Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.06.2001

OVG NRW: hauptsache, zumutbarkeit, realisierung, dringlichkeit, ausnahme, glaubhaftmachung, datum, rechtsschutz

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 1 B 789/01
25.06.2001
Oberverwaltungsgericht NRW
1. Senat
Beschluss
1 B 789/01
Verwaltungsgericht Münster, 4 L 489/01
Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 4.000,- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte
Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§
146 Abs. 4 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
"Ernstliche Zweifel" im Sinne der vorgenannten Bestimmungen bestehen nur dann, wenn
die Gründe, welche gegen die erstinstanzliche Entscheidung angeführt werden, so
gewichtig sind, dass sie einen Erfolg in dem angestrebten Beschwerdeverfahren
wahrscheinlicher erscheinen lassen als einen Misserfolg. Solches kann hier nicht
festgestellt werden.
Das Verwaltungsgericht hat seine ablehnende Entscheidung mit einer sog.
Doppelbegründung darauf gestützt, dass es für die begehrte einstweilige Anordnung
sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund fehle. Um mit
ihrem Rechtsmittel erfolgreich zu sein, hätte die Antragstellerin deshalb beide tragenden
Begründungen im Zulassungsverfahren hinreichend erschüttern müssen. Das ist ihr nicht
gelungen.
Der Senat kann offen lassen, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die
Antragstellerin habe im Hinblick auf die im Streit stehende Umsetzungsmaßnahme auch
keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, zutreffend ist. Denn es drängt sich hier
jedenfalls ohne weiteres auf, dass das Verwaltungsgericht zu Recht von der fehlenden
Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes ausgegangen ist. Da durch die begehrte
Regelung - wie in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt wird - zumindest
zeitweise die Hauptsache vorweggenommen wird, gelten für die Annahme eines
Anordnungsgrundes erhöhte Anforderungen. Eine Ausnahme von dem grundsätzlich
bestehenden Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache ist nur dann gerechtfertigt, wenn
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eine einstweilige Anordnung für den betreffenden Antragsteller zur Vermeidung schlechthin
unzumutbarer Nachteile, die sich auch bei seinem späteren Erfolg im Hauptsacheverfahren
nicht mehr ausgleichen ließen, erforderlich ist und der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verbürgte
effektive Rechtsschutz nur auf diese Weise erlangt werden kann. Dem Antragsteller
müssen also unzumutbare schwere, anders nicht abwendbare Nachteile drohen, wenn er
auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird. Ob eine solche besondere Dringlichkeit
gegeben ist, richtet sich nach den näheren Umständen des Einzelfalles.
Vgl. OVG NRW, z.B. Beschluss vom 7. August 2000 - 12 B 956/00 -.
Ein endgültiger Rechtsverlust droht bei beamtenrechtlichen Umsetzungsentscheidungen
nicht, weil diese - regelmäßig - jederzeit wieder rückgängig gemacht werden können. Dies
trifft auch auf die vorliegende Umsetzung zu, da die Beteiligten insoweit eine andere
Bewertung rechtfertigende Umstände nicht vorgetragen haben. Deshalb kommt ein
Anordnungsgrund in diesen Fällen nur dann in Betracht, wenn dem betroffenen
Bediensteten in sonstiger Weise ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere
und unzumutbare Nachteile drohen.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Dezember 1999 - 12 B 1737/99 - und vom 5. Oktober
2000 - 12 B 1054/00 -.
Derartige Nachteile hat die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht glaubhaft
gemacht. Zwar verweist sie auf den Gesichtspunkt der amtsangemessenen Beschäftigung,
welcher im Grundsatz auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren sicherungsfähig ist.
Jedoch rechtfertigt nicht jegliche nicht mehr in vollem Umfange amtsangemessene
Beschäftigung automatisch die Annahme eines Anordnungsgrundes für eine erstrebte
Regelungsanordnung. Vielmehr ist auch in diesem Zusammenhang eine an den konkreten
Umständen des Einzelfalles ausgerichtete Zumutbarkeitsprüfung geboten. Im Rahmen
dieser Prüfung hängt die Frage der Zumutbarkeit einer - unterstellt - zeitweise
unterwertigen Beschäftigung eines Beamten nicht isoliert von der Länge des hinnehmbaren
Zeitraums, sondern zunächst einmal maßgeblich von der Schwere des gerügten Eingriffs in
die betreffende Rechtsstellung ab. Dabei kann sich eine besondere Schwere des Eingriffs
insbesondere aus einer Unterwertigkeit um mehrere Laufbahnstufen ergeben.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Juli 2000 - 12 B 517/00 - und vom 5. Oktober 2000 - 12
B 1054/00 -.
Je geringer demgegenüber die Schwere des Eingriffs ist, umso eher ist dem betroffenen
Beamten auch über eine längere Zeit (z.B. mehrere Jahre) ein Abwarten des Abschlusses
des Hauptsacheverfahrens zuzumuten.
Ausgehend von diesen Grundsätzen, lässt sich im vorliegenden Fall eine besondere
Schwere der Betroffenheit der Antragstellerin nicht einmal ansatzweise feststellen.
Unstreitig sind dem im Zusammenhang mit der Umsetzungsmaßnahme neugebildeten
Dienstposten, den die Antragstellerin besetzen soll, jedenfalls zur Hälfte Aufgaben
zugeordnet, welche nach der Besoldungsgruppe A 11 bewertet sind
(Gleichstellungsbeauftragte); nur für den übrigen Teil (Abfallberaterin) stellt sich hier die
Frage, ob eine Wahrnehmung von Aufgaben der nächstniedrigeren Stufe, also der
Besoldungsgruppe A 10, vorliegt. Damit bleibt die Antragstellerin zu einem wesentlichen
Umfang entsprechend dem von ihr bekleideten Statusamt und überdies in ihrem bisherigen
Aufgabengebiet eingesetzt. Dafür, dass sie im Falle einer Realisierung der
Umsetzungsmaßnahme bis zum Abschluss eines gegebenenfalls auch Jahre dauernden
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Hauptsacheverfahrens in sonstiger Weise unzumutbare Nachteile erleiden würde, ist
konkret weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Die lange Laufzeit eines
Hauptsacheverfahrens reicht für sich genommen noch nicht aus, um - jedenfalls in Fällen
der Vorwegnahme der Hauptsache - einen solchen Nachteil zu begründen.
Vgl. auch Senatsbeschluss vom 11. Juni 2001 - 1 B 347/01 -.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus
§§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 3, 20 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.