Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.05.2002

OVG NRW: wiedereinsetzung in den vorigen stand, erschwerende umstände, eigene mittel, notlage, vertrauensverhältnis, polizeibeamter, persönlichkeit, disziplinarverfahren, vermögensvorteil, eigenschaft

Oberverwaltungsgericht NRW, 6d A 5368/00.O
Datum:
15.05.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Disziplinarsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6d A 5368/00.O
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 35 K 5416/98.O
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten des Beamten verworfen.
Dem Beamten wird ein Unterhaltsbeitrag von 75 % des im Zeitpunkt der
Urteilsfällung erdienten Ruhegehalts für die Dauer von sechs Monaten
bewilligt.
Gründe:
1
I.
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Der am 5. Januar 19 geborene Beamte trat nach Erwerb der Fachoberschulreife am 1.
Oktober 19 als Polizeiwachtmeister auf Widerruf in den Polizeidienst des Landes
Nordrhein-Westfalen ein. Die Eigenschaft eines Beamten auf Probe wurde ihm mit
Wirkung vom 1. Oktober 19 , diejenige eines Beamten auf Lebenszeit am 5. Januar 19
verliehen. Er wurde mehrfach befördert, zuletzt mit Wirkung vom 1. Mai 19 zum
Polizeiobermeister.
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Die dienstlichen Leistungen des Beamten lagen nach der letzten Beurteilung vom 7.
Februar 19 über dem Durchschnitt. Nach dem Eignungsbericht für den Aufstieg in den
gehobenen Dienst vom August 19 lagen seine Leistungen erheblich über dem
Durchschnitt. Der Beamte nahm darauf an einem Auswahllehrgang für Kommis-
sarbewerber teil, nach dessen Ergebnis er im April 19 aus dem Auswahlverfahren
ausschied. Nachdem er im Februar 19 erneut seine Zulassung zum Auswahl- verfahren
für Kommissarbewerber beantragt hatte, bestand er die am 28. März 19 durchgeführte
Einstufungsprüfung an der Höheren Landespolizei-schule nicht.
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Der Beamte ist geschieden. Er hat zwei Söhne, die in den Jahren 19 bzw. 19 geboren
wurden. Er bezieht - gemäß § 92 der Disziplinarordnung des Landes Nordrhein-
Westfalen (DO NRW) gekürzte - Dienstbezüge nach der Besoldungs- gruppe A 8 in
Höhe von 2.645,78 DM netto, von denen monatlich 238,90 DM aufgrund von
Pfändungen einbehalten werden (Stand Mai ).
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Der Beamte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Strafrechtlich ist er wegen der
Vorgänge, die Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens sind, durch
rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts vom 8. Januar 19 - Cs Js 430/ (1/ ) - wegen
Urkundenfälschung, Untreue und Verwahrungsbruch zu einer Gesamtgeldstrafe von
180 Tagessätzen zu je 75,00 DM verurteilt worden.
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Nach Durchführung disziplinarer Vorermittlungen leitete das Polizeipräsidium als
Einleitungsbehörde mit Verfügung vom 21. November 19 , die dem Beamten am 23.
November 19 zugestellt wurde, das förmliche Disziplinarverfahren ein. Gleichzeitig
wurde der Beamte vorläufig des Dienstes enthoben; 25 % seiner monatlichen
Dienstbezüge wurden einbehalten; das Disziplinarverfahren wurde im Hinblick auf die
strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt. Nach Abschluss des Strafverfahrens wurde
das Disziplinarverfahren ab 16. Juli 19 fortgesetzt. Dem Beamten wurde Gelegenheit
gegeben, sich abschließend zu den disziplinaren Vorwürfen zu äußern.
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Durch die Anschuldigungsschrift vom 8. Juni 19 wird dem Beamten zur Last gelegt,
seine Dienstpflichten verletzt und ein Dienstvergehen im Sinne des § 83 des
Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) begangen zu haben,
indem er
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in als Polizeibeamter des Verkehrsdienstes in der Zeit von Mitte Juni 19 bis zum 23.
August 19 Farbkopien von Verwarnungsgeldblockabschnitten angefertigt und die
Abschnitte bei Radareinsätzen an Verkehrsteilnehmer ausgehändigt habe, ohne das
erhaltene Geld ordnungsgemäß abzurechnen.
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Die Verhandlung vor der Disziplinarkammer am 14. September ist in Abwesenheit des
Beamten und eines Verfahrensbevollmächtigten durchgeführt worden, nachdem zwei
Termine wegen krankheitsbedingter Verhinderung des Beamten aufgehoben worden
waren und ihm aufgegeben worden war, für den Fall einer Erkrankung ein
polizeiärztliches Attest vorzulegen. Einem Antrag auf Terminsverlegung, der ca. 1
Stunde vor der Terminsstunde per Telefax einging, hat die Kammer nicht statt-gegeben.
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Die Disziplinarkammer hat den Beamten durch das angefochtene Urteil aus dem Dienst
entfernt und dazu folgenden Sachverhalt festgestellt:
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„Der Beamte hat etwa im Juni 19 sowohl einen Verwarngeldblock als auch die damit im
Zusammenhang stehenden, noch nicht abgerechneten Gelder für ausgesprochene
Verwarnungen in Höhe von etwa 840 DM zunächst verlegt. Später fand sich nur der
Verwarngeldblock, nicht jedoch der fehlende Geldbetrag wieder.
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Um diesen Verlust zu verdecken, rechnete er den Verwarngeldblock vorerst mit der
Einnahme aus einem weiteren Block ab. Später entschloss er sich, den mit einer
Verlustmeldung über die 840 DM verbundenen Ermittlungen zu entgehen, indem er sich
auf folgende Weise einen Ausgleich verschaffte:
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Er begab sich insgesamt dreimal zu einem Fotokopiergeschäft auf der E. Straße 42 in
und fotokopierte auf einem Farbkopierer Verwarngeldabschnitte aus
Verwarngeldblöcken. Um diese Kopien möglichst echt zu gestalten, schnitt er diese
anschließend zu und versah sie mittels eines Saumrädchens mit einer Perforation.
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Hierbei standen dem Beamten drei Blöcke, davon zwei an ihn ausgegebene, zur
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Verfügung. Von dem ersten Block fertigte er insgesamt 30 Kopien, von denen jedoch nur
eine brauchbar war. Von den 30 Kopien des zweiten Kopiervorganges waren etwa 10
bis 15 verwendbar. Beim dritten Mal wurden von einem Block, der ursprünglich seinem
Kollegen PHM überlassen und von diesem, wie es gängige Praxis war, aushilfsweise
auf ihn weiterübertragen worden war, ohne dessen Wissen 50 Kopien gefertigt, die alle
zufriedenstellend ausfielen.
Letztere Kopien fertigte der Beamte nicht selbst an, sondern der mit ihm befreundete
Herr aus . Dieser hatte ihm auf seine Bitte hin auch geraten, die Qualität der Kopien
durch Verwendung eines anderen Papiers zu verbessern. Von den so gewonnenen
falschen Verwarngeldquittungen verwendete der Beamte im Zeitraum Mitte Juni bis
zuletzt am 23. August 19 bei mindestens fünf Radareinsätzen des Verkehrsdienstes des
Polizeipräsidiums jeweils vier bis fünf - mithin insgesamt 20 - an Stelle der
Originalquittungen. Er hat 20 - 30 dieser kopierten Quittungen an die jeweils von einer
Verwarnung betroffenen Verkehrsteilnehmer verteilt und das von ihnen gegen die
Quittungen gezahlte Geld eingesteckt und nicht gegenüber der Behörde abgerechnet.
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Pro Einsatz erzielte der Beamte, der neben den Fälschungen auch ordnungsgemäß
abgerechnete echte Verwarngeldabschnitte verwandte, etwa bis zu 200 DM.
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Am 23. August 19 hat der Beamte jedenfalls Verwarngelder in Höhe von 50 und 60 DM
verhängt und gefälschte Quittungen ausgegeben.
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Der Beamte lieferte bei der Schlussabrechnung seiner Verwarngeldblöcke am 29.08.19
insgesamt 1.345 DM ab. Anhand des Abrechnungsbuches stand jedoch nur eine
Summe von 1.310 DM offen. Die restlichen 35 DM stammten, wie er hervorhob, nicht
aus seinen dienstlichen Verfehlungen, sondern rührten möglicherweise aus einer
fehlerhaften Abrechnung her. Zu dieser komme es gelegentlich dann, wenn ein
Verwarngeldabriss entweder zu hoch oder zu niedrig an verwarnte Bürger ausgeteilt
wird."
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Die Disziplinarkammer hat weiter ausgeführt, dass diese Feststellungen auf dem
rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts vom 8. Januar 19 , einem Vermerk vom 29.
August 19 über die Abrechnung der Verwarnblöcke und der geständigen Einlassung
des Beamten beruhten. Ergänzend habe der Beamte erklärt, er habe Verwarngelder nur
entsprechend den Vorgaben des Bußgeld-kataloges erhoben. Es sei ihm ausschließlich
darum gegangen, seinen finanziellen Schaden durch den ursprünglichen Verlust der
Verwarngelder auszugleichen; Gewinne habe er nicht erwirtschaften wollen.
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In Würdigung dieses Sachverhalts hat die Disziplinarkammer festgestellt, dass der
Beamte die ihm obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt und dadurch ein Dienst-
vergehen im Sinne des § 83 Abs. 1 LBG NRW begangen habe. Indem er von zu
verwarnenden Verkehrsteilnehmern Verwarngelder entgegengenommen habe, den
Verwarnten selbst angefertigte Kopien von Verwarnblockabschnitten ausgehändigt und
die dafür empfangenen Beträge nicht abgerechnet habe, habe er im innerdienstlichen
Bereich ein Verhalten gezeigt, das geeignet sei, die Achtung und das Vertrauen zu
beeinträchtigen, auf die der Beamte zur Ausübung seines Dienstes angewiesen sei (§
57 Satz 3, § 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW). Der Beamte habe sich kriminell verhalten. Zu
den wesentlichen Pflichten eines Polizeibeamten gehöre es, nicht selbst gegen
Strafgesetze zu verstoßen. Aufgrund der Planmäßigkeit seines Vorgehens bestünden
auch keine Zweifel an seinem Verschulden.
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In Würdigung der Schwere des Dienstvergehens und der Persönlichkeit des Be- amten
sei dessen Entfernung aus dem Dienst unabweisbar, da er im Kernbereich seines
Pflichtenkreises versagt habe und für den öffentlichen Dienst untragbar geworden sei.
Er habe die wesentliche Pflicht eines Polizeibeamten, nicht selbst gegen Strafgesetze
zu verstoßen, in grobem Maße verletzt. Sein persönliches Ansehen bei den Bürgern
habe er restlos verloren. Der von einer Verwarnung betroffene Bürger vertraue
angesichts des dem Beamten eingeräumten Entscheid- ungsrahmens zu Recht darauf,
dass sich der Polizeibeamte allein von Gesetz und Recht leiten lasse. Ein solches
Vertrauen könne der Bürger aber nur einem Beamten entgegenbringen, der aus
uneigennützigen Motiven handele und die Verwarngelder nicht zu eigenen Zwecken
einstreiche. Denn anderenfalls wäre das Handeln des Beamten dem nicht
unbegründeten Verdacht ausgesetzt, die Bemessung der Verwarnung erfolge nicht
allein nach sachgerechten Zumessungskriterien. Der Beamte habe das Vertrauen von
Bürgern missbraucht, um die Gelder eigennützig zu vereinnahmen. Der mit der Tat aus
Sicht der Bürger verbundene Vertrauensverlust sei von so erheblichem Gewicht, dass
das persönliche Ansehen des Beamten in der Öffentlichkeit dauerhaft und endgültig
zerstört sei.
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Unabhängig davon sei dem Dienstherrn im Interesse der Funktionsfähigkeit des
öffentlichen Dienstes ein weiteres Verbleiben des Beamten im Amt nicht mehr
zuzumuten. Ein Beamter, der ihm als Amtsträger anvertrautes oder zugängliches Geld
für eigene Zwecke einsetze, zerstöre das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn
so nachhaltig, dass er grundsätzlich nicht mehr im Dienst belassen werden könne.
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Ausnahmen von der danach gebotenen disziplinaren Höchstmaßnahme seien nur
aufgrund besonderer Umstände gerechtfertigt. Ein solcher Ausnahmetatbestand könne
nur dann anerkannt werden, (1.) wenn der Beamte in einer unverschuldeten, zumindest
aus seiner Sicht unausweichlichen wirtschaftlichen Notlage gehandelt habe, (2.) wenn
es sich um eine unbedachte Gelegenheitstat handele, (3.) bei einer aus einer
psychischen Zwangssituation hervorgegangenen Tat, (4.) bei einer Selbstoffenbarung
gegenüber dem Dienstherrn oder einem Schadensausgleich vor Entdeckung des
Dienstvergehens oder schließlich (5.) bei einer Tat, bei der der Unrechtsgehalt des
Fehlverhaltens infolge der geringen Höhe des Betrages und mangels erschwerender
Umstände gemindert sei.
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Keiner dieser Milderungsgründe sei hier gegeben. Anhaltspunkte für eine wirtschaft-
liche Notlage oder eine psychische Zwangssituation lägen nicht vor. Gegen die
Annahme einer unbedachten Gelegenheitstat spreche, dass der Beamte, wenn auch
nicht perfekt, so doch mit Bedacht vorgegangen sei. Der Milderungsgrund der
freiwilligen Offenbarung eines Fehlverhaltens greife nicht ein, wenn ein Geständnis -
wie hier - erst im Laufe eines bereits eingeleiteten Ermittlungsverfahrens erfolge.
Schließlich sei angesichts der Entziehung eines Betrages von ca. 1.000,00 DM auch
nicht von einem geringen Betrag auszugehen. Auch wenn man berücksichtige, dass der
Beamte den Schaden nach Entdeckung seiner Tat ersetzt habe, sei diese eher
selbstverständliche Geste keine Basis, auf der das zerstörte Vertrauen wiederher-
zustellen wäre.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beamten, die er mit dem Ziel der
Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme eingelegt hat. Der Beamte hält seine
Entfernung aus dem Dienst für unverhältnismäßig. Er ist der Auffassung, dass
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gravierende Schuldminderungsgründe vorlägen, so dass das Vertrauensverhältnis zum
Dienstherrn nicht unwiederbringlich zerstört sei. Zudem sei unberücksichtigt geblieben,
dass das der Disziplinarmaßnahme zugrunde liegende Verhalten nicht nach außen
gedrungen sei. Er beruft sich insbesondere darauf, dass seine gesamte Persönlichkeit
nicht angemessen gewürdigt worden sei. Die Disziplinarkammer stelle ausschließlich
darauf ab, dass er Polizeibeamter sei. Zu beachten sei jedoch, dass nicht nur
Polizeibeamten, sondern allen Beamten als oberstes Gebot die Pflicht obliege, nach
Gesetz und Recht zu handeln. Entscheidend komme es darauf an, dass es Ausnahmen
gebe, bei denen das Vertrauensverhältnis nicht unheilbar zerstört, sondern wieder
herstellbar sei. Das Gericht lasse gänzlich aus dem Blick, dass das Fotokopieren der
Verwarngeldabschnitte nicht von einer besonderen kriminellen Energie zeuge, sondern
lediglich Mittel gewesen sei, den Verlust von Verwarnungsgeldern auszugleichen.
Hierauf allein sei der Vorsatz gerichtet gewesen, so dass aus strafrechtlicher Sicht nicht
von einer Realkonkurrenz, sondern von einer natürlichen Handlungseinheit auszugehen
sei, was schuldmindernd in Ansatz zu bringen sei. Zudem sei er, der Beamte, ziemlich
dilettantisch vorgegangen. Wenn das Gericht in diesem Zusammenhang annehme, eine
unausweichliche wirtschaftliche Notlage oder eine Tat als Folge einer psychischen
Zwangssituation hätten nicht vorgelegen, so sei unberücksichtigt geblieben, dass er
sich nicht habe bereichern, sondern den Verlust eines Verwarnungsgeldblocks samt
eingenommener Gelder in Höhe von 840,00 DM habe decken wollen. Er habe
befürchten müssen, dass dies Gegenstand eines Disziplinarverfahrens geworden wäre,
weil sein Dienstherr den Verlust als Dienstpflichtverletzung, wenn nicht gar als Verdacht
einer qualifizierten Unterschlagung habe hinstellen können. Aufgrund dieses
Zusammenspiels unglücklicher Verkettungen könne eine psychische Zwangslage nicht
mehr von der Hand gewiesen werden. Darüber hinaus habe sich sein Verhalten zu
einer unbedachten Gelegenheitstat verdichtet, die ihren Ursprung in einer subjektiv
höchst belastenden Zwickmühle gehabt habe. Dass er dafür einen längeren Zeitraum in
Anspruch genommen habe, gereiche ihm wegen der natür-lichen Handlungseinheit
nicht zu einem weitgreifenden Schuldvorwurf. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass
er geständig gewesen sei und sein Fehlverhalten weder vertuscht noch geleugnet habe.
Der Beamte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu
erkennen.
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Die Vertreterin der obersten Dienstbehörde beantragt,
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die Berufung zu verwerfen.
29
II.
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Die Berufung des Beamten hat keinen Erfolg.
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1. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere steht ihrer Zulässigkeit die Versäumung der
Berufungsfrist nicht entgegen, nachdem der Senat mit Beschluss vom 8. Juni 2001
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt hat. Des Weiteren lässt sich den
Ausführungen der Berufungsschrift eindeutig entnehmen, dass mit dem Rechtsmittel
allein die Auswahl der Disziplinarmaßnahme angegriffen und eine mildere
Disziplinarmaßnahme angestrebt wird. Ein Verstoß gegen § 81 DO NRW liegt danach
nicht vor.
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2. Die Berufung ist unbegründet.
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Formale Mängel des Verfahrens liegen nicht vor. Insbesondere ist es nicht zu
beanstanden, dass die Disziplinarkammer in Abwesenheit des Beamten und eines
Verfahrensbevollmächtigten verhandelt und keinen neuen Hauptverhandlungstermin
angesetzt hat. Dies entsprach den Regelungen in § 71 Abs. 1 und 2 DO NRW, wobei
der Senat insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden
Ausführungen der Disziplinarkammer Bezug nimmt (Seiten 3 und 4 der angefochtenen
Entscheidung).
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Zu Recht hat die Disziplinarkammer den Beamten aus dem Dienst entfernt. Eine mildere
Maßnahme scheidet aus.
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Die Berufung ist auf das Disziplinarmaß beschränkt. Daher sind die Tat- und
Schuldfeststellungen des Urteils der Disziplinarkammer und die darin vorgenom- mene
Würdigung des Verhaltens des Beamten als Dienstvergehen für das Rechts-
mittelgericht bindend. Die dahingehenden Feststellungen der Disziplinarkammer sind
unanfechtbar geworden und vom Senat nicht mehr zu überprüfen. Der Senat hat nur
noch darüber zu entscheiden, welche Disziplinarmaßnahme wegen des festge- stellten
Dienstvergehens angemessen ist.
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Hiernach steht fest, dass der Beamte die ihm obliegenden Pflichten schuldhaft verletzt
und ein Dienstvergehen im Sinne des § 83 Abs. 1 LBG NRW begangen hat, indem er
bei Radareinsätzen von zu verwarnenden Verkehrsteilnehmern Verwarngelder
entgegennahm, den Verwarnten selbst angefertigte Kopien von
Verwarnblockabschnitten aushändigte und die dafür empfangenen Beträge zur
Deckung eines Fehlbetrages einsetzte. Der Beamte hat sich insoweit - wie auch dem
Strafbefehl des Amtsgerichts vom 8. Januar 19 zu entnehmen ist - kriminell verhalten
und zugleich im innerdienstlichen Bereich ein Verhalten gezeigt, das geeignet ist, die
Achtung und das Vertrauen zu beeinträchtigen, auf die er zur Ausübung des Dienstes
angewiesen ist (§ 57 Satz 3 LBG NRW, § 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW).
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Bei der Wahl der danach auszusprechenden Disziplinarmaßnahme ist vom Zweck des
Disziplinarverfahrens auszugehen. Es dient der Erhaltung der Funktionsfähigkeit und
des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Hat ein Beamter durch das Dienstver-gehen
im Kernbereich seines Pflichtenkreises schuldhaft versagt, ist damit regel-mäßig ein
endgültiger Ansehens- und Vertrauensverlust verbunden. In einem solchen Fall ist der
Beamte für den öffentlichen Dienst objektiv untragbar geworden und sein Verbleib für
den Dienstherrn nicht länger zumutbar. Der Beamte ist aus dem Dienst zu entfernen. Ist
er für den öffentlichen Dienst jedoch noch tragbar und hat er aus objektiver Sicht das
Vertrauen des Dienstherrn nicht endgültig verloren, kommen lediglich erzieherische
Maßnahmen in Betracht, die Ansehen und Funk-tionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes
wiederherstellen und den Beamten zur zukünftigen korrekten Pflichterfüllung anhalten
sollen.
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a) Vorliegend hat der Beamte im Kernbereich seiner Pflichten versagt. Es ist Aufgabe
der Polizei, Straftaten aufzuklären und zu verhindern. Ein Polizeibeamter, der selbst
kriminell handelt, beeinträchtigt das für die Ausübung seines Berufes erforderliche
Vertrauen des Dienstherrn und sein Ansehen in der Öffentlichkeit in besonderem Maße.
Dies gilt erst recht, wenn ein Beamter - wie hier - die ihm gegenüber den Bürgern
eingeräumte Befugnis, Verwarnungsgelder einzuziehen, zu eigenen Zwecken
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missbraucht. Die Verwaltung ist auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer
Bediensteten im Umgang mit Geld, das diesen in ihrer amtlichen Eigenschaft zufließt,
angewiesen, zumal eine lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters nicht möglich ist.
Ein Beamter, der sich bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an
Vermögenswerten vergreift, die seinem Gewahrsam unterliegen, beweist damit ein so
hohes Maß an Pflichtvergessenheit, dass er regelmäßig das Vertrauensverhältnis, das
ihn mit seinem Dienstherrn verbindet, zerstört und deshalb grundsätzlich nicht im Dienst
verbleiben kann.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. März 2002 - 1 D 8.01 -; Urteil vom 28. März 1984 - 1 D 63.83
-, BVerwGE 76, 145, 146; OVG NRW, Urteil vom 12. April 1989 - 2 V 23/88;
Claussen/Janzen, Bundesdisziplinarordnung, 8. Aufl., Einl. D Rdnr. 4a mit weiteren
Nachweisen.
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Vorliegend hat der Beamte Verwarngelder, die ihm in amtlicher Funktion zugeflossen
sind, zum Ausgleich eines Fehlbetrages eingesetzt. Die Behörde hatte ihm im Vertrauen
auf seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit die Verhängung, Entgegennah-me und
Weiterleitung der Verwarngelder übertragen. Das ihm damit entgegenge-brachte
Vertrauen hat der Beamte missachtet. Darin liegt eine besonders schwere Verfehlung.
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b) Im Gegensatz zur Disziplinarkammer geht der Senat allerdings davon aus, dass diese
Verfehlung nicht als Zugriffsvergehen einzuordnen ist, welches bereits als
Regelmaßnahme die Entfernung aus dem Dienst nach sich zieht. Ein Zugriffsver- gehen
im Bereich des Umgangs mit amtlich erlangten Geld weist als typisches Merkmal auf,
dass der pflichtwidrig handelnde Beamte einen Vermögensvorteil erlangt, und zwar
entweder unmittelbar durch Erlangung des Geldbetrages oder mittelbar, indem er sich
um die Verschleierung eines Fehlbetrages bemüht und dabei seiner persönlichen
Haftung entzieht. An einem solchen objektiven Vermögensvorteil fehlt es hingegen,
wenn der Beamte dienstlich erlangtes Geld zum Ausgleich eines Fehlbetrages einsetzt,
für dessen Erstattung er nicht haftet. In einem solchen Fall befreit sich der Beamte nicht
von einer gegen ihn gerichteten Ersatzforderung. Zudem führt dann die Verschleierung
des Fehlbetrages nicht dazu, dass dem Dienstherrn ein Vermögenswert entzogen wird.
Liegt eine solche Fallgestaltung vor, kann eine geringere Disziplinarmaßnahme als die
Höchstmaßnahme in Betracht kommen.
42
Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 1991 - 1 D 50/90 -; Weiss in GKÖD, J 975 Rdnr. 30.
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Vorliegend lassen die tatsächlichen Feststellungen der Disziplinarkammer, von denen
der Senat aufgrund der auf das Disziplinarmaß beschränkten Berufung auszugehen hat,
nicht den Schluss zu, dass der Beamte für den Verlust des Betrages von 840,00 DM
haften musste. Denn die Feststellungen enthalten keine näheren Umstände zu der
Frage, wie es zu dem Verlust gekommen ist. Der Senat ist deshalb zugunsten des
Beamten davon ausgegangen, dass dem Dienstherrn kein Anspruch gegen den
Beamten auf Ersatz dieses Betrages zustand und deshalb der Beamte durch die
Verschleierung des Fehlbetrages objektiv keinen Vermögensvor- teil erlangt hat.
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Der Beamte hat die auf die kopierten Verwarnungszettel entfallenen Beträge auch nicht
etwa behalten, um den Einsatz eigener Mittel auszugleichen, so dass dahin-stehen
kann, wie eine solche Fallgestaltung unter dem Gesichtspunkt der Erlangung eines
Vermögensvorteils einzuordnen wäre. Vielmehr haben die Erklärungen des Beamten
vor dem Senat klarstellend ergeben, dass er eigene Mittel zum Ausgleich des
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Fehlbetrages zu keinem Zeitpunkt verwendet hatte. Vielmehr hat er den feh-lenden
Betrag in der Weise abgeführt, dass er die Einnahmen aus dem nächsten
Verwarngeldblock dafür verwendete. So verfuhr er über den gesamten Zeitraum der
Verfehlung, indem er jeweils mit einem anderen Block eingenommene Beträge
einsetzte, um den Fehlbetrag, der sich mit der Zeit fortschleppte, zu kaschieren, wobei
der Fehlbetrag schließlich mittels der gefälschten Quittungen ausgeglichen wurde.
c) Aufgrund der nach alledem vorzunehmenden Gesamtwürdigung der für und gegen
den Beamten sprechenden Umstände kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass das
Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstherrn endgültig zerstört ist, so dass
der Beamte aus dem Dienst zu entfernen ist.
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aa) Zu Lasten des Beamten spricht zunächst, dass seine Pflichtverletzung einem
Zugriffsvergehen, welches die Entfernung aus dem Dienst als Regelmaßnahme nach
sich zieht, stark angenähert ist. Der Beamte hatte - auch wenn er objektiv keinen
Vermögensvorteil erlangt hat - subjektiv die für ein Zugriffsvergehen typische
Vorstellung, einen Vermögensvorteil zu erlangen. Wie die Erörterungen in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat klarstellend ergeben haben, ging er bei seinen
Verfehlungen davon aus, dass er den Fehlbetrag dem Dienstherrn hätte erstatten
müssen. Damit hat er aus seiner Sicht das Ziel verfolgt, sich einer persön- lichen
Haftung zu entziehen, so dass er zur Erzielung eines Vermögensvorteils handelte. Ob
diese starke Annäherung an ein Zugriffsvergehen im vorliegenden Fall bereits ausreicht,
die Entfernung des Beamten aus dem Dienst zu begründen, kann dahinstehen. Denn es
treten erschwerende Umstände hinzu.
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Dies gilt vor allem im Hinblick darauf, dass das Fehlverhalten des Beamten den
unmittelbaren Kernbereich seiner Tätigkeit als Verkehrspolizist betrifft, zu dem die
Einziehung und Abrechnung von Verwarnungsgeldern gehören. Gerade in diesem
Bereich wird dem Beamten von seinem Dienstherrn und den Bürgern ein beson- deres
Vertrauen in seine pflichtgemäße Amtsführung entgegen gebracht. Eine dieses
Vertrauen enttäuschende Verfehlung ist disziplinarrechtlich von besonderem Gewicht.
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Des Weiteren spricht gegen den Beamten, dass sein Verhalten nicht nur dienstrecht-lich
untragbar, sondern strafbar war und zudem eine erhebliche kriminelle Energie aufwies.
Das Vorhaben, welches zu einer rechtskräftigen Verurteilung durch Straf-befehl geführt
hat, bedurfte einer genauen Planung und war in der technischen Durchführung
anspruchsvoll, zumal täuschende Kopien von Verwarngeldabschnitten besonderes
Papier erforderten und für die Herstellung einer Perforation eine Nachbearbeitung
mittels eines Saumrädchens erfolgte. Dabei hielt es der Beamte sogar für erforderlich,
auf den Sachverstand einer dritten Person, des Herrn , zurückzugreifen, gegen die sich
der strafrechtliche Tatverdacht zunächst ebenfalls richtete. Es kommt hinzu, dass der
Beamte mehrfach Fälschungen herstellte und sich der Einsatz der gefälschten
Verwarnzettel über zwei Monate, also über einen erheblichen Zeitraum, erstreckte und
sich auf zahlreiche Einzelakte verteilte.
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bb) Mildernd ist dem Beamten zugute zu halten, dass er bisher disziplinarrechtlich nicht
in Erscheinung getreten ist, überdurchschnittliche, auch erheblich überdurch-schnittliche
Leistungen im Dienst gezeigt hat und geständig war.
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Mit der Disziplinarkammer geht der Senat jedoch davon aus, dass keiner der
Milderungsgründe vorliegt, bei denen beim Vorliegen eines Zugriffsvergehens ein
51
Absehen von der Höchstmaßnahme in Betracht kommt. Auch im vorliegenden Fall hätte
ein solcher Milderungsgrund Bedeutung, weil er möglicherweise die Annahme hätte
rechtfertigen können, der Beamte habe das in ihn gesetzte Vertrauen seiner
Vorgesetzten und der Allgemeinheit noch nicht vollständig verloren.
Solche Milderungsgründe hat die Rechtsprechung anerkannt, wenn der Wert des
Zugriffsobjektes gering ist und durch das Dienstvergehen keine weiteren wichtigen
öffentlichen oder privaten Interessen verletzt worden sind (1.), wenn es vor der
Entdeckung der Tat zu einer freiwilligen, vollständigen und vorbehaltlosen Offen-
barung der Pflichtverletzung durch den Beamten selbst gekommen ist (2.), wenn sich
der Beamte unverschuldet in einer ausweglos erscheinenden wirtschaftlichen Notlage
befand, die durch das zum Vorwurf gemachte Verhalten abgewendet oder gemindert
werden sollte (3.), wenn der ansonsten tadelfreie Beamte einer für ihn besonderen
Versuchungssituation ausgesetzt war und dabei einmalig unbedacht und
persönlichkeitsfremd gehandelt hat (4.) oder wenn die Tat als Folge einer schockartig
ausgelösten psychischen Ausnahmesituation zu werten ist (5.).
52
Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. März 2002 - 1 D 8.01 - .
53
(1.) Von einer Geringwertigkeit des Zugriffsobjekts - Maßstab ist insoweit die
Rechtsprechung zu § 248 a StGB -,
54
vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 1 D 1.91 -, Dok. Ber. 1993, 137, 139,
55
kann bei der vorliegenden Größenordnung der vereinnahmten Beträge nicht die Rede
sein.
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(2.) Des Weiteren hat der Beamte die Tat nicht freiwillig offenbart. Zwar hat er sein
Fehlverhalten bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung als Beschuldigter sofort
freimütig eingestanden. Die Vernehmung war jedoch nicht auf eine freiwillige Initi-ative
des Beamten zurückzuführen, sondern erfolgte im Rahmen eines Ermittlungs-
verfahrens, das bereits zuvor eingeleitet worden war, weil im Aufenthaltsraum des
Verkehrsdienstes verdächtige Abschnitte von Verwarngeldblöcken gefunden worden
waren und zudem ein Hinweis aus einem Fotokopiergeschäft eingegangen war, wo-
nach ein unbekannter Polizeibeamter wiederholt Farbkopien von Verwarngeld-blöcken
hergestellt hatte.
57
(3.) Der Beamte befand sich auch nicht unverschuldet in einer ausweglos er-
scheinenden wirtschaftlichen Notlage, die durch sein pflichtwidriges Verhalten
abgewendet werden sollte. Es ist weder ersichtlich noch vom Beamten dargelegt, dass
ihm der Ersatz eines Betrages von 840,00 DM finanziell nicht möglich war oder in eine
ausweglose Lage gebracht hätte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes,
dass - wie die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergeben
haben - ein Autokauf auf Raten angestanden habe. Selbst wenn der Beamte meinte,
dass ein Ersatz von 840,00 DM „nicht drin" gewesen sei, begründet dies keine Notlage
im vorgenannten Sinne. Vielmehr hätte der Beamte - sofern dies überhaupt erforderlich
gewesen wäre - den Autokauf zurückstellen, anders gestalten oder in erneute
Verhandlungen treten müssen. Selbst wenn dies nicht mehr möglich gewesen wäre,
hätte er - sofern der Dienstherr Ersatz verlangt hätte - versuchen können, dem
Dienstherrn eventuelle finanzielle Schwierigkeiten darzulegen und eine Stundung oder
Ratenzahlung zu erreichen. Von einer ausweglos erscheinenden finanziellen Notlage
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kann unter diesen Umständen nicht die Rede sein. Vielmehr offenbart das Verhalten
des Beamten, dass er - ohne sich um einen legalen Ausweg zu bemühen - seiner
finanziellen Situation einen höheren Stellenwert beigemessen hat als einem
pflichtgemäßen Verhalten. Dass es dem Beamten dabei nach seiner Einlassung darum
ging, seinen finanziellen Verlust auszugleichen, nicht jedoch Gewinn zu erwirtschaften,
führt ebenfalls nicht zu einer maßgeblichen Milderung.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1973 - 1 D 53.73 -, DÖD 1974, 81.
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Zwar ist die Motivation bei einem Zugriffsvergehen zum Zwecke des Ausgleichs eines
Fehlbetrages nicht identisch mit derjenigen, die bei einem unmittelbar auf
Gewinnerzielung gerichteten Dienstvergehen vorliegt, zumal in dem erstgenannten Fall
der Entschluss zum Fehlverhalten erst durch ein besonderes Ereignis, und zwar das
Auftauchen eines Fehlbetrages, ausgelöst wird, während der Beamte sich ohne Eintritt
dieses Ereignisses pflichtgemäß verhalten hätte. Dies begründet jedoch keine
wesentliche Änderung des besonderen Unrechtsgehalts, der sich aus dem Zugriff auf
Vermögen ergibt, das dem Beamten in seiner Eigenschaft als Amtsträger anvertraut
wird. Dass eine solche Zugriffssituation hier aus der subjektiven Sicht des Beamten
vorlag, ist bereits ausgeführt worden. Des Weiteren kann sich der Beamte nicht mit
Erfolg auf sein weiteres Motiv berufen, durch das Unterlassen einer Mel-dung des
Verlustes von 840,00 DM eventuelle disziplinare Schritte des Dienstherrn zu vermeiden.
Solche Schritte hat ein Beamter hinzunehmen, wenn sich ein disziplinarrechtlich
relevanter Verdacht gegen ihn richtet. Im Übrigen bietet der Sachverhalt auch keinen
Anlass zu der Annahme, dass der Beamte - wenn überhaupt - mit schwerwiegenden
disziplinaren Maßnahmen rechnen musste.
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(4.) Das Dienstvergehen des Beamten lässt sich des Weiteren nicht als einmalig
unbedachtes und persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer besonderen Ver-
suchungssituation charakterisieren. Dem steht bereits entgegen, dass das Vorhaben
einer genauen Planung bedurfte, in der technischen Durchführung anspruchsvoll war
und sich über einen erheblichen Zeitraum erstreckte. Unter Berücksichtigung der
Gesamtumstände ist das Vorliegen des vorgenannten Milderungsgrundes zwei- felsfrei
ausgeschlossen, ohne dass es hier darauf ankommt, ob das pflichtwidrige Verhalten
des Beamten strafrechtlich als Handlungseinheit zu bewerten ist.
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(5.) Schließlich lässt sich die Tat auch nicht als Folge einer schockartig ausgelösten
psychischen Ausnahmesituation werten. Zwar ist nicht zu verkennen, dass sich der
Beamte im Zeitraum der Tatbegehung erheblicher psychischer Belastung ausgesetzt
sah, nachdem er im Mai 19 von einer Verbindung seiner Ehefrau mit einem Kolle-gen
erfahren hatte. Zudem könnten dilettantische Züge des Geschehens - wie etwa das
mehrfache Verdacht erregende Kopieren von Verwarnungszetteln in einem
Kopiergeschäft in Polizeiuniform oder das Vergessen von Kopien der Verwarnungs-
zettel in einem Aufenthaltsraum der Polizei - darauf hindeuten, dass sich die psy-
chische Belastung auf Verhaltensweisen des Beamten auswirkte. Dies rechtfertigt es
jedoch nicht, die Verfehlung als Folge dieser psychischen Belastung anzusehen. Dass
eine Situation vorlag, die über eine allgemein angespannte Seelenlage hinausging und
den Beamten etwa dergestalt in eine Zwangslage gebracht hat, dass er der Versuchung
eines „einfachen" Ausgleiches des von ihm zu verantwortenden Fehlbetrages nichts
mehr entgegenzusetzen hatte, ist weder ersichtlich noch naheliegend. Dagegen
sprechen insbesondere der erhebliche organisatorische Aufwand sowie die erhebliche
Dauer der Tatbegehung, die dem Beamten ausreichend Zeit ließen, unter Anspannung
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seines Gewissens zumindest von der weiteren Tatausführung abzusehen. Im Übrigen
hat der Beamte bei seiner polizei-lichen Vernehmung lediglich geltend gemacht, sich
aufgrund von Eheschwierigkeiten in einer Stresssituation befunden zu haben, die unter
Umständen mitverantwortlich für sein Verhalten sei. Dieses Vorbringen rechtfertigt
jedoch nicht die Annahme, dass es ihm bei den hier maßgeblichen Vorgängen nicht
mehr möglich war, vernunftge-mäß und emotional unbeeinflusst zu handeln.
cc) Bei der Gesamtwürdigung aller Umstände unter Berücksichtigung der Persönlichkeit
des Beamten kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass seine Entfernung aus dem Dienst
unausweichlich ist. Der Beamte hat im Kernbereich seiner Pflichten versagt. Sein
Fehlverhalten entspricht subjektiv einem Zugriffs- vergehen und erhält zusätzlich starkes
Gewicht durch die mit dem Verhalten ge- zeigte erhebliche kriminelle Energie. Das
Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu dem Beamten ist danach zerstört. Die
Milderungsgründe reichen nicht aus, die Endgültigkeit dieser Zerstörung des
Vertrauensverhältnisses in Zweifel zu ziehen. Es kommt hinzu, dass ein Beamter, der
ein solches Verhalten zeigt, aus objektiver Sicht das Vertrauen der Bürger verliert, auf
das er zur Ausübung seines Dienstes an- gewiesen ist. Seine weitere Dienstausübung
ist der Öffentlichkeit nicht zuzumuten.
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dd) Die Verhängung der Höchstmaßnahme verstößt nicht gegen den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Entsprechend dem Sinn des Disziplinarrechts, die Funktions-
fähigkeit des öffentlichen Dienstes zu wahren, verlangt der Verhältnismäßigkeits-
grundsatz im Disziplinarverfahren nicht, den durch das Dienstvergehen erstrebten
Vorteil und den durch die Disziplinarmaßnahme eingetretenen Nachteil miteinander
abzuwägen; ins Verhältnis zu setzen sind vielmehr die Schwere des Fehlverhaltens und
der durch den Beamten hervorgerufene Vertrauensschaden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. März 2002, - 1 D 8.01 -; Urteil vom 9. November 1994, 1 D
57.93 -, BVerwGE 103, 184, 189.
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Vorliegend hat der Beamte ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Durch
dieses hat er die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses
endgültig zerstört. Dies gilt auch unter Berücksichtigung seiner Persönlichkeit und
seines vor der Verfehlung untadeligen Werdeganges. Seine Entfernung aus dem Dienst
in die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare
Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Beamten ist
nicht unverhältnismäßig. Sie beruht auf dem ihm zurechenbaren vorangegan- genen
Verhalten, wobei es für ihn vorhersehbar war, was er damit aufs Spiel setzte.
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3. Die Bewilligung des Unterhaltsbeitrages beruht auf § 76 Abs. 1 DO NRW. Der
Unterhaltsbeitrag dient dazu, dem Beamten den durch den Wegfall der Dienst- bezüge
notwendig gewordenen Übergang in einen anderen Beruf oder in eine andere Art der
finanziellen Existenzsicherung zu erleichtern.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 DO NRW.
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5. Das Urteil ist seit seiner Verkündung rechtskräftig (§ 90 DO NRW).
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