Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.11.2005

OVG NRW: treu und glauben, kündigung, obliegenheit, abfindung, abweisung, zustellung, vorsorge, arbeitsgericht, anfang, ermessensausübung

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 835/03
Datum:
18.11.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 835/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 10 K 510/00
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 174.756,58 EUR (=
341.794,17 DM) festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der auf die Abweisung des Hilfsantrags beschränkte Zulassungsantrag hat unter
keinem der geltend gemachten Gesichtspunkte Erfolg.
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1. Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der
angefochtenen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Mit ihrer Argumentation vermag die Klägerin namentlich nicht die für die Abweisung des
Hilfsantrags grundlegende Annahme des Verwaltungsgerichts zu erschüttern, die
Beklagte habe die Klägerin so frühzeitig auf eine bevorstehende Einstellung der
Förderung hingewiesen, dass es - in einer den Vertrauensschutz in eine Übernahme der
Abwicklungskosten ausschließenden Weise - in die Risikosphäre der Klägerin fällt,
wenn es ihr nicht gelungen sein sollte, sich vollständig rechtzeitig von langfristigen
Verbindlichkeiten zu befreien bzw. alle bei ihr bestehenden Arbeitsverträge fristgemäß
aufzukündigen. Die Klägerin durfte nicht erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung des
förmlichen Bescheides vom 17. Dezember 1999 über die Einstellung der institutionellen
Förderung nicht mehr darauf vertrauen, ihren Stiftungsbetrieb über das Jahr 1999 hinaus
ungeschmälert fortsetzen zu können. Vielmehr gab - ungeachtet seiner fehlenden
Verwaltungsaktsqualität - bereits das Schreiben der Beklagten vom 5. Januar 1999 der
Klägerin hinreichend Anlass, sich auf eine voraussichtliche Einstellung der Förderung
ab dem Jahre 2000 einzustellen. Mit Schreiben vom 2. März und 9. Juni 1999 ist die
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Klägerin nochmals ausdrücklich gebeten worden, sich darauf einzustellen, dass die
institutionelle Förderung voraussichtlich ab dem Jahre 2000 eingestellt werde;
Förderungsmittel zur Abwicklung der bestehenden Verträge könnten nur bis zum 30.
Juni 2000 in Aussicht gestellt werden. Die Beklagte empfahl, alle bestehenden
vertraglichen Verpflichtungen der Stiftung - sofern erforderlich - vorsorglich bereits zum
31. Dezember 1999 zu kündigen, wobei die Kündigung der Arbeitsverträge mit der
Option einer eventuellen Weiterbeschäftigung bis zum 30. Juni 2000 erfolgen könne. Im
Zuwendungsbescheid vom 23. Juli 1999 wird zudem darauf hingewiesen, dass im Zuge
der Aufstellung des Bundeshaushaltes 2000 die im Stellenplan der Kulturstiftung der
deutschen Vertriebenen ausgewiesenen Stellen "kw" (als künftig wegfallend) gestellt
worden sind, d. h. sie nach dem 30. Juni 2000 nicht mehr zur Verfügung stehen.
Ernsthafte Anhaltspunkte dafür, die Klägerin habe die Obliegenheit, für den Fall einer
voraussichtlichen Einstellung der Förderung nach § 96 BVFG vorzusorgen, nach
rechtstaatlichen Maßstäben erst mit einer verbind-lichen Verhaltensanordnung in Form
eines Bescheides treffen können, sind dem-gegenüber mit der Zulassungsbegründung
weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Die Obliegenheit, zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile Vorsorge zu treffen, entfiel
gleichermaßen nicht deswegen, weil die Klägerin sich Hoffnung machte, die
Neugestaltung des Förderungskonzeptes und die damit einhergehende Einstellung
ihrer konzeptionellen Förderung nach § 96 BVFG ab dem Jahre 2000 abwenden zu
kön-nen. Es ist deshalb ohne Belang, welche Auffassung die damalige Vorsitzende des
Kulturausschusses des Deutschen Bundestages, Frau Dr. Elke Leonhard (SPD), und
der frühere Bundeskanzler Dr. Kohl (CDU) zu der Fortsetzung einer institutionellen
Förderung der Klägerin gehabt haben. Ebenso wenig entband es die Klägerin von einer
die Möglichkeit der Einstellung der institutionellen Förderung einbeziehenden
Zukunftsplanung, dass der Kulturausschuss des Deutschen Bundestages - nach am 27.
Oktober 1999 erfolgter Sachverständigenanhörung - eine Überprüfung der von der
Beklagten vorgesehenen strukturellen und inhaltlichen Neuordnung der Förde-rung zu §
96 BVFG einforderte, in deren Rahmen eine Überführung von Kernauf-gaben der
Klägerin auf eine neu zu errichtende zentrale Organisation vorgesehen war.
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Dass die vorsorgliche Kündigung von solchen Arbeitsverträgen, die nicht auch
kurzfristig ohne Folgeschäden beendet werden konnten, und von anderen langfristigen
Vertragsverhältnissen bereits eine - nicht rückgängig zu machende und deshalb
möglicherweise in einem Stadium der Unsicherheit nicht zumutbare - Demontage der
eigenen Strukturen bedeutet hätte, ist angesichts der in den Schreiben der Beklagten an
die Klägerin vorgeschlagenen Optionen für eine Vertragsverlängerung gleichfalls nicht
hinreichend substantiiert dargelegt worden. Keine Rechtfertigung stellt es jedenfalls dar,
wenn durch das Aufrechterhalten hoher Verbindlichkeiten über das Jahr 1999 hinaus
seitens der Klägerin Einfluss auf die endgültige Entscheidung über ihre Rolle im
zukünftigen Förderungskonzept hat genommen werden sollen.
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Hat die Beklagte die Klägerin nach alledem schon seit Januar 1999 nicht in einer Weise
über die beabsichtigte Einstellung der Förderung im Unklaren gelassen, die ein
Untätigbleiben - unter dem Gesichtspunkt der aus dem Förderverhältnis folgenden
Treuepflichten - legitimieren könnte, gehen die - an eine Handlungspflicht der Klägerin
erst ab Zustellung des Bescheids vom 17. Dezember 1999 am 21. Dezember 1999
anknüpfenden - Ausführungen der Zulassungsschrift zur Berücksichtigung des
Zeitbedarfs für eine Abwicklung der Arbeitsverhältnisse bei der Ermessensausübung
durch die Beklagte von vornherein ins Leere. Dass die erst zum 30. September 2000
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ausgelaufenen - schon seit längerer Zeit bestehenden - Dienstverträge angesichts ihrer
längeren Kündigungsfristen bei einer frühzeitigeren Kündigung trotzdem nicht gleichfalls
bis spätestens zum 30. Juni 2000 hätten beendet werden können, wird nicht behauptet.
Da das Arbeitsverhältnis der Frau Dr. T. entgegen den Hinweisen der Beklagten nicht
so rechtzeitig - nämlich bereits Anfang 1999 - gekündigt worden ist, dass eine ihr
arbeitsrechtlich zustehende Abfindung bereits in die Prüfung des zuschussfähigen
Aufwandes für die Bewilligung einer Bundeszuwendung für den Abwicklungszeitraum
vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2000 (725.000 DM mit Bescheid vom 31. Januar 2000)
als Personalausgabe hätte einbezogen werden können, ist die Klägerin schon insoweit
der Zuordnung der am 25. Oktober 2000 vor dem Arbeitsgericht eingegan-genen
Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung über 45.000 DM zu ihrem eigenen
Risikobereich nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten. Ungeachtet dessen
vermag der Senat auch keine Ermessensfehler in der mit der Antragserwiderung
vertiefend wiedergegebenen Auffassung der Beklagten zu sehen, dass sie angesichts
einer immer nur für ein Jahr bewilligten Förderung, auf deren Fortsetzung kein
gesicherter Rechtsanspruch besteht, ohnehin keine ausgleichswürdige
Mitverantwortung für solche Verbindlichkeiten trifft, die der Förderungsnehmer mit
Wirkung über das Haushalts- und Förderungsjahr hinaus begründet und die nicht
zwingend mit der Verwendung der Mittel zu dem vorgegebenen Zweck einhergehen.
Dass das Entstehen von Abfindungsansprüchen bei der Beschäftigung der - für die
Verfolgung der Zweckbestimmung der jährlichen Zuwendungen erforderlichen - Be-
schäftigten unvermeidbar war, hat die Klägerin auch für den konkreten Fall nicht
nachvollziebar dargetan; die bloße Zweckmäßigkeit einer personellen Kontinuität reicht
insoweit nicht aus. Die Klägerin konnte sich nicht darauf verlassen, dass die Beklagte
für außerhalb des Förderungszeitraums und - zwecks liegende Verbindlich-keiten
einstehen würde, sondern hätte insoweit - etwa durch Bildung von Rücklagen, die
gegebenenfalls ihrerseits hätten gefördert werden können - vorsorgen müssen. Es ist
nicht schützenswert, wenn sich ein Förderungsnehmer über die Grenzen der jährlichen
Förderung hinweg von Zuwendungen des Förderungsgebers abhängig macht.
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Aus den vorstehenden Erwägungen zu den Grenzen der Förderung folgt konsequen-
terweise, dass auch der Zustimmungsbescheid der Beklagten vom 10. April 1991 zu
dem im März des gleichen Jahres abgeschlossenen Mietvertrag keine Vertrauensba-sis
für die Bezuschussung der Mietkosten über das jeweilige Förderungsjahr hinaus
abzugeben vermag. Der Bescheid verhält sich mit keinem Wort zur Vertragsdauer und
lässt nicht einmal erkennen, ob diese der Beklagten seinerzeit überhaupt schon bekannt
war. Es war auch insoweit Sache der Klägerin, für den Fall einer Einstellung der
Förderung nach § 96 BVFG noch vor Ablauf des fest auf 10 Jahre abgeschlosse-nen
Mietvertrages finanzielle Vorsorge zu treffen oder bei der Mietvertragsgestaltung für eine
Parallelität zwischen Laufzeit und Förderungszeit zu sorgen. Es liegt im Ver-
antwortungsbereich der Klägerin, wenn sie wegen der Mietkosten auf Grund einer
Änderung des Förderungskonzepts zu ihren Lasten noch bis zum 30. April 2001 auf
Förderung der Beklagten angewiesen gewesen sein sollte, und konnte deshalb nicht
"kraft des Faktischen" Veranlassung zur Kostenübernahme geben. Abgesehen da-von
ist nicht hinreichend dargelegt, dass die Vermieter nicht jedenfalls dann zu einer
vertraglichen Abkürzung der Mietzeit bereit gewesen wären, wenn man ihnen die - im
Schriftwechsel der Klägerin mit der Beklagten immer wieder beschworene -
Konkursgefahr vor Augen geführt hätte. Es fehlen auch jegliche Ausführungen dazu,
inwieweit die Räumlichkeiten für die verbleibende Mietzeit kostenneutral oder jedenfalls
-senkend untervermietet hätten werden können.
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Was die übrigen - in den geltend gemachten Abwicklungsaufwand von 336.794,17 DM
laut Antragsschreiben vom 24. Mai 2000 eingeflossenen - Kosten aus Mietverträgen mit
der Telefongesellschaft und der Kopierfirma anbelangt, sind weder dem Vortrag im
Verwaltungs- und erstinstanzlichen Klageverfahren noch der Zulassungsbegründung
Ausführungen dazu zu entnehmen, dass eine rechtzeitige Kündigung rechtlich oder
tatsächlich nicht möglich gewesen sein soll.
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2. Ist die Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses aus den vorstehenden Gründen
mithin nicht ernstlich zweifelhaft, weist die Rechtssache auch keine besonderen tat-
sächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
Auf die politische Auseinandersetzung über die Neuordnung der institutionellen
Förderung der überregionalen Kultureinrichtungen der Vertriebenenverbände kommt es
nicht an. Auch der Stellenwert der Klägerin und ihre Ersetzbarkeit bei der Erfül-lung von
Kernaufgaben im Rahmen des Kulturbetriebs der Vertriebenenverbände steht im
vorliegenden Verfahren nicht zur Diskussion.
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3. Der Rechtssache kommt auch nicht die grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2
Nr. 3 VwGO zu, die ihr die Klägerin beimisst. Es ist eine der generellen Beantwortung
nicht zugängliche Frage des Einzelfalles, ob die Beklagte nach langjähriger Förderung
nunmehr unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens von Treu und Glauben (§ 242
BGB) verpflichtet oder zumindest berechtigt wäre, bei Einstellung der institutionellen
Förderung die Abwicklungskosten als nachwirkende Zuwendungen aus im voraus
eingegangenen Verpflichtungen zu übernehmen, und in welcher Weise dann der
Beklagten die Ausübung ihres Ermessens auferlegt ist. Auch die Frage, welche
rechtlichen Folgewirkungen der Zustimmung der Beklagten zum Eingehen des
zehnjährigen Mietvertrags zukommen und welche Einschränkungen und Auflagen sie
bei einer solchen Zustimmung gegebenenfalls zu machen hat, stellt sich - will man nicht
Auskunft zu einer abstrakten Rechtsfrage geben - lediglich in einer bestimmten
konkreten Situation. Dass der Neuordnung der Wahrnehmung von Aufgaben zu § 96
BVFG und dem darauf zugeschnittenen geänderten Förderungskon-zept für das
vorliegende Verfahren Entscheidungserheblichkeit zukommt, ist weder substantiiert
vorgetragen worden noch sonstwie erkennbar. Das Berufungsverfahren kann nicht dazu
benutzt werden, die politische Diskussion darüber, wie der Gesetzesauftrag aus § 96
BVFG zu erfüllen ist und welcher Stellenwert dabei der Klägerin zukommt, auf
juristischer Ebene fortzuführen.
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4. Die Berufung kann auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen einer
Abweichung zugelassen werden.
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Bei dem Urteil des OVG Lüneburg vom 23. Oktober 1968 - V A 25/68 -, OVGE 25, 331,
handelt es sich schon nicht um eine divergenzfähige Entscheidung, weil das
Oberverwaltungsgericht Lüneburg dem Verwaltungsgericht Köln im Instanzenzug nicht
übergeordnet ist.
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Im Übrigen - d.h. was die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.
September 1969 - VII B 2.69 - (Buchholz 412.3 Nr. 1 zu § 96 BVFG), vom 8. April 1997 -
3 C 6.95 - (NVwZ 1998, 273) und vom 22. September 1967
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- VII C 71.66 - (BVerwGE 27, 360) betrifft - ist eine die Berufung eröffnende Di- vergenz
nicht dargelegt. Eine solche Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn der
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Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entschei- dung
tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt,
mit dem die Vorinstanz einem in der übergeordneten Rechtsprechung auf- gestellten
entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat.
Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997
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- 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328 m. w. N..
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Diesen Anforderungen genügt die Antragsschrift nicht. Eine Divergenz liegt nicht schon
dann vor, wenn - wie die Klägerin sinngemäß behauptet - in der angefoch- tenen
Entscheidung ein in der übergeordneten Rechtsprechung aufgestellter Grundsatz
lediglich übersehen, übergangen oder sonstwie nicht richtig angewandt worden ist.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Januar 1995
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- 1 BvR 320/94 -, NJW 1996, 45; BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B
261.97 -, a.a.O., vom 17. Februar 1997 - 4 B 16.97 -,
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NVwZ-RR 1997, 512 (513), und vom 10. Juli 1995
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- 9 B 18.95 -, InfAuslR 1996, 29 (30).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwertes folgt gem. § 72 Nr. 1 GKG aus den §§ 13 Abs. 2 und 14 Abs. 1 und 3 GKG
a.F..
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 72 Nr. 1 GKG i. V. m. § 25
Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).
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Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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