Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.12.1997

OVG NRW (der rat, verfügung, stadt, verhältnis zwischen, errichtung, 1995, ziel, gegenstand, falle, vertreter)

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 974/97
Datum:
09.12.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 A 974/97
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 4 K 2897/96
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Der Rat der Klägerin beschloß am 13. Dezember 1988 das Abfallwirtschaftskonzept der
Stadt L. und beauftragte die Verwaltung, die in diesem Konzept enthaltenen
Maßnahmen umzusetzen sowie die notwendigen Schritte für die Planung und
Realisierung der Verwertungsanlagen einzuleiten. Das Abfallwirtschaftskonzept sah als
eine Maßnahme im Systemelement "Verwertung" die thermische Verwertung durch eine
Müllverbrennungsanlage vor, für die Maßnahmen zur Standortfestlegung und Planung,
zum Bau und Betrieb sofort einzuleiten seien. Zu diesem Zweck gründete die Klägerin
aufgrund des Beschlusses des Rates vom 14. Mai 1992 die Abfallentsorgungs- und
Verwertungsgesellschaft L. mbH (AVG), deren Auftrag die schnellstmögliche Planung,
Verfahrenseinleitung, Bau und Inbetriebnahme der Abfallbehandlungsanlagen unter
Beachtung aller ökologischen und ökonomischen Aspekte ist. Am 18. März 1993
beschloß der Rat der Klägerin veränderte Abfallmengendaten als erste Fortschreibung
des Abfallwirtschaftskonzepts und beauftragte die Verwaltung sicherzustellen, daß vor
Einleitung der Planfeststellungsverfahren durch die AVG die Anlagenkonzeption dem
Rat zur abschließenden Beschlußfassung vorgelegt würde. Am 25. November 1993
beschloß der Rat der Klägerin die technischen Anlagenkonzeptionen zur Realisierung
des Abfallwirtschaftskonzepts und beauftragte die Verwaltung, zusammen mit der AVG
die Anlagen so rechtzeitig zu realisieren, daß die Entsorgungssicherheit für L. garantiert
bleibe. Vor Inbetriebnahme der Restmüllverbrennungsanlage sei sicherzustellen, daß
alle Vermeidungspotentiale ausgeschöpft würden und sämtliche vom Rat im
Abfallwirtschaftskonzept vorgesehenen Verwertungsanlagen ihren Betrieb
aufgenommen hätten.
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Am 24. August 1995 beantragten die Beigeladenen unter Überreichung von 48.719
gemäß § 26 Abs. 4 GO NW gültigen Unterschriften (bei 48.000 erforderlichen
Unterschriften) die Durchführung eines Bürgerentscheids zu folgender Frage:
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"Soll die Stadt L. ihr Abfallwirtschaftskonzept dadurch weiterentwickeln, daß
umweltschonende und kostengünstige Verfahren wie
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1. Belohnung für Müllvermeidung, 2. Biotonnen im ganzen Stadt- gebiet, 3.
bürgerfreundlicher Sammel- service für recyclebare Stoffe, 4. gut erreichbare
Recyclinghöfe in allen Stadtbezirken, 5. biologisch-mechanische Anlagen oder
Thermoselect-Anlagen für den Restmüll
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eingeführt und damit die Müllverbrennung sowie drastisch steigende Müllgebühren
überflüssig werden?"
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Zur Begründung wurde auf eine vermeintliche Vernachlässigung der Grundsätze der
Vermeidung und des Recyclings von Müll unter Konzentration auf die Verbrennung im
derzeitigen Abfallwirtschaftskonzept sowie auf die Gefahren und Kosten, die sich aus
der Müllverbrennung ergäben, hingewiesen. Demgegenüber seien alternative Konzepte
der Restmüllbehandlung kostengünstiger und von der Stadt nicht ernsthaft geprüft
worden. Wegen neuer Entwicklungen müßten neue Schwerpunkte in der
Fortschreibung, d.h. Weiterentwicklung des Abfallwirtschaftskonzeptes gesetzt werden.
Sodann wurden Beispiele für die Vermeidung und Verwertung von Abfall aufgezeigt,
wobei die verbleibende Restabfallmenge in einer biologisch-mechanischen Anlage
oder in einer Thermoselect-Anlage behandelt werden könnten. Zur Kostendeckung führt
das Bürgerbegehren aus, daß die verlangten Maßnahmen geringere Kosten als das
bisherige Abfallwirtschaftskonzept und damit keine Mehrausgaben zur Folge hätten. Sie
führten auch im Gebührenhaushalt zu geringeren Ausgaben und damit zu niedrigeren
Müllgebühren.
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Entgegen einer auf ein Gutachten der Verwaltung und ein externes Gutachten
gestützten Ratsvorlage, die das Bürgerbegehren für unzulässig hielt, stellte der Rat der
Klägerin mit Beschluß vom 26. Oktober 1995 fest, daß das Bürgerbegehren zulässig sei.
Der Oberstadtdirektor der Klägerin beanstandete gegenüber dem Oberbürgermeister der
Klägerin mit Schreiben vom 28. November 1995 diesen Ratsbeschluß unter
Bezugnahme auf die beiden Gutachten. Am 19. Dezember 1995 beschloß der Rat der
Klägerin, bei dem beanstandeten Beschluß zu verbleiben. Daraufhin verfügte die
Beklagte mit Bescheid vom 29. Februar 1996 die Aufhebung des Ratsbeschlusses vom
26. Oktober 1995, weil er geltendes Recht verletze. Das Bürgerbegehren sei nämlich
unzulässig, weil es gemäß § 26 Abs. 3 Satz 2 GO NW verfristet sei, keinen
ausreichenden Kostendeckungsvorschlag gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 GO NW enthalte,
vom Inhalt her unter den Ausnahmekatalog gemäß § 26 Abs. 5 Nr. 5 GO NW falle
(Angelegenheiten, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens oder eines
förmlichen Verwaltungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung oder eines
abfallrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen, wasserrechtlichen oder vergleichbaren
Zulassungsverfahrens zu entscheiden sind) und ein gesetzwidriges Ziel verfolge, denn
ohne Bau einer Müllverbrennungsanlage könne die gemäß § 5 a des
Landesabfallgesetzes vorgeschriebene 10-jährige Entsorgungssicherheit nicht
garantiert werden. Im Rahmen der Ermessenserwägungen führte die Beklagte an, daß
dann, wenn das Bürgerbegehren durch Stattgabe seitens des Rates oder einen
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Bürgerentscheid erfolgreich wäre, die Stadt L. die ihr nach den Vorschriften des
Abfallrechts obliegende Entsorgungspflicht verletzte. Außerdem würde die
Nichtaufhebung des Ratsbeschlusses unter Berücksichtigung der erheblichen
Bedeutung der Angelegenheit zu einer deutlichen Signalwirkung gegen die
gesetzlichen Vorgaben der Vorschrift des § 26 GO NW führen.
Mit Verfügung der Beklagten vom 29. Januar 1996 wurde die
Restmüllverbrennungsanlage L. genehmigt.
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Gegen die am 1. März 1996 gegenüber dem Oberbürgermeister der Klägerin bekannt
gegebene Verfügung hat die Klägerin am 29. März 1996 Klage erhoben, die sie wie folgt
begründet hat: Durch die Verfügung werde sie in ihrem Selbstverwaltungsrecht gemäß
Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG, 78 Abs. 2 der Landesverfassung durch einen rechtswidrigen
Eingriff in ihre abfallwirtschaftliche Planungshoheit verletzt. Die Verfügung sei bereits
formell rechtswidrig, da eine Anhörung des Rates gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NW
unterblieben sei. Außerdem sei der falsche Adressat für die Verfügung gewählt worden,
weil sie nicht dem Oberbürgermeister, sondern der Stadt L. gegenüber zu erlassen
gewesen sei. Der Sache nach sei der Ratsbeschluß nicht rechtswidrig, weil das
Bürgerbegehren zulässig sei. Wie sich aus der Begründung und dem Aufruf zur
Unterstützung des Bürgerbegehrens ergebe, sei Inhalt des Bürgerbegehrens die
Weiterentwicklung des Abfallwirtschaftskonzeptes; es sei nicht in erster Linie gegen die
Errichtung der im Bau befindlichen Restmüllverbrennungsanlage gerichtet. Es seien
keine zwingenden Ersatzmaßnahmen für die Müllverbrennung vorgesehen, vielmehr
reagiere das Bürgerbegehren auf den weiteren Rückgang der Abfallmengen, das
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, das zur weiteren Reduzierung führen werde, und
auf die von der Landesregierung geplanten Änderungen in der Abfallpolitik. Da somit
lediglich die Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes, das von Gesetzes wegen
auf fortlaufende Veränderung angelegt sei, durch das Bürgerbegehren verfolgt werde,
liege ein initiierendes, kein kassatorisches Bürgerbegehren vor, so daß eine Verfristung
nach § 26 Abs. 3 GO NW nicht möglich sei. Im übrigen liefe das Institut des
Bürgerbegehrens leer, wenn alle Angelegenheiten als Gegenstand eines
Bürgerbegehrens ausgeschlossen wären, die bereits einmal Gegenstand von
Ratsbeschlüssen gewesen seien. Der Kostendeckungsvorschlag sei entbehrlich, da
gerade Kostensenkungen die beabsichtigten Folgen des Bürgerbegehrens seien. Im
übrigen verursache die Weiterentwicklung des Abfallwirtschaftskonzeptes keine Kosten,
allenfalls die Umsetzung dieses Konzepts. Der Ausschlußgrund des § 26 Abs. 5 Nr. 5
GO NW für Bürgerbegehren liege nicht vor, da es nicht um die Errichtung einer
Müllverbrennungsanlage, sondern um die Weiterentwicklung des
Abfallwirtschaftskonzepts gehe, die nicht in einem der in Nr. 5 der Vorschrift genannten
Verfahren erfolge. Im übrigen würde selbst ein Verzicht auf den Gebrauch der
Genehmigung der Müllverbrennungsanlage automatisch zu einem Erlöschen der
Genehmigung nach § 18 BImSchG führen, so daß auch dafür keines der genannten
Verfahren erforderlich wäre. Gleiches gelte für die genehmigungsbedürftige Errichtung
alternativer Anlagen, die ebenfalls nicht Gegenstand eines durch das Bürgerbegehren
verfolgten Abfallwirtschaftskonzeptes seien. Gesetzeswidrige Ziele würden mit dem
Bürgerbegehren nicht verfolgt, im Gegenteil werde lediglich die gesetzlich
vorgeschriebene Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes betrieben, und zwar
unter Beachtung aller gesetzlichen Vorgaben, insbesondere auch der Vorgabe 10-
jähriger Entsorgungssicherheit. Das Bürgerbegehren stelle keine unerfüllbaren
Forderungen auf, weil derzeit nicht festgestellt werden könne, daß allein eine
thermische Behandlung nach den gesetzlichen Vorschriften unabdingbar sei. Dies gelte
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zur Zeit schon deshalb, weil nach der technischen Anleitung Siedlungsabfall eine
Übergangsfrist bis in das Jahr 2005 bestehe. Die Verfügung leide darüber hinaus auch
an Ermessensfehlern, da entgegen den Ausführungen im Bescheid eine Pflicht zur
Errichtung der Müllverbrennungsanlage nicht bestehe. Zum Auswahlermessen sei
überhaupt nichts ausgeführt, insbesondere dazu, daß nach Fortschreibung des
Abfallwirtschaftskonzeptes die Fachaufsicht einschreiten könnte, wenn es rechtswidrig
sein sollte. Ein präventives Verbot der Fortschreibung verletze jedenfalls die
Planungshoheit der Klägerin. Inwieweit eine negative Signalwirkung mit der Zulassung
des Bürgerbegehrens verbunden sei, sei nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Verfügung der Beklagten vom 29. Februar 1996 aufzuheben.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen: Die Verfügung leide an keinem formellen Mangel, da die Anhörung
des Rates im gestreckten Aufhebungsverfahren erfolgt sei, nämlich nach der
Beanstandung durch den Oberstadtdirektor im Rahmen des Beschlusses des Rates, an
dem beanstandeten Beschluß festzuhalten. Auch sei die Verfügung zu Recht
gegenüber dem Oberbürgermeister bekannt gemacht worden, da der Oberstadtdirektor
wegen der von ihm vorgenommenen Beanstandung aus eigenem Recht an der
Vertretung der Klägerin verhindert gewesen sei. Die Verfügung sei auch materiell
rechtmäßig. Das Bürgerbegehren sei wegen Fristversäumung unzulässig, denn letztlich
verfolge das Bürgerbegehren das Ziel, die Verwirklichung des "Projektbeschlusses"
vom 25. November 1993 zu verhindern, so daß der Schutzgedanke des § 26 Abs. 3 GO
NW einschlägig sei. Bestandsschutz sei gerade bei konzeptionellen Entscheidungen
wichtig, um Fehlinvestitionen zu verhindern. Im übrigen könne gerade aus der Regelung
des § 5 a Landesabfallgesetz, die eine Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes
im Abstand von fünf Jahren vorschreibe, entnommen werden, daß ein Ratsbeschluß
zum Abfallwirtschaftskonzept innerhalb dieser fünf Jahre nicht mit einem
Bürgerbegehren angegriffen werden könne. Die von der Klägerin behauptete
Veränderung in der abfallrechtlichen Sachlage sei nicht eingetreten. Der
Kostendeckungsvorschlag sei schon deshalb unzureichend, weil
Rückabwicklungskosten im Falle der Einstellung des Baus der Müllverbrennungsanlage
nicht unbeachtet bleiben könnten, insbesondere dann, wenn das Ziel des Begehrens
die Verhinderung einer Gebührenexplosion sei. Auch seien für die vorgeschlagenen
Alternativverfahren jedenfalls überschlägige Kostenschätzungen erforderlich gewesen,
wobei diese Alternativverfahren vermutlich sogar kostspieliger seien. Auch liege der
Ausschlußgrund des § 26 Abs. 5 Nr. 5 GO NW vor. Es sei schon fraglich, ob das
Begehren nicht mangels Bestimmtheit unzulässig sei, insbesondere wenn die extrem
offene Inhaltsinterpretation der Klägerin hinsichtlich des Bürgerbegehrens zutreffe.
Jedenfalls werde aber hinreichend deutlich, daß das Begehren auf die Verhinderung
der Müllverbrennungsanlage gerichtet sei, so daß der Ausschlußtatbestand der Nr. 5
des Ausschlußkatalogs eingreife. Insbesondere müßten auch Entscheidungen, die dem
Anlagezulassungsverfahren vorgelagert seien, von dieser Vorschrift erfaßt werden. Das
Ziel des Bürgerbegehrens sei gesetzwidrig, weil ohne Errichtung einer
Müllverbrennungsanlage die 10-jährige Entsorgungssicherheit nicht gewährleistet
werden könne. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden. Aus
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generalpräventiven Gesichtspunkten müsse ein Beschluß, der ein rechtswidriges
Bürgerbegehren für zulässig erachte, aufgehoben werden, damit nicht durch
hinreichend unklar formulierte Bürgerbegehren technische Großvorhaben, die in
Umsetzung von vor längerer Zeit gefaßten Projektbeschlüssen verwirklicht würden,
verhindert würden. Auch müsse sie, die Beklagte, zeigen, daß sie trotz einer Zahl von
mehr als 48.000 Bürgerunterschriften die Kraft zu rechtlich notwendigen
Entscheidungen aufbringe.
Die Beigeladenen haben beantragt,
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die Verfügung der Beklagten vom 29. Februar 1996 aufzuheben.
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Sie haben vorgetragen: Wie sich aus der Entstehungsgeschichte des § 26 GO NW
ergebe, dürfe über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens alleine der Rat, nicht aber
die Aufsichtsbehörde entscheiden. Mit dem Bürgerbegehren werde die auch nach dem
Abfallentsorgungsplan der Beklagten notwendige Fortschreibung des
Abfallwirtschaftskonzeptes betrieben. Es liege daher ein nicht fristgebundenes
initiierendes Bürgerbegehren vor. Der Sache nach träfen die Bewertung biologisch-
mechanischer Verfahren durch die Beklagte und ihre Schätzung des Bedarfs an
Verbrennungskapazität nicht zu. Im Kostendeckungsvorschlag seien
Rückabwicklungskosten nicht einzustellen, da diese nicht bei der Stadt, sondern
allenfalls bei der AVG anfielen. Im übrigen seien im Zeitpunkt des Beginns des
Bürgerbegehrens mögliche Rückabwicklungskosten noch gar nicht erkennbar gewesen.
Die vom Bürgerbegehren angesprochenen Alternativverfahren seien kostengünstiger.
Zu Unrecht werde der Ausschlußtatbestand des § 26 Abs. 5 Nr. 5 GO NW bejaht, da es
um die Fortentwicklung des Abfallwirtschaftskonzeptes und nicht um ein
Genehmigungsverfahren für eine Müllverbrennungsanlage gehe. Da die 10-jährige
Entsorgungssicherheit auch durch alternative Verfahren gewährleistet werde, verfolge
das Bürgerbegehren kein gesetzwidriges Ziel.
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Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
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Dagegen haben die Beigeladenen rechtzeitig Berufung eingelegt. Sie tragen vor: Da sie
in eigenen Rechten unmittelbar betroffen seien, seien sie zur Erhebung der Berufung
befugt. Wenn das erstinstanzliche Urteil Bestand hätte, sei für den Rat eine andere
Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht mehr
möglich. Dadurch würden sie, die Beigeladenen, in ihrem Recht auf Durchführung des
Bürgerentscheids verletzt. Die Verfügung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil ein
Zulässigkeitsbeschluß des Rates nicht der Rechtsaufsicht der Beklagten unterliege.
Eine Anhörung sei auch nach der Beanstandung durch den Oberstadtdirektor
erforderlich gewesen, da die Beanstandung ein selbständiger Verfahrensschritt vor der
Aufhebungsverfügung gewesen sei. Das Bürgerbegehren sei nicht verfristet, da es als
ein initiierendes Bürgerbegehren keiner Frist unterliege. Es sei nicht gegen den
Ratsbeschluß zur Errichtung einer Müllverbrennungsanlage gerichtet, vielmehr sei das
Kernanliegen des Bürgerbegehrens die Begrenzung des Abfallgebührenwachstums.
Gegenstand sei ein weichenstellender Grundsatzbeschluß, der eine Planung einleite
oder eine Planungsstufe abschließe und in Einklang mit den Gesetzen und dem
Abfallentwicklungsplan stehe. Gegenstand sei allein die Weiterentwicklung des
Abfallwirtschaftskonzeptes, dessen mögliche Folge allenfalls ein Verzicht auf die
Müllverbrennung, nicht aber unbedingt auf die konkrete Müllverbrennungsanlage sei.
Eine - möglicherweise kleiner dimensionierte - Müllverbrennungsanlage könne auch
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nach einem veränderten Abfallwirtschaftskonzept im Verbund mit anderen
abfallbeseitigungspflichtigen Körperschaften betrieben werden. Im übrigen wäre selbst
dann, wenn das Bürgerbegehren auf den Verzicht auf die Müllverbrennungsanlage
gerichtet wäre, keine Frist versäumt. Dann wäre es nämlich nicht gegen den Beschluß
zur technischen Anlagenrealisierung, sondern gegen den Ratsbeschluß vom 29. Juni
1995 gerichtet, der mit der Gewährung von Ausfallbürgschaften erst den Baubeginn
ermöglicht habe. Der Kostendeckungsvorschlag sei ausreichend, da
Rückabwicklungskosten schon deshalb nicht in ihm enthalten sein müßten, weil solche
Kosten erst infolge der am 29. Januar 1996 erfolgten Genehmigung anfallen könnten. Im
übrigen sei der Inhalt des Vertrages, aus dem sich mögliche Rückabwicklungskosten
ergeben könnten, den Beigeladenen - wie auch dem Rat - nicht bekannt. Auch sei eine
denkbare Verpflichtung zur Zahlung von Rückabwicklungskosten wegen § 73 Abs. 2
und 3 GO NW a.F. unwirksam. Damit verbleibe es dabei, daß der bloße Hinweis auf
fehlende Mehrkosten für den Deckungsvorschlag ausreiche. Der Ausschlußtatbestand
des § 26 Abs. 5 Nr. 5 GO NW greife nicht ein, da die Fortschreibung des
Abfallwirtschaftskonzeptes nicht unter die dort genannten Verfahren falle. Nicht alle
einem Zulassungsverfahren vorgeschalteten Planungsverfahren könnten als
Gegenstand eines Bürgerbegehrens ausgeschlossen werden, da Sinn und Zweck
dieser Ausnahmevorschrift eine enge Auslegung verlange. Mit dem Bürgerbegehren
werde kein gesetzwidriges Ziel verfolgt, vielmehr werde auch durch die
vorgeschlagenen alternativen Methoden die 10-jährige Entsorgungssicherheit
garantiert. Selbst der Rat der Klägerin habe in verschiedenen Beschlüssen solche
alternativen Methoden erwogen, sei jedoch lediglich durch den Druck der Beklagten zur
Errichtung einer Müllverbrennungsanlage gezwungen worden.
Die Beigeladenen beantragen,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Verfügung der Beklagten vom 29.
Februar 1996 aufzuheben.
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Die Klägerin äußert sich zum Klagebegehren im Berufungsverfahren nicht und stellt
auch keinen Antrag.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie trägt vor: Die Berufung sei mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig, da die
Beigeladenen nicht beschwert seien. Betroffen sei ausschließlich das
kommunalaufsichtsrechtliche Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten, für
die Beigeladenen ergäben sich allenfalls faktische Auswirkungen, insbesondere aber
keine präjudiziellen Wirkungen für einen zukünftigen Prozeß um die
Zulässigkeitsentscheidung des Rates. Die Aufsichtsbehörde könne auch eine
Zulässigkeitsentscheidung des Rates im Rahmen der Rechtsaufsicht aufheben, da es
von der Rechtsaufsicht keine Ausnahmen gebe. Der Sache nach sei das
Bürgerbegehren kassatorisch und somit fristgebunden, da es sich seiner Zielrichtung
nach, wie es von den Bürgern verstanden worden sei, gegen die Errichtung der
Müllverbrennungsanlage wende. Das Ermessen sei richtig ausgeübt worden, da bei
Rechtsverstößen durch Beschlüsse des Rates regelmäßig ein Einschreiten geboten sei.
Jedenfalls würden die Ermessenserwägungen dahingehend ergänzt, daß bei Verzicht
auf ein Einschreiten gegen die Zulässigkeitsentscheidung des Rates die Gefahr einer
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Investitionsgefährdung bestanden hätte. Von einem möglichen Einschreiten gegen
einen erfolgreichen Bürgerentscheid sei wegen rechtlicher Zweifel an der Zulässigkeit
eines solchen Vorgehens zu Recht abgesehen worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der dazu beigezogenen
Unterlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Rubrum ist hinsichtlich der Beigeladenen auf die Vertreter des Bürgerbegehrens
persönlich umzustellen. Beteiligtenfähig auf Seiten "des Bürgerbegehrens" sind allein
die Vertreter gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 GO NW in Person (§ 61 Nr. 1 VwGO), nicht etwa,
wie das Verwaltungsgericht meint, die Gesamtheit der Unterzeichner oder "das
Bürgerbegehren". Wie sich aus dem materiellen Recht ergibt, können der ersteren keine
Rechte zustehen, so daß sie nicht gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähig ist. Aus der
Definition des Bürgerbegehrens in § 26 Abs. 1 GO NW (Antrag der Bürger, daß sie
anstelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst entscheiden) ergibt
sich, daß "das Bürgerbegehren", also ein Antrag, ebenfalls nicht beteiligtenfähig ist.
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Vgl. VGH Hessen, Beschluß vom 16. Juli 1996 - 6 TG 2264/96 -, DVBl. 1997, 1280, für
das hessische Recht; wohl anders für das rheinland- pfälzische Recht OVG Rheinland-
Pfalz, Urteil vom 6. Februar 1996 - 7 A 12861/95 -, NVwZ-RR 1997, 241 f.
30
Vielmehr ergibt sich aus dem durch Art. 3 Nr. 2 Buchst. b) Unterbuchstabe aa) des
Gesetzes vom 20. März 1996 (GV NW S. 124) eingefügten § 26 Abs. 6 Satz 2 GO NW,
der die Widerspruchsbefugnis gegen die Feststellung des Rates, daß das
Bürgerbegehren unzulässig sei, auf die Vertreter des Bürgerbegehrens beschränkt, daß
alle Verfahrensrechte auf Seiten der Unterzeichner des Bürgerbegehrens bei den
Vertretern konzentriert sind. Zwar legt der Begriff des Vertreters in § 26 Abs. 2 Satz 2 GO
NW nahe, daß eine solche Person Rechte nicht im eigenen Namen wahrnimmt (vgl. §
164 Abs. 1 BGB). Angesichts der Beschränkungen der Verfahrensrechte gemäß § 26
Abs. 6 Satz 2 GO NW auf die Vertreter im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 2 GO NW unter
Ausschluß der Unterzeichner ist der Begriff des Vertreters jedoch nicht rechtstechnisch,
sondern materiell in dem Sinne zu verstehen, daß er die Interessen der Unterzeichner
des Bürgerbegehrens vertritt. Seine Rechtsstellung entspricht daher auf der
staatsrechtlichen Ebene der Stellung des Vertrauensmanns bei einem Volksbegehren,
31
vgl. §§ 2 Abs. 2, 5 Abs. 2 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über das Verfahren bei
Volksbegehren und Volksentscheid vom 3. August 1951 (GV NW S. 103, ber. GV NW
1952, S. 95); § 23 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren bei Volksentscheid,
Volksbegehren und Volksbefragung nach Artikel 29 Abs. 6 des Grundgesetzes vom 30.
Juli 1979 (BGBl. I S. 1317).
32
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-
Westfalen ist der Vertrauensmann befugt, im eigenen Namen die
verfassungsgerichtliche Beschwerde gegen die Entscheidung über die Zulässigkeit
eines Volksbegehrens zu erheben.
33
Vgl. VerfGH NW, Urteil vom 18. Dezember 1986 - VerfGH 18/86 -; Beschluß vom 4.
März 1983 - VerfGH 13/82 -; Beschluß vom 26. Juni 1981 - VerfGH 19/80 -; Urteil vom
34
14. März 1975 - VerfGH 8/74 -.
Auch das Bundesverfassungsgericht sieht den Vertrauensmann als
Beschwerdeberechtigten an, der ähnlich einem Prozeßstandschafter die Rechte der
Gesamtheit der Unterzeichner des Volksbegehrenszulassungsantrags im eigenen
Namen geltend macht.
35
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 24. Juni 1997 - 2 BvP 1/94 -, S. 13 f. des amtlichen
Umdrucks; vgl auch Rehn/Cronauge/v. Lennep, GO NW, 2. Aufl., Loseblattsammlung
(Stand: Mai 1997), § 25 Anm. III.3 und § 26 Anm. III, die ebenfalls die Heranziehung der
Vorschriften über den Vertrauensmann bei Volksbegehren befürworten.
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Die Parallele, die die amtliche Begründung bei der Einführung des Bürgerbegehrens,
37
vgl. Landtagsdrucksache 11/4983, S. 8,
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zwischen dem Vertreter nach § 26 Abs. 2 Satz 2 GO NW und dem Vertreter bei
gleichförmigen Eingaben nach § 17 VwVfG NW gezogen hat, trifft also nicht die wahre
Rechtsstellung des Vertreters eines Bürgerbegehrens.
39
Die Berufung ist zulässig.
40
Die Berufung der Beigeladenen bleibt nicht deshalb von vornherein erfolglos, weil sie
nicht hinreichend beschwert wären: In entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO ist für den Erfolg des Rechtsmittels (auch) eines Beigeladenen
erforderlich, daß das eine Anfechtungsklage abweisende Urteil eigene subjektive
Rechte des Beigeladenen verletzt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beigeladene
gegen den streitgegenständlichen Verwaltungsakt Anfechtungsklage hätte erheben
können. Vielmehr reicht es aus, daß in einem Rechtsverhältnis des Beigeladenen zu
einem der Hauptbeteiligten eine Präjudizwirkung durch die mit dem Rechtsmittel
angegriffene Entscheidung eintritt.
41
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 3 C 3.95 -, DVBl. 1997, 1324; Beschluß vom
20. Juni 1995 - 8 B 68.95 -, Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 119, S. 6 (8); Urteil vom 12.
März 1987 - 3 C 2.86 -, BVerwGE 77, 102 (105 f.).
42
Entscheidend ist, ob die Beiladung die Wirkung des angefochtenen Bescheides zu
Lasten des Beigeladenen gesteigert hat.
43
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1981 - 8 C 1 und 2.81 -, BVerwGE 64, 67 (68 f.).
44
So liegt der Fall hier: Wenn das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts in
Rechtskraft erwächst, steht zwischen den Hauptbeteiligten fest, daß die Klägerin durch
die Aufhebung ihres Ratsbeschlusses vom 26. Oktober 1995 nicht in ihren Rechten
verletzt ist, weil die Aufhebungsverfügung rechtmäßig ist. Die materielle
Bindungswirkung der verwaltungsgerichtlich bestätigten Aufhebung des
Ratsbeschlusses würde im Verhältnis der Hauptbeteiligten zueinander die Klägerin
hindern, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens erneut festzustellen, weil zwischen
ihnen feststünde, daß die Zulässigkeitsfeststellung wegen Verfristung des
Bürgerbegehrens rechtswidrig wäre. Diese Bindungswirkung zwischen den
Hauptbeteiligten wird durch die Beiladung auf die Beigeladenen erstreckt (§§ 121 Nr. 1,
45
63 Nr. 3 VwGO), die daher in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit dem Ziel
der Verpflichtung der Klägerin, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festzustellen,
nicht mehr geltend machen könnten, das Bürgerbegehren sei nicht verfristet.
Die Berufung ist der Sache nach unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt keine
Rechte der Beigeladenen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, daß das
Bürgerbegehren unzulässig ist und daher der Klage nicht deshalb stattzugeben war,
weil der aufgehobene Ratsbeschluß rechtmäßig wäre.
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Die aufgeworfenen Fragen, ob Ratsbeschlüsse, die die Zulässigkeit eines
Bürgerbegehrens feststellen, überhaupt der Kommunalaufsicht unterliegen und ob von
einer Anhörung des Rates vor der Aufhebung seines Beschlusses hat abgesehen
werden können, bedürfen im vorliegenden Verfahren ebensowenig einer Entscheidung
wie die erstinstanzlich aufgeworfene Frage, ob das Ermessen hinsichtlich des
kommunalaufsichtlichen Einschreitens rechtfehlerfrei ausgeübt wurde.
47
Die Berufung der Beigeladenen mit ihrem Antrag, unter Änderung des angefochtenen
Urteils entsprechend dem von der Klägerin gestellten Klageantrag die Verfügung der
Beklagten aufzuheben, hat nämlich nur dann Erfolg, wenn das die Anfechtungsklage
abweisende Urteil eigene subjektive Rechte der Beigeladenen verletzt. Das ist nicht der
Fall, wenn das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts eine der vorbenannten
Fragen zu Unrecht bejaht hat. In diesem Falle wäre nämlich allein das
Selbstverwaltungsrecht der Klägerin, nicht aber ein Recht der Beigeladenen verletzt
worden. Rechte der Beigeladenen würden allein dann durch das angefochtene Urteil
verletzt, wenn das Urteil zu Unrecht angenommen hätte, daß das Bürgerbegehren
unzulässig ist. In diesem Falle würde nämlich der Anspruch der Beigeladenen aus § 26
Abs. 6 Satz 1 GO NW darauf, daß der Rat die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens
feststellt, verletzt. Die von den Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat geäußerte Auffassung, sie könnten sich ebenso wie die Klägerin darauf berufen,
daß die angefochtene Aufsichtsmaßnahme die Klägerin in ihrem kommunalen
Selbstverwaltungsrecht verletze, trifft nicht zu. Die Beigeladenen können in diesem
Verfahren nicht mehr Rechte geltend machen, als sie in einem Rechtsstreit hätten, der
unmittelbar um die Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens geführt würde.
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Das angefochtene Urteil verletzt keine Rechte der Beigeladenen. Das
Verwaltungsgericht hat zutreffend von einer Aufhebung der kommunalaufsichtlichen
Verfügung der Beklagten deshalb abgesehen, weil der dadurch aufgehobene
Ratsbeschluß der Klägerin geltendes Recht verletzte [vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 GO NW
in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 1984 (GV NW S. 475) mit den
Änderungen bis zum Gesetz vom 3. April 1992 (GV NW S. 124), - GO NW a.F. -,
anwendbar gemäß Art. VII Abs. 4, IX des Gesetzes zur Änderung der
Kommunalverfassung vom 17. Mai 1994 (GV NW S. 270)]. Die Feststellung des Rates,
daß das Bürgerbegehren zulässig ist, war nämlich rechtswidrig, weil das
Bürgerbegehren unzulässig ist.
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Dies ergibt sich aus § 26 Abs. 1 GO NW, wonach die Bürger beantragen können, daß
sie anstelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde selbst entscheiden. Mit
dem hier streitigen Bürgerbegehren wird nicht beantragt, daß die Bürger selbst anstelle
des Rates entscheiden. Es ist deshalb unzulässig.
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Der Text des Bürgerbegehrens, der für die Frage, was entschieden werden soll,
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maßgebend ist, fragt: "Soll die Stadt L. ihr Abfallwirtschaftskonzept dadurch
weiterentwickeln, daß" bestimmte Verfahren "eingeführt und damit die Müllverbrennung
sowie drastisch steigende Müllgebühren überflüssig werden?" Wird diese Frage im
Falle eines Bürgerentscheids bejaht, so hätte dies die Wirkung eines Ratsbeschlusses,
nach dem "die Stadt L. ihr Abfallwirtschaftskonzept" in der genannten Weise
"weiterentwickeln" soll.
Ein solcher Bürgerentscheid wäre unzulässig, weil durch ihn nicht an Stelle des Rates
entschieden würde. Zwar fällt die Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzepts gemäß
§ 5 a LAbfG in kreisfreien Städten in die (All-)Zuständigkeit des Rates. Inhaltlich wäre
ein solcher Bürgerentscheid jedoch keine Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzepts,
sondern er würde lediglich dem Rat für die noch von ihm zu treffende Entscheidung über
die Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzepts bestimmte Bindungen auferlegen. Es
würde damit nicht eine Entscheidung anstelle des Rates getroffen, sondern nur die noch
zu treffende Entscheidung des Rates vorgeprägt. Mit einem Bürgerentscheid wird
jedoch nicht bezweckt, daß die Bürger dem Rat Vorgaben für eine von ihm noch zu
treffende Entscheidung machen, sondern allein, daß die Bürger die eigentlich vom Rat
zu treffende, abschließende Entscheidung an dessen Stelle selbst treffen.
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Offenbleiben kann damit, ob das Bürgerbegehren, wenn es auf eine Entscheidung
anstelle des Rates angelegt wäre, deshalb unzulässig wäre, weil die gemeindliche
Angelegenheit "Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzepts" nicht durch Herauslösen
einzelner unselbständiger Teile bloßen Teilentscheidungen durch einen
Bürgerentscheid zugeführt werden darf.
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Ist somit das Bürgerbegehren mangels eines bürgerbegehrensfähigen Antrags nach §
26 Abs. 1 GO NW unzulässig, haben die Beigeladenen keinen Anspruch gemäß § 26
Abs. 6 Satz 1 GO NW, daß der Rat feststellt, daß das Bürgerbegehren zulässig ist, so
daß das die Aufhebung des Ratsbeschlusses bestätigende Urteil des
Verwaltungsgerichts Rechte der Beigeladenen nicht verletzt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht vorliegen.
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