Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.11.2002

OVG NRW: fahrzeug, unterkunftskosten, kennzeichen, 1919, fahrtkosten, vollstreckungsverfahren, halter, marke, baujahr, schweigen

Oberverwaltungsgericht NRW, 16 B 1635/02
Datum:
11.11.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 B 1635/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 6 L 873/02
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des
Rechtsanwalts Dr. D. wird abgelehnt.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller zu 1. trägt die Kosten des gerichtskostenfreien
Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e:
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bleibt erfolglos, weil die
beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende
Erfolgsaussicht bietet (§§ 166 VwGO, 114 ZPO).
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Die Beschwerde, mit der die Antragsteller zu 1. bis 3. die erstinstanzlich gestellten
Anträge weiterverfolgen, ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
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Die Beschwerde der Antragsteller zu 2. und 3. ist unzulässig, weil es dem Antragsteller
zu 1. an der erforderlichen Vertretungsbefugnis fehlt. Bereits aus dem eigenen
Vorbringen des Antragstellers zu 1. folgt, dass das elterliche Sorgerecht nach der
Scheidung nicht ihm, sondern der Mutter der Kinder zusteht, die diese daher gemäß §§
1629 Abs. 1 Satz 3, 1671 BGB allein vertritt. Aus dem zudem nicht weiter belegten
Vorbringen des Antragstellers zu 1., die Kindesmutter habe ihm für die Dauer des
Aufenthalts in H. die Ausübung des Sorgerechts übertragen, folgt schon deshalb nichts
Gegenteiliges, weil die Antragsteller zu 2. und 3. sich im Zeitpunkt der
Beschwerdeerhebung bereits wieder in C. aufhielten. Es ist auch nichts dafür
vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Kindesmutter Anlass gesehen hätte, für die
Durchsetzung etwaiger Ansprüche der Antragsteller zu 2. und 3. gegen die
Antragsgegnerin Sorge zu tragen, und die behauptete Übertragung des Sorgerechts
deshalb die Ermächtigung eingeschlossen hätte, derartige Ansprüche notfalls
gerichtlich durchzusetzen.
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Soweit das Begehren des Antragstellers zu 1. auf die Gewährung anteiliger
Regelsatzleistungen für die Antragsteller zu 2. und 3., jeweils für zwei
Wochenendaufenthalte von drei Tagen im Monat August 2002, sowie auf die
Übernahme der durch die Hin- und Rückfahrten entstehenden Fahrtkosten gerichtet ist -
Anträge zu c) und d) -, ist die Beschwerde schon wegen Fehlens eines
Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Ausgehend davon, dass der Antragsteller zu 1. in
einem zwischenzeitlich bei dem Verwaltungsgericht Minden anhängig gewordenen
weiteren Verfahren - 6 L 1259/02 - vorgetragen und eidesstattlich versichert hat, er sei
wegen der Nichtgewährung von Sozialleistungen tatsächlich nicht in der Lage gewesen,
seine Kinder an den in den Anordnungsverfahren in Frage stehenden Wochenenden -
augenscheinlich also auch an dem mit dem 9. August 2002 beginnenden Wochenende -
in C. abzuholen, hat sich dieses ausdrücklich auf die geplanten Besuche im August
2002 bezogene Begehren durch Zeitablauf erledigt. Denn der angegebene
Bedarfszeitraum ist verstrichen, ohne dass der in Rede stehende Bedarf sich realisiert
hätte. Vor dem Hintergrund, dass der anwaltlich vertretene Antragsteller zu 1. weitere,
für spätere Zeitpunkte geplante Wochenendbesuche zum Gegenstand weiterer Antrags-
und Beschwerdeverfahren (6 L 1067/02 VG Minden bzw. 16 B 1919/02; 6 L 1132/02 VG
Minden bzw. 16 B 2090/02 und 6 L 1185/02 VG Minden bzw. 16 B 2170/02) gemacht
hat, sieht der Senat auch unter Berücksichtigung der §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO keinen
Raum für eine vom Wortlaut abweichende und über diesen hinaus gehende Auslegung
des Begehrens.
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Soweit der Antragsteller zu 1. mit der Beschwerde die Anträge zu a) und b)
weiterverfolgt, gelten diese Bedenken indessen nicht. Denn es besteht kein Anlass
daran zu zweifeln, dass die Antragsteller zu 2. und 3. sich im Zeitraum vom 24. bis 31.
Juli 2002 in H. aufgehalten haben und sodann nach C. zurückgekehrt sind.
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Insoweit ist die Beschwerde des Antragstellers zu 1. zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann eine die abschließende Sachentscheidung
vorwegnehmende einstweilige Anordnung auf Gewährung von Sozialhilfe nur ergehen,
wenn der jeweilige Antragsteller glaubhaft macht, dass der geltend gemachte
Hilfeanspruch besteht (Anordnungsanspruch) und dass es im Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung - im Beschwerdeverfahren der Beschwerdeentscheidung -
aus den in § 123 Abs. 1 VwGO aufgeführten besonderen Gründen notwendig ist, dem
Begehren sofort zu entsprechen (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind nicht
gegeben.
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Die mit der Beschwerdebegründung in zugleich den gerichtlichen Prüfungsumfang
gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO bestimmender Weise dargelegten Bedenken
vermögen die angegriffene Entscheidung nicht zu erschüttern. Die Begründung zielt
neben der vom Verwaltungsgericht nicht entschiedenen materiell-rechtlichen Frage, ob
die Antragsgegnerin dem Antragsteller zu 1. hinsichtlich der Fahrtkosten zu Recht
Sachleistungen statt der begehrten Geldleistungen (vgl. § 8 Abs. 1 BSHG) angeboten
hat, auch auf die den Anordnungsgrund betreffende Frage, ob der Antragsteller zu 1.
jedenfalls vorläufig auf die Inanspruchnahme der angebotenen Sachleistungen
verwiesen werden kann. und ein Anordnungsgrund ebenfalls fehle, soweit es
Leistungen für die Antragsteller zu 2. und 3. betrifft.
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Darauf kommt es aber nicht an. Die von dem Antragsteller zu 1. als
entscheidungserheblich angesehene Frage, in welcher Form bzw. in welchem Umfang
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ihm Hilfe zum Lebensunterhalt zum Zwecke der Ermöglichung des Umgangs mit seinen
Kindern zu gewähren ist, stellt sich - auch - zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, weil es
bereits an der Glaubhaftmachung der zunächst vorauszusetzenden
Sozialhilfebedürftigkeit des Antragstellers zu 1. fehlt. Ausgehend davon, dass der aus
der Ausübung des Umgangsrechts mit getrennt lebenden Kindern entstehende Bedarf
des nicht sorgeberechtigten Elternteils ein persönliches Grundbedürfnis seines
täglichen Lebens mit der Folge darstellt, dass die hieraus erwachsenden Kosten nach §
12 Abs. 1 Satz 1 BSHG als Teil des notwendigen Lebensunterhalts dem Grunde nach
sozialhilferechtlich anerkennungsfähiger Bedarf sind,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1994 - 1 BvR 1197/93 -, FamRZ 1995, 86 (87);
BVerwG, Urteil vom 22. August 1995 - 5 C 15.94 -, FEVS 46, 89 (92); OVG NRW, Urteil
vom 19. Dezember 1994 - 24 A 3424/93 - und Beschluss vom 10. Oktober 2002 - 12 E
658/00 -,
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setzt dies ungeachtet der in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Fragen
jedenfalls voraus, dass der Hilfe Suchende zu dem Personenkreis zählt, dem nach § 11
Abs. 1 BSHG Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren ist. Die Beschwerdebegründung
geht zu Unrecht davon aus, dass der Antragsteller zu 1. im laufenden Sozialhilfebezug
stehe. Dies ist jedoch - wie auch den Prozessbevollmächtigten aus den weiteren
anhängigen Beschwerdeverfahren bekannt ist - nicht der Fall. Der Senat ist auch aus
Rechtsgründen an einer Berücksichtigung und Prüfung der Hilfebedürftigkeit des
Antragstellers nicht gehindert. Weder folgt dies aus § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, der nicht
einer Erweiterung der Rechtspositionen des Beschwerdeführers, sondern der
Konzentration des Verfahrens dient,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. März 2002 - 7 B 315/02 -; Baden-Württemberg,
Beschluss vom 12. April 2002 - 7 S 653/02 , NVwZ 2002, 883,
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noch aus der Tatsache, dass die Antragsgegnerin in den vorangegangenen
Bedarfszeiträumen ab März 2002 die Angaben des Antragstellers zu 1. zu seinen
Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in Frage gestellt und ergänzende Hilfe
zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bewilligt hatte. Schon deshalb, weil die
Gewährung von Sozialhilfe keine rentengleiche Dauerleistung darstellt, hat die
Sozialhilfebehörde stets auf der Grundlage der aktuell vorhandenen tatsächlichen, ggf.
auch rechtlichen Erkenntnisse gleichsam täglich neu die Voraussetzungen der
Hilfegewährung zu prüfen.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1966 - V C 29.66 -, FEVS 14, 243 (244).
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Nichts anderes gilt auch für die gerichtliche Prüfung.
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Da Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG nur demjenigen zu
gewähren ist, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus
eigenen Kräften oder Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen oder Vermögen,
beschaffen kann, kann die begehrte einstweilige Anordnung schon deshalb nicht
erlassen werden, weil der Antragsteller zu 1. nicht glaubhaft gemacht hat, dass er nicht
in der Lage ist, den Bedarf an notwendigem Lebensunterhalt entweder aus seinem
Einkommen oder aus seinem Vermögen zu decken. Die Nichtaufklärbarkeit dieses
anspruchsbegründenden negativen Tatbestandsmerkmals geht entsprechend der
Darlegungs- und Beweislast im Klageverfahren,
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vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 2. Juni 1965 - V C 63.64 -, FEVS 13, 201 (205), und OVG
NRW, Urteil vom 20. Februar 1998 - 8 A 5181/95 -, FEVS 49, 37 (38).
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zu Lasten desjenigen, der das Bestehen des Anspruchs behauptet, also des jeweiligen
Hilfe Suchenden.
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Zweifel an der Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Antragstellers zu 1. folgen
daraus, dass sein laufendes Einkommen auch bei bescheidener Lebensführung kaum
ausgereicht haben kann, die laufenden Lebenshaltungskosten zu decken, seit die
Antragsgegnerin nur noch die als angemessen angesehenen, um 205,50 DM bzw.
105,07 Euro reduzierten Unterkunftskosten berücksichtigt und deshalb die laufende
ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt zum 1. August 2001 eingestellt hat. Seitdem
beschränkt sich das offenbarte Einkommen des Antragstellers zu 1. auf
Arbeitslosenhilfe, derzeit in Höhe von 111,37 Euro wöchentlich (entspricht: 482,60 Euro
monatlich), und Wohngeld in Höhe von 86,- Euro monatlich, insgesamt also 568,60
Euro. Demgegenüber belaufen sich allein die tatsächlichen Unterkunftskosten incl.
Nebenkosten nach dem Inhalt des Mietvertrages auf 720,- DM (entspricht: 368,13 Euro);
mithin verbleibt dem Antragsteller zu 1. lediglich noch ein Betrag, der mit 200,47 Euro
den maßgeblichen Regelsatz für einen Haushaltsvorstand in Höhe von 293,- Euro
deutlich unterschreitet. Die Deckungslücke erreicht im Übrigen auch dann ein Anlass zu
Zweifeln bietendes Ausmaß (27,03 Euro monatlich), wenn man berücksichtigt, dass in
der Mietzahlung ein eigentlich vom Regelsatz erfasster Anteil der Warmwasserbereitung
enthalten ist, den die Antragsgegnerin im August 2001 mit (umgerechnete) 6,90 Euro
berechnet hat, und im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein Grund für ein
Eingreifen des Gerichts nur insoweit gesehen wird, als bei einem erwachsenen Hilfe
Suchenden die einzusetzenden Mittel 80 vom Hundert des maßgebenden Regelsatzes
unterschreiten. An substanziierten Erklärungen zu der Aufbringung der
Unterkunftskosten hat der Antragsteller zu 1. es fehlen lassen. Weitere Ungereimtheiten
ergeben sich daraus, dass er im April 2002 ein weiteres Zimmer mit einer Größe von 12
qm angemietet haben will, für das aber keine weiteren Kosten entstehen sollen.
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Mit letztlich entscheidendem Gewicht tritt hinzu, dass der Antragsteller zu 1. - worauf der
Prozessvertreter der Antragsgegnerin in dem Erörterungstermin vor dem VG Minden am
9. August 2002 hingewiesen hat - gleichwohl während dieses gesamten Zeitraumes als
Halter von Kraftfahrzeugen in Erscheinung getreten ist. So war zunächst ein Pkw ,
amtliches Kennzeichen: , und ab dem 2. Januar 2002 ein Pkw der Marke , amtliches
Kennzeichen: , auf den Antragsteller zugelassen. Die Haltung eines Kraftfahrzeuges ist
selbst bei Personen, die laufende Sozialhilfeleistungen beziehen, ein ernstliches - und
vom jeweiligen Hilfe Suchenden zu entkräftendes - Indiz für dem Sozialhilfeträger nicht
offenbarte finanzielle Mittel.
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OVG NRW, Urteil vom 20. Februar 1998, a.a.O.
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Die hieraus resultierenden Zweifel an der behaupteten Sozialhilfebedürftigkeit des
Antragstellers zu 1. hat dieser trotz der konkreten und vor dem aufgezeigten Hintergrund
auch berechtigten Nachfragen der Antragsgegnerin nach gegenwärtigem
Erkenntnisstand des Senats nicht ausgeräumt. In diesem Zusammenhang dürfte schon
das Ausbleiben der Beschwerdebegründungen in den Parallelverfahren 16 B 1919/02
und 16 B 2090/02 als beredtes Schweigen zu würdigen sein. Dessen ungeachtet und
ungeachtet der Frage, inwieweit das weitere Vorbringen des Antragstellers zu 1. in den
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anhängig gemachten Parallelverfahren im vorliegenden Beschwerdeverfahren
überhaupt Berücksichtigung finden kann, vermögen auch dessen dortige Erklärungen
die aufgezeigten Unklarheiten nicht auszuräumen. Auch wenn das zuletzt angeschaffte
Fahrzeug - wie der Antragsteller zu 1. in einem Vollstreckungsverfahren am 5. August
2002 eidesstattlich versichert hat - aufgrund seines Alters (Baujahr 1981) und seiner
Laufleistung (259 000 km) keinen wesentlichen Vermögenswert darstellen dürfte, bleibt
doch die Frage nach der Finanzierung der Fahrzeugnutzung ungeklärt. Die
Behauptung, der in C. wohnhafte Vater des Antragstellers zu 1. sei Eigentümer des
genannten Fahrzeuges, reicht hierzu nicht aus und lässt zudem die sich aufdrängende
Frage unbeantwortet, weshalb dann das Fahrzeug gleichwohl auf den Antragsteller zu
1. angemeldet ist. Auch erschließt sich nicht, zu welchem Zweck der Vater des
Antragstellers zu 1., der nach dessen Angaben über ein (weiteres) Fahrzeug mit dem
amtlichen Kennzeichen verfügt, den auf den in H. wohnhaften Antragsteller zu 1.
zugelassenen Wagen benötigen sollte. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass
auch das Vorbringen, der Vaters des Antragstellers zu 1. habe in der Vergangenheit die
Antragsteller zu 2. und 3. mit seinem Fahrzeug gefahren und verlange den in Rede
stehenden Geldbetrag als Gegenleistung für den zeitlichen Aufwand und die Pkw-
Kosten, unverständlich erscheint, wenn der Antragsteller zu 1. doch - zumindest
seinerzeit - selbst über eine Fahrerlaubnis und ein Fahrzeug verfügte. Dies legt den
Eindruck nahe, der Antragsteller zu 1. habe die Tatsache, dass ihm ein Fahrzeug zur
Verfügung stand, der Antragsgegnerin verschweigen wollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO. Die alleinige
Kostentragungspflicht des Antragstellers zu 1. folgt daraus, dass er mangels
Sorgerechts die Beschwerde namens der Antragsteller zu 2. und 3. als vollmachtloser
Vertreter erhoben hat.
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Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. März 1982 - 1 C 63.79 -, Buchholz 310, § 67 VwGO
Nr. 55, und vom 2. Apri 1992 - 7 B 13.92 - sowie OVG NRW, Beschluss vom 12. Januar
1993 - 22 A 1122/92 -, NJW 1993, 3155 (3156).
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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