Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.09.2000

OVG NRW: gebäude, öffentliches interesse, stadt, erhaltung, denkmalpflege, unterschutzstellung, markt, kreisverkehr, fassade, bebauungsplan

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 4858/97
Datum:
26.09.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 A 4858/97
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 7 K 4898/94
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
Arnsberg vom 18. September 1997 wird zurückgewiesen.
Tatbestand:
1
Der Kläger wendet sich als Eigentümer gegen die Eintragung zweier baulich
miteinander verbundener Gebäude (M. - straße 6 und 8 in W. ) in die Denkmalliste.
2
Die M. straße verbindet den im historischen Ortskern von W. gelegenen M. platz mit dem
etwa 100 m entfernt liegenden K. markt, der als Kreisverkehr ausgestaltet ist und auf den
vier weitere Straßen treffen, u.a. die von S. kommende Bundesstraße 1 (K. straße). Die
M. straße weist zum Kreisverkehr hin ein deutliches Gefälle auf und verläuft vom M. aus
zunächst in einer ausgeprägten Rechts- , sodann in einer Linkskurve, bevor sie auf den
Kreisverkehr trifft. Unmittelbar vor der Linkskurve steht - vom M. platz aus gesehen - auf
der linken (südlichen) Straßenseite das zweigeschossige Gebäude M. straße 8 mit einer
fünfachsigen verputzten Giebelfassade in einem Winkel von etwa 45° zur Straße. Das
dreigeschossige Gebäude M. straße 6 ist hinter der erwähnte Linkskurve giebelseitig zur
M. straße hin mit seiner dreiachsigen fachwerksichtigen Fassade angeordnet und
baulich mit dem Haus M. straße 8 dergestalt verbunden, dass beide mit ihren
straßenseitigen Giebelseiten einen Winkel von etwa 60° bilden; das Gebäude M. straße
6 ist in seinem von der Straße abgewandten Teil an das Gebäude M. straße 8 angebaut.
Bewegt man sich auf der M. straße auf den Gebäudekomplex zu, ist hinter der Fassade
der Hausnummer 8 eine Dachfläche sowie der freiliegende Teil einer Traufseite des
Hauses M. straße 6 zu erkennen, das das mit ihm verbundene Nachbargebäude an
Höhe etwas überragt und wie ein selbstständiges Gebäude wirkt. Beide Gebäude
haben einen straßenseitigen Eingang, doch sind Ober- und Dachgeschoss des
Gebäudes M. straße 6 ausschließlich vom Nachbarhaus M. straße 8 aus zugänglich.
Dem Gebäudekomplex gegenüber und unmittelbar an dem erwähnten Kreisverkehr
gelegen befindet sich die heutige Stadtbücherei, untergebracht in dem als Baudenkmal
eingetragenen ehemaligen Wohnhaus eines ehemaligen Erbsälzerhofes (A. -hof v. P. ).
In diesem Bereich verengt sich die M. straße deutlich, bevor sie auf den Kreisverkehr
(Kälber-markt) trifft. Im oberen, vom M. platz ausgehenden Verlauf der M. straße steht auf
3
der Straßenseite der klägerischen Gebäude die historische Gaststätte "I. W.", während
das gegenüber liegende Gelände des ehemaligen E. von Parkplätzen und dem Neubau
einer Bank eingenommen wird.
Im Erdgeschoss des Hauses M. straße 6 sind - durch Schaufenster zur Straße
erkennbar - Verkaufsräume eines Bettwarengeschäfts untergebracht, während die
oberen Stockwerke eine ehemalige, seit längerer Zeit nicht mehr betriebene Polsterei
beherbergen. Das Gebäude M. straße 8 diente der Wohnnutzung und steht derzeit leer.
Es weist einen Hinterausgang zu einer an der K. straße - anschließend an die
Hausnummer 48 - gelegenen Freifläche auf. Es ist durch einen beide Ein- bzw.
Ausgänge verbindenden Längsflur gegliedert, an den auf beiden Seiten Wohnräume
angrenzen sowie ein Raum, durch den man über eine Treppe in das Obergeschoss des
Nachbarhauses M. straße Nr. 6 gelangt. Vom Flur aus führt eine Treppe in das
Obergeschoss, das gleichfalls der Wohnnutzung diente. Im von der M. straße
abgewandten Gebäudeteil befindet sich eine weitere Treppe, die vom Obergeschoss
aus das Dachgeschoss erschließt. Das Gebäude ist teilunterkellert; zur K. straße hin ist
ein ebenfalls zweigeschossiger Fachwerkanbau errichtet.
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Seit den sechziger Jahren plante die Stadt W. die Umgestaltung des Bereichs M.
straße/K. markt/K. straße. Im Jahre 1986 wurde dieses Gebiet durch den
Bebauungsplan Nr. ... mit dem Ziel überplant, eine als "Westtangente" bezeichnete
Straßenverbindung zu schaffen, die den Verkehr am historischen Ortskern westlich
vorbeiführen sollte. Die Westtangente sollte, aus westlicher Richtung auf die heutige K.
straße treffend, im Bereich des K. markt eine groß dimensionierte Kreuzung mit der M.
straße bilden, die ihrerseits im Bereich der streitbefangenen Gebäude verbreitert werden
sollte. Zur Verwirklichung dieses Bebauungsplanes wurden mehrere Gebäude
abgebrochen, deren Alter ungefähr demjenigen der klägerischen Gebäude entsprach.
Das Haus M. straße 8 - möglicherweise war der Komplex M. straße 6/8 gemeint - sollte
gleichfalls vollständig beseitigt werden.
5
Erstmalig im Jahre 1984 äußerte das Westfälische Amt für Denkmalpflege die Ansicht,
dass die Gebäude M. straße 6/8 denkmalwert seien und deshalb erhalten werden
müssten. Nach einer Besichtigung der Gebäude von außen im August 1990 und von
innen im November 1990 gab das Westfälische Amt für Denkmalpflege am 19. März
1991 eine Stellungnahme zum Denkmalwert der Gebäude ab: Das Haus M. straße 8
stamme aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Grundrissgestaltung, die
Treppenanlage und Teile der inneren Ausstattung - einige Türen - seien noch im
ursprünglichen Zustand. Das Gebäude M. straße 6 sei im späten 19. Jahrhundert
errichtet worden. Die im Erdgeschoss befindlichen Schaufenster entstammten noch der
Zeit um 1900. Auch hier sei die ursprüngliche Grundrissaufteilung noch erhalten. Das
Objekt sei als Dokument der geschichtlichen Entwicklung der Stadt W. und ihres
Stadtbildes bedeutend. Das Haus M. straße 8 sei wahrscheinlich auf den Resten eines
älteren Gebäudes in den Jahren zwischen 1850 und 1860 als typisches Bürgerhaus der
Jahrhundertmitte errichtet und durch die Familie des Konditors Himmelreich als
Wohnhaus, Bäckerei und Gasthaus genutzt worden. Für 1862 sei überliefert, dass die
Kolpingfamilie W. ihre erste Theateraufführung im Saal des Gastwirts Himmelreich
aufgeführt habe. In den Jahren danach sei das Haus offenbar verkauft und um einen
Anbau, die heutige Nr. 6, ergänzt worden. Das entstandene Doppelhaus sei ab 1888
vorhanden gewesen. Es sei in seiner Nutzung durch den Kaufmann S. K. ein Dokument
der Orts- und Baugeschichte und verdeutliche die Entwicklung der Arbeits- und
Produktionsverhältnisse. Auch in bauhistorischer Hinsicht sei das Objekt bedeutend.
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Das Haupthaus habe einen Steinbau vortäuschen sollen, während man für den Anbau
als Sichtfachwerkgebäude auf traditionelle Bauformen zurückgegriffen habe. Daneben
sei die Erhaltung aus weiteren wissenschaftlichen und volkskundlichen Gründen sowie
aus städtebaulichen Gründen wichtig. Die Gebäude seien an der früheren Bäckerstraße
gelegen, die als Teil des historischen Systems innerörtlicher Erschließung von einem
der Stadttore zum M. führe; sie sei auch als Teil der Hellwegstraßen anzusehen.
Schließlich sei die Erhaltung der Gebäudegruppe wegen der Anordnung und
Größendifferenzierung der Bauparzellen wichtig: Typisch für W. sei die Mischung aus
großparzelligen Anwesen - Bebauung nördlich der M. straße mit dem Erbsälzerhof - und
kleinparzelligen Wohn- und Arbeitsstätten für Handwerker und Ackerbürger südlich der
M. straße. Schließlich bilde die Häusergruppe vom M. platz aus gesehen einen
besonders wichtigen städtebaulichen Akzent.
Durch Bescheid vom 29. November 1991 wurden die beiden Gebäude gemäß § 4 des
Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen
vom 11. März 1980 (GV NW S. 226 mit späteren Änderungen, DSchG NRW) vorläufig
unter Schutz gestellt, da ein Antrag auf Erteilung einer Abbrucherlaubnis gestellt worden
war. Über den Widerspruch der damaligen Eigentümerin, der Mutter des heutigen
Eigentümers, wurde nicht mehr entschieden, da der Beklagte die beiden betroffenen
Gebäude ohne den rückwärtigen, zur K. straße hin gelegenen Anbau an das Haus M.
straße 8 durch Bescheid vom 1. Dezember 1992 in die Denkmalliste der Stadt W.
eintrug. Zur Begründung hieß es, für die Erhaltung und Nutzung des Gebäudes lägen
wissenschaftliche, volkskundliche und vor allem städtebauliche Gründe vor.
Bauhistorisch sei vor allem der Gebäudeteil M. straße 6 als fachwerksichtiger Anbau an
ein verputztes Hauptgebäude interessant. Der Bescheid wurde am 9. Dezember 1992
dem Sohn der damaligen Eigentümerin zugestellt. Nachdem dieser die Zustellung als
fehlerhaft gerügt hatte, kam es zu zwei weiteren Zustellversuchen mit Schreiben vom 10.
und 18. November 1993, deren letztgenannten der Sohn der damaligen Eigentümerin
und Kläger des vorliegenden Verfahrens schließlich, nach seiner Bestellung als
Betreuer für seine Mutter, durch Schreiben vom 3. Januar 1994 akzeptierte.
7
Am 4. Januar 1993 erhob der Sohn der damaligen Eigentümerin gegen die
Unterschutzstellung Widerspruch und begründete diesen in weiteren Schreiben vom 12.
März 1993 und 3. Januar 1994. Er führte aus, die Unterschutzstellung beruhe auf der
Auffassung einer einzelnen Person, nämlich der Verfasserin der Stellungnahme des
Westfälischen Amtes für Denkmalpflege, die sachlich in weitem Umfang falsch sei.
Beispielsweise habe die Kolpingfamilie nicht das Gebäude M. straße 6/8, sondern das
mittlerweile abgebrochene Haus K. straße 50 genutzt. Im Übrigen verhalte sich die Stadt
W. widersprüchlich, wenn sie zunächst - unter Geltung des Denkmalschutzgesetzes - in
einem Bebauungsplan den Abbruch der Gebäude-gruppe vorsehe, diese dann aber
unter Schutz stelle. Acht gleichartige Gebäude seien bereits abgebrochen worden, so
dass sich die Frage der Gleichbehandlung der betroffenen Eigentümer stelle.
8
Im Widerspruchsverfahren gab das Westfälische Amt für Denkmalpflege durch
Schreiben vom 30. Mai 1994 eine fachliche Stellungnahme ab, in der zunächst auf die
städtebauliche Bedeutung der Gebäude verwiesen wurde. Weiter hieß es, die
wissenschaftlich - hauskundliche Bedeutung ergebe sich aus der Zeugniskraft beider
Bauteile für Bautyp und -konstruktion der jeweiligen Entstehungszeit. Insbesondere
weise das Haus M. straße Nr. 6 (in der Stellungnahme fälschlich als Nr. 8 bezeichnet)
beim Fachwerk die Besonderheit auf, dass infolge der Bearbeitung der Hölzer der
Eindruck von Eisenfachwerk erzeugt werde. Diese Besonderheit sei in W. nur noch an
9
einem einzigen weiteren Gebäude zu sehen. Die volkskundliche Bedeutung ergebe
sich daraus, dass die Gebäude die bürgerliche Lebensführung mit dem Nebeneinander
von Wohnen und Geschäft in einem Haus dokumentierten, während Räume für
landwirtschaftlichen Nebenerwerb in separate Baulichkeiten oder Anbauten verbannt
seien. Der Oberkreisdirektor des Kreises S. als obere Denkmalbehörde wies den
Widerspruch durch Bescheid vom 14. Juni 1994 zurück und gab zur Begründung die
Stellungnahme des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege vom 30. Mai 1994 in weiten
Teilen und unter Übernahme der dort durchgängig fehlerhaften Bezeichnung der beiden
Gebäude wörtlich wieder. Der Widerspruchsbescheid wurde am 20. Juni 1994 zur Post
gegeben.
Am 19. Juli 1994 hat die damalige Eigentümerin Klage erhoben. Nach ihrem Tod hat der
Kläger als Rechtsnachfolger das Verfahren weitergeführt und zur Begründung
vorgetragen, es bestehe schon wegen des schlechten Erhaltungszustandes der
Gebäude kein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung; zudem werde es mit
unvertretbarem Aufwand verbunden sein, die Wohnräume den Anforderungen an
gesundes und sicheres Wohnen entsprechend herzurichten. Die Denkmalwürdigkeit
des Objekts werde auch nicht von einem breiten Kreis von Sachverständigen oder der
Bevölkerung von W. anerkannt. Wissenschaftliche Gründe sprächen nicht für die
Erhaltung; dies ergebe sich schon daraus, dass gleichartige Gebäude in den
vergangenen Jahren abgebrochen worden seien. Auch eine volkskundlich-
geschichtliche Bedeutung sei nicht zu erkennen, weil keines der Gebäude
Wirkungsstätte namhafter Personen oder Schauplatz historischer Ereignisse gewesen
sei; das Gebäudepaar nehme keinen besonderen Rang in der Stadtgeschichte ein. Eine
Theateraufführung der Kolpingfamilie im Jahre 1862 reiche jedenfalls nicht aus, eine
derartige Bedeutung zu vermitteln. Auch städtebauliche Gründe sprächen nicht für die
Erhaltung des Objekts: Der Schutz des Stadtbildes sei vom Beklagten mit dem Abbruch
von bereits sechs Häusern entlang der M. straße selbst aufgegeben worden. Lediglich
das Gebäudepaar des Klägers als nunmehr allein stehendes Objekt könne eine
stadtbildprägende Wirkung nicht erzeugen. Auch habe sich die Stadt W. durch den
Bebauungsplan "Westtangente" dahin gebunden, dass beide Häuser abgebrochen
werden sollten. Schon 1971 sei dem Kläger von der Stadt empfohlen worden, keine
Investitionen mehr zu tätigen; daraus hätten sich wirtschaftliche Nachteile bei der
Vermietung des Objekts ergeben. Im Übrigen habe die Stadt W. in den vergangenen
Jahren 14 Gebäude aus der Zeit vor der Jahrhundertwende abbrechen lassen; nun vom
Kläger die Erhaltung der Häuser M. straße 6/8 zu fordern, verstoße gegen den
Gleichheitsgrundsatz. Die Denkmalwürdigkeit könne auch nicht aus der Lage der
Gebäude an der M. straße abgeleitet werden, da dieser Teil der Straße zu keiner Zeit
Teil des Hellweges gewesen sei. Das Argument, die beiden Gebäude bezeugten das
für das 19. Jahrhundert typische Nebeneinander groß- und kleinparzelliger
Grundstückszuschnitte, sei ebenfalls nicht überzeugend. Denn der ehemals nördlich der
M. straße gelegene Adelshof existiere bis auf ein Gebäude nicht mehr, da an seine
Stelle Gebäude und Parkplätze der Volksbank getreten seien. Eine
Ungleichbehandlung bestehe schließlich auch darin, dass das Nachbargebäude M.
straße 4, auf das viele der für die Gebäude des Klägers aufgeführten Argumente des
Beklagten zuträfen, nicht unter Schutz gestellt worden sei.
10
Der Kläger hat beantragt,
11
den Bescheid des Beklagten vom 1. Dezember 1992 / 18. November 1993 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids des Oberkreisdirektors des Kreises S. vom 14. Juni 1994
12
aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
15
Der Beklagte hat zur Begründung seines Antrages auf die angegriffenen Bescheide und
auf weitere Stellungnahmen des Beigeladenen verwiesen. Danach sei die M. straße
Teil des Hellweges, der alle größeren Städte der gleichnamigen Region durchziehe; sie
markiere eine für W. von Beginn an wichtige Verkehrsader. Auch wenn die historischen
Parzelleneinteilungen entlang dieser Wegstrecke in manchen Teilen verwischt seien,
habe sich gerade im Bereich der klägerischen Gebäude das Gegenüber eines typischen
Bürgerhauses und eines großen Adelshofes erhalten. Die wissenschaftliche und
volkskundliche Bedeutung des Objekts sei davon unabhängig, ob dort "verdiente
Bürger" gelebt oder historisch bedeutende Ereignisse stattgefunden hätten; die Häuser
seien als Zeugnis der Alltagsgeschichte bedeutend. Die Stadt habe die Planungen für
die Westtangente inzwischen aufgegeben; ein Bebauungsplan Nr. 43b "K. markt" sei in
Aufstellung und sehe den Erhalt der streitbefangenen Gebäude vor.
16
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 18. September 1997 - dem
Kläger zugestellt am 29. September 1997 - abgewiesen. Zwar lasse sich eine
Bedeutung der Häusergruppe für die Entwicklung der Arbeits- und
Produktionsverhältnisse nicht nachweisen, weil entsprechende Produktionsanlagen
nicht mehr vorhanden seien. Auch eine Bedeutung für Städte und Siedlungen sei nicht
erkennbar, weil die ursprüngliche Annahme, die Gebäude seien an einem Teilstück des
ehemaligen Hellweges gelegen, sich nicht habe bestätigen lassen. Auch der Aspekt,
die Gebäude dokumentierten das Nebeneinander groß- und kleinparzelliger Bebauung
und Nutzung, reiche für eine Unterschutzstellung nicht aus, weil sich dieses
Dokumentationsziel auch bei Errichtung von Neubauten verwirklichen lasse. Die
Gebäude seien jedoch bedeutend für die Geschichte der Menschen, weil sich an ihnen
der Wandel der Bauweise zum Ende des 19. Jahrhunderts aufzeigen lasse. Für ihre
Erhaltung als typisches Beispiel für bürgerliches Wohnen und Arbeiten in W. im
ausgehenden 19. Jahrhundert - unter Auslagerung oder Wegfall landwirtschaftlicher
Betätigungen - sprächen wissenschaftlich- hauskundliche und volkskundliche Gründe.
Weder der schlechte Erhaltungszustand noch der Umstand, dass vergleichbare
Gebäude in der unmittelbaren Umgebung abgebrochen worden seien, führten zu einem
Erfolg der Klage.
17
Auf Antrag des Klägers vom 29. Oktober 1997 ist die Berufung durch Beschluss vom 7.
April 1998 zugelassen worden.
18
Der Kläger trägt im Berufungsverfahren ergänzend vor: Die Annahme des
Verwaltungsgerichts, die Gebäudegruppe lasse einen Wandel der Bauweise
exemplarisch erkennen, sei nicht durch Tatsachen gestützt. Das Gericht habe lediglich
vermutet, dass das Gebäude M. straße 8 von Anfang an verputzt gewesen sei. Die
diesbezüglichen fachlichen Hinweise des Beigeladenen seien unzuverlässig, wie sich
im Verfahren an anderen Aspekten - Zugehörigkeit der M. straße zum Hellweg, Bauzeit
des Nachbarhauses - gezeigt habe. Auch die für das Urteil des Verwaltungsgerichts
tragende Annahme, das Gebäude M. straße 6 habe in seiner Bauweise eine
19
Konstruktion aus Eisenfachwerk vortäuschen wollen, sei wenig plausibel, zumal dieser
Begriff in der Fachliteratur nicht eingeführt sei. Es sei auch unrichtig, das Gebäudepaar
als Beispiel für das Nebeneinander von Wohnen und Geschäftsnutzung anzusehen, da
die dieser Annahme zugrunde liegenden Recherchen des Beigeladenen fehlerhaft
seien. Eine wissenschaftlich-hauskundliche Bedeutung der Gebäudegruppe sei nicht
festzustellen, da es in W. zahlreiche hinsichtlich des Bautyps und der Baukonstruktion
ähnliche Gebäude gebe. Auch die Indizien, auf die der Beklagte die volkskundliche
Bedeutung stütze, seien nicht tragfähig. Im Innern sei das Gebäude M. straße 8 in
jüngerer Zeit verändert worden, und Räumlichkeiten für mögliche landwirtschaftliche
Nutzungen, die aus dem Hauptgebäude ausgelagert worden seien, seien nicht
erkennbar. Ebenso wenig könne dem Objekt eine städtebauliche Bedeutung
zugemessen werden. Die Annahme eines Nebeneinander von groß- und
kleinparzelliger Bebauung sei schon für die Entstehungszeit des Hauses M. straße 8
falsch; sie sei heute erst recht nicht mehr erkennbar. Auch sei die M. straße - anders als
vom Beklagten angenommen - stets lediglich Teil der innerörtlichen Erschließung und
nicht Teil einer wichtigen überörtlichen Straßenverbindung gewesen. Eine
Unterschutzstellung der Gebäude müsse schließlich daran scheitern, dass bei einer
Instandsetzung wesentliche Teile der historischen Identität aus technischen Gründen
wegen des schlechten Erhaltungszustandes wegfallen müssten.
Der Kläger beantragt,
20
das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 1. Dezember
1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Oberkreisdirektors des Kreises S.
vom 14. Juni 1994 aufzuheben.
21
Der Beklagte beantragt,
22
die Berufung zurückzuweisen.
23
Er hält das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis für richtig und stützt sich zur
Begründung auf weitere Stellungnahmen des Beigeladenen. Außerdem sei für die
Unterschutzstellung nach wie vor wichtig, dass die Häusergruppe zusammen mit dem
gegenüber liegenden Wohnhaus des ehemaligen E. einen städtebaulichen
Schwerpunkt an einer wichtigen alten Innenstadtstraße bilde und die Enge der früheren
Wegeführung betone.
24
Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er trägt vor: Zwar könnten einige der
ursprünglichen Annahmen zum Denkmalwert der Häusergruppe nicht aufrecht erhalten
bleiben. Es sei jedoch daran festzuhalten, dass der Baukomlex bedeutend für die
Geschichte der Stadt W. sei, und dass für seine Erhaltung und Nutzung
wissenschaftlich-hauskundliche, volkskundliche und städtebauliche Gründe sprächen.
Diese ergäben sich aus der Zeugniskraft der beiden Gebäude für Bautyp und
Baukonstruktion der jeweiligen Entstehungszeit sowie für die Lebensverhältnisse des
19. und frühen 20. Jahrhunderts und aus der Tradierung charakteristischer, weit in die
Stadtgeschichte zurückreichender Parzellierungsmuster.
25
Der Berichterstatter hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen; auf die hierüber
gefertigte Niederschrift vom 21. Juni 2000 und die vom Beklagten im Anschluss daran
gefertigten Lichtbilder wird Bezug genommen. Für die weiteren Einzelheiten des Sach-
und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
26
Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
27
Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Das
Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Eintragung der Gebäude
M. straße 6 und 8 in die Denkmalliste, dem Kläger bzw. seiner Mutter als
Rechtsvorgängerin mitgeteilt durch Bescheide vom 1. Dezember 1992 und 18.
November 1993, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 1994,
ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 3
Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DSchG.
28
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 DSchG ist ein Gebäude als Denkmal einzustufen, wenn an
seiner Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Dies wird nach § 2 Abs.
1 Satz 2 DSchG angenommen, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen: Zum einen
muss das Objekt bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und
Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse sein; zum
anderen müssen für seine Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche,
volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen.
29
Beide Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 DSchG sind für das Objekt M. straße 6
und 8 in W. erfüllt. Die beiden Gebäude sind bedeutend jedenfalls für die Geschichte
der Stadt W. (dazu sogleich 1.), und für ihre Erhaltung und Nutzung sprechen zumindest
städtebauliche Gründe (unten 2.); auf das im Verfahren umstrittene Vorliegen der
weiteren Tatbestandsalternativen des § 2 Abs. 1 Satz 2 DSchG kommt es vor diesem
Hintergrund nicht mehr an (unten 3.).
30
1. Bedeutend für Städte und Siedlungen ist ein Gebäude, wenn es durch seine
Anordnung und Lage in der Örtlichkeit oder durch seine Gestaltung für sich allein oder in
Verbindung mit anderen Anlagen den historischen Entwicklungsprozess einer Stadt
oder Siedlung in nicht unerheblicher Weise dokumentiert.
31
OVG NRW, Urteil vom 23. August 1995 - 7 A 3702/93 -, in: Eberl, Kaptei-na, Kleeberg,
Martin, Entscheidungen zum Denkmalrecht, Stand 12/98, Ziffer 2.1.2. Nr. 8, LS 3 und S.
7; Urteil vom 12. März 1998 - 10 A 5113/96 -, S. 9f., 14f.
32
Dieses Merkmal ist für das Gebäudepaar M. straße 6 und 8 erfüllt. Beide Gebäude
dokumentieren schon für sich genommen, erst recht aber im Zusammenwirken mit dem
ihnen an der M. straße gegenüber liegenden "A. v. P. ", der heutigen Stadtbücherei, eine
geschichtliche Entwicklungsphase der Stadt W. . Ungeachtet der zwischen den
Beteiligten im Einzelnen umstrittenen konkreten Bezeichnung der einzelnen Bewohner,
Eigentümer und Nutzer des Doppelhauses und unabhängig vom exakten
Entstehungsdatum namentlich des Hauses M. straße 6 verdeutlicht die gesamte
bauliche Anlage das Auftreten und Wirken bürgerlicher Schichten im Stadtzentrum und
in unmittelbarer Nachbarschaft des dort befindlichen Erbsälzerhofes. Die vom Kläger
aufgeworfene Frage, es sei zu prüfen, bis wann der A. - der ohnehin nur ein nicht
ständig bewohntes Stadthaus gewesen sei - überhaupt durch die Familie v. P. genutzt
worden sei, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Entscheidend ist nämlich
nicht, welche konkreten Personen aus bürgerlichen und adeligen Familien wie lange
gleichzeitig beidseits der M. straße gelebt haben, sondern der Umstand, dass die
Parzellen nördlich und südlich der M. straße aufgrund ihres Zuschnitts und ihrer
33
Bebauung der Nutzung durch den Adel einerseits, das im 19. Jahrhundert erstarkende
Bürgertum andererseits gewidmet waren. Im übrigen steht im Hinblick auf die
Entstehungszeit des Hauses M. straße 8 jedenfalls fest, dass die Gebäude des Klägers
nicht erst zu einer Zeit errichtet wurden, in der die gegenüber liegende Großparzelle des
Erbsälzerhofes einer Nutzung durch Adelsfamilien überhaupt nicht mehr zugeordnet
werden konnte. Ein weiterer Aspekt der an den Gebäuden des Klägers ablesbaren
historischen Entwicklung in der Stadt W. ist das Zusammentreten von Wohnnutzung und
einer hinzukommenden, schon anhand der Schaufenster und der Ladeluke in der
Fassade des Hauses M. straße 6 deutlich erkennbaren geschäftlichen Nutzung in einem
Gebäudekomplex, der infolgedessen von der M. straße her keine Erschließung für
landwirtschaftliche Zwecke mehr zuließ. In diesem Zusammenhang spielt es keine
Rolle, ob die geschäftliche Nutzung erstmalig durch den Betrieb des Konditors
Himmelreich oder durch andere, (noch) nicht dokumentierte Betriebe nach außen in
Erscheinung trat, da schon die für das Gebäudepaar gewählte bauliche Struktur mit
ihrem Nebeneinander von Schaufenstern, Ladeluke und Wohnhaus die oben
bezeichnete Entwicklungsstufe in der städtischen Entwicklung markiert.
Die klägerischen Gebäude sind - vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 DSchG - als "bedeutend"
einzustufen. Dieses Begriffsmerkmal ist nicht erst dann erfüllt, wenn ein Objekt
einzigartig oder von herausragender Bedeutung für Städte und Siedlungen ist. Nicht nur
"klassische" Denkmäler sollen durch § 2 DSchG erfasst werden, sondern auch solche
Objekte, die unterhalb dieser Schwelle geschichtliche Bezüge aufzeigen, auch solche
von regionalem oder lokalem Interesse oder solche, deren Zeugniswert sich auf
Entwicklungen der Alltagsgeschichte bezieht. Nicht schützenswert sind demgegenüber
nur Sachen, die einen geschichtlichen Bezug in dieser Dichte überhaupt nicht
aufweisen, also objektiv belanglos sind, etwa weil sie als Massenprodukt einzustufen
sind oder weil ihr Zeugnischarakter infolge starker Veränderungen weitgehend verloren
gegangen ist.
34
OVG NRW, Urteil vom 2. April 1998 - 10 A 6950/95 -, UA S. 10ff.; Urteil vom 22. Januar
1998 - 11 A 135/94 -, UA S. 12f.
35
Nach diesem Maßstab ist das Gebäudepaar M. straße 6/8 als bedeutend für die
Entwicklung der Stadt W. anzusehen, da es geeignet ist, die oben benannten
Entwicklungslinien der Stadtgeschichte aufzuzeigen. Der Umstand, dass der Beklagte
selbst in der Vergangenheit den Abbruch vergleichbarer Gebäude zugelassen oder
veranlasst hat, ist auf die bestehenden Planungen zur Realisierung der "Westtangente"
zurückzuführen und zudem Ausdruck einer damals trotz Bestehens des
Denkmalschutzgesetzes möglicherweise noch anders bestimmten Wertigkeit der
Anliegen des Denkmalschutzes im Vergleich zu anderen stadtplanerischen
Zielsetzungen; dieser Umstand schwächt den Zeugniswert der klägerischen Gebäude
nicht, sondern lässt ihn vielmehr stärker hervortreten.
36
2. Städtebauliche Gründe für die Erhaltung und Nutzung eines Objekts liegen vor, wenn
das Objekt in seinem konkreten Bestand aus der ihm noch innewohnenden funktionalen
Einbindung in die gegebene städtebauliche Situation nicht herausgelöst werden kann,
ohne zugleich die erhaltenswerte Situation in ihrer denkmalrechtlich relevanten
Aussagekraft wesentlich zu beeinträchtigen oder sogar zu zerstören.
37
OVG NRW, Urteil vom 23. August 1995 - 7 A 3702/93 -, in: Eberl, Kaptei-na, Kleeberg,
Martin, Entscheidungen zum Denkmalrecht, Stand 12/98, Ziffer 2.1.2. Nr. 8, LS 5 und S.
38
7f.
Der Senat hat in Anwendung dieser Grundsätze keine Zweifel daran, dass für die
Erhaltung und Nutzung der Häuser M. straße 6 und 8 städtebauliche Gründe streiten.
Die beiden Gebäude bilden zusammen mit dem gegenüber liegenden A. v. P. einen ins
Auge fallenden, seine Umgebung optisch dominierenden städtebaulichen Schwerpunkt
an einer der zentralen Stellen der historischen Innenstadt. Bewegt man sich vom M.
kommend auf den K. markt zu, fällt der Blick infolge des Straßenverlaufs zuerst auf die
verputzte Fassade des Hauses M. straße 8 - zumal dieses in einem Winkel von etwa
45° zur Straße steht -, erfasst die markante Dachfläche und weitere Teile des dieses an
Höhe überragenden Hauses M. straße 6, wird sodann auf den A. v. P. gelenkt und
bezieht schließlich die Fachwerkfassade des Gebäudes M. straße 6 in die Betrachtung
ein. In bildhafter Deutlichkeit wird so der Eindruck eines historischen, sich zum K. markt
hin stark verengenden Straßenverlaufs mit seinen bis unmittelbar an die Straße
gebauten Häusern vermittelt, noch verstärkt durch das dort vorhandene Gefälle der
Straße. Bewegt man sich umgekehrt auf den M. platz zu, fällt der Blick auf ein aus dem
A. v. P. und den Gebäuden M. straße 4 und 6 gebildetes Ensemble, das die torähnliche
Enge der zum M. hinführenden Straße stark betont, auch wenn zu diesem Eindruck
weniger das Haus M. straße 8 als vielmehr das Nachbarhaus M. straße 6 beiträgt. Diese
städtebaulich bemerkenswerte Situation wäre bei einem Wegfall der klägerischen
Gebäude - und ebenso bei einem an ihre Stelle tretenden Neubau - zerstört. Das nicht
unter Denkmalschutz stehende Haus M. straße 4 könnte die städtebauliche Funktion
des benachbarten Gebäudepaars nicht übernehmen, schon weil es mit seiner
klassizistischen Fassade das die Umgebung prägende Sichtfachwerk des Hauses M.
straße 6 nicht ersetzen könnte, aber auch weil die historisch gewachsene Enge dieser
Straßenverbindung allein durch das klägerische Gebäudepaar erzeugt wird, dessen
Teilgebäude M. straße 6 sogar den Gehweg fast vollständig überbaut. Insgesamt
verleihen die Gebäude des Klägers ihrer Umgebung den Charakter einer
geschlossenen und wegen ihrer historischen Substanz beachtenswerten
städtebaulichen Einheit, obwohl offenbar zahlreiche vormals vorhandene historische
Nachbargebäude nicht mehr vorhanden sind.
39
3. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen kann offen bleiben, ob auch die anderen
vom Beklagten und Beigeladenen im Laufe des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens
angeführten Aspekte eine Unterschutzstellung der beiden Gebäude rechtfertigen
könnten. Dies betrifft sowohl die von den Beteiligten inzwischen wohl einvernehmlich
verneinte Frage, ob dem Objekt eine Bedeutung für die Entwicklung der Arbeits- und
Produktionsverhältnisse zukomme als auch die denkbare wissenschaftlich-
hauskundliche und volkskundliche Bedeutung der Gebäude und schließlich auch
einzelne Aspekte der städtebaulichen Bedeutung wie das vom Beigeladenen als
bemerkenswert hervorgehobene Nebeneinander groß- und kleinparzelliger Nutzung.
40
Allerdings ist dem Kläger angesichts des Verfahrensablaufs im vorliegenden Fall
zuzugeben, dass die im Verfahren abgegebenen Stellungnahmen des Westfälischen
Amtes für Denkmalpflege Zweifel an ihrer Eignung, als Grundlage gerichtlicher
Entscheidungen zu dienen, wecken konnten. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des
Umstands, dass die Denkmalpflegeämter ihre Stellungnahmen gelegentlich, vor allem
in der Anfangsphase eines Unterschutzstellungsverfahrens, unter Zeitdruck und auf
unzureichender Tatsachenbasis abgeben müssen, wenn beispielsweise ein Antrag auf
Erteilung einer Abbrucherlaubnis im Raume steht und deshalb eine Innenbesichtigung
eines betroffenen Objekts oder die erschöpfende Befragung der privaten Eigentümer
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nicht mehr möglich ist. In einer solchen Situation mögen fehlerhafte
Bestandsaufnahmen und Bewertungen erklärlich und jedenfalls im weiteren
Verfahrensablauf korrigierbar sein, ohne dass die Qualität der Stellungnahmen
insgesamt in Frage zu stellen wäre. Im vorliegenden Fall sind indes die Stellungnahmen
des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege vom 19. März 1991, 30. Mai 1994, 5.
September 1996, 20. Dezember 1996, 4. Dezember 1997 und 5. November 1998 in
zahlreichen Aspekten derart widersprüchlich, in sich nicht schlüssig oder gehen von
falschen Voraussetzungen aus, dass sie - bezogen auf die hiervon betroffenen Aspekte
- eine tragfähige Basis für denkmalfachliche Feststellungen nicht mehr bieten. So sind
schon die Feststellungen zum Alter des Hauses M. straße 6 zweifelhaft (19. März 1991:
spätes 19. Jahrhundert; 20. Dezember 1996: Bauzeit unmittelbar vor 1914). Dies gilt erst
recht für die Ausführungen zu den wissenschaftlich- hauskundlichen Gründen für die
Erhaltung der Gebäude: Während zunächst angenommen wurde, dass das Gebäude Nr.
6 als Sichtfachwerkbau einen Rückgriff auf traditionelle Bauformen verkörpere - hiermit
schwer vereinbar ist die Wertung, der Bau habe an das Haupthaus M. straße 8
angeglichen werden sollen -, hiess es in der Stellungnahme vom 30. Mai 1994, der Bau
entspreche den Gepflogenheiten des ausgehenden 19. Jahrhunderts und täusche das
damals im Industriebau übliche Eisenfachwerk vor, während das Hauptgebäude auf
traditionelle Elemente der regionalen Fachwerkkonstruktion zurückgreife. Unklar sind
auch die wechselnden Annahmen zu der Frage, ob die M. straße in dem betroffenen
Bereich als Teil des Hellwegsystems einzuordnen sei oder nicht, wie bzw. von wem die
Gebäude genutzt wurden (etwa: Theateraufführung der Kolping-Familie) und zur
Datierung des Verputzes an den Aussenwänden des Gebäudes M. straße 8. Käme es
für die Entscheidung des vorliegenden Falles auf diese Aspekte an, wäre ungeachtet
der den Denkmalpflegeämtern vom Gesetz (§ 22 Abs. 4 DSchG) zugewiesenen und von
der Rechtsprechung im Regelfall auch akzeptierten Rolle unparteilicher, fachlich
weisungsfreier Gutachter
OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 1997 - 10 A 1670/94 -, UA S. 13f. m.w.N.
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im vorliegenden Fall eine Beweisaufnahme zur Verifizierung der Annahmen des
Beklagten und Beigeladenen durchzuführen gewesen. Für die das Urteil tragenden
Erwägungen zur Bedeutung des Objekts für die Entwicklung der Stadt W. und zum
städtebaulichem Erhaltungsinteresse gilt dies jedoch nicht, zumal diese beiden Aspekte
sowohl vom Beklagten als auch vom Beigeladenen im Verfahren stets besonders
hervorgehoben worden sind.
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Entgegen der Auffassung des Klägers wird der Denkmalwert der beiden Gebäude auch
nicht dadurch in Frage gestellt, dass diese teilweise erheblich verwahrlost sind. Die
zweifellos vorhandenen Mängel erreichen nicht das Gewicht, den Gebäuden ihren
Denkmalwert zu nehmen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Gebäude
mängelbedingt einsturzgefährdet wären oder wenn eine denkmalgerechte Sanierung
aus technischen Gründen von der historischen Substanz so wenig bestehen lassen
könnte, dass die Gebäude ihre Funktion als Zeugen geschichtlicher Vorgänge verlieren
müssten.
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OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 1997 - 10 A 1670/94 -, S. 12 UA m.w.N.
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Dass dem Kläger zu einer Zeit, als das Projekt "Westtangente" noch verwirklicht werden
sollte nach seinen Angaben von Vertretern des Beklagten geraten worden ist, keine
Investitionen an den Gebäuden mehr vorzunehmen, hat zu dem derzeitigen Zustand der
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Gebäude - und dem inzwischen zu erwartenden hohen Aufwand für eine Sanierung -
zwar möglicherweise beigetragen, spielt jedoch für die Frage der Unterschutzstellung
keine Rolle, da die oben markierte Grenze, jenseits derer Mängel den Denkmalwert
ausschließen, jedenfalls nicht erreicht ist. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass das
Gebäude M. straße 8 noch bis in die jüngste Zeit zu Wohnzwecken vermietet war, aber
auch aus dem während der Ortsbesichtigung deutlich gewordenen Erhaltungszustand
der Baulichkeiten; gravierende Mängel der historischen Substanz oder der tragenden
Konstruktion des Gebäudes waren weder erkennbar noch hat der Kläger das Vorliegen
derartiger Mängel substantiiert behauptet. Die Notwendigkeit, über die Frage eines
mängelbedingten Verlusts der Denkmaleigenschaft Beweis zu erheben, sieht der Senat
in dieser Situation nicht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absätze 2 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711
ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO nicht vorliegen.
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