Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.06.2004

OVG NRW: offene bauweise, bebauungsplan, grenzabstand, vorbescheid, flachdach, grundstück, wohnhaus, öffentlich, gemeinde, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 4241/03
Datum:
24.06.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 A 4241/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 2 K 9507/01
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen als Gesamtschuldner.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Die Kläger wenden sich gegen den dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid vom 19.
Dezember 2000 (Datum des in den Akten des Beklagten verbliebenen Doppels: 21.
August 2000) zur Aufstockung seines eingeschossigen Flachdachbungalows
Gemarkung M. , Flur 52, Flurstück 755 (N.-----straße 7 in L. - X. ) durch ein geneigtes
Dach sowie gegen die dasselbe Vorhaben betreffende Baugenehmigung vom 9. April
2001.
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Die rund 120 m lange Marienstraße zweigt im Südosten von der D. - I. -Straße ab. Im
Nordwesten geht die N1.-----straße bogenförmig in die zunächst in Richtung Westen
führende Straße Im L1. über; die Straße Im L1. führt sodann (auch) in südöstlicher
Richtung parallel zur N1.-----straße weiter. An die Südwestseite der N1.-----straße
grenzen sechs aneinander gebaute Wohnhäuser an. Die Gebäude N1.-----straße 1 - 9
sind eingeschossige Flachdachbauten, das Gebäude N.-----straße 11 ist
zweigeschossig ausgeführt. Die Nordwestseite des Grundstücks N.-----straße 11 grenzt
an die Straße Im L1. . Zur Nordostseite der N1.-----straße sind sieben Wohnhäuser
erschlossen. Die Gebäude N.-----straße 2 - 10 sind eingeschossige Flachdachbauten.
Die Gebäude N.-----straße 12/12 a sowie 14 sind zumindest zweigeschossig nebst
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ausgebautem Dachgeschoss. Auf der Nordwestseite der D. -I. -Straße stehen in ihrem
Abschnitt zwischen der N1.-----straße und der Straße Im L1. zunächst fünf Garagen,
sodann zwei weitere eingeschossige Flachdachbungalows. Im Eckbereich zur Straße
Im L1. folgt ein zweigeschossiges Gebäude. Auf der südöstlichen Seite der D. -I. -Straße
steht eine größere Zahl von eingeschossigen Gartenhofhäusern, die ebenfalls
Flachdächer haben. Rückwärtig an die Grundstücke der Kläger und des Beigeladenen
grenzt ein größeres Schulgrundstück, auf dem ein teils ein-, teils zweigeschossiges
Schulgebäude steht. Das Schulgrundstück ist zur Straße Im L1. erschlossen.
Der baulichen Entwicklung des vorbeschriebenen Bereichs lag das Konzept einer
Siedlungsgesellschaft zugrunde, das den Rat der damals noch zuständigen Gemeinde
Brauweiler bewog, entsprechende Baurechte durch den am 6. Februar 1962 als
Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 12 zu eröffnen. Der Regierungspräsident L.
erteilte die Genehmigung zum Bebauungsplan am 15. März 1962. Mit Beschluss vom
10. März 1998 hob der Rat der Stadt L. den Bebauungsplan Nr. 12 auf. Ausweislich der
Begründung des Aufhebungsbeschlusses erfolgte die Aufhebung aus Gründen der
Rechtssicherheit, da unklar sei, ob der Bebauungsplan wirksam in Kraft getreten sei.
Die städtebauliche Entwicklung des Gebiets habe sich auf Grundlage des
Bebauungsplans vollzogen und sei abgeschlossen. Da die Entwicklung baulich
abgeschlossen sei, richte sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 34 BauGB, ohne
dass städtebauliche Fehlentwicklungen zu erwarten seien. Seit dem Jahre 2001 gibt es
Erwägungen der Stadt L. , die städtebauliche Entwicklung des maßgebenden Bereichs
durch einen neuen Bebauungsplan zu steuern. Der Stadtentwicklungsausschluss
beauftragte die Verwaltung am 22. April 2004 auf Grundlage eines städtebaulichen
Entwicklungskonzepts, einen Bebauungsplanentwurf zu erarbeiten. Das
Entwicklungskonzept sieht für die Gebäude N1.-----straße 1 - 9 den Bestand
festschreibende Festsetzungen vor. Ein Bebauungsplanentwurf liegt bislang nicht vor.
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Der Flachdachbungalow des Beigeladenen grenzt nordwestlich an das ebenfalls mit
einem Flachdach versehene Wohnhaus der Kläger. Der Vorbescheid bezieht sich
ebenso wie die Baugenehmigung darauf, dass das Flachdach durch ein geneigtes
Dach ersetzt werden soll. Zum Grundstück der Kläger soll das Dach als Satteldach mit
einer 4,36 m über die bisherige Gebäudehöhe aufragenden Giebelspitze ausgebildet
werden. Die Gebäudeerweiterung dient auch der Wohnflächenvergrößerung; ein
zweites Vollgeschoss entsteht nicht. Zum rückwärtigen Grundstücksbereich sind im
ausgebauten Dachbereich Fenster, zwei Dachaustritte und ein Balkon vorgesehen.
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Die Widersprüche der Kläger gegen den Vorbescheid und die Baugenehmigung wies
die Bezirksregierung L. mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2001, den
Klägern zugestellt am 16. November 2001, als unbegründet zurück.
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Die Kläger haben am 17. Dezember 2001, einem Montag, Klage erhoben.
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Sie haben beantragt,
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die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 9. April 2001 und den ihm
erteilten Vorbescheid vom 19. Dezember 2000 jeweils in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L. vom 14. November 2001 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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Mit Urteil vom 12. August 2003, auf dessen Entscheidungsgründe zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht den Vorbescheid,
die Baugenehmigung und den Widerspruchsbescheid aufgehoben.
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Das Urteil ist dem Beklagten am 27. August 2002 zugestellt worden. Auf den am 18.
September 2002 gestellten und am 23. Oktober 2002 begründeten Antrag auf Zulassung
der Berufung hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 5. Januar 2004 zugelassen.
Der Beklagte hat mit am 27. Januar 2004 eingegangenem Schriftsatz die Berufung
begründet und einen Berufungsantrag gestellt.
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Der Beklagte trägt vor: Das Vorhaben des Beigeladenen füge sich in die Umgebung ein.
Der N1.-----straße komme keine trennende Wirkung zu. Prägend seien daher neben
dem zweigeschossig mit Flachdach ausgeführten Haus N.----- straße 11 auch die
mindestens zweigeschossigen Gebäude N.-----straße 12/12a und 14. Gleich drei
Gebäude, die nicht Bestandteil einer einheitlichen Anlage seien, könnten nicht als so
genannte Fremdkörper aus der Bewertung ausgeblendet werden, welches die
maßgebende Bebauungsstruktur sei, und zwar entgegen der Ansicht des
Verwaltungsgerichts auch nicht wegen ihrer "massiv ausgebauten Dachgeschosse".
Vielmehr sei die gegenüber den eingeschossigen Flachdachbauten erhöhte Bauweise
von die Umgebung mit prägender Bedeutung. Der Aufstockung stehe auch nicht
entgegen, dass erstmals ein Gebäude der Reihenhauszeile erweitert werden solle. Da
sich das Vorhaben des Beigeladenen in den planungsrechtlichen Rahmen einfüge,
würden durch die Aufstockung keine Abstandflächen ausgelöst. Die Kläger könnten sich
auch nicht darauf berufen, dass eine auf Grundlage des früheren Bebauungsplans Nr.
12 entstandene bodenrechtliche Lebens- und Schicksalsgemeinschaft durch die
Aufstockung gestört werde, denn dieser Bebauungsplan sei nicht wirksam in Kraft
getreten. Die Schlussbekanntmachung sei nicht vom Bürgermeister, sondern vom
Gemeindedirektor der Gemeinde C. und damit rechtswidrig angeordnet worden. Eine
(tatsächliche) Bekanntmachung sei nicht belegt.
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Der Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie erwidern: Die Gebäude N.-----straße 11, 12/12 a und 14 würden den
bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks nicht beeinflussen, denn prägend sei
die einheitliche beidseitige Bebauung der N1.-----straße mit zehn eingeschossigen
Flachdachgebäuden. Diese Bewertung werde bestätigt durch das derzeitige Verfahren
zur Aufstellung des Bebauungsplans N1.-----straße , das auf den Schutz des jetzigen
Bestandes ziele. Selbst wenn die Gebäude N.-----straße 11, 12/12 a und 14 zur
maßgebenden Umgebung rechneten, seien sie als Fremdkörper aus der Bewertung
auszusondern, denn sie stünden in einem auffälligen Gegensatz zur sonst homogenen
Umgebungsbebauung. Das Gebäude N.-----straße 11 sei 1962/1963 als
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architektonischer zweigeschossiger Akzent, gleichsam als Schlusspunkt, entstanden.
Würde der Umgebungsbereich weiter gezogen, sei zu berücksichtigen, dass die nach
einem einheitlichen architektonischen Konzept entstandene Flachdachbebauung
beidseits der D. -I. -Straße den Umgebungsbereich ebenfalls mit präge, lediglich das
Schulgebäude sei dann als Fremdkörper aus der Betrachtung auszuklammern. Selbst
wenn sich das Vorhaben des Beigeladenen im Rahmen der Umgebungsbebauung
halte, sei es unzulässig, denn es erweise sich gegenüber der unmittelbaren
Nachbarbebauung als rücksichtslos. Es führe jedenfalls in der Reihenhauszeile zu
städtebaulichen Spannungen. Nach Aufstockung würde das Gebäude wie ein einzelner
"Zahn" aus der Umgebungsbebauung augenfällig und verunstaltend herausragen und
das Bedürfnis für gleichartige Maßnahmen nach sich ziehen. Die Aufstockung würde
eine Verengung und Verdichtung der baulichen Situation nach sich ziehen. Da sich das
Vorhaben nicht einfüge, halte es auch nicht die erforderlichen Abstandflächen ein.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Der Berichterstatter hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Wegen des
Ergebnisses der Augenscheinseinnahme wird auf die Niederschrift vom 21. April 2004
verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist begründet.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Weder der dem Beigeladenen erteilte Vorbescheid vom 19. Dezember 2000 noch die
Baugenehmigung vom 9. April 2001 sind mit die Kläger schützenden Vorschriften des
Bauplanungs- oder des Bauordnungsrechts unvereinbar.
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Das Vorhaben des Beigeladenen muss zum Grundstück der Kläger keine
Abstandfläche einhalten. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 b BauO NRW ist vor Außenwänden,
die an der Nachbargrenze errichtet werden, eine Abstandfläche nicht erforderlich, wenn
nach planungsrechtlichen Vorschriften das Gebäude ohne Grenzabstand gebaut
werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück
ebenfalls ohne Grenzabstand gebaut wird. Da für die nähere Umgebung des
Grundstücks des Beigeladenen kein Bebauungsplan (mehr) besteht, ist anhand der sich
aus § 34 Abs. 1 BauGB ergebenden Maßstäbe zu beurteilen, ob ohne Grenzabstand
gebaut werden darf. Maßgebend ist für das Merkmal, ob an die Grenze gebaut werden
darf, die sich aus der näheren Umgebung ergebende Bauweise. Die offene Bauweise
ist eine solche, bei der die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser,
Doppelhäuser oder Hausgruppe (bis zu einer Länge von höchstens 50 m) errichtet
werden (vgl. § 22 Abs. 1, Abs. 2 BauNVO). Die Gebäude beidseits der N1.-----straße
sowie nordwestlich der D. -I. -Straße sind jedenfalls an einer Nachbargrenze seitlich mit
dem jeweiligen Wohnhaus angebaut. Entlang der Straße Im L1. stehen die Gebäude in
offener Bauweise. Die aneinander gebauten Häuser in der N1.-----straße weisen
insgesamt eine Länge von mehr als 50 m auf. Bei diesen Gegebenheiten kann eine
prägende offene Bauweise nicht festgestellt werden. Dies sehen die Beteiligten nicht
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anders und bedarf daher keiner weiteren Vertiefung.
Ist eine Bebauung mit Grenzabstand nicht zwingend, kommt es nach der weiteren
Voraussetzung des § 6 Abs. 1 Satz 2 b BauO NRW auf die bestehende öffentlich-
rechtliche Sicherung, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls ohne Grenzabstand
gebaut wird, an. Nach ständiger Rechtsprechung der Bausenate des
Oberverwaltungsgerichts ersetzt eine vorhandene grenzständige Bebauung
hinreichenden Gewichts die öffentlich-rechtliche Sicherung. Das Hinzutreten der
Vorhaben muss dem vorhandenen Gebäude - hier dem Wohnhaus der Kläger - nicht in
Höhe und Tiefe entsprechen, um der Sicherungsfunktion des § 6 Abs. 1 Satz 2 b BauO
NRW zu genügen.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. Dezember 1995 - 7 A 159/94 -, BRS 57 Nr. 137;
Beschluss vom 4. Juni 1998 - 10 A 1318/97 -, NWvBl 1999, 90 = BRS 60 Nr. 72.
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Soweit das Verwaltungsgericht darauf abgestellt hat, es sei aus der Bebauung in der
näheren Umgebung keine Prägung dahin abzuleiten, dass sich ein Gebäude in der vom
Beigeladenen geplanten Höhe einfüge, geht es um einen anderen Maßstab als den für
die Prüfung des § 6 Abs. 1 Satz 2 b BauO NRW maßgebenden. Für diesen ist darauf
abzustellen, welche Bauweise sich aus der Umgebungsbebauung ableiten lässt,
grundsätzlich ist aber - vorbehaltlich einer hier nicht gegebenen Verletzung des im
Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltenen Gebots der Rücksichtnahme (hierzu
noch weiter unten) - nicht erheblich, welches Maß die jeweilige Bebauung hat.
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Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erfordernis der baulichen
Einheit zwischen eine Doppelhausbebauung bildenden Gebäuden,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, BRS 63 Nr. 185,
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ergibt sich nichts anders. Geben die bauplanungsrechtlichen Vorschriften die offene
Bauweise vor, kann ohne Widerspruch zu dieser Vorgabe grenzständig (nur) ein
Doppelhaus oder eine Hausgruppe errichtet werden (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO).
So liegt der Fall hier nicht, denn die offene Bauweise ist - wie ausgeführt - für die
Umgebungsbebauung nicht prägend.
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Ebensowenig verletzt das Vorhaben des Beigeladenen dem Schutz der Kläger
dienende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sich
das Vorhaben des Beigeladenen in jeder Hinsicht in den Rahmen einfügt, der für seine
objektiv-rechtliche Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebend ist. Rechte der
Kläger stehen allenfalls dann in Rede, wenn sich das Vorhaben nach seiner Art oder
seinem Maß, seiner Bauweise oder der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll,
nicht in den aus der Umgebungsbebauung abzuleitenden Rahmen baulicher Nutzung
einfügt und dadurch zugleich das vom Gebot des Einfügens umfasste Gebot der
Rücksichtnahme verletzt wird. Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil sich das
Vorhaben des Beigeladenen nach Auffassung des Senats in den Rahmen baulicher
Nutzung einfügt, der sich aus der Umgebungsbebauung ergibt.
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Das Vorhaben des Beigeladenen fügt sich namentlich hinsichtlich des im vorliegenden
Verfahren ohnehin nur strittigen Maßes baulicher Nutzung in die nähere Umgebung ein.
Wie weit der Rahmen das Grundstück des Beigeladenen prägender
Umgebungsbebauung hinsichtlich dieses Tatbestandsmerkmals genau zu ziehen ist,
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bedarf letztlich keiner Entscheidung. Jedenfalls ist die eingeschossige
Flachdachbebauung allein nicht maßstabbildend. Mit dem Verwaltungsgericht geht der
Senat davon aus, dass der nur der bogenförmigen Erschließung von insgesamt etwa 20
Wohngrundstücken dienenden Straße Im L1. /N1.-----straße keine trennende Funktion
zukommt, sondern auf die Wohnhäuser beidseits dieses Straßenzugs abzustellen ist. Es
kann nach dem Eindruck in der Örtlichkeit, den der Berichterstatter dem Senat anhand
der in den Akten befindlichen Karten und Fotos vermittelt hat, keine Unterteilung der für
die Bewertung nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebenden Bereiche dergestalt erfolgen,
dass zum einen nur auf die Häuser N1.-- ---straße 1 bis 9 und 2 bis 10 abgestellt werden
könnte, während die in nordwestlicher bzw. westlicher Richtung anschließenden
Häuser einem anderen Umgebungsbereich zuzuordnen wären. Vielmehr entfalten die
Gebäude die Umgebung prägende Wirkung jeweils in beiden hier maßgebenden
Richtungen. In der Örtlichkeit sind keine baulichen oder topographischen
Gegebenheiten vorhanden, die es rechtfertigen könnten, die fortlaufende Bebauung in
die vorbeschriebenen zwei Bereiche fiktiv zu unterteilen. Sowohl die bauliche Situation
der Häuser N1.-----straße 9 und 11 bzw. der Häuser N1.-----straße 10 und 12/12 a
zeigen, dass ein fließender baulicher Übergang besteht, der die Bandbreite möglicher
baulicher Nutzung aufzeigt.
Das Gebäude N1.-----straße 11 gleicht in seinem Erscheinungsbild dem Gebäude N1.---
--straße 9, ist ebenfalls mit einem Flachdach versehen, jedoch zweigeschossig
ausgeführt. Es schließt unmittelbar an das Gebäude N1.-----straße 9 an und
kennzeichnet damit nicht nur den von den Klägern gesehenen Abschluss, der aus
städtebaulichen Gründen zweigeschossig ausgeführt worden sei, sondern zugleich die
Bandbreite möglicher baulicher Nutzung innerhalb dieser Bauzeile. Das Gebäude N1.---
--straße 12/12 a greift zunächst das eingeschossige Nutzungsmaß des Hauses N1.-----
straße 10 auf, behält es jedoch nicht bei, sondern ist nach wenigen Metern
zweigeschossig nebst ausgebautem Dachgeschoss ausgeführt. Durch die auf dem
eingeschossigen Bereich ausgeführte vorgelagerte "Dachterrasse" entsteht auch hier
der Eindruck nicht einer Grenze zwischen zwei unterschiedlich geprägten
Baubereichen, sondern eines baulichen Übergangs, der die Bandbreite möglicher
baulicher Nutzung kennzeichnet. Es ist auch nicht so, dass die Bebauung N1.-----straße
12/12 a sowie 14 nur dem Bebauungszusammenhang entlang der nordwestlichen Seite
der Straße Im L1. zugeordnet ist. Vielmehr stehen diese beiden Häuser in einer
fortlaufenden Reihe mit den Häusern N1.----- straße 2 bis 10 und sind - anders als die
Häuser entlang der Straße Im L1. - mit der Giebelseite in Nord-/Südrichtung
ausgerichtet.
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Ob auch die eingeschossigen Gartenhofhäuser südöstlich der D. -I. - Straße noch
prägend auf das Maß baulicher Nutzung im Bereich des Grundstücks des Beigeladenen
einwirken, bedarf letztlich keiner Entscheidung. Auch unter Berücksichtigung dieser
Bebauung ist die eingeschossige Flachdachbebauung nicht derart gewichtig, dass sich
nur eine eingeschossige Bebauung in den Bebauungszusammenhang einfügen würde.
Wollte man den Umgebungsbereich mit den Klägern bis zur D. -I. -Straße ziehen, ist
auch die zweigeschossige Bebauung nordwestlich der Straße Im L1. mit in die
Bewertung einzustellen. Eine den Klägern günstigere Betrachtungsweise ergibt sich
auch dann nicht.
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Es kann keine Rede davon sein, die Bebauung N1.-----straße 11 sei als das Gebiet nicht
prägender so genannter Fremdkörper aus der Betrachtung auszublenden, welches
Nutzungsmaß die nähere Umgebung des Grundstücks des Beigeladenen aufweist.
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Mangels trennender Wirkung der N1.-----straße ergibt sich dies bereits daraus, dass
nicht nur ein, sondern in unmittelbarer Nähe des Vorhabens des Beigeladenen gleich
drei Gebäude mit mindestens zweigeschossiger Bebauung vorhanden sind, die bereits
ihrer Zahl nach nicht singulär sind, im Übrigen nach ihrem Bauvolumen ähnliches
Gewicht haben, wie die Flachdachbungalows an der N1.-----straße .
Fügt sich das Vorhaben des Beigeladenen hinsichtlich der maßgebenden Kriterien des
§ 34 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein, bleibt für eine gesonderte
Prüfung, ob es sich den Klägern gegenüber dennoch als rücksichtslos darstellen kann,
kein Raum. Dessen ungeachtet kommt der von den Klägern befürchteten zusätzlichen
Einsichtnahme in ihr Grundstück, die ohnehin nur in verhältnismäßig geringem Umfang
möglich sein dürfte, grundsätzlich keine Bedeutung, die einem Bauvorhaben im
bauplanungsrechtlichen Innenbereich entgegen gehalten werden kann oder hier gar als
rücksichtslos anzusehen wäre. Die "Verengung und Verdichtung" der baulichen
Situation führt selbst unter Berücksichtigung etwaiger Folgevorhaben im Bereich der
eingeschossigen Flachdachbebauung entlang der N1.-----straße nicht zu einer den
Klägern rücksichtslosen Beeinträchtigung, sondern ist Ausdruck des Rahmens für das
Maß zulässiger baulicher Nutzung, das sich aus der Umgebungsbebauung ableitet.
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Schließlich ist dem Vorhaben des Beigeladenen nicht entgegenzuhalten, dass die
Eigentümer der Flachdachbungalows entlang der N1.-----straße zu einer Art
"bodenrechtlicher Lebens- und Schicksalsgemeinschaft",
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vgl. zu diesem Begriff: BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1994 - 4 B 158.93 -, BRS 56
Nr. 66,
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verbunden wären, die ein Eigentümer nicht ohne Weiteres durch bauliche Änderung
seines Hauses verlassen dürfte. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine solche
Fallgestaltung in einem Fall angenommen, in dem innerhalb einer aus fünf
Reihenhäusern bestehenden Reihenhauszeile ein einzelnes Gebäude (erstmals)
aufgestockt werden sollte. Ob die Flachdachbungalows N1.-----straße 1 bis 9 als
"Reihenhäuser" bezeichnet werden könnten, ist schon angesichts der jeweiligen
Grundstücksbreite von über 17 m fraglich, obwohl es sich um gleichförmige Haustypen
handelt. Hierauf kommt es jedoch nicht einmal an. Es geht nicht um den ersten Fall
einer Aufstockung der in einer Reihe stehenden Bungalows, denn bereits das Gebäude
N1.-----straße 11 ist zweigeschossig ausgeführt.
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Aus dem früheren Bebauungsplan Nr. 12 der Gemeinde C. ergibt sich zugunsten der
Kläger nichts. Der Bebauungsplan ist aufgehoben. Die städtebauliche Entwicklung ist
daher anhand der sich aus § 34 Abs. 1 BauGB ergebenden Maßstäbe zu beurteilen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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