Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.04.2001

OVG NRW: stadt, gesetzliche formvorschrift, abfallentsorgung, verordnung, abschlag, geschäftsbericht, volumen, eigentümer, marktpreis, körperschaft

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 1795/99
Datum:
05.04.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 A 1795/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 14 K 7217/96 - (= NWVBl. 2000,73)
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks K.
straße 96 in B. . Das Grundstück ist an die Abfallentsorgungsanstalt der Stadt B.
angeschlossen.
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Der im Stadtgebiet B. eingesammelte Haus- und Sperrmüll wurde und wird in der
Müllverwertungsanlage B. (MVA B. ) entsorgt. Betreiber der MVA B. ist die MVA B.
GmbH, ein bis 1999 im alleinigen Eigentum der Stadt B. stehendes Unternehmen. Die
MVA B. GmbH übernimmt die von der Stadt B. eingesammelten Abfälle auf Grund eines
zwischen ihr und der Stadt abgeschlossenen Entsorgungsvertrages vom 1. Juli 1996,
durch den die bis dahin mündlich bzw. in anderem Zusammenhang zwischen den
Parteien hierüber getroffenen Vereinbarungen schriftlich fixiert wurden. Nach den
Bestimmungen dieses Vertrages ist die MVA B. GmbH zur Festsetzung des
Verbrennungspreises gegenüber der Stadt B. jeweils zum 31. Oktober eines Jahres für
das folgende Jahr berechtigt. Für ihre Preisfestsetzung sind nach dem Vertrag die
Regelungen über die Preise bei öffentlichen Aufträgen, insbesondere die Verordnung
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PR 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen in der jeweils gültigen Fassung
maßgebend. Für 1996 hatte die MVA B. GmbH auf Grund einer von ihr vorgenommenen
Kostenkalkulation den von der Stadt B. auch ihrer Gebührenbedarfsberechnung
zugrundegelegten Verbrennungspreis einschließlich Umsatzsteuer auf 408,25 DM/t
festgelegt.
Mit Abgabenbescheid vom 22. Januar 1996 setzte die Beklagte
Abfallentsorgungsgebühren für das Jahr 1996 in Höhe von 361,61 DM fest. Hierbei legte
sie eine bei dem Kläger aufgestellte 120 l Restmülltonne bei 14-täglicher Abfuhr
zugrunde.
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Mit seinem Widerspruch machte der Kläger im Wesentlichen geltend: Die durch die
Verbrennung von Abfällen aus dem Stadtgebiet B. in der MVA B. entstehenden Kosten
seien nicht in vollem Umfang bei der Gebührenbedarfsberechnung ansetzbar, weil die
Anlage über erhebliche Überkapazitäten verfüge. Die hierdurch entstehenden so
genannten "Leerkosten" seien nach den gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG maßgeblichen
betriebswirtschaftlichen Grundsätzen keine auf die Gebührenzahler umzulegenden
Kosten.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung führte sie aus: Die Kapazität der MVA sei nach der im Jahre 1982
prognostizierten voraussichtlichen Abfallmengenentwicklung bemessen worden. Die
Plausibilität dieser Kapazitätsplanung im Rahmen des durchgeführten
Planfeststellungsverfahrens sei in einem gerichtlichen Verfahren überprüft worden. Die
inzwischen eingetretene Abfallmengenreduzierung durch die Einführung des Dualen
Systems und die seit kurzem durchgeführte getrennte Sammlung und Verwertung von
Bio-Abfall sei nicht voraussehbar gewesen. Ungeachtet dessen sei aber auch für 1996
von einer Auslastung der Anlage zu 92 % auszugehen, so dass von einer Überkapazität
keine Rede sein könne. Die zur Verbrennung städtischen Abfalls nicht benötigte
Kapazität werde 1996 aus einem Lieferkontingent des Kreises E. durch die Rhein- Sieg-
Abfallwirtschaftsgesellschaft (RSAG) mit 30.000 t ausgelastet.
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Mit der rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger in Ergänzung und Vertiefung seiner
bisherigen Ausführungen vorgetragen: Die MVA sei mit einer zulässigen
Abfalldurchsatzmenge von 210.000 t pro Jahr von vornherein auf Vorrat ausgebaut
worden. Unter Berücksichtigung der vorhandenen dritten Verfahrenskette betrage die
Gesamtkapazität der Anlage sogar 262.800 t pro Jahr, so dass die Auslastung 1996
weniger als 63 % betrage. Es sei problematisch, dass für die Kosten der Bio-
Müllentsorgung keine gesonderte Gebühr erhoben werde und Eigenkompostierer
lediglich einen Abschlag von 10 % erhielten.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 1996 i.d.F. des Widerspruchsbescheides
vom 9. Juli 1996 aufzuheben, soweit darin die Abfallentsorgungsgebühren für das
Kalenderjahr 1996 festgesetzt sind.
9
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, die Kapazitätsberechnungen des Klägers seien
fehlerhaft. Die dritte Verfahrenskette dürfe nach dem bestehenden
Planfeststellungsbeschluss nicht gleichzeitig mit den anderen Verfahrensketten
eingesetzt werden. Dennoch sei der Bau der dritten Verfahrenskette notwendig
gewesen, um die Entsorgungssicherheit in B. zu gewährleisten. Der von der MVA B.
GmbH geforderte Verbrennungspreis für 1996 entspreche im Ergebnis dem öffentlichen
Preisrecht. Eine Nachkalkulation unter Zugrundelegung der Leitsätze für die
Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP) und des Betriebsergebnisses der
MVA B. GmbH habe ergeben, dass der Verbrennungspreis sogar auf 362,00 DM/t netto
(statt - wie geschehen - auf 355,00 DM/t netto) hätte angehoben werden müssen.
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Der gewählte Einheitsgebührenmaßstab, d.h. das Absehen von einer gesonderten
Gebühr für die Entsorgung des Bio-Abfalls, diene dazu, Anreize zur Vermeidung und
Verwertung von Abfällen zu schaffen. Wer sich freiwillig an der angebotenen
Bioabfallabfuhr beteilige, benötige weniger Restmüllgefäßvolumen. Nach dem Stand
von Ende 1998 hätten sich 26.962 Eigentümer von insgesamt 52.560 Objekten im
Stadtgebiet an der Bioabfallentsorgung mittels Biotonne freiwillig beteiligt. Die Anzahl
derjenigen Eigentümer, die 1996 den Eigenkompostierernachlass in Anspruch
genommen hätten, betrage 1.295.
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Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen
wird, hat das Verwaltungsgericht der Klage mit der Begründung stattgegeben, der im
Gebührentarif zur Gebührenordnung über die Abfallentsorgung festgesetzte
Gebührensatz sei nichtig, weil er auf einer falschen Gebührenbedarfsberechnung
beruhe. Der veranschlagte Gebührenbedarf übersteige die Kosten der Einrichtung um
mehr als 3 %. Dies beruhe darauf, dass die Stadt B. einen überhöhten Selbstkostenpreis
der MVA B. GmbH akzeptiert habe, obwohl die geschuldete Abfallentsorgung eine
marktgängige Leistung i.S.v. § 4 Abs. 1 der Verordnung PR-Nr. 30/53 sei. Der
Marktpreis habe 1996 bei höchstens 300,00 DM/t zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer
gelegen.
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Mit der zugelassenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Rechtsauffassung
des Verwaltungsgerichts, für die vereinbarte Leistung, die in der Entsorgung des
gesamten Abfalls der Stadt B. in einer Müllverbrennungsanlage bestehe, gebe es einen
Marktpreisvorrang nach § 1 Abs. 1 VO PR- Nr. 30/53. Einen solchen Marktpreis habe es
weder bei Abschluss des Vertrages im Jahre 1991 noch bei seiner Kodifizierung im
Jahre 1996 gegeben.
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Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
19
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, für die Beurteilung der Frage,
ob es Marktpreise gebe, sei auf die Verhältnisse im Jahre 1996 abzustellen. Die
mündlichen Vereinbarungen aus dem Jahre 1991 seien schon wegen Formmangels
unwirksam. Im Hinblick auf die bestehende Konkurrenz zwischen Deponiebetreibern
und Betreibern von Verbrennungsanlagen seien im Jahre 1996 die Marktpreise nach
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Unten gegangen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und des Sachverhalts im Einzelnen wird
auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der
Beklagten und der eingereichten Unterlagen sowie der Abfallentsorgungspläne 1992
und 1996 für den Regierungsbezirk K. ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
22
Die zulässige Berufung ist begründet.
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Die Klage ist abzuweisen. Der angefochtene Gebührenbescheid ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu Gebühren für die
Inanspruchnahme der seitens der Stadt B. gemäß §§ 1 und 2 der Satzung über die
Entsorgung von Abfällen in der Bundesstadt B. vom 2. September 1987 i.d.F. der 6.
Änderungssatzung vom 22. Dezember 1995 (Abfallentsorgungssatzung 1996) als
öffentliche Einrichtung betriebenen Abfallentsorgung sind gemäß § 34
Abfallentsorgungssatzung 1996 die §§ 1 bis 3, 5 der Gebührenordnung über die
Abfallentsorgung in der Bundesstadt B. vom 2. September 1987 i.d.F. der 13.
Änderungssatzung vom 22. Dezember 1995 (Gebührenordnung 1996) i.V.m. dem
zugehörigen Gebührentarif. Die genannten Bestimmungen sind formell gültiges
Satzungsrecht und auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.
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1. Dies gilt zunächst für die in § 3 Gebührenordnung 1996 und Nr. 1.2.1 Gebührentarif
(GT) zu § 1 Gebührenordnung 1996 enthaltene Maßstabsregelung, die im Wesentlichen
auf die Zahl, Art und Größe der aufgestellten Restmüllgefäße, die Häufigkeit der
regelmäßigen Abfuhren abstellt und darüber hinaus einen so genannten Abschlag für
Eigenkompostierung vorsieht.
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Bei diesem Maßstab handelt es sich nicht um einen so genannten Wirklichkeitsmaßstab
i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 21. Oktober 1969, GV NRW S. 712, in der damals geltenden Fassung
des Gesetzes vom 6. Oktober 1987, GV NRW S. 342, (KAG), sondern um einen
Wahrscheinlichkeitsmaßstab i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG. Nach dieser Bestimmung
kann, wenn die Bildung eines Wirklichkeitsmaßstabes besonders schwierig oder
wirtschaftlich nicht vertretbar ist, ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt werden, der
nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen darf.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Angesichts der Vielzahl der Dienste, die die
Abfallentsorgungsanstalt der Stadt den Bürgern bietet, nämlich neben der
Abfallberatung und der Restmüllentsorgung die Sperrgutentsorgung nach § 13
Abfallentsorgungssatzung 1996, die Altglasentsorgung nach § 14
Abfallentsorgungssatzung 1996, die Altpapierentsorgung nach § 15
Abfallentsorgungssatzung 1996, die Verpackungsentsorgung nach § 16
Abfallentsorgungssatzung 1996, die Entsorgung organischer Küchen- und Gartenabfälle
nach § 17 Abfallentsorgungssatzung 1996, die Entsorgung von Kühlgeräten nach § 18
Abfallentsorgungssatzung 1996, die Entsorgung von Fernseh- und sonstigen
Bildschirmgeräten nach § 19 Abfallentsorgungssatzung 1996, die Entsorgung von
Elektrospeichergeräten nach § 20 Abfallentsorgungssatzung 1996 sowie die
Entsorgung von Sonderabfällen nach § 21 Abfallentsorgungssatzung 1996, die
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teilweise lose oder in Form von Sammelbehältern gesammelt werden, wäre es sowohl
besonders schwierig als auch wirtschaftlich nicht vertretbar, für dieses vielfältige
Angebot an Sammel- und Entsorgungsleistungen jeweils getrennte Gebührentarife und
getrennte Abrechnungssysteme einzuführen. Die dem Wahrscheinlichkeitsmaßstab der
Stadt B. zugrunde liegende Prämisse, dass mit zunehmender Größe der bereitgestellten
und abgeholten Restmüllgefäße nicht nur ein gesteigertes Restmüllaufkommen,
sondern auch ein Mehr an Inanspruchnahme der sonstigen Entsorgungsleistungen der
Abfallentsorgungsanstalt einhergeht, ist denkbar und erscheint nicht offensichtlich
unmöglich.
Der gewählte Einheitsmaßstab des Anknüpfens an die Größe und
Entleerungshäufigkeit des gewählten Restmüllgefäßes wird im Zusammenhang mit § 10
Abfallentsorgungssatzung 1996 auch dem Gebot des § 9 Abs. 2 Satz 3
Landesabfallgesetz (LAbfG) vom 21. Juni 1988, GV NRW S. 250 i.d.F. des
Änderungsgesetzes vom 7. Februar 1995, GV NRW S. 134 (LAbfG 1995) gerecht,
wonach mit dem Gebührenmaßstab wirksame Anreize zur Vermeidung und Verwertung
von Abfällen geschaffen werden sollen. Anreize zur Abfallvermeidung werden hier
dadurch gesetzt, dass mit zunehmender Größe der Abfallbehälter und der Zunahme der
Entleerungshäufigkeit die Abfallgebühren linear ansteigen. Wer mit dem ihm zugeteilten
Mindestabfallbehältervolumen von 15 l pro auf dem Grundstück wohnender Person und
Woche nicht auskommt (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 Abfallentsorgungssatzung 1996), muss
einen größeren Abfallbehälter oder eine häufigere Entleerung beantragen und
demgemäß mehr Gebühren bezahlen. Andererseits räumt § 10 Abs. 1 Satz 5
Abfallgebührensatzung 1996 bei nachgewiesener Unterschreitung der
Mindestabfallmenge, die seitens der Stadt anhand des vorhandenen Datenmaterials als
statistische Durchschnittsgröße ermittelt worden ist, durch Abfallvermeidung und
Abfallverwertung die Möglichkeit ein, ein niedrigeres Behältervolumen von bis zu 10 l
pro Person und Woche zu wählen. Wer also mit einem kleinern Behältervolumen als
nach der Satzung grundsätzlich vorgesehen auskommt, kann auf dieser Art und Weise
Gebühren sparen.
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Durch den von der Stadt B. gewählten Einheitsgebührenmaßstab, der für die
Inanspruchnahme der aufgezählten Sonderleistungen nach §§ 13 bis 21
Abfallentsorgungssatzung 1996 keine gesonderten Gebühren vorsieht, wird darüber
hinaus dem Gedanken des Setzens von Anreizen für die Verwertung von Abfällen
Rechnung getragen. Wer als Grundstückseigentümer die angebotenen
Sondersammlungs- und Entsorgungssysteme der §§ 13 bis 21
Abfallentsorgungssatzung 1996 in Anspruch nimmt, verringert das Volumen und das
Gewicht des Abfalls, der sonst über die Restmülltonne entsorgt werden müsste. Er
kommt mit einem geringeren Restmüllbehältervolumen aus und spart dadurch
Gebühren. Dies gilt auch in Ansehung der angebotenen freiwilligen Entsorgung der
organischen Küchenabfälle und Gartenabfälle nach § 17 Abfallentsorgungssatzung
1996. Wer freiwillig an der angebotenen Entsorgung organischer Küchen- und
Gartenabfälle mittels Biotonne teilnimmt (vgl. § 17 Abs. 4 Abfallentsorgungssatzung
1996), der verringert das Volumen, das er sonst über die Restmülltonne entsorgen
müsste, und kann dadurch Gebühren sparen. Wer sich am Biotonnensystem nicht
beteiligen will, ist gehalten, die organischen Küchenabfälle und Gartenabfälle über die
Restmülltonne zu entsorgen. Für diese müssen je nach Größe höhere Gebühren gezahlt
werden. Wer sich also an der getrennten Erfassung und Abfuhr des organischen
Küchen- und Gartenabfalls nicht beteiligt, und alles über die Restmülltonne entsorgt,
muss im Ergebnis mehr Gebühren bezahlen als derjenige, der sich an dem Trennungs-
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und Verwertungsgebot beteiligt.
Durch den in den Tarif eingebauten 10 %igen Abschlag auf die Gebühren für
Eigenkompostierung wird auch der Gruppe der Selbstkompostierer hinreichend
Rechnung getragen. Der Höhe nach orientiert sich der 10 %ige Abschlag für
Eigenkompostierung - wie sich aus der Gebührenbedarfsberechnung ergibt - an der
Höhe der Kosten für die Müllentsorgung der Biotonne in Höhe von 7,5 Mio. DM.
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Eine weiter gehende Entlastung der Eigenkompostierer im Hinblick auf die von der
Beklagten nicht gesondert ermittelten so genannten Vorhaltekosten der
Biomüllentsorgung mit Rücksicht darauf, dass die Eigenkompostierer zur Zeit die
Anlagen der Biomüllsammlung und Verwertung nicht in Anspruch nehmen, erscheint
unter dem Gesichtspunkt der speziellen Entgeltlichkeit und der Vermeidung einer
ungerechtfertigten Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht
geboten.
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Als entsorgungspflichtige Körperschaft i.S.v. § 5 LAbfG 1995 und § 3 Abfallgesetz vom
27. August 1986, BGBl. I S. 1410, in der bis 5. Oktober 1996 geltenden Fassung ist die
Stadt B. gehalten, langfristig ein komplettes System der Abfallentsorgung, wie es in § 2
Abfallentsorgungssatzung 1996 umschrieben ist, für sämtliche in § 4
Abfallentsorgungssatzung 1996 aufgeführten Abfälle aus Haushaltungen im Stadtgebiet
B. vorzuhalten. Dazu gehört auch ein System der getrennten Erfassung, Abfuhr und
Verwertung von organischen Küchenabfällen und Gartenabfällen. Dieses System muss
kapazitätsmäßig so ausgestaltet sein, dass es in der Lage ist, Eigenkompostierer, die
von der ihnen widerruflich erteilten Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang
keinen Gebrauch mehr machen wollen, wieder aufzunehmen und ihnen eine
Benutzungsmöglichkeit einzuräumen. Insoweit hält die Stadt B. in einem gewissenen
Umfang auch für die Gruppe der gegenwärtigen Selbstkompostierer ihr
Einrichtungssystem für die getrennte Sammlung und Verwertung des Bioabfalls vor.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2000 - 11 C 7.00 -, DVBl. 2001, 488.
33
Insoweit ist die Situation eine andere, als sie der Entscheidung des 22. Senats in
seinem Urteil vom 27. Februar 1997 - 22 A 1135/94 -, NWVBl. 1998, 72, hinsichtlich der
Bereitstellung einer Leichenhalle für die Benutzung des Friedhofes zugrundelag. Der
Betreiber eines Friedhofes ist nicht gesetzlich gezwungen, zwecks Ermöglichung der
Leichenbestattung eine Leichenhalle auf dem Friedhof bereit zu halten. Demgegenüber
muss die Stadt B. als beseitigungspflichtige Körperschaft ein komplettes
Entsorgungssystem für Biomüllentsorgung vorhalten, und zwar letztendlich auch für die
Gruppe der Eigenkompostierer.
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Im Rahmen der im Gebührenrecht zulässigen Typisierung bei Gruppen, deren Stärke
weniger als 10 % aller angeschlossenen Grundstückseigentümer umfasst,
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vgl. Urteil des Senats vom 17. März 1998 - 9 A 3871/96 -, KStZ 1999, 37,
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war die Stadt B. nicht gehalten, für die nur 2,46 % aller angeschlossenen
Grundstückseigentümer umfassende Gruppe der Selbstkompostierer eine spezielle
Beteiligungsquote hinsichtlich ihres Anteils an den Vorhaltekosten des in das gesamte
Abfallentsorgungssystem eingebetteten Bereichs der Erfassung, Abfuhr und Entsorgung
von organischen Küchenabfällen und Gartenabfällen zu ermitteln.
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2. Die Gebührenordnung 1996 enthält in Bezug auf die Entsorgung von Abfällen von
Wohngrundstücken in Nrn. 1.1.1 und 1.2.1 GT - hier speziell Tarifnummer 1.2.1 = 361,61
DM jährlich bei 14-täglicher Abfuhr eines 120 l Restmüllgefäßes ohne
Eigenkompostierung - gültige Gebührensätze, die den gesetzlichen Vorgaben,
namentlich der Veranschlagungsmxime des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG entsprechen.
Danach soll das veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der
Einrichtung nicht überschreiten. Hierbei räumt der Senat im Rahmen der
Veranschlagungsmaxime des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG in ständiger Rechtsprechung dem
Satzungsgeber einen Toleranzspielraum von bis zu 3 % ein. Er lässt auch zu, dass
fehlerhafte Kostenansätze korrigiert oder durch den Ansatz bisher nicht berücksichtigter,
ansatzfähiger Kostenansätze ausgeglichen werden.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 - 9 A 1248/92 -, KStZ 1994, 213.
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Das laut Gebührenbedarfsberechnung 1996 veranschlagte Gebührenaufkommen von
73.762.474,00 DM übersteigt selbst bei Abzug (eventuell) unzulässiger Kostenansätze
der Ursprungskalkulation unter Berücksichtigung der von der Beklagten im Prozess
zulässigerweise nachgeschobenen Erläuterungen und Unterlagen nicht das
ansatzfähige Kostenvolumen um mehr als 3 %. Das heißt, das ansatzfähige
Kostenvolumen macht mindestens 71.614.052,00 DM aus (71.614.052,00 DM zuzüglich
3 % (= 2.148.422,00 DM) = 73.762.474,00 DM).
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Im Einzelnen gilt Folgendes: Im Rahmen der von der Stadt bei Aufstellung der
Gebührenkalkulation für das Jahr 1996 zutreffenden Prognoseentscheidung, welches
die voraussichtlichen ansatzfähigen Kosten nach § 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 KAG, § 9
Abs. 2 LAbfG 1995 für die von ihr nach § 1 Abfallentsorgungssatzung 1996 betriebene
öffentliche Einrichtung Abfallentsorgung sein werden, hatte die Stadt u.a. abzuschätzen,
wie hoch die Entgelte für 1996 in Anspruch zu nehmende Fremdleistungen sein würden
(§ 6 Abs. 2 Satz 2 KAG). Fremdleistungen sind insoweit die Dienste und Tätigkeiten, die
die MVA B. GmbH nach dem mit der Stadt B. abgeschlossenen Entsorgungsvertrag zu
leisten hat.
41
Nach dem ursprünglich Ende 1991 formlos abgeschlossenen, unter dem 1. Juli 1996
schriftlich fixierten Entsorgungsvertrag hat die Stadt B. der MVA B. GmbH die
Durchführung der der Stadt nach § 3 Abs. 2 Abfallgesetz obliegenden
Entsorgungspflicht in Form der Abfallbehandlung und thermischen Verwertung von im
Stadtgebiet anfallenden Hausmüll, Sperrmüll und hausmüllähnlichem Gewerbeabfall
übertragen (§ 2 des Vertrages). Die MVA B. GmbH erhält dafür ein Entgelt, das sie nach
den Regelungen über die Preise bei öffentlichen Aufträgen zu kalkulieren und der Stadt
B. bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres für das Folgejahr mitzuteilen hat (§ 4 des
Vertrages). Diese vertragliche Vereinbarung ist - unbeschadet der Frage, ob es sich für
die Stadt B. um ein einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung i.S.v. § 56 Abs. 2
Gemeindeordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom 13. August 1984 (GO a.F.) (ab 17.
Oktober 1994: § 64 Abs. 2 GO i.d.F. der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994, GV NRW
S. 666 - GO n.F. -) handelt oder der "Formvorschrift" des § 56 Abs. 1 GO a.F. unterliegt -
wirksam. Denn die landesrechtliche Vorschrift des § 6 Abs. 1 GO a.F. ist keine
gesetzliche Formvorschrift i.S.v. § 125 BGB (siehe Artikel 55 Einführungsgesetz zum
BGB), sondern eine Regelung über die Vertretungsmacht, die die Vertretungsmacht der
für eine Gemeinde handelnden Personen beschränkt.
42
Vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1983 - 3 ZR 158/82 -, NJW 1984, 606; Urteil vom 15.
April 1998 - VIII ZR 129/97 -, NJW 1998, 3058 (3060).
43
Durch den schriftlichen, auch den formalen Erfordernissen des § 56 Abs. 1 GO a.F. = §
64 Abs. 1 GO n.F. entsprechenden Vertrag vom 1. Juli 1996 haben die maßgeblichen
Vertreter der Stadt B. das bisher mündlich Vereinbarte nachträglich genehmigt (§ 177
BGB), dies wirkt auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts (1991) zurück (§
184 Abs. 1 BGB). Der Genehmigungswille beider Vertragsparteien, das bisher aufgrund
formloser Absprachen seit Jahren tatsächlich durchgeführte Vertragsverhältnis auf der
Basis der schriftlichen Fixierung fortzusetzen, kommt hinreichend deutlich in § 1 des
Vertrages vom 1. Juli 1996 zum Ausdruck. Dort wird unter ausdrücklichem Hinweis auf
das bisher mündliche Vereinbarte hervorgehoben, dass das auf dieser Basis
durchgeführte Vertragsverhältnis fortgesetzt und nunmehr schriftlich fixiert wird. Darin
liegt die Billigung des bisher Gehandhabten.
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Die vertragliche Vereinbarung aus dem Jahre 1991 ist auch insoweit wirksam, als darin
vorgesehen ist, dass die Stadt B. an die MVA B. GmbH ein Benutzungsentgelt zahlt, das
dem seitens der MVA B. GmbH festgelegten jeweils gültigen Verbrennungspreis
zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer entspricht, den die MVA B. GmbH auf der Basis
der Regelungen über die Preise bei öffentlichen Aufträgen bildet und der Stadt im
Voraus bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres für das Folgejahr mitzuteilen hat (siehe
jetzt § 4 des Vertrages vom 1. Juli 1996). Darin liegt die Vereinbarung eines
Selbstkostenfestpreises i.S.v. § 6 Abs. 1 der Verordnung PR-Nr. 30/53 über die Preise
bei öffentlichen Aufträgen i.d.F. vom 13. Juni 1989 (BGBl. I S. 1094) - VO PR 30/53 -.
45
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und des Klägers verstieß die
Vereinbarung eines Selbstkostenfestpreises (hier nach § 6 Abs. 1 VO PR 30/53) im
Jahre 1991 nicht gegen § 1 Abs. 1 VO PR 30/53 i.V.m. § 4 VO PR 30/53. Danach ist bei
der Vereinbarung von Preisen für Leistungen aufgrund öffentlicher Aufträge
grundsätzlich Marktpreisen gemäß § 4 vor Selbstkostenpreisen gemäß §§ 5 bis 8 der
Vorzug zu geben. Nach § 4 Abs. 1 VO PR 30/53 dürfen für marktgängige Leistungen die
im Verkehr üblichen preisrechtlich zulässigen Preise nicht überschritten werden.
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Der Vertrag zwischen der Stadt B. und der MVA B. GmbH aus dem Jahre 1991 betraf
keine marktgängige Leistung. Marktgängigkeit der Leistung setzt voraus, dass für die
angebotene oder nachgefragte Leistung ein Markt besteht. Dies setzt weiter voraus,
dass entweder mehrere Anbieter oder mehrere Nachfrager am Markt agieren. Ein Markt
i.S.d. Preisvorschriften existiert nicht mehr, wenn einem Anbieter nur ein Nachfrager
gegenübersteht.
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Vgl. Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen, 6. Auflage, § 4 VO PR 30/53 Rdnr.
47.
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Eine solche Fallgestaltung war bei Abschluss des Vertrages im Jahre 1991 gegeben
(und lag auch noch 1996 vor).
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Für die Frage der Marktgängigkeit der Leistung ist auf den gesamten Leistungsumfang
abzustellen. Gegenstand des Entsorgungsvertrages nach § 2 war die Durchführung der
Entsorgungspflicht der Stadt B. gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 Abfallgesetz in Form der
Abfallbehandlung und thermischen Verwertung des gesamten Hausmülls, Sperrmülls
und hausmüllähnlichen Gewerbeabfalls der Stadt B. , und zwar für einen längeren
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Zeitraum. Nach § 5 a Abs. 2 Nr. 4 LAbfG 1995 muss die Stadt als entsorgungspflichtige
Körperschaft stets den Nachweis einer zehnjährigen Entsorgungssicherheit führen. Im
Zeitpunkt der Aufstellung des Planfeststellungsbeschlusses vom 30. September 1987
wurde mit einem zu verbrennenden Abfallvolumen von ca. 150.000 t/a gerechnet, im
Zeitpunkt der schriftlichen Fixierung des Vertrages vom 1. Juli 1996 immer noch mit
104.000 bis 100.000 t/a (siehe § 2 des Vertrages). Die dem Vertragsschluss
vorausgehende Entschließung der Stadt B. , den gesamten von ihr zu entsorgenden
Abfall, soweit er thermisch verwertbar ist, in einer ortsnah betriebenen Anlage als Paket
verwerten zu lassen und nicht auf mehrere Anlagen oder Anlagenbetreiber zu verteilen,
ist dem Organisationsermessen der Stadt B. zuzuordnen. Anhaltspunkte dafür, dass die
Stadt B. ihr diesbezügliches Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, sind nicht erkennbar. Für
die Entscheidung der Stadt sprich allein schon der praktische Gesichtspunkt, dass der
gesamte Anfuhrbetrieb auf einen Ort konzentriert werden kann und ein aus
ökologischen Gründen unerwünschter Mülltourismus über weite Strecken vermieden
wird. Für einen solchen Großauftrag standen sowohl im Zeitpunkt der Aufnahme des
Probebetriebes der MVA B. GmbH, der nach der Gesprächsnotiz vom 21. Oktober 1991
im November 1991 anlaufen sollte, als auch zum Zeitpunkt der Aufstellung der
Kalkulation für das Jahr 1996 in Ortsnähe, d.h. in B. oder in näherer Umgebung von B. ,
theoretisch zwei, praktisch nur eine Anlage zur Verfügung. Wie sich aus dem
Abfallentsorgungsplan für den Regierungsbezirk K. , Stand Januar 1992, (Amtsblatt für
den Regierungsbezirk K. 1992, S. 256) wie auch aus dem Abfallentsorgungsplan für
den Regierungsbezirk K. , Stand Januar 1996 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk K.
1996, S. 191) ergibt, existierten nur zwei Müllverbrennungsanlagen im
Regierungsbezirk. Das eine war die MVA Leverkusen mit einer Durchsatzleistung von
166.200 t/a (Abfallentsorgungsplan 1992, S. 477), das andere war der gerade
anlaufende Betrieb der MVA B. mit einer festgelegten Kapazität von 180.000 t/a
(Abfallentsorgungsplan 1992, S. 103, 473). Wie sich aus dem Abfallentsorgungsplan für
den Regierungsbezirk K. (Stand Januar 1996, Band 2 S. 33) ergibt, hatte sich bis zum
Jahre 1996 an dieser Sachlage nichts geändert. Die MVA Leverkusen hatte inzwischen
lediglich eine etwas höhere Durchsatzmenge von 188.000 t/a (Band 2, Anhang S. 12).
Alle übrigen im Bau befindlichen Müllverbrennungsanlagen waren noch nicht
betriebsbereit. Aus diesem Grund kann offen bleiben, ob auf die Verhältnisse zur
Jahreswende 1991/92 oder zur Jahreswende 1995/96 abzustellen ist. Anhaltspunkte
dafür, dass die MVA L. neben ihrem bisherigen Abnehmerkreis noch einen Großauftrag
der Stadt B. in Höhe von 100.000 bis 105.000 t/a hätte übernehmen können, sind nicht
vorhanden. Dieser Abnehmerkreis bestand aus der Stadt L. und vertraglichen
angeschlossenen Kommunen (siehe Abfallentsorgungsplan 1992, S. 136, 137) mit
einem Abfallanfallvolumen im Jahre 1992 von insgesamt mindestens 101.000 t/a (siehe
das im Urteil erster Instanz zitierte Urteil des Senats vom 30. September 1996 betreffend
die MVA L. ). Dementsprechend stand auf dem hier relevanten Markt der Nachfrage der
Stadt B. lediglich ein Anbieter in Gestalt der MVA B. GmbH gegenüber. Einen
Marktpreis für diesen Großauftrag gab es insoweit nicht. Die vom Verwaltungsgericht
angenommenen Marktpreise gab es allenfalls für kleinere Kontingente in Höhe von
10.000 oder 20.000 t, die als Restmengen zur Auslastung der Kapazität angeboten und
gehandelt wurden.
Ist die Stadt B. danach zu Recht im Rahmen der von ihr aufzustellenden Prognose,
welches Entgelt die MVA B. GmbH als Fremdleister wahrscheinlich für den für 1996
prognostizierten Leistungsumfang verlangen konnte, davon ausgegangen, dass
vertraglich ein Selbstkostenfestpreis i.S.v. § 6 Abs. 1 VO PR 30/53 vereinbart war, hatte
sie den ihr seitens der MVA B. GmbH mitgeteilten und geforderten Verbrennungspreis
51
von 408,25 DM/t (einschließlich Mehrwertsteuer) dennoch daraufhin zu überprüfen, ob
er entsprechend den gesetzlichen Vorgaben für Preise bei öffentlichen Aufträgen (§§ 1
Abs. 3, 8 VO PR 30/53 i.V.m. den Leitsätzen für die Preisermittlung aufgrund von
Selbstkosten - LSP - Anlage zur VO PR 30/53) kalkuliert war, die geltend gemachten
kalkulierten Selbstkosten sich als betriebsnotwendige Kosten im Rahmen der
Aufgabendarstellung darstellten und ihre Bemessung nicht dem Äquivalenzprinzip
widersprach.
Vgl. Teilurteil des Senats vom 15. Dezember 1994 - 9 A 2251/93 -, DVBl. 1995, 1147;
Urteil vom 30. September 1996 - 9 A 3980/93 -.
52
Die Vorkalkulation der MVA B. GmbH in Gestalt des Wirtschaftsplans 1996 zur
Rechtfertigung des geforderten Verbrennungsentgeltes von 355,00 DM/t zuzüglich
Mehrwertsteuer = 408,25 DM/t ist - sieht man von einem möglicherweise fehlerhaften
Ansatz von Steuerzahlungen für frühere Jahre ab - im Ergebnis nicht zu beanstanden.
53
Für die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Vorkalkulation des Verbrennungspreises
seitens der MVA B. GmbH spielt die vom Kläger in den Vordergrund gerückte Frage der
Überdimensionierung der Verbrennungsanlage im Hinblick auf den zu erwartenden
oder zu prognostizierenden Müllmengenanfall im Bereich der Stadt B. unmittelbar keine
Rolle. Denn die Anlage ist Eigentum der MVA B. GmbH und damit Eigentum eines
Dritten. Ob ein privater Dritter seine für seine betrieblichen Leistungen erforderlichen
Maschinen zu groß oder zu klein plant, ist seine Sache. Allerdings werden nach Nr. 4
Abs. 1 LSP im Rahmen der Kalkulation die Kosten aus Menge und Wert der für die
Leistungserstellung verbrauchten Güter und in Anspruch genommenen Dienste ermittelt.
Nach Nr. 4 Abs. 2 LSP sind in Preisermittlungen auf Grund von Selbstkosten nach Art
und Höhe nur diejenigen Kosten zu berücksichtigen, die bei wirtschaftlicher
Betriebsführung zur Erstellung der Leistung entstehen. In diesem Zusammenhang der
wirtschaftlichen Betriebsführung spielt die Frage der Größe der Anlage eine Rolle, und
zwar unter zwei Gesichtspunkten.
54
Einmal stellt sich die Frage, ob für eine Müllverbrennungsanlage, die laut
Planfeststellungsbeschluss mit zwei gleichzeitig nutzbaren Verfahrensketten arbeitet,
von denen jede auf einen Mülldurchsatz von 10 t/h angelegt ist, im Dauerbetrieb bei 24
Stunden pro Tag und 365 Tagen im Jahr sind das 10 t x 24 x 365 = 87.600 t/a je
Verfahrenskette, bei zwei Verfahrensketten 87.600 t/a x 2 = 175.200 t/a, die Vorhaltung
einer dritten gleichgroßen Verfahrenskette mit einem Durchsatz von 10 t/h wirtschaftlich
vertretbar ist. Die Frage ist unter Berücksichtigung des vom Ingenieurbüro Prof. T. und
Partner im Juli 1986 im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens erstellten, von der
Beklagten vorgelegten Gutachtens zu bejahen. Die angestrebte Jahreskapazität von
175.000 bis 180.000 t ist eine Höchstlastkapazität. Sie setzt voraus, dass beide
Verfahrensketten das ganze Jahr über ununterbrochen mit Volllast gefahren werden
können und zur Verfügung stehen. Nach den bisherigen Erfahrungen führen jedoch
Abschaltvorgänge und Stilllegungszeiten in Folge auftretender Betriebsstörungen oder
notwendiger periodischer Wartungsmaßnahmen dazu, dass erfahrungsgemäß nur 70 %
der Volllast - Jahreskapazität tatsächlich zur Verfügung stehen. 70 % von angestrebten
180.000 t/a sind 126.000 t/a effektive Leistung. Um die rechnerische Differenz zur
Volllastkapazität (180.000 t/a - 126.000 t/a = 54.000 t/a) überbrücken zu können, müsste
die rechnerische Kapazität der dritten Verfahrenskette, deren Verfügbarkeit ebenfalls mit
70 % anzusetzen wäre, bei 54.000 t : 70 x 100 = 77.142 t/a liegen. Bei dieser
Ausgangslage und im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Gewährleistung der
55
Entsorgungssicherheit ist nicht zu beanstanden, dass die dritte Verfahrenskette mit der
gleichen rechnerischen Durchsatzleistung von 10 t/h vorgehalten wird. Dies ermöglicht
über das Jahr gesehen den jeweiligen unproblematischen Ersatz einer ausgefallenen
Verfahrenskette durch die Reservekette und die weit gehende Aufrechterhaltung des
Dauerbetriebes der Gesamtanlage mit zwei laufenden Verfahrensketten bei Höchstlast.
Zum anderen stellt sich die Frage, inwieweit ein Unternehmer, dessen Betrieb nach dem
hier maßgeblichen Planfeststellungsbeschluss auf eine Jahreskapazität von 175.000
bis 180.000 t/a ausgerichtet ist, im Rahmen seiner Preiskalkulation mit einer 100 %igen
Auslastungsquote, also mit Vollbeschäftigung kalkulieren muss. Weder die LSP noch
die VO PR 30/53 enthalten hierzu konkrete Vorgaben. In der Literatur wird die
Auffassung vertreten, dass eine Preiskalkulation auf der Basis eines 100 %igen
Beschäftigungsgrades nicht verlangt werden kann, vielmehr eine Unterschreitung der
kostenmäßig optimalen Beschäftigungslage (= 100 %) bis zu einem Beschäftigungsgrad
von 80 % tolerabel ist.
56
Vgl. Ebel/Gottschalk, Nr. 4 LSP Rdnrn. 14, 16 und 17.
57
Hier hat die MVA B. GmbH, wie sich dem Wirtschaftsplan 1996, S. 3, entnehmen lässt
mit einer Auslastung von 165.000 t im Jahr 1996 gerechnet. Dies ist in Beziehung zu
setzen zu der laut Planfeststellungsbeschluss vom 30. September 1987 zugelassenen
Nenndurchsatzleistung der Anlage. Von den vorhandenen drei Verfahrensketten dürfen
jeweils nur zwei gleichzeitig betrieben werden. Die rechnerische Nennleistung einer
Verfahrenskette liegt bei 10 t/a = 87.600 t/a, für zwei Verfahrensketten zusammen bei
175.200 t/a. Diese Nennleistung bezieht sich allerdings auf einen Müll mit einem
bestimmten Heizwert. Bei anderer Müllzusammensetzung kann möglicherweise die
optimale Verbrennungsleistung auf 180.000 t/a gesteigert werden, wie sich aus dem
Wirtschaftsplan 1996, S. 3, ergibt. Selbst bezogen auf eine solche mögliche höhere
optimale Verbrennungsleistung von 180.000 t/a ergibt die kalkulierte
Verbrennungsleistung von 165.000 t pro Jahr eine Auslastungsquote von 92 %. Das
Kalkulieren mit einer solchen Auslastungsquote erscheint dem Senat vertretbar. Der
Beklagte durfte daher diese Kalkulationsgrundlage der Preiskalkulation der MVA B.
GmbH akzeptieren. Soweit der Kläger meint, unter Heranziehung der dritten
Verfahrenskette könnte die Nennleistung auf ca. 260.000 t/a gesteigert werden,
übersieht er, dass der vorliegende Planfeststellungsbeschluss die rechtlichen und
tatsächlichen Möglichkeiten des Betreibers nach dem geltenden Immissionsschutzrecht
begrenzt. Eine Auslastungsquote unter Zugrundelegung eines Verstoßes gegen den
Planfeststellungsbeschluss kann deshalb nicht zur Grundlage einer Kalkulation
gemacht werden.
58
Ausgehend von diesen Grunddaten ist die Vorkalkulation der MVA B. GmbH -
abgesehen von der Position Steuern - nicht zu beanstanden. Wie sich aus dem
Wirtschaftsplan 1996, S. 9, bestätigt durch den Anlagennachweis zum späteren
Geschäftsbericht für das Jahr 1996 (dort Anlage 1), ergibt, hat die MVA B. GmbH die
kalkulatorischen Anlageabschreibungen gemäß Nr. 37 bis 42 LSP nach den
Anschaffungspreisen oder Herstellkosten unter Berücksichtigung der
erfahrungsgemäßen Lebensdauer der jeweiligen Anlagegüter berechnet.
59
Die kalkulatorischen Zinsen sind allerdings nicht entsprechend Nr. 43 bis 46 LSP unter
Ermittlung des betriebsnotwendigen Kapitals errechnet, sondern in Höhe der zu
erwartenden Aufwendungen mit 10.041.000,00 DM angesetzt worden (siehe
60
Wirtschaftsplan 1996, S. 11). Dies ist jedoch unschädlich. Die Beklagte hat nämlich
zulässigerweise mit Schriftsatz vom 12. Februar 1999 eine neue LSP-Berechnung
vorgelegt, in der unter Zugrundelegung der Bilanzen zum 31. Dezember 1994, 31.
Dezember 1995 und 31. Dezember 1996 das betriebsnotwendige Anlage- und
Umlaufvermögen, das Abzugskapital und die Gesamtsumme des betriebsnotwendigen
Kapitals aufgelistet und erläutert sind. Die dort aufgelisteten Ansätze zum Stichtag 31.
Dezember 1995 und 31. Dezember 1996 stimmen mit den Anlagennachweisen in den
Geschäftsberichten 1995 und 1996 überein. Das betriebsnotwendige Kapital für das
Jahr 1996 ergibt sich danach aus dem Durchschnitt zwischen dem betriebsnotwendigen
Kapital zum Ende des Jahres 1995 und zum Ende des Jahres 1996. Das sind:
218.217.000,00 DM + 212.656.000,00 DM = 430.873.000,00 DM : 2 = 215.436.500,00
DM. Bezogen auf diesen Kapitalbetrag machen die angesetzten 10.041.000,00 DM
Zinsen 4,66 % aus. Dieser Zinssatz liegt unter dem ansatzfähigen Zinssatz, der nach Nr.
43 Abs. 2 LSP i.V.m. der Verordnung PR-Nr. 4/72 über die Bemessung des
kalkulatorischen Zinssatzes vom 17. April 1972 (Bundesanzeiger Nr. 78) bei bis zu 6,5
% liegt. Die Beklagte durfte daher den unter dem kalkulatorischen Höchstzinssatz
liegenden Ansatz, der sich aus der Höhe der tatsächlich zu erwartenden
Zinsaufwendungen ergab, akzeptieren.
Die von der MVA B. GmbH unter Nr. 14 und 15 des Wirtschaftsplans 1996, S. 10,
angesetzten Steuern vom Einkommen und vom Ertrag in Höhe von 1.212.000,00 DM
und sonstigen Steuern in Höhe von 971.000,00 DM, insgesamt 2.183.000,00 DM,
bedürfen allerdings der Korrektur. Die unter Nr. 14 angesetzte Gewerbeertragssteuer ist
zwar eine ansatzfähige Steuer i.S.v. Nr. 30 Buchstabe a LSP. Der gegenüber dem
Nachtrags- Wirtschaftsplan 1995, S. 10, von 550.300,00 DM auf 1.212.000,00 DM
gestiegene Ansatz der Gewerbeertragssteuer bezieht sich möglicherweise auch auf die
Gewerbesteuer für die Jahre 1992 und 1993. Darauf deutet der Geschäftsbericht für
1996, S. 14, hin. Dort wird erwähnt, dass die entsprechende Position "Steuern" des
Geschäftsberichts auch Auflösungen von Rückstellungen für die Gewerbesteuer 1992
und 1993 enthält. Das wären periodenfremde Aufwendungen in Bezug auf das hier in
Rede stehende Kalkulationsjahr 1996. Aus Gründen der Vorsicht geht der Senat davon
aus, dass der angesetzte Betrag von 1.212.000,00 DM sich auf die erwähnten drei
Steuerjahre 1992, 1993 und 1996 bezieht und für das Jahr 1996 nur ein Drittel =
404.000,00 DM anfallen. Dieser Betrag erscheint unter Berücksichtigung des Ansatzes
für das Jahr 1995 von 550.300,00 DM nicht überhöht.
61
Bei den unter Nr. 15 angesetzten Steuern handelt es sich, wie sich ebenfalls aus dem
Geschäftsbericht 1996, S. 14, entnehmen lässt, um die nach Nr. 30 Buchstabe a LSP
ansatzfähige Gewerbekapitalsteuer sowie die Grundsteuer. Nach dem Geschäftsbericht
1996 beziehen sich die dort angesetzten Gewerbekapitalsteuerbeträge auf die Jahre
1995 und 1996. Deshalb ist nicht auszuschließen, dass der im Wirtschaftsplan 1996
unter Nr. 15 kalkulierte Steuerbetrag auch Steuerforderungen betrifft, die sich auf das
Jahr 1995 beziehen und in Bezug auf das Jahr 1996 nicht ansatzfähig sind. Aus
Gründen der Vorsicht kürzt der Senat deshalb den in der Kalkulation angesetzten Betrag
von 971.000,00 DM auf die Hälfte, das sind 485.500,00 DM. Dieser Betrag erscheint
unter Berücksichtigung des im Nachtrags-Wirtschaftsplan 1995, S. 10, mit 905.400,00
DM angesetzten Betrages nicht überhöht.
62
Zieht man von den insgesamt angesetzten Steuerbeträgen von 2.183.000,00 DM die für
1996 ansatzfähigen 404.000,00 DM + 485.500,00 DM = 889.500,00 DM ab, ergibt dies
in der Preiskalkulation der MVA B. GmbH einen möglichen Zuvielansatz von
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1.293.500,00 DM. Zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer = 194.025,00 DM ergäbe das einen
im kalkulierten Verbrennungsentgelt zu viel angesetzten Betrag von 1.487.525,00 DM.
Dieser mögliche Fehlansatz in der Preiskalkulation der MVA B. GmbH wirkt sich - selbst
wenn man ihn in voller Höhe bei der Gebührenkalkulation der Stadt B. absetzt - nicht auf
die Rechtmäßigkeit der Gebührensatzfestsetzung aus, weil er sich innerhalb der oben
dargestellten Bandbreite von 3 % des Gesamtkostenvolumens bewegt, die bei
2.148.422,00 DM liegt.
Sonstige fehlerhafte Kostenansätze - sei es in der Preiskalkulation der MVA B. GmbH,
sei es in der Gebührenkalkulation der Stadt B. - sind dem Senat im Rahmen seiner von
Amts wegen vorgenommenen Überprüfung nicht aufgefallen. Die von der Beklagten auf
Nachfrage des Senats vom 23. März 2001 mit Schriftsatz vom 2. April 2001 zu einzelnen
Kosten- und Verrechnungspostitionen gegebenen Erläuterungen sind plausibel und
nachvollziehbar. Von den Parteien selbst sind sonstige Kalkulationsfehler nicht geltend
gemacht.
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3. Auf der Grundlage der gültigen Gebührenordnung 1996 ist der Kläger dann - wie
insoweit zwischen den Parteien nicht streitig - für 1996 zu Recht zu einer Gebühr von
361,61 DM herangezogen worden.
65
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
66
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
67