Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.07.2000

OVG NRW: mast, grundstück, gebäude, wohnhaus, grundriss, zustand, rechtsschutzinteresse, aufwand, hobby, fabrik

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 3558/96
Datum:
27.07.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 A 3558/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 K 9345/95
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand:
1
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für einen Funkmast, der im
Garten seines in W. gelegenen Wohngrundstücks M. 134 aufgestellt werden soll.
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Das Grundstück des Klägers ist straßennah mit einer Doppelhaushälfte bebaut. Diese
ist Bestandteil einer Bauzeile, die sich auf rd. 250 m Länge entlang der Nordostseite der
von Nordwesten nach Südosten führenden Straße M. erstreckt. An der
gegenüberliegenden Südwestseite der Straße beginnt rd. 50 m südöstlich des
Grundstücks des Klägers Wohnbebauung, die sich auf rd. 100 m Länge bis zu einer
Kurve erstreckt, in der die Straße in einen nach Osten gerichteten Verlauf übergeht. Hier
befindet sich im Anschluss an die Wohnbebauung an der Südseite der Straße zunächst
ein größerer Parkplatz, der mit einer wassergebundenen Decke versehen ist, sowie im
östlichen Anschluss daran - den östlichsten Wohnhäusern der bereits angesprochenen
250 m langen Bauzeile gegenüber - das ausgedehnte Gelände eines Freibads mit
mehreren Gebäuden. Östlich des Freibades befindet sich an der Südseite der Straße M.
ein ca. 70 x 50 m großes Fabrikgebäude. Die Straße M. knickt am östlichen Rand
dieses Fabrikgebäudes in einen nach Süden führenden Verlauf ab. Östlich dieses
Straßenabschnitts steigt das Gelände stark an; die Oberkante des Hanges ist
durchgehend mit Wohnhäusern sowie östlich davon mit gewerblich genutzten
Gebäuden bebaut.
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Der Garten des Klägers reicht über den nordöstlich der Straße verlaufenden Bach M.
hinaus und endet rd. 80 m hinter der Straßenbegrenzung des Grundstücks. Er ist - wie
die Nachbargärten - gärtnerisch zu Aufenthaltszwecken (Rasen) gestaltet und mit
verschiedenen größeren Bäumen bestanden. Im Hintergelände des Grundstücks des
Klägers wie auch verschiedener Nachbargrundstücke befinden sich einzelne kleinere
Nebengebäude.
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Unter dem 27. Juni 1994 beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung für
einen kipp- und ausfahrbaren Funkmast. Als Standort ist in den Bauvorlagen die Mitte
des insgesamt rd. 11 m breiten Grundstücks rd. 25 m hinter dem Wohnhaus des Klägers
angegeben. Die Gitterkonstruktion des aus drei teleskopartig ausfahrbaren Segmenten
bestehenden Mastes weist einen dreieckigen Grundriss mit Seitenlängen von 41,24 cm
(unteres Segment), 32,792 cm (mittleres Segment) und 25,063 cm (oberes Segment)
auf. Ausgefahren soll der Mast eine Höhe von etwas über 18 m erreichen und nach den
zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen an der Spitze mit einer ausladenden Antenne
(Gesamtbreite ca. 2 m) versehen werden. Eingefahren kann der Mast an der im Boden
einzubetonierenden und zu verankernden Stützkonstruktion gekippt werden; er hat dann
eine Länge von rd. 6,5 m.
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Mit Bescheid vom 26. Oktober 1994 lehnte der Beklagte die Erteilung der beantragten
Genehmigung ab, weil das im Außenbereich zu errichtende Vorhaben eine erhebliche
Beeinträchtigung des Landschaftsbildes iSv § 4 Abs. 1 LG NW darstelle. Den am 3.
November 1994 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beigeladene mit
Widerspruchsbescheid vom 15. September 1995 als unbegründet zurück.
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Mit seiner am 12. Oktober 1995 erhobenen, nicht weiter begründeten Klage hat der
Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 26. Oktober 1994 und des
Widerspruchsbescheides der Beigeladenen vom 15. September 1995 zu verpflichten,
ihm gemäß seinem Antrag vom 27. Juni 1994 die Baugenehmigung für die Errichtung
eines Gittermastes auf dem Grundstück M. 134 in W. , Gemarkung N. Flur 413 Flurstück
76, zu erteilen.
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Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
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Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
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Mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid hat das Verwaltungsgericht die Klage als
unzulässig abgewiesen, weil die Klage trotz mehrfacher Aufforderung nicht begründet
worden sei; da der Kläger offensichtlich sein Klagebegehren nicht weiterverfolge, fehle
ihm das Rechtsschutzinteresse.
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Gegen den seinen Bevollmächtigten am 24. Juni 1996 zugestellten Gerichtsbescheid
hat der Kläger am 11. Juli 1996 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er im
Wesentlichen vor, sein Grundstück liege innerhalb eines im Zusammenhang bebauten
Ortsteils und das Vorhaben sei deshalb nach § 34 BauGB zu beurteilen. Diese Wertung
werde dadurch bestätigt, dass der Beklagte noch in jüngerer Zeit verschiedene
Baugenehmigungen für neue Häuser an der Straße M. erteilt habe. Der Gittermast füge
sich in die Eigenart der Umgebung ein und verstoße auch nicht gegen § 14 BauNVO.
Auch bei einer Wertung nach § 35 Abs. 2 BauGB sei er nicht unzulässig, da der
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Gittermast Natur und Landschaft nicht beeinträchtige. Er werde durch die vorhandenen
Gebäude und Bäume in wesentlichen Teilen verdeckt und biete keine besonderen
Auffälligkeiten. Zu berücksichtigen sei auch, dass er - der Kläger - sich als Funkamateur
aktiv am durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Informationsaustausch beteilige; zur
Informatonsfreiheit gehöre auch die Wahl zwischen verschiedenen Medien. Seine
Nachbarn hätten keine Einwendungen gegen die Errichtung des Gittermastes. Dieser
verstoße auch nicht gegen das Abstandrecht, weil von ihm wegen seiner schlanken und
durchsichtigen Konstruktion keine Wirkungen wie von Gebäuden ausgingen.
Schließlich sei auch das Verunstaltungsverbot nicht verletzt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem Klageantrag zu
erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält daran fest, dass das Vorhaben nach § 35 BauGB zu werten sei. Bei einer
Wertung nach § 34 BauGB würde es sich nicht in die verhältnismäßig kleinräumige
Umgebung einfügen. Zudem wirke das Vorhaben, das die vorhandenen Gebäude
überragen würde, verunstaltend.
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Die Beigeladene beantragt gleichfalls,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie meint weiterhin, dass das im Außenbereich zu errichtende Vorhaben Belange des
Landschaftsschutzes beeinträchtige.
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Gemäß Beschluss vom 25. Februar 2000 hat der Berichterstatter des Senats am 29.
März 2000 eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Auf die hierüber gefertigte Niederschrift
wird verwiesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die vom Kläger vorgelegten Lichtbilder,
den Verwaltungsvorgang des Beklagten und den Widerspruchsvorgang der
Beigeladenen ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
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Die Klage ist zulässig. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht die Unzulässigkeit der
Klage angenommen. Diese lässt sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass die
Klage im Verfahren erster Instanz trotz mehrfacher Aufforderung nicht weiter begründet
worden ist. Allein aus dem bloßen Schweigen auf solche Aufforderungen lässt sich
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noch nicht der Schluss ziehen, dass dem Kläger das Rechtsschutzinteresse an einer
Aufrechterhaltung seiner Klage fehlt. Im Übrigen hat der Kläger im Berufungsverfahren
hinreichend deutlich gemacht, dass er selbst an der Weiterverfolgung seines Begehrens
interessiert ist und das Schweigen im Verfahren erster Instanz auf Nachlässigkeit seiner
damaligen Prozessbevollmächtigten beruhte.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der
begehrten Baugenehmigung.
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Die bauaufsichtliche Zulassung des strittigen Funkmastes scheitert allerdings nicht
bereits daran, dass er abstandrechtlich unzulässig wäre. Die Regelungen des § 6 BauO
NRW sind auf ihn nicht anwendbar.
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Dass der Funkmast kein Gebäude und die abstandrechtlichen Regelungen demgemäß
nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW unmittelbar anzuwenden sind, bedarf keiner
näheren Erörterung. Die Vorschriften des § 6 Abs. 1 bis 9 BauO NRW sind auch nicht
gemäß § 6 Abs. 10 Satz 1 BauO NRW sinngemäß anzuwenden, weil der Mast keine
Anlage ist, von der Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen. Allerdings können auch
von einem Stahlgittermast Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, wenn wegen der
flächenhaft in Erscheinung tretenden Seiten der Gitterkonstruktion dieser einem
Gebäude vergleichbare Wirkungen als Raumkörper entfaltet. Dies gilt jedoch dann nicht
mehr, wenn der Mast im Grundriss und im weiteren Querschnitt so geringe Dimensionen
aufweist, dass seine Auswirkung auf die Umgebung nicht entscheidend durch eine auch
im weiteren Sinne flächenhafte, also gebäudegleiche Wirkung charakterisiert ist.
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Vgl.: OVG NRW, Beschluss vom 10. Februar 1999 - 7 B 974/98 - BauR 1999, 1179 =
NVwZ-RR 1999, 714.
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Mit seinem dreieckigen Grundriss, der selbst im unteren Drittel nur Seitenlängen von
41,24 cm aufweist und in den oberen Dritteln noch schmaler ist, ist in der Tat eine im
oben genannten Sinne gebäudegleiche Wirkung des Mastes ausgeschlossen. Der
Umstand, dass damit die abstandrechtlichen Regelungen nicht auf den Mast
anzuwenden sind, bedeutet - wie noch näher anzusprechen ist - allerdings nicht, dass
seine Höhe von rd. 18 m und seine Nähe zu den Nachbargrundstücken unter
planungsrechtlichen Aspekten, namentlich im Hinblick auf seine Wirkung auf die
benachbarten Nutzungen unter dem Aspekt des planungsrechtlichen Gebots der
Rücksichtnahme, irrelevant ist. Dabei ist die Wirkung des Mastes in ausgefahrenem
Zustand zu bewerten, da dies der Zustand seiner bestimmungsgemäßen Nutzung ist
und angesichts der in Aussicht genommenen Funktion davon auszugehen ist, dass
dieser Zustand jedenfalls für nicht unerhebliche Zeiträume andauert.
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Der strittige Gittermast ist wegen eben dieser Höhe und des geringen Abstands zu den
Nachbargrundstücken bauplanungsrechtlich unzulässig. Dabei ist davon auszugehen,
dass sich der Standort des Gittermastes nicht mehr innerhalb eines im Zusammenhang
bebauten Ortsteils befindet und deshalb der planungsrechtlichen Beurteilung nach § 35
BauGB unterliegt.
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Nach dem dem Senat vorliegenden umfassenden Karten- und Lichtbildmaterial und
unter Berücksichtigung des vom Berichterstatter des Senats vor Ort gewonnenen und
dem Senat vermittelten Eindrucks von den örtlichen Verhältnissen gehört allerdings die
Bebauung entlang der Straße M. einschließlich des Wohnhauses des Klägers zu einem
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im Zusammenhang bebauten Ortsteil iSv § 34 BauGB. Die kompakte, dicht aufeinander
folgende Bebauung entlang der Straße M. weist wegen des starken Anstiegs des östlich
der Fabrik gelegenen unbebauten Hangs zwar keinen Zusammenhang mehr mit der
oberhalb des Hangs vorhandenen Bebauung an der Straße Ecksteinslöh auf. Sie
erstreckt sich jedoch auf einer Länge von immerhin knapp 400 m von der Fabrik im
Osten bis zu den beiden westlich des Grundstücks des Klägers gelegenen
Wohnhäusern und hat dabei - von Norden nach Süden gesehen - in weiten Bereichen
eine räumliche Ausdehnung von rd. 50 m sowie im Bereich des Schwimmbads sogar
von max. 80 m. Sie besteht mittlerweile aus deutlich mehr als 20 Wohnhäusern, zu
denen noch die ausgedehnten Baulichkeiten des Schwimmbades mit dem ihm
vorgelagerten Haus M. 99 und das über 3.000 qm große Fabrikgebäude hinzukommen.
Angesichts dieses Umfangs hat die Bebauung auch unter Berücksichtigung der Größe
der Stadt W. , der sie zugeordnet ist, das erforderliche städtebauliche Gewicht, um als
eigenständiger im Zusammenhang bebauter Ortsteil gewertet zu werden. Der Annahme
eines Ortsteils steht ferner nicht entgegen, dass es an dem weiter erforderlichen
Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur fehlen würde. Die organische
Siedlungsstruktur erfordert weder, dass es sich um eine nach Art und Zweckbestmmung
einheitliche Bebauung handelt, noch muss die Bebauung einem bestimmten
städtebaulichen Ordnungsbild entsprechen, eine bestimmte städtebauliche Ordnung
verkörpern oder als eine städtebauliche Einheit in Erscheinung treten.
So bereits: BVerwG, Urteil vom 6. November 1968 - IV C 31.66 - BRS 20 Nr. 36.
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Vielmehr kann auch eine mehr oder weniger bandartige Bebauung Ausdruck einer
organischen Siedlungsstruktur sein. Das trifft hier zu. Bei der Bebauung entlang der
Straße M. handelt es sich letztlich um einen den topografischen Gegebenheiten und der
Führung der Erschließungsstraße folgenden lang gestreckten Bebauungskomplex, der
zwischenzeitlich praktisch lückenlos auf rd. 400 m Länge ein von der Straße M.
erschlossenes Areal ausfüllt.
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Der vorgesehene Standort des strittigen Gittermastes liegt jedoch nicht mehr innerhalb
dieses Bebauungszusammenhangs. Grundsätzlich endet der Zusammenhang und
damit auch der Ortsteil jeweils am letzten Baukörper.
36
Vgl.: BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1990 - 4 C 40.87 - BRS 50 Nr. 172 m.w.N..
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Hier soll der Mast mit 25 m weit von der rückwärtigen Gebäudeseite des Wohnhauses
des Klägers entfernt errichtet werden. Dieses bildet mit den benachbarten
Wohngebäuden an der Nordostseite der Straße M. eine im wesentlichen einheitlich tiefe
Bauzeile. Deren rückwärtige Bautiefe wird nur durch einzelne Nebengebäude bzw.
Anbauten, etwa das teilweise als Garage genutzte Nebengebäude auf dem Grundstück
des Klägers, überschritten. Ob diese Nebengebäude dazu führen, auch den von ihnen
erfassten Bereich noch dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil zuzuordnen, kann
letztlich dahinstehen, da selbst dann der Bebauungszusammenhang etwa rd. 14 m
hinter dem Wohnhaus des Klägers enden und nicht auch noch den mehr als 10 m tiefer
im Hintergelände liegenden Standort des Mastes erfassen würde. Das noch weiter im
Hintergelände gelegene Gartenhäuschen auf dem nordwestlichen Nachbargrundstück
M. 136, das jenseits des Bachlaufs rd. 60 m hinter dem Wohnhaus des Klägers liegt, ist
von der vorhandenen straßennahen Bebauung so deutlich abgesetzt, dass es schon
wegen dieses Abstands - im Übrigen auch wegen seiner geringen Dimensionen -
keinen Zusammenhang mit der straßennahen Bebauung mehr zu vermitteln vermag.
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Bei der hiernach vorzunehmenden planungsrechtlichen Beurteilung nach § 35 BauGB
folgt die Unzulässigkeit des strittigen Vorhabens jedenfalls daraus, dass es wegen
seiner im vorliegenden Verfahren unter verschiedenen rechtlichen Aspekten
ansprochenen tatsächlichen Auswirkungen gegen das in § 35 Abs. 3 BauGB verankerte
Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
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Voraussetzung eines Verstoßes gegen das in § 35 Abs. 3 BauGB verankerte Gebot der
Rücksichtnahme ist zunächst, dass die betroffenen Nachbarn eine schutzwürdige
Position haben.
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Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 3. April 1995 - 4 B 47.95 - BRS 57 Nr. 224.
41
Hieran anknüpfend hat die gegenseitige Rücksichtnahme nach folgenden Grundsätzen
zu erfolgen: Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die
Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann an
Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem
Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das
Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen.
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Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 1994 - 4 B 152.93 - BRS 56 Nr. 165 m.w.N..
43
Gemessen an diesen Grundsätzen ist eine schutzwürdige Position der Nachbarn des
Klägers, vor den Wirkungen einer hohen und belastend wirkenden Anlage wie dem hier
in Rede stehenden Funkmast bewahrt zu werden, zu bejahen. Auch wenn der Standort
des Mastes und damit auch die benachbarten Gartenbereiche dem Außenbereich
zuzuordnen sind, handelt es sich bei den betroffenen Bereichen noch um solche, die
nach den vom Berichterstatter des Senats vor Ort getroffenen und dem Senat
vermittelten Feststellungen, die durch das vorliegende Lichtbildmaterial veranschaulicht
werden, noch eindeutig durch eine der Wohnnutzung im angrenzenden Innenbereich
zugeordnete Aufenthaltsqualität geprägt sind und nicht durch eine typische
Außenbereichsnutzung zu dort privilegierten Zwecken. Diese Aufenthaltsqualität wird
gerade bei einem Blick über die Gärten deutlich, die weitgehend mit Rasen versehen
und auch sonst in einer für zu Aufenthaltszwecken und nicht etwa als Nutzgarten
typischen Weise gestaltet sind. Eine derartige einer Wohnnutzung akzessorische
Nutzung von Gärten zu Aufenthaltszwecken als solche ist auch im Außenbereich - mag
auch die Errichtung baulicher Anlagen, die Vorhaben iSv § 29 Abs. 1 BauGB sind,
unzulässig sein - durchaus zulässig und damit auch gegenüber Belastungen aus der
Nachbarschaft wehrfähig.
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Demgegenüber kann der Kläger bei der hier gegebenen Außenbereichslage seines
Vorhabens nicht für sich reklamieren, dass sein Vorhaben verständlich oder gar
unabweisbar ist. Der vornehmliche Zweck des Mastes besteht darin, dem Hobby und
damit den Freizeitinteressen des Klägers zu dienen, mag auch ein zusätzlicher Zweck -
wie im Berufungsverfahren vorgetragen - darin bestehen, dass der als Lehrer tätige
Kläger den Mast zur "zweckmäßigen Vorbereitung" im Zusammenhang mit einer
Schüler-AG verwenden will. Bei diesen Zwecken handelt es sich jedenfalls
grundsätzlich um eine dem Außenbereich wesensfremde bauliche Nutzung.
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Gemessen an diesen Gewichtigkeiten der gegenläufigen Interessen fällt die unter dem
Aspekt des Gebots der Rücksichtnahme vorzunehmende Interessenabwägung zu
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Lasten des Klägers aus, da die Auswirkungen des strittigen Mastes in der gegebenen
Situation der Nachbarschaft nicht zuzumuten sind. Dem vom Kläger vorgesehenen Mast
kommt schon wegen seiner Höhe von mehr als 18 m, mit der er die vorhandenen
Wohnhäuser deutlich überragen wird, eine im gegebenen Umfeld unangemessene
Dominanz zu. Hinzu kommt, dass er an seiner Spitze mit einer zu beiden Seiten
ausladenden Antenne versehen und mitten in dem mit 11 m nicht sonderlich breiten
Garten errichtet werden soll. Den Nutzern der benachbarten, vornehmlich zu
Aufenthaltszwecken nutzbaren Gärten wird die technische Konstruktion mit ihrem
Grenzabstand von jeweils nur rd. 5,5 m in objektiv bedrohlich erscheinender Weise
gleichsam hoch über die Köpfe gesetzt. Der hierdurch eintretende, als belastend
empfundene Effekt wird noch durch das regelmäßig zu erwartende Ausfahren des
Mastes und das durch die sich dabei aufbauende Höhe ausgelöste zusätzliche
Betroffensein verstärkt. Er ist auch nicht etwa deshalb zu relativieren oder gar zu
vernachlässigen, weil sich im näheren und weiteren Umfeld des Standorts des Mastes
Bäume befinden, die etwa die gleiche Höhe erreichen wie der Mast. Bäume sind in
einem Garten- und Aufenthaltsbereich als gleichsam standortvorgegebene natürliche
Gewächse hinzunehmen und werden demgemäß regelmäßig auch als sozialadäquat
akzeptiert. Dies trifft auf hohe künstliche Metallkonstruktionen der hier in Rede
stehenden Art nicht zu, auch wenn ihre Standsicherheit bei entsprechender
Verankerung im Boden nach den einschlägigen technischen Regeln keinen Bedenken
unterliegen mag.
Dieser objektiven Wertung des Mastes als unzumutbar steht nicht entgegen, dass die
konkreten Nachbarn nach den vom Kläger im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten
Unterlagen ausdrücklich bescheinigt haben, sie hätten keine Bedenken gegen den vom
Kläger geplanten Mast. Das Gebot der Rücksichtnahme ist als objektiv-rechtliches
Gebot im Baugenehmigungsverfahren unabhängig davon zu beachten, ob konkret
betroffene Nachbarn sich auf seine Verletzung berufen oder nicht.
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Der vom Kläger für sich reklamierte Schutz des von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfassten
Grundrechts der Informationsfrei- heit gebietet keine andere Beurteilung. Dieses
Grundrecht findet nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den Vor- schriften der
allgemeinen Gesetze, zu denen auch die Vor- schriften des Baurechts gehören. Diese
geben dem Kläger kein Recht, an jedem beliebigen Standort eine seinen Bedürfnissen
entsprechende Antennenanlage für sein Hobby - mag es auch durch berufliche
Interessen angereichert sein - errichten zu dürfen. Wenn der Kläger sich auch aus
solchen Quellen infor-mieren bzw. mit ihnen kommunizieren möchte, die nur mit erheb-
lichem technischem Aufwand erreichbar sind, muss er den tech-nischen Aufwand in
seinen baurechtlich relevanten Dimensionen den örtlichen Verhältnissen anpassen
oder sich einen Standort suchen, an dem eine Kommunikationsanlage der in Rede
stehenden Art zulässigerweise errichtet werden kann.
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Vgl.: OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 1991 - 7 A 2556/89 -, bestätigt durch BVerwG,
Beschluss vom 23. August 1991 - 4 B 144.91 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 145.
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Schließlich steht der Annahme eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme
auch nicht entgegen, dass das Vorhaben abstandrechtlich unbedenklich ist. Zwar ist
davon auszugehen, dass in den Fällen, in denen ein Vorhaben die landesrechtlichen
Abstanderfordernisse einhält, im Regelfall das planungsrechtliche
Rücksichtnahmegebot zumindest aus tatsächlichen Gründen nicht verletzt ist.
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Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 - BauR 1999, 615.
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Gerade die vorliegende Fallkonstellation macht jedoch deutlich, dass die
abstandrechtlichen Regelungen nicht alle Fälle abdecken, in denen von baulichen
Anlagen Belastungen ausgehen, die der Nachbarschaft im Sinne einer erdrückenden
oder bedrohenden Wirkung nicht mehr zuzumuten sind. Mit der grundsätzlichen
Orientierung an Gebäuden und Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden
ausgehen, erfasst das landesrechtlich geregelte Abstandrecht gerade nicht die Fälle, in
denen die bauliche Anlage wegen ihrer geringen Fläche nicht mehr als
gebäudegleicher Raumkörper wirkt. Die Vorgaben des Landesbaurechts entwickeln
daher insoweit keine Aussagekraft, so dass gleichwohl auch solche baulichen Anlagen
- wie hier - wegen der von ihrer Höhe und Nähe zu den Nachbargrundstücken
ausgehenden belastenden Wirkung unzumutbar und damit rücksichtslos sein können.
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Erweist sich das Vorhaben des Klägers bei der hier vorzunehmenden
bauplanungsrechtlichen Beurteilung nach § 35 BauGB schon deshalb als unzulässig,
weil es gegen das objektiv- rechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt, bedarf es
keiner abschließenden Erörterung der vom Beklagten und der Beigeladenen in den
Vordergrund ihrer Wertung gestellten landschaftsästhetischen Aspekte.
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Ein anderes Ergebnis, nämlich die planungsrechtliche Unzulässigkeit des strittigen
Vorhabens, würde sich im Übrigen auch nicht dann ergeben, wenn der Standort des
Gittermastes noch dem unbeplanten Innenbereich zuzuordnen wäre.
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Auch in diesem Fall wäre von einer Verletzung des im Merkmal des Einfügens
enthaltenen Gebots der Rücksichtnahme auszugehen. Zudem wäre der Mast nur
zulässig, wenn er als der Wohnnutzung zugeordnete untergeordnete Nebenanlage iSv
§ 14 BauNVO zu werten wäre. Dies ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht der
Fall.
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Zwar können auch Antennenanlagen eines Amateurfunkers der Freizeitgestaltung und
damit letztlich dem privaten Nutzungszweck des Grundstücks, dem Wohnen, dienen. Ob
eine solche Anlage der Eigenart des Baugebiets nicht widerspricht und damit nach § 14
Abs. 1 Satz 1 BauNVO zulässig ist, lässt sich indes nicht abstrakt beantworten, da es
insoweit auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt.
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Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1993 - 4 B 7.93 - Buchholz 406.12 § 14 BauNVO
Nr. 8.
57
Diese ergäben im vorliegenden Fall einen deutlichen Widerspruch der strittigen Anlage
zur Eigenart des betroffenen Wohngebiets, das nach den vom Berichterstatter des
Senats vor Ort getroffenen und dem Senat vermittelten Feststellungen durch
straßennahe, relativ kleinmaßstäbliche Wohnhäuser mit typischem Siedlungscharakter
einerseits und weit in die Tiefe bis zum Bach und teilweise darüber hinaus reichende
Gärten mit ausgeprägter Aufenthaltsqualität gekennzeichnet ist. In diesem Umfeld käme
dem vom Kläger vorgesehenen Gittermast schon wegen seiner Höhe eine der Eigenart
des Gebiets widersprechende Dominanz zu. Hinzu käme der bereits angesprochene
Umstand, dass der Mast wegen seiner konkreten Auswirkungen objektiv als bedrohlich
und belastend empfunden und auch deswegen der Eigenart des Gebiets mit seinen
ausgedehnten wohnakzessorischen Aufenthaltsflächen widersprechen würde.
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Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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