Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.01.2004

OVG NRW: gemeinde, anbau, satzung, beleuchtungsanlage, unterhaltung, breite, zustand, verkehr, begriff, erstmaliger

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 B 1439/03
Datum:
20.01.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 B 1439/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 7 L 31/03
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.755,45 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf
Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt. Dem Antrag ist nicht aus
den allein maßgeblichen im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4
Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) stattzugeben. Die für die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs erforderlichen ernstlichen Zweifel an
der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes entsprechend § 80 Abs. 4 Satz
3 VwGO liegen nicht vor. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der
Beitragsbescheid im Hauptsacheverfahren aus den in der Beschwerdebegründung
genannten Gründen aufgehoben wird.
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Der vom Antragsteller geltend gemachte Umstand, eine erstmalige Herstellung der
Straße habe bislang nicht stattgefunden, weil die C. straße im Außenbereich verlaufe,
führt nicht überwiegend wahrscheinlich zur Aufhebung des angegriffenen Bescheides.
Richtig ist zwar, dass gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes (KAG
NRW) bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen vorrangig das
Baugesetzbuch anzuwenden ist und damit, soweit eine erstmalige Herstellung in Rede
steht, das Erschließungsbeitragsrecht nach dem § 127 ff. des Baugesetzbuches
(BauGB) anwendbar ist. Danach setzt der Begriff einer Erschließungsanlage hier
gemäß § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB voraus, dass es sich um eine öffentliche zum Anbau
bestimmte Straße handelt. Zum Anbau bestimmt ist die C. straße , deren anliegende
Flächen nicht überplant sind, gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur, wenn die
erschlossenen Flächen innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen.
Nach dem eingereichten Kartenmaterial erscheint es jedoch überwiegend
wahrscheinlich, dass die Bebauung der C. straße , die sich vor allem südlich der Straße
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und an den auf die C. straße mündenden Straßen P. -I. -Straße und B. -C. -Straße
erstreckt, innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt. Damit dürfte die
C. straße als im Wesentlichen einseitig anbaubare Straße einzustufen sein und kann
daher den Charakter einer Erschließungsanlage tragen. Die Beurteilung des Gebietes
im Einzelnen muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Es ist weiter wahrscheinlich, dass die C. straße vor dem hier in Rede stehenden Ausbau
1998/1999 bereits endgültig hergestellt war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die
Frage der endgültigen Herstellung nicht alleine nach den vor Inkrafttreten des
Bundesbaugesetzes geltenden Rechtsvorschriften, hier dem Ortsstatut betreffend die
Anlegung, Veränderung und Bebauung von Straßen und Plätzen in der Gemeinde X.
vom 21. Februar 1908 und der Polizeiverordnung für die Gemeinde X. vom gleichen
Tage, richtet. Vielmehr beurteilt sich die Frage, erstmaliger endgültiger Herstellung nach
der Fertigstellung der einzelnen Teileinrichtungen. Eine einmal endgültig hergestellte
Teileinrichtung kann durch Änderungen vor der endgültigen Herstellung der
Erschließungsanlage in ihrer Gesamtheit nicht wieder in den Zustand der Unfertigkeit
versetzt werden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 1968 - IV C 82.67 -, BVerwGE 31, 90 (92 f.);
Urteil vom 22. Januar 1971 - IV C 60.69 -, BVerwGE 37, 99 (100); Driehaus,
Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl., § 2 Rn. 31.
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Danach dürften die Teileinrichtungen Fahrbahn und Entwässerungsanlage bereits unter
Geltung des Ortsstatuts entgültig hergestellt worden sein. Zwar enthält das Ortsstatut
selbst keine Fertigstellungsmerkmale, jedoch verweist es in § 2 Satz 2 auf die
Fertigstellungsmerkmale einer polizeilichen Bestimmung, hier die Polizeiverordnung
vom 21. Januar 1908.
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Vgl. zur Bedeutung einer Verweisung des Ortsstatuts auf baupolizeiliche Bestimmungen
Arndt, Die "vorhandenen Erschließungsanlagen" i.S.v. § 180 Abs. 2 BBauG, KStZ 1984,
121 (122).
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Demnach kommt es nicht darauf an, dass § 3 der Polizeiverordnung die Begrenzung
einer zum Anbau bestimmten Straße durch zwei vorhandene öffentliche Straßen fordert.
Dies wäre lediglich erforderlich, um bereits die Fertigstellung der Anlage insgesamt
nach altem Recht feststellen zu können. Soweit § 2 der Polizeiverordnung eine Breite
der Bürgersteige von 2,5 m fordert, sind diese im vorliegenden Fall nicht unter Geltung
des Ortsstatuts geschaffen worden. Jedoch ist es nach dem vorliegenden Bildmaterial
überwiegend wahrscheinlich, dass hinsichtlich des einseitigen Gehweges die
Herstellungsmerkmale des § 7 Abs. 2 der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde
X. vom 15. Juni 1961 erfüllt sind, die eine Mindestbreite wie das Ortsstatut nicht vorsah.
Gleiches gilt nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung für die 1968/1969 installierte
Beleuchtungsanlage.
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Da somit für die Frage der endgültigen Herstellung einzelner Teileinrichtungen
unterschiedliche Rechtsvorschriften anzuwenden sind, kommt es nicht auf die von der
Beschwerde problematisierte Frage an, ob von einer Ausnahmegenehmigung nach § 6
der Polizeiverordnung von der vorgeschriebenen Gehwegbreite ausgegangen werden
kann, wie es das Verwaltungsgericht getan hat. Ebenso ist unerheblich, dass der
Beschluss des Gemeinderats der Gemeinde X. vom 17. März 1960 indiziert, dass eine
Beleuchtung zum damaligen Zeitpunkt nur teilweise vorhanden und damit noch nicht
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endgültig hergestellt war. Aus dem gleichen Grunde spielen die Frage der Übernahme
der seinerzeitigen V. straße durch die Gemeinde X. , die Regelung der Unterhaltung und
die lange Beibehaltung des ursprünglichen Zustandes für die Frage der endgültigen
Herstellung einzelner Teileinrichtungen keine Rolle.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den
Streitwert ergibt sich aus §§ 14 Abs. 1, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 des
Gerichtskostengesetzes.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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