselben Baugebiets nicht ankommen.
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Die Kostentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 und 162 Abs. 3
VwGO iVm § 100 ZPO.
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Die Festsetzung des Streitwerts stützt sich auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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