Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.06.2004

OVG NRW: treu und glauben, lehrer, schüler, eltern, geschäftsführung ohne auftrag, stand der technik, unterrichtung, öffentliche schule, verfügung, kreis

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 A 2962/02
Datum:
09.06.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 A 2962/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 10 K 2035/01
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist örtlicher Träger der Sozialhilfe. Die Beklagte ist Träger der Grundschule
T. , die der am 16. Dezember 1989 geborene Schüler G. I. ab dem 10. August 1998
besuchte. Der Schüler leidet an einer psychischen Retardierung mit autistischer
Symptomatik.
2
Die Mutter des Schülers beantragte unter dem 26. Februar 1997 und 9. Februar 1998
beim Schulamt für den N. Kreis die gemeinsame Unterrichtung ihres Sohnes mit
nichtbehinderten Kindern in einer Grundschule. Die Beklagte lehnte unter dem 4. Juli
1997 ihre Zustimmung zur integrativen Beschulung mit der Begründung ab, sie sehe
keine Möglichkeit, die in dem Verfahren auf Feststellung des sonderpädagogischen
Förderbedarfs und die Entscheidung über den schulischen Förderort "geforderten
Notwendigkeiten, insbesondere den Einsatz eines Zivildienstleistenden,
sicherzustellen". Mit Bescheid vom 14. Juli 1997 stellte das Schulamt bei G. einen
sonderpädagogischen Förderbedarf wegen geistiger Behinderung fest und bestimmte
als schulischen Förderort eine Schule für Geistigbehinderte. Gegen den Bescheid erhob
seine Mutter Widerspruch.
3
Nachdem die L. -S. -Stiftung der Beklagten 1998 eine Spende zugesagt hatte, um G.
den Besuch der Grundschule zu ermöglichen, stimmte die Beklagte mit Schreiben vom
20. Mai 1998 unter dem "Vorbehalt", dass die Finanzierung einer Betreuungsperson
während der gesamten Grundschulzeit gesichert sei und eine Betreuungsperson
gefunden werde, der Aufnahme von G. in eine Grundschule der Beklagten zu. Zur
Begründung führte die Beklagte aus: Es stünden finanzielle Mittel, die nicht städtische
Haushaltsmittel seien, zur Finanzierung einer Betreuungsperson zur Verfügung. Ob die
zugesagten Mittel auch während des 2. bis 4. Schuljahres zur Verfügung stünden, sei
derzeit nicht absehbar. Mit Schreiben vom 25. Juni 1998 erteilte die Beklagte erneut ihre
Zustimmung zur Aufnahme von G. in eine Grundschule, nachdem die Mutter ihm an
diesem Tag mitgeteilt hatte, dass sie die Betreuung ihres Sohnes durch eine
Betreuungsperson sicherstellen könne. Frau N. N. hatte sich bereit erklärt, im Rahmen
eines sozialen Jahres G. während der Schulzeit zu betreuen.
4
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 1998 hob die Bezirksregierung B. den Bescheid
des Schulamtes vom 14. Juli 1997 insoweit auf, als das Schulamt eine Schule für
Geistigbehinderte als schulischen Förderort bestimmt hatte. Zur Begründung führte die
Bezirksregierung aus: Die Beklagte habe ihre Zustimmung zum Besuch einer
Grundschule erteilt. G. könne ab dem 10. August 1998 die Grundschule T. besuchen.
5
Ab dem 10. August 1998 nahm G. am Unterricht in der Grundschule T. teil. Seine
Betreuung durch Frau N. und in dem Schuljahr 1999/2000 durch zwei
Zivildienstleistende umfasste unter anderem Hilfen bei der Bewältigung des
Unterrichtsstoffes und des schulischen Alltags. Frau N. und die Zivildienstleistenden
betreuten G. in Einzelstunden, im gemeinsamen Unterricht und in den Pausen. G. war
unter anderem auf Hilfestellungen beim Umziehen für den Sportunterricht sowie beim
Öffnen des Tornisters, der Butterbrotdose und der Trinkflasche angewiesen.
6
Der Schulamtsdirektor des Schulamtes teilte der Beklagten mündlich und mit Schreiben
vom 1. Juli 1999 mit, dass für die Fortsetzung der Teilnahme von G. I. am gemeinsamen
Unterricht in der Grundschule T. im Schuljahr 1999/2000 der Einsatz einer männlichen
erwachsenen Betreuungskraft unerlässlich sei. Die Beklagte wies die Eltern von G.
unter dem 9. Juli 1999 darauf hin, dass sie die erforderliche männliche Betreuungskraft
nicht zur Verfügung stellen könne. Die Eltern teilten der Beklagten unter dem 15. Juli
1999 mit, sie seien darum bemüht, dass der Kläger aus Sozialhilfemitteln die
Finanzierung einer männlichen Betreuungskraft übernehme. Entsprechende Anträge
stellten die Eltern beim Kläger unter dem 21. Juni und 7. Juli 1999. Eine Entscheidung
über diese Anträge erfolgte vor Beginn des Schuljahres 1999/2000 nicht. Mit Schreiben
vom 17. August 1999 teilte die Beklagte dem Schulamt mit, dass sie nicht in der Lage
sei, eine männliche erwachsene Betreuungsperson zur Verfügung zu stellen.
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Der Kläger erteilte unter dem 16. September 1999 den Eltern von G. "ohne
Anerkennung einer Rechtspflicht" die Zusage, die Kosten für eine männliche
Betreuungsperson bis zum 28. Oktober 1999 bis zu einem Betrag in Höhe von 1.700 DM
zu übernehmen. Die Begrenzung der Kostenzusage beruhte auf die Zusage der
Beklagten, den Eltern von G. aus der Spende der L. -S. -Stiftung einen Betrag in Höhe
von 500 DM monatlich zu zahlen. Ab dem 22. September 1999 betreuten
Zivildienstleistende des Caritasverbandes M. den Schüler während des Besuchs der
Grundschule. Den "Auftrag" hierzu hatten die Eltern von G. erteilt. Mit Bescheid vom 3.
Juli 2000 bewilligte der Kläger G. Eingliederungshilfe für das Schuljahr 1999/2000.
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Mit Schreiben vom 13. August 1999 und 21. März 2000 machte der Kläger gegenüber
der Beklagten Kostenerstattungsansprüche wegen der von ihm getragenen
Eingliederungshilfe geltend. Die Beklagte lehnte eine Erstattung unter dem 7. April 2000
ab. Mit Schreiben vom 31. August 2000 forderte der Kläger die Beklagte auf, die in der
Zeit vom 22. September 1999 bis 30. Juni 2000 aufgewandten Sozialhilfemittel in Höhe
von insgesamt 8.806,25 DM zu erstatten. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht
nach.
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Der Kläger hat am 15. Mai 2001 Klage erhoben und vorgetragen: Er sei als
Sozialhilfeträger nicht verpflichtet, die Kosten für die Betreuung von G. zu tragen. Die
Kosten seien aufgrund der Zustimmung der Beklagten zum Besuch der Grundschule T.
entstanden. Die Beklagte müsse bei Erteilung der Zustimmung entscheiden, ob sie auch
die Personalkosten für die individuelle Betreuung eines Schülers mit
sonderpädagogischem Förderbedarf trage. Die Kosten für diese Betreuung seien
Schulkosten, weil G. ohne eine Betreuungsperson nicht in der Lage sei, am Unterricht
der Grundschule teilzunehmen. Derartige Schulkosten seien von der Beklagten als
Schulträger zu zahlen. Sie erhalte nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz
Bedarfszuweisungen wegen des erhöhten Aufwands im Zusammenhang mit der
gemeinsamen Unterrichtung behinderter und nichtbehinderter Schüler. Das
Gemeindefinanzierungsgesetz bringe insoweit zum Ausdruck, dass der Schulträger
verpflichtet sei, die personellen Mehraufwendungen bei einer integrativen Beschulung
zu tragen.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die von ihm an den Schüler G. I. für die Zeit vom 22.
September 1999 bis zum 30. Juni 2000 gezahlte Eingliederungshilfe in Höhe von
4.502,00 EUR zu erstatten und ab Rechtshängigkeit Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basissatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes
vom 9. Juni 1998 zu zahlen.
12
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat geltend gemacht: Bei den Kosten für die Betreuung von G. handele es sich
schon nicht um Schulkosten. Die Zivildienstleistenden hätten einen allgemeinen
Lebensbedarf des Schülers abgedeckt. G. sei generell auf die Hilfe anderer
angewiesen. Die Zivildienstleistenden seien auch nicht Bedienstete des Schulträgers.
Sie seien von den Eltern des Schülers beauftragt und bezahlt worden. Sie habe sich
zwar an den Personalkosten mit einem monatlichen Betrag von 500 DM beteiligt, aber
wiederholt betont, dass es sich um eine freiwillige Zahlung handele, die auch erst
aufgrund einer Spende möglich geworden sei. Die Freiwilligkeit der von ihr an den
Schüler jeweils gezahlten Beträge sowie die auf Eigeninitiative geleistete Hilfe bei der
Suche nach einer Betreuungsperson seien "allen mit der Sache befassten Personen
von vornherein bekannt" gewesen. Sie habe deshalb auch mit der Zustimmung zur
Aufnahme des Schülers in die Grundschule T. nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie
die Personalkosten für Zivildienstleistende aus städtischen Haushaltsmitteln
übernehme. Das Gemeindefinanzierungsgesetz begründe entgegen der Auffassung des
Klägers keine Kostentragungspflichten.
15
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen, die
Berufung zugelassen und im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne sich auf
Rechte des Schülers G. I. und seiner Eltern schon deshalb nicht berufen, weil er keine
Rechte auf sich übergeleitet habe. Aus eigenen Rechten habe der Kläger keinen
Anspruch auf Kostenerstattung, weil er kein der Beklagten obliegendes Geschäft
besorgt habe. Die Zivildienstleistenden seien keine Bediensteten der Beklagten, weil
sie nicht von ihr, sondern von den Eltern des Schülers beauftragt worden seien. Die
entstandenen Kosten seien zudem keine Schulkosten, weil die Zivildienstleistenden
einen Bedarf des Schülers abgedeckt hätten, der unabhängig vom Schulbesuch
bestehe. Das Gemeindefinanzierungsgesetz 1999 begründe nicht die Verpflichtung der
Schulträger, die Personalkosten für die Zivildienstleistenden zu übernehmen. Eine
dahingehende Verpflichtung der Beklagten ergebe sich auch nicht aus der von ihr
erteilten Zustimmung zur integrativen Beschulung. Die Zustimmung sei nämlich unter
dem Vorbehalt erteilt worden, dass die Beklagte die Kosten der Zivildienstleistenden
nicht aus eigenen Mitteln trage.
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Der Kläger hat am 17. Juli 2002 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und
vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor: Der Bedarf von G. sei
schulrechtlicher Art und deshalb nicht aus Sozialhilfemitteln zu decken. Die zur
gemeinsamen Unterrichtung erforderliche Zustimmung des Schulträgers sei
bedingungsfeindlich. Er könne seine Zustimmung nicht davon abhängig machen, dass
er keine zusätzlichen Personalkosten trage. Die Eltern des Schülers hätten die
Zivildienstleistenden nur deshalb beauftragt, weil die Beklagte ihren Pflichten nicht
nachgekommen sei. Sie müsse als Schulträger auch einen Teil des allgemeinen
Lebensbedarfs der Schüler decken.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die von ihm an den
Schüler G. I. für die Zeit vom 22. September 1999 bis zum 30. Juni 2000 gezahlte
Eingliederungshilfe in Höhe von 4.502,00 EUR zu erstatten und Zinsen ab dem 15. Mai
2001 in Höhe von 5 Prozent über dem Basissatz zu zahlen.
19
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie trägt vor: Sie habe stets zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit sei, die
personellen Mehraufwendungen aus eigenen Mitteln zu tragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge
Bezug genommen.
23
Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Leistungsklage
zu Recht abgewiesen.
25
Die allgemeine Leistungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Erstattung der von ihm aus Sozialhilfemitteln getragenen Kosten für den Einsatz von
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Integrationshelfern im Rahmen der integrativen Beschulung des Schülers G. I. in der
Grundschule T. . Damit besteht auch der vom Kläger geltend gemachte Zinsanspruch
nicht.
Der Kläger kann sein Erstattungsbegehren auf etwaige Kostenerstattungsansprüche
des Schülers und seiner Eltern schon deshalb nicht stützen, weil er dahingehende
Ansprüche aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils nicht auf sich
gemäß § 90 BSHG übergeleitet hat.
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Ob die sachlichen Voraussetzungen für einen dem Grunde nach bestehenden
Erstattungsanspruch des Klägers aus eigenem Recht nach den Grundsätzen der
Geschäftsführung ohne Auftrag erfüllt sind oder eine sonstige öffentlich-rechtliche
Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, kann dahinstehen. Dem Erstattungsbegehren
steht jedenfalls der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen.
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Nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§
242 BGB) ist die Geltendmachung von Ansprüchen unzulässig, wenn sie
missbräuchlich erscheint. Eine solche unzulässige Rechtsausübung liegt unter anderem
dann vor, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs in (mindestens) objektiv
rechtswidriger Weise begründet worden sind und der Anspruchsteller im Falle der
Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs grundlos Rechtsvorteile erhielte.
29
Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. November 1993 - 1 C 21.92 -, NJW 1994, 954 (955);
BGH, Urteil vom 8. Juli 2003 - VI ZR 274/02 -, NJW 2003, 3193 (3196), und Beschluss
vom 8. Juli 1952 - V BLw 100/51 -, LM § 242 (Cd) BGB Nr. 5, Bl. 55 (56); Heinrichs, in:
Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Auflage, 2004, § 242, Rdn 43.
30
Das ist hier der Fall. Der Kläger stützt den geltend gemachten Erstattungsanspruch auf
die dem Schulamt des N. Kreises zuzurechnende (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO)
Entscheidung der Bezirksregierung B. als Widerspruchsbehörde, den Schüler G. I. in
der Grundschule T. gemeinsam mit nichtbehinderten Schülern zu unterrichten. Diese
Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderort ist jedoch bezogen auf den hier
maßgeblichen Zeitraum vom 22. September 1999 bis zum 30. Juni 2000 objektiv
rechtswidrig (A.). Die Verlagerung der finanziellen Verantwortung für die rechtswidrige
Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderort im Falle der vom Kläger
begehrten Kostenerstattung durch die Beklagte würde dem Kläger grundlos
Rechtsvorteile verschaffen, obwohl er nach Treu und Glauben - jedenfalls im Verhältnis
zur Beklagten - für die finanziellen Folgen der objektiv rechtswidrigen Entscheidung des
Schulamtes aufzukommen hat (B.).
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A. Die objektive Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Schulamtes über den
sonderpädagogischen Förderort folgt daraus, dass die Voraussetzungen gemäß § 7
Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW für eine gemeinsame Unterrichtung des
Schülers G. I. in der Grundschule T. in der Zeit vom 22. September 1999 bis zum 30.
Juni 2000 nicht (mehr) vorlagen. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SchpflG NRW kann in der
Primarstufe mit Zustimmung des Schulträgers die sonderpädagogische Förderung auch
in der Grundschule erfolgen, soweit die Grundschule hierfür über die erforderliche
personelle und sächliche Ausstattung verfügt. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW
ist vor der Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderbedarf eines Schülers
und den Förderort unter anderem die Zustimmung des Schulträgers einzuholen. Diese
Voraussetzungen für eine integrative Beschulung des Schülers G. I. lagen nicht vor, weil
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die Grundschule T. nicht über die erforderliche personelle Ausstattung für die integrative
Beschulung des Schülers verfügte (I.) und weil die Zustimmung der Beklagten als
Schulträger unwirksam war (II.).
I. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SchpflG NRW erfordert die integrative Beschulung eines
Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf, dass die Grundschule über die
erforderliche personelle und sächliche Ausstattung für die integrative Beschulung eines
Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf verfügt. Eine dahingehende Regelung
enthält auch § 12 Abs. 2 Satz 1 VO-SF. Danach setzt die integrative Beschulung eines
Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf an einer allgemeinen Schule - unter
anderem - voraus, dass an dieser Schule die erforderlichen personellen und sächlichen
Voraussetzungen für eine sonderpädagogische Förderung gegeben sind. Die
Grundschule verfügt aber nur dann über die für eine integrative Beschulung
erforderliche personelle Ausstattung, wenn die Integrationshelfer entweder durch das
Land Nordrhein-Westfalen als Lehrer im Sinne des § 3 Abs. 1 SchFG NRW oder durch
den Schulträger (§ 10 SchVG NRW) als andere Bedienstete der Schule im Sinne des §
3 Abs. 2 SchFG NRW eingestellt worden sind (1.). Das war in Bezug auf die
Integrationshelfer für G. I. nicht der Fall (2.). Die Beklagte als Schulträger war auch nicht
verpflichtet, die Integrationshelfer als andere Bedienstete an der Grundschule T.
einzustellen (3.).
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1. Das Erfordernis einer Einstellung der Integrationshelfer durch das Land Nordrhein-
Westfalen oder den Schulträger folgt aus dem systematischen Zusammenhang der
Regelungen in § 7 Abs. 2 SchpflG NRW, § 12 Abs. 2 Satz 1 VO-SF mit § 1 Abs. 1 Satz 1
sowie §§ 2 und 3 SchFG NRW. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW werden die
Schulkosten (Personal- und Sachausgaben) nach Maßgabe des Schulfinanzgesetzes
aufgebracht. Die Personalausgaben für Lehrer an öffentlichen Schulen, deren Träger
das Land, eine Gemeinde oder Gemeindeverband ist, trägt das Land (§ 3 Abs. 1 SchFG
NRW). Der Träger einer öffentlichen Schule trägt die Sachausgaben (§ 2 SchFG NRW)
und die Personalausgaben für die nicht als Lehrer im Schuldienst tätigen Beamten und
anderen Bediensteten an den Schulen (§ 3 Abs. 2 SchFG NRW). Nach diesen
Vorschriften gehören die Kosten für den Einsatz von Integrationshelfern in
Grundschulen - und auch in weiterführenden allgemeinen Schulen (§ 7 Abs. 3 SchpflG
NRW) - zu den Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW (a.). Bei
Schulkosten im Sinne dieser Vorschrift besteht eine ausschließliche Kostenträgerschaft
des Landes Nordrhein-Westfalen oder der Schulträger öffentlicher Schulen; diese
ausschließliche Kostenträgerschaft des Landes oder der Schulträger lässt eine
Kostenträgerschaft durch Dritte, insbesondere private Dritte, nicht zu (b.).
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a. Der Begriff Schulkosten ist gesetzlich nicht näher definiert. Aus der Formulierung in §
1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW "Schulkosten der öffentlichen Schulen" ergibt sich jedoch,
dass Bezugspunkt für die Auslegung des Begriffs Schulkosten nicht das Schulwesen
insgesamt, sondern die öffentliche Schule als Anstalt ist. Auf der Grundlage dieser
Prämisse werden unter Schulkosten herkömmlicherweise solche Kosten verstanden,
die zur Errichtung und Unterhaltung der Schule einschließlich der Gewährleistung des
Schulbetriebes aufgewandt werden oder aufzuwenden sind.
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Amtliche Begründung zum Entwurf des Schulfinanzgesetzes, LT-Drs. NRW 3/276, S.
10; VG Minden, Urteil vom 18. März 1998 - 3 K 4762/97 -, NWVBl 1998, 452 (453);
Meyerhoff/Pünder/Schäfer, Schulverwaltungsgesetz und Schulfinanzgesetz Nordrhein-
Westfalen, 2. Auflage, 1968, Anm. II 1 und 2 (S. 257 f.), m. w. N.
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Einer weitergehenden inhaltlichen Umschreibung des Begriffs Schulkosten bedarf es im
vorliegenden Verfahren nicht. Die Kosten für den Einsatz der Integrationshelfer von G. I.
sind, wenn die Zivildienstleistenden durch das Land Nordrhein-Westfalen oder durch
die Beklagte eingestellt worden wären, jedenfalls deshalb Schulkosten im Sinne des § 1
Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW, weil die Kosten zur Gewährleistung des Schulbetriebes
aufgewandt worden sind. Personalausgaben sind zumindest dann zur Gewährleistung
des Schulbetriebs aufgewandt worden oder aufzuwenden, wenn der Einsatz der
betreffenden Person in der Schule erforderlich war, damit die Schule ihren Erziehungs-
und Bildungsauftrag (§ 1 Abs. 1 SchOG NRW) überhaupt erfüllen kann. Das ist unter
anderem dann der Fall, wenn der Schulbesuch eines Schülers - oder auch mehrerer
Schüler - ohne den Einsatz der betreffenden Person unmöglich ist.
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Danach sind die Personalausgaben für den Einsatz der Integrationshelfer des Schülers
G. I. Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW. Der Einsatz der
Integrationshelfer war erforderlich, damit der durch den Bescheid des Schulamtes des
N. Kreises vom 14. Juli 1997 festgestellte sonderpädagogische Förderbedarf in der
Grundschule T. gedeckt werden konnte. Nach den vorliegenden Entwicklungsberichten
über die Unterrichtung von G. in der Grundschule T. war er auch in der Zeit vom 22.
September 1999 bis zum 30. Juni 2000 auf umfängliche Hilfestellungen bei der
Bewältigung des Unterrichtsstoffes und des schulischen Alltags angewiesen. Er ist
durch die Zivildienstleistenden in Einzelstunden, im gemeinsamen Unterricht und in den
Pausen betreut worden. Eine Lehrerin oder ein Lehrer allein hätte diese Hilfen nicht
durchgehend sicherstellen können. Hierüber besteht auch zwischen den Beteiligten
kein Streit.
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Der Zuordnung der Personalausgaben für die Integrationshelfer zu den Schulkosten im
Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW steht nicht entgegen, dass "die Kosten für
eine Einzelbetreuung eines Schülers über das gewöhnliche Maß der pädagogisch-
pflegerischen Betreuung erheblich hinausgehen".
39
So Antwort der Landesregierung vom 11. Januar 2000 auf die Kleine Anfrage 1502, LT-
Drs. 12/4588, S. 3; Erlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes
Nordrhein-Westfalen vom 10. März 1998 an das Schulamt für den Oberbergischen
Kreis, abgedruckt in Mitteilungen des nordrhein-westfälischen Städte- und
Gemeindebundes 1998, S. 98, Nr. 168; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. November
1992 - 2 K 233/90 -, Urteilsabdruck S. 9.
40
Das "gewöhnliche Maß der pädagogisch-pflegerischen Betreuung" ist in dieser
Allgemeinheit kein zur Auslegung des Begriffs Schulkosten geeignetes Kriterium. Nach
§ 7 Abs. 1 Satz 1 SchpflG NRW werden Schulpflichtige, die wegen körperlicher,
seelischer oder geistiger Behinderung oder wegen erheblicher Beeinträchtigung des
Lernvermögens im Unterricht einer Grundschule oder einer weiterführenden
allgemeinen Schule nicht hinreichend gefördert werden können, ihrem individuellen
Förderbedarf entsprechend sonderpädagogisch gefördert. Angesichts dieses
gesetzlichen Auftrags zur individuellen Förderung des Schülers und der vielfältigen
sonderpädagogischen Förderbedarfe je nach Art und Umfang der individuellen
Behinderung oder Beeinträchtigung des Schülers gibt es im Bereich der
sonderpädagogischen Förderung kein allgemein gültiges "gewöhnliches Maß der
pädagogisch-pflegerischen Betreuung".
41
Vgl. auch Gesetzentwurf der Landesregierung zum Gesetz zur Weiterentwicklung der
sonderpädagogischen Förderung, LT-Drs. 11/7186, S. 9: "Es gibt keinen für alle
behinderten Kinder einheitlich festlegbaren Umfang der Förderung".
42
Der Zuordnung der Personalausgaben für die Integrationshelfer zu den Schulkosten im
Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW steht auch nicht entgegen, dass, wie das
Verwaltungsgericht meint, die Kosten "im Zusammenhang mit der Deckung eines - vom
Schulbesuch unabhängigen - allgemeinen Lebensbedarfs entstehen".
43
Ebenso VG Minden, Urteil vom 18. März 1998 - 3 K 4762/97 -, a. a. O.
44
Der "allgemeine Lebensbedarf" eines Schülers ist ebenfalls kein zur Auslegung des
Begriffs Schulkosten geeignetes Kriterium. Die Schule ist aufgrund ihres Erziehungs-
und Bildungsauftrags neben den Erziehungsberechtigten, die etwa ihre Kinder für den
Schulbesuch ordnungsgemäß ausstatten müssen (§ 40 Abs. 2 ASchO NRW),
verpflichtet, in der Schule einen "allgemeinen Lebensbedarf" der Schüler zu decken.
Erziehung und Bildung durch die Schule sind nämlich Teil des "allgemeinen
Lebensbedarfs" ihrer Schüler. Nach § 1 Abs. 3 SchOG NRW hat die Schule nicht nur die
Aufgabe, die Jugend auf der Grundlage des abendländischen Kulturgutes und
deutschen Bildungserbes in lebendiger Beziehung zu der wirtschaftlichen und sozialen
Wirklichkeit sittlich, geistig und körperlich zu bilden, sondern auch der Jugend das für
Leben und Arbeit erforderliche Wissen und Können zu vermitteln. Die Jugend soll fähig
und bereit werden, sich im Dienste an der Gemeinschaft, in Familie und Beruf, in Volk
und Staat zu bewähren (§ 1 Abs. 4 Satz 1 SchOG NRW). Unterricht und
Gemeinschaftsleben in der Schule sind so zu gestalten, dass sie zu tätiger und
verständnisvoller Anteilnahme am öffentlichen Leben vorbereiten (§ 1 Abs. 4 Satz 3
SchOG NRW). Schon diese Ziele (vgl. ferner § 1 Abs. 2, 5 und 6 SchOG NRW), die für
Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in gleicher Weise wie für alle anderen
Schüler gelten, verdeutlichen, dass die Unterscheidung zwischen einem vom
Schulbesuch abhängigen und dem allgemeinen Lebensbedarf kein für die Bestimmung
der Schulkosten geeigneter Anknüpfungspunkt ist.
45
b. Rechtsfolge der Zuordnung der Personalausgaben für den Einsatz von
Integrationshelfern zu den Schulkosten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchFG NRW ist,
dass die Kosten vom Land Nordrhein-Westfalen oder dem Schulträger einer öffentlichen
Schule getragen werden, indem die Integrationshelfer entweder durch das Land als
Lehrer (§ 3 Abs. 1 SchFG NRW) oder durch den Schulträger als nicht als Lehrer im
Schuldienst tätige andere Bedienstete (§ 3 Abs. 2 SchFG NRW) eingestellt werden.
Eine Kostenträgerschaft durch Dritte kennt das Schulfinanzgesetz im Bereich der
Schulkosten nicht.
46
Ebenso VG Arnsberg, Urteil vom 18. Februar 1998 - 9 K 157/97 -, NWVBl 1999, 110
(110 f.); vgl. auch Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1502, LT-Drs.
12/4588, S. 4: "Die Aufnahme einer Schülerin oder eines Schülers in den gemeinsamen
Unterricht darf nicht von der Erklärung der Eltern abhängig gemacht werden, die Kosten
für eine Einzelbetreuung selbst zu tragen".
47
Der Einsatz von Integrationshelfern aufgrund eines Auftrags der Erziehungsberechtigten
eines Schülers und eine Kostentragung der Erziehungsberechtigten ist deshalb mit den
Vorgaben des Schulfinanzgesetzes nicht vereinbar.
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Das bestätigt auch § 31 a SchVG NRW. Danach können Schulen für den Schulträger
bei der Erfüllung ihrer Aufgaben durch Sach- und Geldzuwendungen Dritter unterstützt
werden (§ 31 a Abs. 1 Satz 1 SchVG NRW). Sie dürfen außerdem zur Erfüllung ihrer
Aufgaben für den Schulträger Zuwendungen von Dritten entgegennehmen und auf
deren Leistungen in geeigneter Weise hinweisen (Sponsoring), wenn diese Hinweise
mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule vereinbar sind und die
Werbewirkung deutlich hinter den schulischen Nutzen zurücktritt (§ 31 a Abs. 2 Satz 1
SchVG NRW). Diese Regelungen lassen das schulfinanzrechtliche Prinzip der
ausschließlichen Kostenträgerschaft des Landes und der Schulträger öffentlicher
Schulen unberührt. Für die vom Land Nordrhein-Westfalen zu tragenden Lehrerkosten
gilt § 31 a SchVG NRW nicht. Die Vorschrift ermöglicht lediglich eine finanzielle
Unterstützung der Schule, soweit sie Aufgaben des Schulträgers erfüllt. Der Schulträger
bleibt allerdings auch nach § 31 a SchVG NRW Verpflichteter der ihm durch die
schulrechtlichen Vorschriften übertragenen Aufgaben. Das verdeutlicht insbesondere §
31 a Abs. 4 SchVG NRW. Danach entbinden Zuwendungen den Schulträger nicht von
seinen Verpflichtungen gemäß § 30 SchVG NRW zur Bereitstellung und Unterhaltung
der erforderlichen Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen und Lehrmittel sowie zur
Einstellung des für die Schulverwaltung notwendigen Personals.
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Die ausschließliche Kostenträgerschaft des Landes oder des Schulträgers in Bezug auf
Personalkosten der Schule dient dem Zweck sicherzustellen, dass zur Erfüllung des
Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule nur solche Lehrer, Beamte und andere
Bedienstete tätig sind, auf deren Auswahl und konkrete Tätigkeit das Land oder der
Schulträger einen rechtlich hinreichend gesicherten Einfluss ausüben können. Die
Auswahl der Integrationshelfer ist für die Unterrichtung eines Kindes mit
sonderpädagogischem Förderbedarf von erheblicher Bedeutung, weil der
Integrationshelfer in der Lage sein muss, den besonderen Bedürfnissen des Kindes im
gemeinsamen Unterricht nachzukommen und das Kind in Abstimmung mit den Lehrern
im Unterricht zu begleiten. Darüber hinaus muss insbesondere ein hinreichend rechtlich
gesichertes Weisungsrecht des Lehrers gegenüber dem Integrationshelfer gewährleistet
sein. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule, der häufig ein sofortiges
Handeln der Lehrer im Unterricht erfordert, wird gefährdet, wenn es dem Lehrer nur über
Dritte - etwa den (privaten) Dienstvorgesetzten eines Zivildienstleistenden - möglich ist,
dem Integrationshelfer verbindliche Weisungen zu erteilen.
50
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze verfügte die Grundschule T. in der hier
maßgeblichen Zeit vom 22. September 1999 bis zum 30. Juni 2000 nicht über das
erforderliche Personal für eine gemeinsame Unterrichtung des Schülers G. I. . Die
Integrationshelfer, die ihn während des Besuchs der Grundschule betreuten, waren
weder Bedienstete des Landes noch der Beklagten. Nach den vorliegenden Unterlagen
bestand auch nicht das erforderliche Weisungsrecht der Lehrer gegenüber den
Integrationshelfern für G. . Ein solches Weisungsrecht wird auch vom Kläger nicht
geltend gemacht. Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich weiter nicht, dass die
Beklagte als Schulträger - anders als bei der Beschäftigung von Frau N. im Schuljahr
1998/99 - oder das Land Nordrhein- Westfalen ein (Mitwirkungs-) Recht bei der Auswahl
der Integrationshelfer, die G. in der Zeit vom 22. September 1999 bis zum 30. Juni 2000
in der Grundschule betreuten, hatten. Nach dem Vortrag der Beklagten sind die
Zivildienstleistenden des Caritasverbandes M. jeweils von den Eltern des Schülers
"beauftragt" worden.
51
3. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die personellen Voraussetzungen für eine
52
integrative Beschulung des Schülers G. I. durch Begründung eines Dienstverhältnisses
mit den Integrationshelfern zu schaffen.
a. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Einstellung der Integrationshelfer als andere
Bedienstete an der Grundschule T. und zur Tragung der Kosten ihres Einsatzes ergibt
sich nicht aus dem Schulfinanzgesetz NRW oder aus sonstigen schulrechtlichen
Vorschriften. Das Schulfinanzgesetz NRW verpflichtet den Schulträger weder in § 3
Abs. 2 noch in anderen Vorschriften, bestimmtes Personal einzustellen. Die
Verpflichtungen des Schulträgers, Grundschulen zu errichten und fortzuführen (§ 10
Abs. 1 SchVG NRW) und für ausreichenden und würdigen Schulraum zu sorgen (§ 3
Abs. 1 SchOG NRW), begründen ebenso wenig wie seine Verpflichtung gemäß § 30
Abs. 1 SchVG NRW, die für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderlichen
Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen und Lehrmittel bereitzustellen und
ordnungsgemäß zu unterhalten sowie das für die Schulverwaltung notwendige Personal
zur Verfügung zu stellen, eine Verpflichtung zur Schaffung der personellen
Voraussetzungen für die integrative Beschulung von Schülern mit
sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Integrationshelfer, die Schüler mit
sonderpädagogischem Förderbedarf während des Besuchs einer allgemeinen Schule
betreuen, sind insbesondere keine Lehrmittel, zu denen allein die dem Lehrzweck der
Schule dienenden Gegenstände gehören.
53
Meyerhoff/Pünder/Schäfer, a.a.O., § 30 SchVG, Anm. II 2 a (S. 234).
54
Eine Pflicht zur Schaffung der Voraussetzungen für einen gemeinsamen Unterricht und
Bereitstellung von Betreuungspersonal ergibt sich weiterhin nicht aus § 7 Abs. 2 Satz 1
und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW. Danach kann in der Primarstufe mit Zustimmung des
Schulträgers die sonderpädagogische Förderung auch in der Grundschule erfolgen,
soweit die Grundschule hierfür über die erforderliche personelle und sächliche
Ausstattung verfügt. Mit der Formulierung "kann" in § 7 Abs. 2 Satz 1 SchpflG NRW hat
der Gesetzgeber klargestellt, dass keine generelle Pflicht besteht, Kinder mit
sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Schulen sonderpädagogisch zu
fördern.
55
Vgl. Begründung der Landesregierung zum Entwurf des Gesetzes zur
Weiterentwicklung der sonderpädagogischen Förderung, LT-Drs. 11/7186, S. 2 und 8 f.;
Antwort der Landesregierung vom 11. Januar 2000 auf die Kleine Anfrage 1502, a.a.O.,
S. 3.
56
Ob die vorbehaltlos erteilte Zustimmung des Schulträgers zur integrativen Beschulung
(§ 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW) neben der Verpflichtung, etwaige
zusätzliche Sachkosten zu tragen, auch die Verpflichtung umfasst, das dazu notwendige
Personal einzustellen, bedarf hier keiner näheren Erörterung. Die Beklagte hat ihre
Zustimmung (nur) unter der Voraussetzung erteilt, keine personellen
Mehraufwendungen tragen zu müssen. Eine solche Zustimmung begründet schon
deshalb keine Kostentragungspflichten des Schulträgers, weil sie, wie noch ausgeführt
wird, mit diesem Inhalt unwirksam ist.
57
Eine Pflicht der Beklagten zur Schaffung der Voraussetzungen für eine integrative
Beschulung lässt sich weiter nicht aus dem vom Kläger angeführten
Gemeindefinanzierungsgesetz 1999 - GFG 1999 -, GV NRW 1998, S. 762, herleiten.
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 GFG 1999 ist den Gemeinden zum Ausgleich besonderer
58
Aufwendungen, die ihnen im Zusammenhang mit der integrativen Beschulung von
Schülern und Schülerinnen an Regelschulen entstehen können, einmalig ein Betrag in
Höhe von 2.500.000 DM zur Verfügung gestellt worden. Der Betrag ist pauschal nach
der Anzahl der integrativ beschulten Schüler und Schülerinnen an Regelschulen nach
der maßgeblichen Schulstatistik verteilt worden (§ 20 Abs. 2 Satz 2 GFG 1999). Die
Regelungen in § 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GFG knüpfen jedoch nur daran an, dass den
Gemeinden bei der integrativen Beschulung besondere Aufwendungen entstanden
sind. Dagegen begründen sie keine Verpflichtung der Gemeinden zur Tragung solcher
besonderen Aufwendungen. § 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GFG 1999 und auch die übrigen
Vorschriften des Gemeindefinanzierungsgesetzes 1999 setzen eine Kostenlast der
Gemeinden aufgrund der Wahrnehmung ihrer eigenen und der ihnen übertragenen
Aufgaben (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 GFG 1999) voraus, begründen aber weder solche
Aufgaben noch Kostentragungspflichten der Gemeinden.
Die Beklagte war und ist schließlich nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen
verpflichtet, die personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung von
Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu schaffen. Der Staat ist mit
Rücksicht auf das Recht des Schülers, eine den Anlagen und Befähigungen möglichst
weitgehend berücksichtigende Ausbildung zu erhalten (Art. 2 Abs. 1 GG), das Recht der
Eltern, den Bildungsgang in der Schule für ihr Kind im Rahmen von dessen Eignung
grundsätzlich frei zu wählen (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), und das Verbot, Behinderte zu
benachteiligen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG), sowie unter Berücksichtigung seines
zumindest faktischen Monopols im Bereich der schulischen Erziehung und Bildung
grundsätzlich gehalten, für behinderte Kinder und Jugendliche schulische Einrichtungen
bereitzuhalten, die auch ihnen eine angemessene schulische Erziehung, Bildung und
Ausbildung ermöglichen. Staatliche Maßnahmen zum Ausgleich einer Behinderung
oder Beeinträchtigung stehen allerdings auch in Bezug auf die integrative Beschulung
von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf unter dem Vorbehalt des
finanziell, personell, sachlich und organisatorisch Möglichen. Die Überweisung in eine
Sonderschule, die der Schüler besuchen muss, wenn eine integrative Beschulung nicht
in Betracht kommt (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SchpflG NRW), stellt nur dann eine unzulässige
Benachteiligung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 GG dar, wenn der Besuch der allgemeinen
Schule durch einen vertretbaren Einsatz von sonderpädagogischer Förderung
ermöglicht werden könnte.
59
BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 1 BvR 9/97 -, NJW 1998, 131 (132 f.); OVG
NRW, Beschlüsse vom 13. Mai 2002 - 19 A 3100/01 -, 15. August 2000 - 19 B 989/00 -,
und 28. September 1999 - 19 B 1467/99 -.
60
Das lässt sich in Bezug auf die Personalkosten für den Einsatz von Integrationshelfern
bei der integrativen Beschulung des Schülers G. I. in der Grundschule T. nicht
feststellen.
61
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts obliegt dem Gesetzgeber
ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum bei der
Entscheidung über die Einführung über Möglichkeiten integrativer Beschulungen, weil
er bei seinen Entscheidungen auch andere Gemeinschaftsbelange berücksichtigen und
sich die Möglichkeit erhalten muss, die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel für
solche anderen Belange einzusetzen, wenn er dies für erforderlich hält.
62
BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 1 BvR 9/97 -, a. a. O., m. w. N.; OVG NRW,
63
Beschluss vom 16. April 2003 - 19 B 403/03 -.
Ein solcher Einschätzungsspielraum obliegt auch der Beklagten als Schulträger bei
ihrer Entscheidung über die Zustimmung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 SchpflG.
Sie muss bei ihrer Entscheidung wie der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung über die
Einführung von Möglichkeiten integrativer Beschulungen nicht nur die grundrechtlichen
Schutzwirkungen zu Gunsten der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und
ihrer Eltern, sondern auch andere Gemeinschaftsbelange berücksichtigen und
abwägen. Die Beklagte hat eine Vielzahl von Selbstverwaltungsaufgaben (Art. 28 Abs.
2 GG) und die ihr durch Gesetz auferlegten Pflichtaufgaben (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 GO
NRW) zu erfüllen. Ihre Haushaltswirtschaft ist so zu planen und zu führen, dass die
stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist (§ 75 Abs. 1 Satz 1 GO NRW). Dies
erfordert, die zahlreichen Aufgaben in Bezug zu einander zu setzen und abzuwägen.
Die Beklagte muss hierbei angesichts der nur begrenzt zur Verfügung stehenden
gemeindlichen Mittel Prioritäten setzen, die verschiedenen von ihr zu wahrenden
Gemeinschaftsbelange koordinieren sowie unter Berücksichtigung des Erfordernisses
des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (§ 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW) die
zahlreichen Aufgaben und die ihr hieraus entstehenden finanziellen Aufwendungen in
eine umfassende haushaltswirtschaftliche Gesamtplanung einfügen.
64
Allerdings überschreitet die Beklagte ihren Einschätzungsspielraum, wenn ihre
Ablehnung, die personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung zu
schaffen, unter Berücksichtigung ihrer finanziellen Möglichkeiten den Gegebenheiten
und Verhältnissen des Einzelfalls ersichtlich nicht gerecht wird, weil der Besuch einer
Sonderschule anstelle einer integrativen Beschulung in einer allgemeinen Schule für
die (Gesamt-) Entwicklung des jeweiligen Schülers offensichtlich nachteilig ist.
65
BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 1 BvR 9/97 -, a. a. O., und Urteil vom 6.
Dezember 1972 - 1 BvR 230/70 und 95/71 -, BVerfGE 34, 165 (188 f.).
66
Das lässt sich in Bezug auf den Schüler G. I. nicht feststellen. Die Beteiligten machen
nicht geltend, dass allein eine gemeinsame Unterrichtung an einer allgemeinen Schule
gewährleistet, dass der Schüler eine angemessene Schulausbildung erhält.
Dahingehende Gesichtspunkte lassen sich auch den im Verfahren über die Feststellung
des sonderpädagogischen Förderbedarfs und die Entscheidung über den schulischen
Förderort oder den sonstigen zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgängen
nicht entnehmen.
67
b. Nicht entscheidungserheblich ist hiernach, ob die Integrationshelfer für G. I. (teilweise)
Aufgaben eines Lehrers erfüllten und deshalb auch das Land zu deren Einstellung und
infolgedessen zur Tragung der Personalausgaben nach § 3 Abs. 1 SchFG NRW
verpflichtet war. Die unterschiedlichen Standpunkte zu dieser Frage und deren
fallübergreifende Bedeutung, etwa in dem beim Verwaltungsgericht Münster
anhängigen Verfahren 1 K 1123/04, veranlassen den Senat gleichwohl zu folgendem
Hinweis:
68
Für den schulfinanzrechtlichen Begriff des Lehrers im Sinne des § 3 Abs. 1 SchFG
NRW kommt es nicht auf die konkret ausgeübte Funktion im Unterricht, sondern allein
auf die formelle Rechtsstellung als Lehrer im Beamten- oder Angestelltenverhältnis an.
Eine derartige Rechtsstellung hatten die Integrationshelfer für G. I. nicht inne.
69
Der Begriff des Lehrers ist weder in § 3 Abs. 1 SchFG NRW noch in anderen
Vorschriften des Schulfinanzgesetzes definiert. Er erschließt sich aus der Vorschrift des
§ 22 SchVG NRW. Sie bildet den inneren Grund dafür, dass das Land gemäß § 3 Abs. 1
SchFG NRW die Personalausgaben für Lehrer an öffentlichen Schulen trägt, deren
Träger das Land, eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband ist. Nach § 22 SchVG
NRW sind die Lehrer an den öffentlichen Schulen entweder Bedienstete des Landes
oder des Schulträgers. Bedienstete des Landes sind die Lehrer an den öffentlichen
Schulen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände (§ 22 Abs. 1 SchVG
NRW) sowie die Lehrer an Sonderschulen der Landschaftsverbände und der übrigen in
§ 22 Abs. 2 Satz 1 SchVG NRW genannten Schulträger (§ 22 Abs. 2 Satz 3 SchVG
NRW). Als Bedienstete des Landes sind die Lehrer in der Regel zu Beamten zu
ernennen (§ 22 Abs. 3 Satz 1 SchVG NRW). In Ausnahmefällen können sie als
Angestellte des Landes beschäftigt werden (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SchVG NRW). Diese
durch § 22 SchVG NRW vorgegebene und an das Anstellungsverhältnis zum Land
anknüpfende formelle Rechtsstellung war und ist für den Gesetzgeber
ausschlaggebend, die Personalausgaben der in § 3 Abs. 1 SchFG NRW genannten
Lehrer zu übernehmen, weil die Rechtsstellung als Beamte oder Angestellte des
Landes sicher stellt, dass allein das Land über die Beschäftigung als Lehrer und den
Einsatz an einer konkreten öffentlichen Schule entscheidet. Soweit bei Lehrern im
Dienst des Schulträgers nach § 22 Abs. 2 Satz 1 SchVG NRW, deren Anstellung nach §
22 Abs. 2 Satz 3 SchVG der Bestätigung durch die obere Schulaufsichtsbehörde bedarf,
das Land die Personalausgaben nach § 4 SchFG NRW erstattet, gilt Entsprechendes.
Auch insoweit wird für die Eigenschaft als Lehrer an das Anstellungsverhältnis zum
Schulträger und nicht an die konkret ausgeübte Funktion angeknüpft.
70
Vgl. auch Begründung des Entwurfs des Schulfinanzgesetzes, LT-Drs. 3/276, S. 10 und
S. 12 (zu § 3 Abs. 2), und des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des
Schulfinanzgesetzes, LT-Drs. 1545, S. 5 (zu Art. I Nr. 2).
71
Etwas Anderes ergibt sich nicht aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur
Änderung des Schulfinanzgesetzes und des Ersatzschulfinanzgesetzes vom 7. April
1970, GVBl NRW S. 262. Im damaligen Gesetzgebungsverfahren ist zwar (auch) eine
auf die konkret ausgeübte Funktion abstellende "extensive" Bestimmung des Begriffs
Lehrer angesprochen worden.
72
Vgl. die im Verfahren 1 K 1123/04 (Verwaltungsgericht Münster) vorgelegte Vorlage des
Staatssekretärs Herzberg an den Kulturausschuss des Landtags - I B 1 30-12/1 Nr.
3368/69 u. a. -, sowie Rede des Abgeordneten Toetemeyer (SPD), Stenografische
Berichte des Landtags NRW, Band IV, S. 2837.
73
Eine Änderung des bisherigen - auf die formelle Rechtsstellung abstellenden - Begriffs
des Lehrers sollte jedoch wegen der "Komplexität" der schulrechtlichen Problematik
nicht im Zusammenhang mit dem Erlass des Änderungsgesetzes vom 7. April 1970,
sondern aufgrund einer Zusage des damaligen Kultusministers zu einem späteren
Zeitpunkt erfolgen.
74
Vgl. Rede des Abgeordneten Toetemeyer, a. a. O.
75
Eine dahingehende Änderung ist aber bis heute nicht erfolgt.
76
Auch § 32 Abs. 1 SchOG NRW verdeutlicht im Übrigen, dass im nordrhein-
77
westfälischen Schulrecht grundsätzlich die konkret ausgeübte Funktion für den Begriff
Lehrer unerheblich ist. Nach dieser Vorschrift wird Religionsunterricht von Lehrern oder
Geistlichen erteilt. Diese Unterscheidung wäre entbehrlich, wenn sich der Begriff Lehrer
nach der konkret ausgeübten Funktion richtete. Denn Geistliche sind ihrer Funktion
nach Lehrer, wenn sie an einer öffentlichen Schule Religionsunterricht erteilen.
Die Anknüpfung an die konkret ausgeübte Funktion für den Begriff des Lehrers im Sinne
des § 3 Abs. 1 SchFG NRW widerspräche auch dem Zweck des Schulfinanzgesetzes
NRW. Die Aufteilung der Schulkosten nach dem Schulfinanzgesetz bedarf einer
sicheren Grundlage mit klaren und überschaubaren Vorgaben, um dem Land und den
Schulträgern eine verlässliche Haushaltsplanung zu ermöglichen. Bei der
Haushaltsplanung des Landes und der Schulträger sind unter anderem die Grundsätze
der Haushaltsklarheit und -wahrheit zu beachten. Sie erfordern eine Haushaltsplanung,
die das Finanzverhalten durchsichtig macht, nicht verschleiert und wirksam steuert.
78
VerfGH NRW, Urteile vom 14. Mai 1996 - VerfGH 5/95 -, NWVBl 1996, 291 (295), und
28. Januar 1992 - VerfGH 1/91 -, NWVBl 1992, 129 (130).
79
Eine derartige Haushaltsplanung ist aber angesichts der Vielzahl der an Schulen tätigen
Lehrer und sonstigen im Unterricht tätigen Bediensteten kaum zu leisten, wenn in jedem
Einzelfall vor Aufstellung des Haushaltsplans zu prüfen ist, ob der Betroffene die
Funktion als Lehrer oder eine andere Funktion ausübt.
80
II. Die Entscheidung des Schulamtes für den N. Kreis über den schulischen Förderort ist
auch deshalb rechtswidrig, weil die gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG
NRW erforderliche Zustimmung der Beklagten als Schulträger zur integrativen
Beschulung des Schülers G. I. in der Grundschule T. in der Zeit vom 22. September
1999 bis zum 30. Juni 2000 nicht (mehr) vorlag.
81
Dabei kann dahinstehen, ob die unter "Vorbehalt" erfolgte Zustimmung der Beklagten
vom 20. Mai 1998 eventuell mit der Zustimmung der Beklagten vom 25. Juni 1998, die
den Vorbehalt in der Zustimmung vom 20. Mai 1998 nicht mehr enthält, unwirksam
geworden ist. Offen bleiben kann auch, ob die Zustimmung vom 25. Juni 1998
möglicherweise unter der Bedingung erfolgte, dass G. (ausschließlich) durch
Praktikantinnen, die ein soziales Jahr leisteten und aus der Spende der L. -S. -Stiftung
bezahlt werden sollten, betreut wird. Die Zustimmungen vom 20. Mai und 25. Juni 1998
sowie eine etwaige für die Zeit ab dem 22. September 1999 mit der Zahlung von
monatlich 500 DM an die Eltern des Schülers G. I. schlüssig erklärte Zustimmung zur
weiteren Beschulung des Schülers in der Grundschule T. waren in der hier
maßgeblichen Zeit vom 22. September 1999 bis zum 30. Juni 2000 jedenfalls deshalb
unwirksam, weil die Beklagte sich für diesen Zeitraum nicht bereit erklärt hatte, die
Betreuung des Schülers durch von ihm angestellte und aus städtischen
Haushaltsmitteln bezahlte erwachsene männliche Integrationshelfer sicherzustellen.
82
Bei der Zustimmung des Schulträgers gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 SchpflG
NRW handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung. Maßgeblich für die
Auslegung derartiger Willenserklärungen ist entsprechend § 133 BGB nicht der innere
Wille des Erklärenden, sondern der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger unter
Berücksichtigung des mit dem Verwaltungsakt oder der öffentlichen Willenserklärung
erfolgten Zwecks und den sonstigen ihm bekannten oder erkennbaren Umständen
verstehen durfte.
83
Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1981 - 8 C 49.81 -, Buchholz 310, § 58 VwGO, Nr.
42, S. 1 (2); OVG NRW, Urteil vom 26. September 1991 - 11 A 1604/89 -, NWVBl. 1992,
176 (177).
84
Erklärungsempfänger der Zustimmung der Beklagten ist das Schulamt, das gemäß § 7
Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 SchpflG NRW, § 12 Abs. 2 VO-SF bei seiner Entscheidung
über den schulischen Förderort und auch bei der jährlichen Überprüfung des
sonderpädagogischen Förderbedarfs und des Förderortes (§ 14 VO-SF) unter anderem
zu prüfen hat, ob die nach den genannten Vorschriften erforderliche Zustimmung der
Beklagten als Schulträger vorliegt. Das Schulamt des N. Kreises durfte aber in der Zeit
vom 22. September 1999 bis zum 30. Juni 2000 nicht davon ausgehen, dass eine
wirksame Zustimmung der Beklagten vorlag.
85
Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten war "allen mit der
Sache befassten Personen bekannt", dass sie nicht bereit war, die Personalausgaben
von Integrationshelfern aus städtischen Mitteln zu zahlen. Damit war nach dem Vortrag
der Beklagten auch dem Schulamt bekannt, dass eine Grundvoraussetzung für die
Erteilung sämtlicher Zustimmungen der Beklagten war, keine Kosten aus städtischen
Haushaltsmitteln zu zahlen. Die Verknüpfung der Zustimmungen mit dieser
Grundvoraussetzung begründet die Unwirksamkeit der Zustimmungen.
86
Öffentlich-rechtliche sind ebenso wie privatrechtliche Willenserklärungen unwirksam,
wenn sie widersprüchlich sind oder einen nach der Rechtsordnung nicht
geltungsfähigen Inhalt haben (sog. perplexe Willenserklärungen).
87
Vgl. zum Arbeits- und Zivilrecht: LAG Hamm, Urteil vom 10. Februar 2000 - 16 Sa
1482/99 -, juris; OLG Hamburg, Urteil vom 29. Januar 1997 - 4 U 166/96 -, juris;
Heinrichs, a. a. O., § 133, Anm. 3 b (Rdn 6 und 6 a); Brox, in: Erman, Handkommentar
zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 8. Auflage, 1989, 1. Band, § 133 Rdn 12; Mayer-Maly, in:
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 1, Allgemeiner Teil (§§ 1 -
240), AGB-Gesetz, 2. Auflage, 1984, § 133, Rdn 41.
88
Letzteres ist in Bezug auf die Zustimmungen der Beklagten der Fall. Die ihnen
zugrundeliegende Voraussetzung, keine Kosten für den Einsatz der
Zivildienstleistenden aus städtischen Mitteln tragen zu müssen, verstößt gegen
zwingendes höherrangiges Recht. Die Beklagte kann ihre Zustimmung nur dann
erteilen, wenn sie nicht nur zur Tragung der sächlichen, sondern auch der personellen
Mehrkosten der gemeinsamen Unterrichtung eines Schülers mit sonderpädagogischem
Förderbedarf bereit und in der Lage ist. Das folgt aus dem Zweck des
Zustimmungserfordernisses gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW
und den Regelungen in §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 und 2 SchFG NRW.
89
Das Erfordernis der Zustimmung gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG
NRW hat den Zweck, dem Schulträger vor der Entscheidung über den Förderort eines
Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf die Prüfung zu ermöglichen, ob und
inwieweit Mehrkosten bei der integrativen Beschulung anfallen, und ob er bereit und in
der Lage ist, die Mehrkosten zu tragen.
90
Gesetzentwurf der Landesregierung zur Weiterentwicklung der sonderpädagogischen
Förderung, a. a. O., S. 2.
91
Diese Prüfung und Entscheidung erstreckt sich nicht nur auf die sächlichen
Mehrausgaben, die der Schulträger gemäß § 2 SchFG NRW aufgrund seiner Pflicht zur
Bereitstellung und Unterhaltung der für einen ordnungsgemäßen Unterricht
erforderlichen Schulanlagen, Gebäude, Einrichtungen, Lehrmittel und einer am
allgemeinen Stand der Technik orientierten Sachausstattung (§ 30 Abs. 1 Satz 1 SchVG
NRW) trägt. Wenn zur gemeinsamen Unterrichtung von Schülern mit
sonderpädagogischem Förderbedarf der Einsatz von Lehrern (§ 3 Abs. 1 SchFG NRW)
nicht genügt, sondern zusätzlich der Einsatz von Integrationshelfern erforderlich ist,
muss der Schulträger außerdem prüfen und entscheiden, ob er die personellen
Mehraufwendungen durch den Einsatz von Integrationshelfern trägt.
92
Ebenso Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1502, a. a. O., S. 3, und
Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 578, LT-Drs. 12/1788, S. 2.
93
Denn aufgrund der durch das Schulfinanzgesetz vorgegebenen ausschließlichen
Kostenträgerschaft des Landes oder der Schulträger im Bereich der Schulkosten ist es,
wie ausgeführt, Sache des Schulträgers, hier der Beklagten, die erforderlichen
Integrationshelfer als andere Bedienstete im Sinne des § 3 Abs. 2 SchFG NRW
anzustellen und die sich hieraus ergebenden Kosten zu tragen. Ist der Schulträger
hierzu nicht bereit oder nicht in der Lage, verstößt seine gleichwohl erteilte Zustimmung
zur integrativen Beschulung gegen höherrangiges Recht. Eine Zustimmung mit dem von
der Beklagten erklärten "Vorbehalt", keine personellen Mehraufwendungen tragen zu
wollen, oder ähnliche Einschränkungen sind mit den Vorgaben des
Schulfinanzgesetzes nicht vereinbar.
94
Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, eine vorbehaltlose Zustimmung gemäß § 7
Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 SchpflG NRW zu erteilen. Ob eine Verpflichtung zur
Erteilung der Zustimmung besteht, wenn die integrative Beschulung eines Schülers mit
sonderpädagogischem Förderbedarf keine sächlichen und personellen Mehrkosten
begründet,
95
so Ziff. 1.1 Abs. 3 Satz 2 des Einführungserlasses zum Gesetz zur Weiterentwicklung
der sonderpädagogischen Förderung in Schulen, Runderlass des Kultusministeriums
vom 29. Mai 1995, GABl. NRW S. 107,
96
kann dahinstehen. Die integrative Beschulung des Schülers G. I. begründete jedenfalls
personelle Mehrkosten, weil er auf die Betreuung durch Integrationshelfer angewiesen
war. Eine gesetzliche oder verfassungsrechtliche Verpflichtung der Beklagten zur
Übernahme der personellen Mehrkosten besteht aus den bereits dargelegten Gründen
nicht. Daraus folgt zugleich, dass sie gesetzlich oder verfassungsrechtlich nicht zur
Erteilung einer vorbehaltlosen Zustimmung verpflichtet war.
97
B. Nach Treu und Glauben sind die Folgen der objektiv rechtswidrigen Entscheidungen
des Schulamtes für den N. Kreis über den schulischen Förderort nicht der Beklagten,
sondern dem Kläger zuzurechnen. Er würde im Falle einer Verurteilung der Beklagten
zur Erstattung der entstandenen Personalkosten für den Einsatz von Integrationshelfern
grundlos einen Rechtsvorteil zu Lasten der Beklagten erhalten. Aus § 18 Abs. 8 SchVG
NRW folgt, dass der Kläger für die finanziellen Folgen sämtlicher - rechtmäßiger oder
rechtswidriger - Entscheidungen des Schulamtes für den N. Kreis, das aus dem Landrat
des Klägers und dem schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten (§ 18 Abs. 2 Satz 2
98
SchVG NRW) besteht, aufzukommen hat.
Nach § 18 Abs. 8 Satz 1 SchVG trägt das Land die Personalausgaben für den
schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten. Die übrigen Kosten des Schulamtes trägt
gemäß § 18 Abs. 8 Satz 2 SchVG NRW der Kreis, hier der Kläger. Angesichts dieser
schulrechtlichen Kostentragungspflicht des Klägers ist es mit Treu und Glauben nicht
vereinbar, die Beklagte mit den Kosten der rechtswidrigen Entscheidung über den
schulischen Förderort des Schülers G. I. zu belasten. Die finanziellen Folgen der
rechtswidrigen Entscheidung über den schulischen Förderort, etwa
Schadensersatzansprüche der Eltern des Schülers G. I. , die mit dem Caritasverband M.
den Einsatz von Zivildienstleistenden vereinbart hatten, sind keine Personalausgaben
für den schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten, sondern sonstige Kosten des
Schulamtes im Sinne des § 18 Abs. 8 Satz 2 SchVG NRW, die der Kläger zu tragen hat.
Wenn aber der Kläger schulrechtlich die finanziellen Folgen der rechtswidrigen
Entscheidung des Schulamtes über den schulischen Förderort zu tragen hat, erhielte er
grundlos einen Rechtsvorteil zu Lasten der Beklagten, wenn sie zur Kostenerstattung an
den Kläger verurteilt würde.
99
Nichts Anderes ergibt sich daraus, dass der Kläger als Träger der örtlichen Sozialhilfe
bei der Gewährung von Eingliederungshilfe gemäß §§ 39 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Nr. 3
BSHG an die Entscheidung des Schulamtes über den schulischen Förderort gebunden
ist.
100
Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2002 - 16 A 5013/00 -, m. w. N.
101
Die Bindungswirkung besteht nur im Verhältnis des Klägers zum Hilfeempfänger. Sie
geht auch nicht so weit, dass der Kläger als Träger der örtlichen Sozialhilfe etwaige
aufgrund der Gewährung von Eingliederungshilfe entstandene Erstattungsansprüche
stets ohne Rücksicht auf seine aus § 18 Abs. 8 Satz 2 SchVG NRW folgende finanzielle
Verantwortung für rechtswidrige Entscheidungen des Schulamtes durchsetzen könnte.
102
Ob der Kläger gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen Ansprüche geltend machen
kann, weil der schulfachliche Schulaufsichtsbeamte, der die Entscheidung über den
schulischen Förderort getroffen hat, Landesbeamter ist (§ 18 Abs. 7 Satz 1 SchVG
NRW), bedarf keiner näheren Erörterung. Etwaige Ansprüche des Klägers gegen das
Land auf Übernahme der gesamten oder teilweisen Kosten für den Einsatz von
Integrationshelfern rechtfertigen es nicht, (zunächst) die Beklagte mit diesen Kosten zu
belasten.
103
Der Senat verkennt nicht, dass angesichts der dargelegten gesetzlichen und
verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht auszuschließen ist, dass Schulträger öffentlicher
Schulen angesichts der allgemeinen kommunalen Haushaltslage aus Kostengründen
nur in Einzelfällen die in ihrem Ermessen stehende Zustimmung zur integrativen
Beschulung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf erteilen und deshalb
ein (weiterer) Rückgang der aus Sicht des Senats wünschenswerten integrativen
Beschulung zu verzeichnen sein könnte,
104
ebenso bereits VG Arnsberg, Urteil vom 18. Februar 1998 - 9 K 157/97 -, a. a. O., 111,
105
obwohl sie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SchpflG NRW gleichrangig neben der
sonderpädagogischen Förderung in einer Sonderschule steht.
106
OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2003 - 19 B 2125/03 -, und 16. April 2003 -
19 B 403/03 -.
107
Es ist Sache des Gesetzgebers, entweder das Land Nordrhein-Westfalen oder die
Schulträger öffentlicher Schulen zu verpflichten, die personellen und sonstigen
finanziellen Voraussetzungen für ein integrative Beschulung von Schülern mit
sonderpädagogischem Förderbedarf zu schaffen.
108
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
109
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht
auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
110
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht erfüllt sind.
111