Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.05.2009

OVG NRW: fürsorgepflicht, anerkennung, ersatzleistung, vollkaskoversicherung, verkehrsmittel, kreis, verwaltung, transport, wesenskern, gebühr

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 2/08
Datum:
22.05.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 A 2/08
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird auch für das Berufungszulassungsverfahren auf
10.160,25 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und
3 VwGO liegen auf der Grundlage des maßgeblichen fristgerechten Antragsvorbringens
nicht vor.
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1.
Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils
hervortreten. Zweifel solcher Art sind begründet, wenn zumindest ein einzelner
tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche
Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich
die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht
ohne weitergehende Prüfung der Sach- oder Rechtslage beantworten lässt. Daran fehlt
es hier.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Zahlung eines Betrages in Höhe von
10.160,25 Euro als Ausgleich für Schäden am privaten Kraftfahrzeug des Klägers, die
bei einem Dienstunfall – der Rückfahrt von einer Fortbildungsveranstaltung am
21. Februar 2006 – entstanden sind, abgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt, die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32 Satz 1 BeamtVG seien zwar erfüllt; nach
dieser Vorschrift könne Ersatz geleistet werden, wenn bei einem Dienstunfall
Gegenstände, die der Beamte mit sich geführt habe, beschädigt oder zerstört worden
seien. Die Beklagte habe die Erstattung des Sachschadens jedoch innerhalb des ihr
eingeräumten und durch Verwaltungsvorschriften gebundenen Ermessens
rechtsfehlerfrei abgelehnt.
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Dem hat der Kläger mit seiner Antragsbegründung nichts Überzeugendes
entgegengesetzt. Ein Anspruch auf Erstattung des Sachschadens durch den
Dienstherrn kann sich nur aus der – das hier durch die Anspruchsnorm des § 32
BeamtVG eingeräumte Ermessen näher ausgestaltenden – Verwaltungspraxis i.V.m.
Art. 3 Abs. 1 GG (a) oder ausnahmsweise (als bindende Ermessensvorgabe) unmittelbar
aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gemäß § 85 LBG NRW a.F. – siehe jetzt: § 45
BeamtStG – (b) ergeben.
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a)
Verwaltungsvorschriften, d.h. weder auf der Grundlage des zu § 32 BeamtVG
ergangenen Rundschreibens des Bundesministeriums des Innern vom 5. März und
27. August 1990 – D III 4 – 223 211/2 – betreffend die Erstattung von Sachschäden an
dienstlich benutzten privateigenen Kraftfahrzeugen noch der Verwaltungsvorschriften zu
§ 32 BeamtVG noch des Runderlasses des Finanzministers des Landes Nordrhein-
Westfalen vom 9. April 1987 – B 3003 – 7.2 – IV B 4 – zur Durchführung des
Beamtenversorgungsgesetzes. Grundlage des Anspruchs kann im Zusammenhang mit
diesen Verwaltungsvorschriften allein die Selbstbindung der Verwaltung gemäß dem
Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG sein. Der Kläger hat somit nur einen Anspruch auf
Gleichbehandlung entsprechend der in der Verwaltungspraxis zum Ausdruck
kommenden Ermessensbindung der Verwaltung. Vorliegend ist der Gleichheitssatz
nicht verletzt, weil die an den oben genannten Verwaltungsvorschriften orientierte
Verwaltungspraxis der Beklagten die Erstattung von Sachschäden für Fälle der
vorliegenden Art nicht vorsieht. Die Ablehnung der begehrten Sachschadenserstattung
hält sich in den Grenzen der maßgeblichen Verwaltungspraxis der Beklagten. Es sind
keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger abweichend von dieser Praxis
behandelt worden ist. Demgemäß ist die Ersatzleistung auf den – vorliegend von der
Beklagten gewährten – Höchstbetrag von 332,34 Euro (650,- DM) begrenzt, was auf der
Erwägung beruht, dass dem Beamten der Abschluss einer Vollkaskoversicherung mit
angemessener Selbstbeteiligung zuzumuten ist; eine Erstattung der bei Dienstunfällen
entstandenen Sachschäden an privateigenen Kraftfahrzeugen erfolgt durch die Beklagte
nur dann in voller Höhe, wenn die Benutzung des privaten PKW dem Beamten vor
Antritt der Dienstreise oder des Dienstgangs entweder im Einzelfall oder allgemein aus
triftigen Gründen – im Falle der Dienstreise schriftlich – gestattet worden ist. Vorliegend
hat die Beklagte die Benutzung des privaten Fahrzeugs nicht anerkannt, zumal der
Kläger zuvor auch keinen Antrag auf Anerkennung gestellt hat. Anhaltspunkte dafür,
dass der Kläger überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt habe, die Benutzung seines
Fahrzeugs für die vorgenommene Fahrt anerkennen zu lassen, liegen nicht vor. Der
Kläger hat nicht dargelegt, warum dies nicht möglich gewesen sein sollte. Die bloße
Tatsache, dass die Beklagte eine Vielzahl von Anträgen auf Anerkennung der Nutzung
privater PKW zu bearbeiten hätte, steht der Anerkennung nicht entgegen. So hat auch
die Beklagte mit Schriftsatz vom 4. März 2008 deutlich gemacht, dass Beamte im Vorfeld
von Fortbildungsveranstaltungen Anträge auf Anerkennung ihres Kraftfahrzeugs stellen
könnten. Entgegen dem Antragsvorbringen ist darüber hinaus weder hinreichend
dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte die Benutzung des privaten
Fahrzeugs für die Fahrt am 21. Februar 2006 ausdrücklich verlangt hätte oder dass
diese Benutzung auf ihrer Einflussnahme beruhte.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend triftige und schwerwiegende Gründe
vorliegen, die den Kläger deshalb zur Inanspruchnahme seines privaten Fahrzeugs
faktisch gezwungen hätten, weil er seine komplette persönliche Feuerwehr-
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Schutzausrüstung mit einem Gewicht von ca. 20 kg sowie Ersatzkleidung, Utensilien zur
Körperreinigung sowie Schreibmaterial zu der Fortbildungsveranstaltung, an der er zur
Teilnahme verpflichtet gewesen sei, habe mitnehmen müssen. Jedenfalls ist nicht
ersichtlich, dass die Beklagte gemäß ihrer Verwaltungspraxis in solchen Fällen bei
Unfällen auf der Fahrt zur bzw. von der Veranstaltung Sachschäden an privaten
Kraftfahrzeugen in voller Höhe erstattet. Der Kläger hat diese Verwaltungspraxis auch
nicht in Frage gestellt. Insbesondere hat er keine(n) Kollegen benannt, denen bzw. dem
die Beklagte in einem vergleichbaren Fall die entstandenen Sachschäden in voller
Höhe erstattet hätte. Mit der Antragsbegründung macht der Kläger lediglich im
Wesentlichen geltend, dass auch der vorliegende Fall wegen der besonderen
Umstände von der (kompletten) Sachschadenserstattung erfasst sein müsste. Im
Rahmen der hier vorzunehmenden, durch die Verwaltungspraxis determinierten
Ermessensausübung geht es jedoch nicht um die Frage, in welchen Fällen
sinnvollerweise Sachschäden erstattet werden sollten; vielmehr ist – wie bereits
dargestellt – allein die tatsächliche Verwaltungspraxis der Beklagten maßgebend.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Allgemeinen
Verwaltungsvorschriften zu § 32 BeamtVG den Transport von umfangreichem
Dienstgepäck aus dienstlichen Gründen nicht ausdrücklich als einen
"schwerwiegenden Grund" nennen (vgl. 32.1.7 und 32.1.8 – einschließlich 32.1.8.1 bis
32.1.8.3 – der Verwaltungsvorschriften).
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Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist auch nicht dadurch verletzt, dass – die
insoweit nicht weiter nachgewiesene Behauptung des Klägers unterstellt – der Kreis
X. regelmäßig Schäden an Personenkraftwagen seiner Beamten ersetze, wenn es im
Rahmen eines Dienstunfalls zu Sachschäden an privaten Fahrzeugen komme. Denn
bei dem Kreis X. handelt es sich um einen anderen Dienstherrn; wenn sich dessen
Verwaltungspraxis von derjenigen der Beklagten unterscheidet, so kann der Kläger
daraus im Rahmen des Gleichheitsgebots jedenfalls keine Ansprüche herleiten.
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b)
Sachschäden an seinem PKW unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Ein
solcher kommt auch als Anknüpfungspunkt für eine etwaige Ermessensreduzierung auf
"Null" im Rahmen von Ansprüchen nach § 32 BeamtVG nur in Betracht, wenn die
Besonderheiten des Einzelfalls es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen lassen und
eine Nichtgewährung der begehrten Leistung ansonsten der Fürsorgepflicht grob
widersprechen würde bzw. – m.a.W. – wenn die Fürsorgepflicht ansonsten in ihrem
Wesenskern verletzt wäre.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juni 1999 – 2 C 29.98 –, ZBR 2000, 46 = DÖD
2000, 86 (87) und juris Rn. 21 f.; Senatsurteile vom 5. März 2009 – 1 A
1890/07 –, juris Rn. 78, und vom 24. Mai 2006 – 1 A 3706/04 –, NVwZ-RR
2006, 800 (801) und juris Rn. 43 f.
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Eine derartige Ausnahmesituation liegt hier nicht vor. Zum einen war der Kläger nicht
zwingend auf die Benutzung seines PKW angewiesen, denn er hätte auch öffentliche
Verkehrsmittel nutzen können, wobei das Mitführen der 20 kg schweren Ausrüstung am
frühen Morgen zwar zu Einschränkungen hinsichtlich des Komforts und Wohlbefindens
führen mögen, letztlich aber nicht schlechthin unzumutbar sind. Es ist nicht erkennbar,
dass ein Feuerwehrbeamter damit über Gebühr belastet gewesen wäre, zumal selbst
viele Touristen öffentliche Verkehrsmittel mit Gepäck, welches häufig weitaus schwerer
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wiegt als 20 kg, für die Reise an ihre Urlaubsorte nutzen. Zum anderen war dem Kläger
– auch bei einem bereits mehrere Jahre alten Kraftfahrzeug – der Abschluss einer
entsprechenden Vollkaskoversicherung zuzumuten.
2.
Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Wie sich aus dem
Vorstehenden ergibt, erscheint der Ausgang des Rechtsstreits nicht als offen. Dass der
Rechtsstreit überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende
Schwierigkeiten verursachen würde, ist weder ersichtlich noch wurde dies vom Kläger
hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
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3.
Nr. 3 VwGO). Die Frage nach der Reichweite der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im
Allgemeinen – siehe dazu die oben zitierte Rechtsprechung – sowie speziell beim
Einsatz von Privatfahrzeugen für Dienstreisen ist in der Rechtsprechung bereits
hinreichend geklärt.
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Dazu siehe BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1985
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– 2 C 45.82 –, BVerwGE 72, 170, und juris.
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Der Senat teilt nicht die Einschätzung des Klägers, wonach die in der genannten
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1985 aufgestellten
Grundsätze zum Ersatz von Sachschäden am privateigenen PKW eines Beamten
aufgrund der Veränderungen in vielen Berufen und der verstärkten Verpflichtung zur
Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen heutzutage nicht mehr anwendbar seien. Es
ist in keiner Weise erkennbar, warum eine Begrenzung der Ersatzleistung im
Schadensfall auf den üblichen Selbstbehalt bei Fahrzeugvollversicherung bei einer
Fahrzeugverwendung, dessen Benutzung zur Erledigung von Dienstgeschäften nicht
ausdrücklich anerkannt worden ist, nicht vorgenommen werden könne, nur weil die
Beamten heutzutage häufiger als vor über zwanzig Jahren Fortbildungsveranstaltungen
aufsuchen (müssen).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf
§ 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
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Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der
Streitwertfestsetzung – nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a
Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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