Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 14.09.2001

OVG NRW: einstellung der bauarbeiten, öffentlich, grundstück, befreiung, garage, drucksache, behörde, landrat, erlass, rechtswidrigkeit

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 620/00
Datum:
14.09.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 A 620/00
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 11 K 5546/97
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger als
Gesamtschuldner.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Kläger wenden sich gegen die Stilllegung der Bauarbeiten zur Errichtung des ihnen
unter dem 16. November 1995 im vereinfachten Verfahren genehmigten
Einfamilienhauses mit nördlich angrenzender Garage einschließlich vor der Garage
gelegenem Stellplatz auf dem Grundstück J. . 35 in H. (Gemarkung F. , Flur 3, Flurstück
3324).
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Die J. straße zweigt im Ortsteil F. in Höhe der Ruine Burg F. von der von Westen nach
Osten verlaufenden Gennerstraße in nördliche Richtung ab und endet nach ca. 250 m
an der ebenfalls von Westen nach Osten verlaufenden Vorgebirgsstraße. Entlang der J.
straße befindet sich im Wesentlichen Wohnbebauung, welche auf der östlichen
Straßenseite ca. 25 m vor der V. straße mit dem Wohngebäude J. . 32 endet. Auf dem
Grundstück zwischen dem Wohnhaus J. . 32 und der V. straße ist ein Gewächshaus
errichtet. Auf der westlichen Straßenseite endete die Wohnbebauung - vor Erteilung der
Baugenehmigung vom 16. November 1995 - ca. 15 m vor der V. straße an der
nördlichen Grenze des Grundstücks J. . 33. Das Grundstück der Kläger liegt zwischen
dem Grundstück J. . 33 und der V. straße. Die V. straße ist von Westen kommend über
die Einmündung J. straße hinaus weitere gut 100 m bis zur Straße An der F. -
abgesehen von einer Aufweitung bis zu 5,70 m entlang des Grundstücks der Kläger - im
Wesentlichen in einer Breite von gut 3 m asphaltiert, die Bankette sind unbefestigt.
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Östlich der Straße An der F. weitet sich die V. straße auf ca. 10 m auf und mündet nach
gut 200 m in die von Norden nach Süden verlaufende R. straße. Entlang der nördlichen
Straßenseite der V. straße fällt eine Böschung zur bis zum Ortsteil K. landwirtschaftlich
genutzten Fläche ab, die Böschung erreicht in Höhe der Einmündung der J. straße in
die V. straße ihre größte Tiefe von 1,5 m. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche ist
einschließlich der V. straße in diesem Bereich sowie des Grundstückes der Kläger Teil
des im Landschaftsplan 8 "Rheinterrassen" gelegenen Landschaftsschutzgebietes K. .
Nach dem in den textlichen Festsetzungen des Landschaftsplans (Nr. 2.2-17)
angegebenen Schutzzwecken ist der Freiraum um K. wegen seiner grundlegenden
Bedeutung für den weithin erkennbaren Orientierungspunkt Burg K. zu erhalten. Die
Freiflächen hätten außerdem hohen Wert als klimatische Ausgleichsflächen. Der
Freiraum trage darüber hinaus zur Gliederung und Strukturierung des Landschaftsbildes
bei. Verboten ist, im Landschaftsschutzgebiet bis auf näher beschriebene Ausnahmen
wie z.B. Wildfütterungen u.a. bauliche Anlagen im Sinne der Bauordnung für das Land
Nordrhein-Westfalen zu errichten (Nrn. 2.2-17 i.V.m. 2.2. der textlichen Festsetzungen).
Der Flächennutzungsplan stellt in diesem Bereich Fläche für die Landwirtschaft dar.
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Im Rahmen der Bearbeitung des am 21. August 1995 beim Beklagten eingegangenen
Bauantrages ging der Beklagte wohl zunächst davon aus, das Grundstück der Kläger
sei eher dem bauplanungsrechtlichen Außenbereich zuzuordnen. Der am
Baugenehmigungsverfahren in seiner Eigenschaft als Untere Landschaftsbehörde
beteiligte Landrat des Erftkreises wies mit Schreiben vom 16. Oktober 1995 darauf hin,
besonderer Zweck des Landschaftsplans sei die Erhaltung des Freiraumes zwischen K.
und F. . Die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Festsetzungen des
Landschaftsplanes lägen nicht vor. Auch als Obere Bauaufsicht werde eine Zustimmung
zu dem Vorhaben der Kläger nicht erteilt werden, da dem Vorhaben die öffentlichen
Belange der Darstellungen des Flächennutzungsplans und des Landschaftsschutzes
entgegenstünden.
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In der Folgezeit ordnete der Beklagte das Grundstück - wie Vermerken vom 15.
November 1995 und vom 16. November 1995 zu entnehmen ist - im Hinblick auf die
sich aus der Lage der V. straße ergebenden topografischen Situation dem Innenbereich
zu und erteilte unter dem 16. November 1995 die Baugenehmigung.
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Im Juli 1996 war das Vorhaben im Rohbau fertig gestellt, wobei in der nördlichen
Dachschräge statt genehmigter Dachfenster zwei Dachgauben angelegt waren.
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Bei einer Ortsbesichtigung am 23. und 24. Juli 1996 stellte der Landrat des E. fest, dass
das Vorhaben im Rohbau errichtet war. Mit Verfügung vom 7. August 1996 wies der
Landrat des E. (in seiner Eigenschaft als obere Bauaufsicht) mit der Begründung, das
Vorhaben liege im Außenbereich und beeinträchtige die Belange des Natur- und
Landschaftsschutzes, den Beklagten an, jeweils unter Anordnung der sofortigen
Vollziehung die erteilte Baugenehmigung zurückzunehmen und die sofortige
Einstellung der Bauarbeiten auf dem Baugrundstück anzuordnen.
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Mit Bescheid vom 3. September 1996, zugestellt am 4. Septem- ber 1996, erklärte der
Beklagte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Rücknahme der
Baugenehmigung vom 16. No-vember 1995. Auf den Widerspruch der Kläger hob der
Landrat des E. mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 1997 den Rücknahmebescheid
des Beklagten vom 3. September 1996 mit der Begründung auf, dem angefochtenen
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Bescheid fehlten erforderliche Ermessenserwägungen. Mit Bescheid vom 3. Juni 1997,
zugestellt am 6. Juni 1997, erklärte der Beklagte unter Anordnung der sofortigen
Vollziehung erneut die Rücknahme der Baugenehmigung vom 16. November 1995. Den
am 12. Juni 1997 eingelegten Widerspruch wies der Landrat des E. mit
Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 1998 zurück. Das nachfolgende Gerichtsverfahren
ist vor dem Senat unter dem Aktenzeichen 7 A 621/00 anhängig.
Schon zuvor hatte der Beklagte mit am gleichen Tage zugestellter Ordnungsverfügung
vom 22. August 1996 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die sofortige
Einstellung der Bauarbeiten auf dem Grundstück der Kläger angeordnet. Zur
Begründung hatte er darauf verwiesen, dass laut Verfügung des Landrats des E. vom 7.
August 1996 die Baugenehmigung vom 16. November 1995 rechtswidrig sei und -
vorbehaltlich abschließender Prüfung der Sach- und Rechtslage - voraussichtlich
zurückgenommen werde. Hinzu komme, dass die Kläger abweichend von der
Baugenehmigung zwei Dachgauben errichtet hätten.
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Hiergegen legten die Kläger am 27. August 1996 Widerspruch ein.
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Im Laufe des Widerspruchsverfahrens beantragten die Kläger unter dem 2. Dezember
1996 nach verschiedenen Gesprächen zur Herstellung einer Genehmigungsfähigkeit
des Vorhabens mit dem Beklagten und dem Landrat des E. (u.a. ein Gespräch am 15.
Oktober 1996, in welchem die Kläger den Rückbau der Dachgauben anboten) die
Erteilung einer neuen Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilien-Wohnhauses
mit Stellplätzen an der J. straße und - an der Stelle der mit Baugenehmigung vom 16.
November 1995 genehmigten Garage und des Stellplatzes - der Anlegung eines
Pflanzstreifens.
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Zur Begründung ihres Widerspruchs trugen die Kläger im Wesentlichen vor: Die
Rechtswidrigkeit der Stilllegungsverfügung ergebe sich schon daraus, dass sie sich auf
die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung stütze, die Baugenehmigung zum Zeitpunkt
des Erlasses der Stilllegungsverfügung aber noch Bestandskraft gehabt habe. Eine
Rücknahme sei lediglich erwogen worden. Für eine Stilllegung biete das Gesetz in
einer solchen Situation keine Rechtsgrundlage. Der neue Bauantrag entspreche den
Vorstellungen des Beklagten über ein genehmigungsfähiges Bauvorhaben. Eine
Stilllegungsverfügung könne nicht aufrechterhalten werden, wenn sie Bautätigkeiten
unterbinde, die die Baugenehmigungsbehörde selbst für genehmigungsfähig halte. Die
ungenehmigte Errichtung der Dachgauben rechtfertige die Stilllegung ebenfalls nicht.
Die Errichtung der Dachgauben sei erst nach Abstimmungsgesprächen mit dem Bauamt
erfolgt, in denen eine Nachtragsbaugenehmigung in Aussicht gestellt worden sei. Das
ändere zwar nichts an der formellen Illegalität, eine Stilllegung habe aber - um nicht
unverhältnismäßig zu sein - allenfalls beschränkt auf den Bereich der Dachgauben
ausgesprochen werden dürfen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 1997, zugestellt am 27. Mai 1997, wies der
Landrat des E. den Widerspruch der Kläger zurück. Der Beklagte habe die
Stilllegungsverfügung überwiegend auf die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung
gestützt, aber zugleich auch auf die zwei ungenehmigt errichteten Dachgauben statt
genehmigter innenliegender Dachflächenfenster. Hinzuzufügen sei, dass die Garage in
ihrer Höhenlage nicht der Genehmigung entsprechend errichtet sei. Seien bei einem
einheitlichen Bauvorhaben aber einzelne Teile formell illegal, weil diese abweichend
von der Baugenehmigung errichtet seien, sei die gesamte Baumaßnahme rechtswidrig.
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Die Bauaufsichtsbehörde könne somit die Bauarbeiten insgesamt einstellen. Fehle eine
neben der Baugenehmigung erforderliche selbständige Genehmigung oder Erlaubnis,
wie hier die Befreiung vom Verbot der Errichtung baulicher Anlagen im
Landschaftsschutzgebiet, so könne der Bauherr von der gleichwohl erteilten
Baugenehmigung keinen Gebrauch machen. Da die erforderliche selbständige
Genehmigung der Landschaftsbehörde nicht vorliege, könne die Stilllegung auch zurzeit
nicht aufgehoben werden. Die Stilllegung sei das angemessene Mittel, die Verfestigung
des bauordnungswidrigen Zustandes zu verhindern. Wer ungenehmigte Bauten auführe
oder von der erteilten Baugenehmigung abweiche, ohne die notwendige Erlaubnis der
Landschaftsbehörde wie auch die Nachtragsgenehmigung vorher einzuholen, müsse es
hinnehmen, dass die Fortführung der Bauarbeiten auch insgesamt ohne weitere Prüfung
der materiellen Rechtmäßigkeit vorerst verhindert werde.
Am 31. Mai 1997 beseitigten die Kläger die beiden Dachgauben.
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Am 18. Juni 1997 haben die Kläger Klage erhoben und zunächst die Aufhebung der
Stilllegungsverfügung vom 22. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
des Landrates des E. vom 15. Mai 1997 beantragt.
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Nach Klageerhebung erteilte der Beklagte den Klägern unter dem 29. September 1997
die Baugenehmigung zum Neubau einer Einfamilien-Doppelhaushälfte, nachdem der
Landrat des E. mit Bescheid vom 17. September 1997 von den Verbotsvorschriften des
Landschaftsrechtes insoweit eine Befreiung erteilt hatte. Am 15. Oktober 1997 setzten
die Kläger die Bauarbeiten fort, die sie im Frühjahr 1998 abschlossen.
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Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem
Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend ausgeführt: Der Beklagte habe
zunächst die Entscheidung treffen müssen, ob die Baugenehmigung zurückgenommen
werde. Erst danach hätte das Vorhaben stillgelegt werden dürfen. Hinsichtlich der
Garagen lägen Abweichungen von der Baugenehmigung tatsächlich nicht vor, denn die
Höhenlage der Garage im Vergleich zum angrenzenden Straßenverlauf ergebe sich aus
den genehmigten Bauzeichnungen. Bei den Dachgauben werde übersehen, dass diese
im unbeplanten Innenbereich als bloße gestalterische Varianten unbedenklich und
offensichtlich genehmigungsfähig seien. Die Hilfsbegründung, die Fortsetzung des
Vorhabens verstoße gegen das Verbot der Errichtung baulicher Anlagen im
Landschaftsschutzgebiet, trage die Stilllegung nicht. Einer Befreiungsentscheidung der
Unteren Landschaftsbehörde gehe zunächst die Frage voraus, ob gegen Festsetzungen
eines Landschaftsplanes überhaupt verstoßen werde. Über diese Frage sei von der
Baugenehmigungsbehörde mit zu entscheiden. Mit der Baugenehmigung werde
gegenüber dem Bauherrn die umfassende Feststellung ausgesprochen, er könne das
Vorhaben nach den Bauvorlagen ausführen. Die Stilllegungsverfügung sei
ermessensfehlerhaft und unter Missachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
erfolgt. Eine Beschränkung der Stilllegung auf den Ausbau der Dachgauben und der
Garage habe ausgereicht, zumal sie, die Kläger, das Gebäude in Ausübung einer
Baugenehmigung errichtet und von den internen Unstimmigkeiten zwischen dem
Beklagten und dem Landrat des E. nichts gewusst hätten. Sie, die Kläger, hätten den
Bedenken des Beklagten und des Landrates des E. Rechnung getragen und zunächst
angeboten, die Dachgauben zurückzubauen und diese später beseitigt. Selbst als die
Entscheidung über die Befreiung bereits gefallen sei und sie, die Kläger, die
beanstandeten Dachgauben entfernt hätten, habe der Beklagte seine
Stilllegungsverfügung nicht aufgehoben. Spätestens mit Beseitigung der Dachgauben
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seien jedenfalls die Voraussetzungen für die Stilllegungsverfügung entfallen. Durch die
neue Baugenehmigung und die Fertigstellung des Wohnhauses im Frühjahr 1998 habe
sich die Stilllegungsverfügung, soweit sie das Wohnhaus betreffe, erledigt, im Übrigen
nicht. Für den erledigten Teil sei jedoch - zur Vorbereitung der Durchsetzung ihrer
Schadenersatzforderungen - die Feststellung der Rechtswidrigkeit der
Stilllegungsverfügug erforderlich. Aus dem gleichen Grunde bestehe auch ein
berechtigtes Interesse daran, die Rechtswidrigkeit zu einem früheren Zeitpunkt
feststellen zu lassen, um sie nicht um die Früchte der bisherigen Prozessführung zu
bringen.
Die Kläger haben beantragt,
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1. die Stilllegungsverfügung des Beklagten vom 22. August 1996 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Landrates des E. vom 15. Mai 1997 aufzuheben, soweit
sie sich auf die Garage bezieht, 2. festzustellen, dass die Stilllegungsverfügung, soweit
sie das Wohnhaus betrifft, bis zu ihrer Erledigung rechtswidrig war, 3. festzustellen, dass
die Stilllegungsverfügung bei Erlass rechtswidrig gewesen ist, hilfsweise festzustellen,
dass die Stilllegungsverfügung durch das Angebot vom 15. Oktober 1996, die
Dachgauben abzureißen, wiederum hilfsweise durch den Abriss der Dachgauben
rechtswidrig geworden ist.
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4.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat er sich im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen
Bescheide bezogen und ergänzend vorgetragen: Die Kläger hätten zum Zeitpunkt des
Erlasses der Verfügung abweichend von der Baugenehmigung zwei Dachgauben
errichtet; auch die errichtete Garage habe nicht den Vorgaben der Genehmigung
entsprochen. Bereits diese Verstöße gegen die Baugenehmigung genügten, um eine
Stilllegungsverfügung, und zwar für das gesamte Bauvorhaben zu erlassen. Vorliegend
sei die Erledigung der Stilllegungsverfügung erst durch die erneute Erteilung der
Baugenehmigung am 29. September 1997 eingetreten. Zu diesem Zeitpunkt sei die
ursprüngliche Baugenehmigung aber schon durch den zweiten Rücknahmebescheid
vom 3. Juni 1997 aufgehoben worden, so dass die Stilllegungsverfügung bereits aus
Gründen der formellen Illegalität des Bauvorhabens rechtmäßig gewesen sei. Es
bestehe auch kein berechtigtes Interesse daran, die Rechtswidrigkeit der
Stilllegungsverfügung zu einem früheren Zeitpunkt feststellen zu lassen, denn der
maßgebliche Feststellungszeitpunkt könne von den Klägern nicht beliebig gewählt
werden. Das Fortsetzungsfeststellungsbegehren dürfe seinem Gegenstand nach
nämlich nicht über das hinausgehen, was ohne den Eintritt der Erledigung mit der
ursprünglichen Klage hätte begehrt werden können. Anderenfalls sei es nicht mehr nur
eine aus Gründen der Prozessökonomie zugelassene Fortsetzung eines früheren
Begehrens, sondern dessen Ersetzung durch ein anderes, neues Begehren.
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Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 3. Dezember 1999, den Klägern zustellt
am 27. Dezember 1999, das Verfahren mit der Feststellung, soweit mit der Klage die
Aufhebung der Stilllegungsverfügung hinsichtlich des Wohnhauses beantragt gewesen
sei, sei das Verfahren in der Hauptsache erledigt, eingestellt und im Übrigen die Klage
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abgewiesen. Auf den am 27. Januar 2000 gestellten Antrag der Kläger hat der Senat mit
Beschluss vom 20. Februar 2001, den Klägern zugestellt am 23. Februar 2001, die
Berufung zugelassen, woraufhin die Kläger fristgerecht die Berufung begründet und
einen Berufungsantrag gestellt haben.
Die Kläger wiederholen im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und tragen
ergänzend vor: Ein Verstoß des Bauvorhabens gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften,
ein Begriff der in § 61 Abs. 1 BauO NRW und § 75 Abs. 1 BauO NRW deckungsgleich
verwandt werde, liege nicht vor. Die Baugenehmigung vom 16. November 1995 stelle
rechtsverbindlich fest, dass das begonnene Bauvorhaben öffentlich-rechtlichen
Vorschriften entspreche (so genannte Feststellungswirkung). Dementsprechend
beziehe in Nordrhein- Westfalen die Baugenehmigung sämtliche, mit der Errichtung des
Bauvorhabens zusammenhängende öffentlich-rechtliche Vorschriften in die Prüfung ein
(vgl. Nr. 75.11 VV BauO NRW). Es treffe zwar zu, dass die Baugenehmigung keine
Konzentrationswirkung in dem Sinne entfalte, dass sie anderweitig erforderliche
Genehmigungen wie z.B. eine landschaftsrechtliche Befreiung ersetze. Die
Baugenehmigung dürfe jedoch nicht erteilt werden, bevor nicht etwaige anderweitige
öffentlich-rechtliche Genehmigungshindernisse beseitigt seien. Insoweit berufen sich
die Kläger auf das Urteil des 11. Senats des erkennenden Gerichts vom 20. März 1992 -
11 A 610/92 -, BRS 54 Nr. 135. Die Baugenehmigung schließe das Verfahren auf
Zulassung des Vorhabens im Sinne der so genannten Schlusspunkttheorie ab.
Unabhängig von ihrer materiellen Rechtmäßigkeit entfalte die Baugenehmigung für die
Dauer ihrer Wirksamkeit und Vollziehbarkeit Feststellungswirkung. Über ihren
feststellenden Teil hinaus enthalte die Baugenehmigung einen verfügenden Teil.
Danach dürfe nach Erteilung der Baugenehmigung mit der Bauausführung begonnen
werden, § 75 Abs. 5 BauO NRW (so genannte Baufreigabe). Die Bauaufsichtsbehörde
setze sich mit Erlass einer Stilllegungsverfügung in Widerspruch zu der von ihr erteilten
Baugenehmigung, wenn sie die Baugenehmigung nicht vor Erlass der
Stilllegungsverfügung aufhebe. Solange die Baugenehmigung vollziehbar die
Baufreigabe verfüge, sei die Stilllegung des Bauvorhabens weder aus baurechtlichen
noch aus anderen öffentlich-rechtlichen Gründen möglich. Andere öffentlich-rechtliche
Gründe, die nicht schon von der Bauaufsichtsbehörde vor Erteilung der
Baugenehmigung aus eigener Kompetenz zu prüfen seien, könne der Beklagte zur
Rechtfertigung seiner Stilllegungsverfügung ohnehin nicht heranziehen, weil ihm
insoweit die Zuständigkeit fehle. Die Vorschriften des Landschaftsrechts gehörten zu
denjenigen, die die Baugenehmigungsbehörde vor Erteilung einer Baugenehmigung mit
der Folge zu prüfen habe, dass die Baugenehmigung die Vereinbarkeit des
Bauvorhabens mit landschaftsrechtlichen Vorschriften feststelle. Auch wenn man zu der
Auffassung gelange, die Baugenehmigung entfalte nur Bindungswirkung im Hinblick auf
das Bauordnungs- und Bauplanungsrecht, würde die Baugenehmigung vom 16.
November 1995 rechtsverbindlich jedenfalls schon deshalb die Vereinbarkeit mit dem
Landschaftsrecht feststellen, da gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB die
Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem Landschaftsplan 8 auch aus
planungsrechtlichen Gründen zu prüfen und daher Bestandteil des Regelungsgehaltes
der Baugenehmigung geworden sei. Selbst wenn schließlich die Baugenehmigung vom
16. November 1995 eine Bindungswirkung bezüglich des Landschaftsrechts nicht
entfalte und der Beklagte gestützt auf § 61 Abs. 1 BauO NRW einschreiten könne, sei im
Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu berücksichtigen gewesen, dass
sich aus der nach wie vor bestehenden Vollziehbarkeit der Baugenehmigung eine
besondere Situation ergeben habe, denn die Kläger hätten im Vertrauen auf die in der
Baugenehmigung enthaltene Baufreigabe mit dem Bauvorhaben begonnen.
26
Die Kläger beantragen,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem in erster Instanz zuletzt gestellten
Klageantrag zu erkennen.
28
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Berichterstatter hat in dem Parallelverfahren 7 A 621/00 die Örtlichkeit in
Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
den Beteiligten bekannte Niederschrift vom 5. Juli 2001 verwiesen.
31
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der vom Beklagten überreichten Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
34
1. Die zulässige Klage gegen die Stilllegungsverfügung vom 22. August 1995 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landrates des E. vom 15. Mai 1997 - soweit
sie die noch streitgegenständliche Errichtung der Garage betrifft - ist nicht begründet.
Die angefochtene Stilllegungsverfügung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in
ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
35
Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW haben die Bauaufsichtsbehörden nach
pflichtgemäßem Ermessen in Wahrnehmung ihrer Aufgaben die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen. Hierzu kann die Stilllegung eines Bauvorhabens gehören, wenn
es z.B. genehmigungspflichtig, aber formell illegal ist. In einem solchen Fall scheidet
eine Stilllegung nach ständiger Rechtsprechung der Bausenate des
Oberverwaltungsgerichts regelmäßig nur dann aus, wenn der notwendige Bauantrag
gestellt, das Vorhaben aus der Sicht der Baugenehmigungsbehörde
genehmigungsfähig ist und der Erteilung der Baugenehmigung auch sonst nichts im
Wege steht.
36
Vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 27. Dezember 1999 - 7 B 2016/99 - und Beschluss
vom 20. Juli 1998 - 10 A 3258/98 -. Dies rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass die
Baugenehmigungsbehörde die Möglichkeit haben muss, die materielle Rechtmäßigkeit
des Vorhabens zu prüfen, ohne dass während dieser Prüfung eine Verfestigung des
möglicherweise rechtswidrigen Zustandes eintritt.
37
Die streitbefangene Stilllegungsvergügung ist in ihrer durch den Widerspruchsbescheid
gewonnenen Gestalt entscheidend auf die formelle Illegalität des unter dem 16.
November 1995 genehmigten Bauvorhabens der Kläger gestützt, und zwar unter den
Gesichtspunkten der fehlenden Befreiung nach § 69 LG, der von der Baugenehmigung
vom 16. November 1995 der Höhenlage und dem Bau von Dachgauben nach
abweichenden Bauausführung sowie der zu erwartenden (erneuten) Rücknahme der
Baugenehmigung vom 16. November 1995.
38
Der Beklagte war zum Erlass der so begründeten Stilllegungsverfügung zuständig.
Dabei kann hier offen bleiben, ob die für die Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde
maßgebliche Regelung in § 61 Abs. 1 BauO NRW sich im Rahmen der
bauaufsichtlichen Überwachungspflicht auch auf alle ein Baugeschehen betreffenden
Vorschriften außerhalb des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts erstreckt,
39
vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Septem- ber 1988 - 10 A 2567/86 -;
Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, München,
Stand April 2001, § 61 Rn 7.
40
Ebenso braucht nicht entschieden zu werden, ob neben der jedenfalls hier gemäß § 9
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LG gegebenen Zuständigkeit der Landschaftsschutzbehörde,
41
vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 19. Dezember 1990 - 10 A 2077/87 -, NVwZ-RR 1991,
S. 545 f.,
42
im Hinblick auf § 61 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW, wonach die gesetzlich geregelten
Zuständigkeit und Befugnisse anderer Behörden unberührt bleiben, auch die
Zuständigkeit des Beklagten als Bauaufsichtsbehörde mit der nach dem Wortlaut der
Vorschrift möglichen Folge doppelter Zuständigkeit,
43
vgl. zur inhaltsgleichen Regelung in § 61 Abs. 7 HBO: VGH Kassel, Beschluss vom 20.
Dezember 1999 - 4 TG 4637/98 -, BRS 62 Nr. 204; Boeddinghaus/ Hahn/Schulte, a.a.O.,
§ 61 Rnrn 8 und 169 f.; vgl. auch Nr. 61.1. VV BauO NRW vom 24. Januar 1997 (MinBl.
1997, S. 190),
44
gegeben ist.
45
Denn der Beklagte hat zur Begründung der formellen Illegalität des Bauvorhabens der
Kläger auch baurechtlich unmittelbar relevante Umstände (von der Baugenehmigung
abweichende Errichtung von Dachgauben und Garage) herangezogen. Die Annahme
von der Baugenehmigung abweichender Errichtung des Vorhabens begründet in jedem
Fall die Zuständigkeit für ein bauaufsichtliches Einschreiten. Die weitere Frage, ob die
fehlende Befreiung vom landschaftsrechtlichen Bauverbot die Stilllegung des
Bauvorhabens rechtfertigt, ist angesichts dessen im vorliegenden Fall nur noch eine
Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Stilllegungsverfügung.
Ebenso wenig bedarf es einer Entscheidung, ob sich die Beurteilung der Sach- und
Rechtslage - wie im Falle der Anfechtung einer Ordnungsverfügung regelmäßig - nach
dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Widerspruchsbescheid des
Landrates des E. vom 15. Mai 1997) richtet oder aber deshalb nach dem Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat, weil eine Stilllegungsverfügung über
das Gebot der einmaligen Einstellung der Bauarbeiten hinaus auch das auf Dauer
angelegte Verbot, die eingestellten Bauarbeiten wieder aufzunehmen, enthalten dürfte.
46
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Dezem- ber 1995 - 11 A 2734/93 - zur
Nutzungsuntersagung.
47
Soweit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 15.
Mai 1997 betrachtet wird, war das Vorhaben der Kläger schon deshalb formell illegal,
weil ihm - wie nachfolgend dargestellt - die gemäß § 69 LG erforderliche
48
landschaftsrechtliche Befreiung fehlte. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat war das unter dem 16. November 1995 genehmigte Bauvorhaben der Kläger
weiterhin formell illegal. Die Baugenehmigung vom 29. September 1997 bezieht sich
nicht auf die Garage. Die die Garage umfassende Baugenehmigung vom 16. November
1995 ist noch mit Vollziehungsanordnung zurückgenommen. Die Errichtung einer
Garage war gemäß § 68 Abs. 1 mit Abs. 4 Nr. 2 BauO NRW weiterhin
genehmigungspflichtig. Zwar ist der die Baugenehmigung vom 16. November 1995
zurücknehmende und mit Vollziehungsanordnung versehene Bescheid des Beklagten
vom 3. Juni 1997 durch Senatsurteil vom heutigen Tage aufgehoben worden; die die
Beteiligten bindende rechtliche Wirkung dieses Urteils tritt aber erst mit dessen
Unanfechtbarkeit ein, vgl. § 121 Nr. 1 VwGO. Angesichts dessen ist die im Bescheid
vom 3. Juni 1997 ausgesprochene Rücknahme der Baugenehmigung vom 16.
November 1995 jedenfalls bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils in dem Verfahren
7 A 621/00 wirksam. Dies hat wiederum zur Folge, dass die Kläger zurzeit nicht im
Besitz einer ausnutzbaren Baugenehmigung für die Garage sind und die
entsprechenden Bauarbeiten nicht wieder aufnehmen dürfen.
Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in dem Verfahren 7 A 621/00 bleibt es den
Klägern gegebenenfalls unbenommen, gemäß § 22 OBG die Aufhebung der
Stilllegungsverfügung zu beantragen.
49
2. Auch soweit die Kläger die Feststellung begehren, die Stilllegung der Bauarbeiten an
ihrem Wohnhaus sei im Zeitpunkt der insoweit eingetretenen Erledigung der
Stilllegungsverfügung nach Erteilung der Baugenehmigung vom 29. September 1997
rechtswidrig gewesen, ist ihre Klage zwar zulässig, aber unbegründet.
50
Der Beklagte konnte die Bauarbeiten an dem unter dem 16. November 1995
baurechtlich genehmigten, im bauplanungsrechtlichen Außenbereich gelegene
Vorhaben (a) wegen Fehlens einer Befreiung vom landschaftsrechtlichen Bauverbot (b)
ermessensfehlerfrei (c) stilllegen, ohne durch die Baugenehmigung vom 16. November
1995 daran gehindert gewesen zu sein (d).
51
(a) Das gesamte unter dem 16. November 1995 genehmigte Bauvorhaben der Kläger
lag bis zur Erteilung der auf die landschaftsrechtliche Befreiung vom 17. September
1997 gestützten Baugenehmigung vom 29. September 1997 für das im Rohbau fertig
gestellte Vorhaben bauplanungsrechtlich im Außenbereich. Das klägerische
Grundstrück liegt weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans noch war es
ursprünglich Teil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34
BauGB. § 34 Abs. 1 BauGB setzt das Vorhandensein eines
Bebauungszusammenhanges voraus. Unter den Begriff der Bebauung im Sinne dieser
Vorschrift fällt nicht jede beliebige bauliche Anlage. Gemeint sind vielmehr Bauwerke,
die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend
sind. Dies trifft ausschließlich für Anlagen zu, die optisch wahrnehmbar und nach Art
und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten
städtebaulichen Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die
dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Es ist allerdings nicht von Vornherein
ausgeschlossen, dass auch andere Baulichkeiten gegebenenfalls am
Bebauungszusammenhang teilnehmen können. Denn selbst unbebaute Flächen
können einem Bebauungszusammenhang zuzurechenen sein. Maßgeblich ist, wieweit
eine aufeinander folgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der
Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit
52
vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche selbst diesem Zusammenhang
angehört. Dies ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben zu entscheiden.
Vielmehr bedarf es einer umfassenden Wertung und Bewertung der konkreten
Gegebenheiten. Ein Bebauungszusammenhang scheidet auch bei einer
Grundstückslage am Ortsrand nicht von Vornherein aus. Zwar endet er in aller Regel am
letzten Baukörper, örtliche Besonderheiten können es aber rechtfertigen, ihm noch bis
zu einer natürlichen Grenze ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut
sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der
Siedlungsstruktur beitragen.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. März 2000 - 4 B 15.00 -, BauR 2000, S. 1310 f. (S.
1311) m.w.N.
53
Das vorausgesetzt, endete der Bebauungszusammenhang - folgt man der J. straße von
der Gennerstraße in Richtung Norden - jedenfalls auf der westlichen Straßenseite der J.
straße mit dem Wohnhaus J. . 33. Dies ergibt sich aus den in den Akten enthaltenen
Fotografien einschließlich Luftbild, dem vorliegenden Kartenmaterial sowie aus dem
Eindruck, den der Berichterstatter von der Örtlichkeit in dem im Parallelverfahren 7 A
621/00 durchgeführten Ortstermin am 5. Juli 2001 gewonnen und dem Senat
insbesondere anhand der im Ortstermin gefertigten Lichtbilder vermittelt hat.
54
Es lässt sich in der Örtlichkeit nicht feststellten, dass der Bebauungszusammenhang
entlang der westlichen Straßenseite der J. straße erst mit dem Grundstück der Kläger
endete. Die Kläger nehmen - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
ausgeführt - in diesem Zusammenhang eine Prägung durch die grenzständige
Wohnhausbebauung auf dem Grundstück J. . 33 sowie durch das ihrem Grundstück auf
der östlichen Straßenseite gegenüberliegende Gewächshaus an und verweisen
ergänzend - als aus ihrer Sicht besonderer topografischer Gegebenheit - auf die nördlich
ihres Grundstückes verlaufende V. straße einschließlich der zur freien Landschaft hin an
dieser Stelle über ca. 1,5 m abfallenden Böschung an der nördlichen Straßenseite der
V. straße. Die V. straße stellt sich im Bereich des Grundstückes der Kläger als bis 5,70
m breite, asphaltierte Fläche mit unbefestigten Banketten dar, die - wie auch in ihrem
übrigen Verlauf Richtung Westen - den Eindruck eines Wirtschaftsweges vermittelt. In
ihrer Ausgestaltung ist die V. straße in diesem Bereich nicht für bebaute Ortsteile mit
entsprechendem Erschließungserfordernis, sondern für Wege in freien Landschaften
typisch. Darüber hinaus unterbricht die V. straße ihren im Wesentlichen geraden Verlauf
zwischen R. straße und J. straße, indem sie in Höhe des Grundstücks der Kläger leicht
in Richtung Nordwesten in die freie Landschaft abbiegt. Spätestens an dieser Stelle
verlässt sie endgültig den Ortsteil F. . Die bewachsene Böschung erreicht nicht eine
Höhe, die geeignet ist, eine Zäsur zu bilden. Sie nimmt dem Gelände nicht den Eindruck
der Einheitlichkeit, sondern vermittelt als darin eingebundener Niveauunterschied den
Eindruck bewegten, aber gleichwohl zusammengehörigen Geländes. Die
Zusammengehörigkeit wird durch die leichte Tallage des sowohl nach K. als auch nach
F. hin ansteigenden Geländes bewirkt. Demgegenüber kommt dem Wohnhaus J. . 33
keine das Grundstück der Kläger prägende Wirkung zu. Es ist zwar grenzständig
errichtet, hat jedoch nur eine den Bebauungszusammenhang auf dem eigenen
Grundstück prägende Kraft. Es handelt sich um den in diesem Bereich letzten
Baukörper, des vom unbebauten Außenbereich in westlicher und nördlicher Richtung
umgeben ist. Der Außenbereich mag auf der Ostseite der J. straße wegen des dortigen
Gewächshauses erst an der V. straße enden, auf der Westseite der J. straße schloss er
jedoch das klägerische Grundstück ein.
55
(b) Mit der Zugehörigkeit zum bauplanungsrechtlichen Außenbereich unterfiel das
Grundstück der Kläger aufgrund seiner Lage im Landschaftsschutzgebiet insgesamt
dem im Landschaftsplan Nr. 8 normierten Verbot der Errichtung baulicher Anlagen. Eine
Befreiungsentscheidung der unteren Landschaftsbehörde gemäß § 69 Abs. 1 LG NRW
wurde für das unter dem 16. November 1995 genehmigte Vorhaben zu keiner Zeit erteilt.
56
(c) Auf das Fehlen der notwendigen Befreiungsentscheidung ist die
Stilllegungsverfügung vom 22. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
des Landrates des E. vom 15. Mai 1997 selbständig tragend gestützt, wie sich aus dem
Wortlaut der Begründung des Widerspruchsbescheides auf S. 3 im 4. und 5. Absatz
ergibt. Ermessensfehler sind entgegen der Auffassung der Kläger insoweit nicht
ersichtlich. Ein tatsächliches Vertrauen der Kläger auf eine umfassende
Feststellungswirkung der Baugenehmigung vom 16. Novem-ber 1995 sowie eine der
Baugenehmigung innewohnende umfassende Baufreigabe war - wie sich nachfolgend
ergibt - mangels normativer Rechtfertigung eines solchen Vertrauens nicht
schützenswert.
57
(d) Die Baugnehmigung vom 16. November 1995, die sich gemäß § 90 Abs. 1, 2 Nr. 1
BauO NRW 1995 (GVBl. 1995, S. 218) nach dem bis zum 31. Dezember 1995
geltenden Recht (BauO NRW 1984) richtet, hinderte den Erlass der auf die formelle
Illegalität des Vorhabens gestützte Stilllegungsverfügung entgegen der Auffassung der
Kläger nicht, da die zusätzlich zur Baugenehmigung erforderliche landschaftsrechtliche
Befreiung fehlte.
58
Aufgrund einer wirksamen Baugenehmigung steht zwar grundsätzlich fest, dass dem
Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne von § 70 Abs. 1 BauO NRW 1984
(= § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW) nicht entgegenstehen. Dies gilt grundsätzlich auch,
wenn die Baugenehmigung - wie hier - im vereinfachten Genehmigungsverfahren
gemäß § 64 BauO NRW 1984 (= § 68 BauO NRW) erteilt worden ist, und zwar insoweit
als im vereinfachten Verfahren öffentlich-rechtliche Vorschriften zu prüfen sind. Die der
Baugenehmigung im Einzelfall zukommende Feststellungswirkung muss auch - wie die
Kläger zu Recht hervorheben - zunächst (wirksam) beseitigt werden, bevor
bauaufsichtliche Maßnahmen wegen formeller Illegalität eines genehmigten
Bauvorhabens in Betracht kommen.
59
Die durch eine Baugenehmigung bewirkte Sperre von bauaufsichtlichen Maßnahmen
gegen das Bauvorhaben gilt jedoch nur im Umfang ihrer jeweiligen
Feststellungswirkung und nicht unbeschränkt. Eine Baugenehmigung war (und ist) nach
nordrhein-westfälischem Landesrecht nicht der Schlusspunkt eines Prüfungsverfahrens,
welches sich auf alle öffentlich- recht-lichen Vorschriften mit der Folge erstreckt, dass
die Baugenehmigung abschließend die Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem
gesamten öffentlichen Recht feststellt. Anders: z.B. Boeddinghaus/Hahn/ Schulte,
Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, München, Stand: April 2001, § 75
Rdnrn. 38 u. 76.
60
Für eine im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung gilt
dies erst recht. Mit der Erteilung der Baugenehmigung ist die Bautätigkeit auch nicht in
dem Sinne freigegeben, dass aus der von den Klägern so bezeichneten Baufreigabe ein
Vertrauen darauf abgeleitet werden könnte, dem Bau selbst dürften öffentlich-rechtliche
Vorschriften nicht mehr entgegengehalten werden.
61
Im Sinne einer unbeschränkten Bau- freigabe aber z.B.: Gaentzsch, Konkurrenz
paralleler Anlagegenehmigungen, NJW 1986, S. 2787 ff. (S. 2793); Hahn,
Landschaftsrecht und Baufreiheit, DVBl. 1992, S. 1408 ff. (S. 1412).
62
Dies ergibt sich aus Folgendem: Nach § 63 Abs. 1 BauO NRW 1984 war der Bauantrag
auch für ein im vereinfachten Verfahren genehmigungsfähiges Vorhaben schriftlich bei
der Gemeinde einzureichen, die ihn mit ihrer Stellungnahme unverzüglich an die
Bauaufsichtsbehörde weiterleitete. War die Erteilung der Baugenehmigung von der
Zustimmung oder von der Erteilung einer weiteren Genehmigung oder Erlaubnis einer
anderen Behörde abhängig, so hatte die Bauaufsichtsbehörde den Antragsteller hierauf
hinzuweisen und bei ihr eingehende Anträge unverzüglich an die zuständige Behörde
weiterzuleiten, § 63 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 1984. Die - auch im vereinfachten
Verfahren erteilte - Baugenehmigung ließ auf Grund anderer Vorschriften bestehende
Verpflichtungen zum Einholen von Genehmigungen, Bewilligungen, Erlaubnissen und
Zustimmungen oder zum Erstatten von Anzeigen unberührt, § 70 Abs. 3 Satz 2 BauO
NRW 1984. Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein-
West- falen, München Stand November 1997, § 64 BauO NRW 1984, Rdnrn. 51 u. 56.
63
Daraus folgt, dass eine in einem anderen Rechtsbereich einzuholende Genehmigung
auch nach Erteilung der Baugenehmigung erforderlich war. Einer Baugenehmigung
kam also - wie auch die Kläger annehmen - schon keine Konzentrationswirkung in dem
Sinne zu, dass sie die nach anderen Vorschriften erforderlichen Genehmigungen
ersetzt. Trennt das Landesrecht - wie hier - zwei Rechtsbereiche in verfahrensrechtlicher
Hinsicht, so beschränkt sich der Entscheidungs- und Regelungsgehalt einer zu
erteilenden Baugenehmigung auf die nicht verfahrensmäßig ausgegliederten
Fragestellungen, je nach Fallgestaltung im Wesentlichen also auf die bauordnungs- und
bauplanungsrechtlichen Fragen.
64
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Juli 1998 - 7 A 872/96 - m.w.N.; OVG NRW, Beschluss
vom 15. Februar 2000 - 10 B 208/00 -, NVwZ-RR 2001, S. 299; OVG NRW, Beschluss
vom 23. August 2001 - 11 A 1084/96 -.
65
Eine besondere Verantwortung des Bauherrn sah darüber hinaus das hier angewandte
vereinfachte Genehmigungsverfahren gemäß § 64 BauO NRW 1984 vor, da dieses
Verfahren einen gegenüber dem "normalen" Baugenehmigungsverfahren noch weiter
eingeengten Prüfungsrahmen der Bauaufsichtsbehörde normierte. Gemäß § 64 Abs. 2
BauO NRW 1984 beschränkte sich im vereinfachten Genehmigungsverfahren die
Prüfung der Bauvorlagen auf die Zulässigkeit des Vorhabens auf dem Grundstück nach
den Vorschriften der §§ 29 bis 38 BauGB und nach anderen Rechtsvorschriften (Nr. 1),
die Bebaubarkeit des Grundstücks, die Zugänge auf dem Grundstück sowie die
Abstandflächen (Nr. 2), die Zahl und Anordnung der notwendigen Stellplätze und
Garagen (Nr. 3), die Übereinstimmung mit örtlichen Bauvorschriften und die Gestaltung
(Nr. 4) sowie die Zulässigkeit von Wohnungen im Kellergeschoss (Nr. 5). Diese
Einschränkung des Prüfungsrahmens hat zur Folge, dass auch der Regelungsumfang
einer darauf hin erteilten Baugenehmigung nur ein entsprechend beschränkter ist.
66
Vgl. zum eingeschränkten Regelungsgehalt einer auf § 64 BauO NRW 1984 gestützten
Baugenehmigung noch jüngst OVG NRW, Urteil vom 24. April 2001 - 10 A 1402/98 -.
67
Aus den §§ 63 Abs. 1, 70 Abs. 3 Satz 2 BauO NRW 1984 mag eine verfahrensmäßige
68
Verzahnung der behördlichen Verfahren ableitbar sein, wonach im Regelfall die
Baugenehmigung am Ende der auf Legalisierung des Bauvorhabens gerichteten
Verfahren stehen sollte. Dies ändert aber nichts daran, dass es vor, während und nach
jedem Baugenehmigungsverfahren allein Sache des Bauherrn war und ist, alle
notwendigen Anträge zu stellen, um die neben der Baugenehmigung eigenständig
notwendigen behördlichen Genehmigungen zu erlangen. Eine solche auch zeitlich
unbeschränkte Mitwirkungslast des Bauwilligen bei der umfassenden Legalisierung
seines Bauvorhabens steht der Annahme entgegen, der Bauherr könne sich mit dem
Erhalt der beantragten Baugenehmigung allein beruhigen und mit der Baugenehmigung
beginnen, obwohl noch weitere, für das konkrete Bauvorhaben notwendige
Genehmigungen fehlen.
Vgl. schon Gädtke, Kommentar zur Bauordnung für das Land Nordrhein- Westfalen, 2.
Auflage Düsseldorf 1966 zu § 88 Abs. 6 Satz 2 BauO NRW 1962 (= § 70 Abs. 3 Satz 2
BauO NRW 1984): "Abs. 6 ist insofern wichtig, als sich der Bauherr bei vorzeitiger
Erteilung einer Baugenehmigung hinsichtlich der Verpflichtung auf Grund anderer
öffentlich-rechtlicher Vorschriften auf die Baugenehmigung nicht berufen kann."
69
Hinzu kommt die auch für das vereinfachte Genehmigungsverfahren geltende
Hinweispflicht gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 1984. Danach hat die
Bauaufsichtsbehörde den Bauantragsteller, sofern die Erteilung der Baugenehmigung
von der Zustimmung oder von der Erteilung einer weiteren Genehmigung oder Erlaubnis
einer anderen Behörde abhängig ist, hierauf hinzuweisen und bei ihr eingehende
Anträge unverzüglich an die zuständige Behörde weiterleiten. Mit dem Hinweis wurde
dem Bauherrn einerseits ausdrücklich seine eigene Verantwortung für sein
Bauvorhaben vor Augen geführt und andererseits die Baugenehmigungsbehörde von
einem weiteren eigenen Tätigwerden entlastete.
70
Die bereits aus dem Wortlaut der §§ 63 Abs. 1, 70 Abs. 3 Satz 2 BauO NRW 1984
folgende beschränkte Feststellungswirkung der Baugenehmigung entspricht auch dem
Sinn des Gesetzes. Der Zuständigkeitsbereich anderer, für spezialgesetzlich geregelte
Fragen kompetente Behörden, soll aus sich sachlich aufdrängenden Gesichtspunkten
nicht nur formal unangetastet bleiben. Hätte eine Baugenehmigung
Feststellungswirkung auch hinsichtlich solcher Teilbereiche des öffentlichen Rechts, die
aus dem Prüfungsprogramm des Baugenehmigungsverfahrens gesetzlich ausgegliedert
sind, ließe sich die nach § 70 Abs. 3 Satz 2 BauO NRW 1984 bestehende, fortdauernde
Verpflichtung des Bauherrn, weitere Genehmigungen einzuholen, sinnvoll nicht
begründen, denn es stünde schon die Legalität des Vorhabens fest. Die Fachbehörde
wäre sogar gehindert, gegen ein nach den ihrer Kompetenz zugeordneten
Spezialvorschriften materiell illegales Vorhaben vorzugehen, solange die
Baugenehmigungsbehörde sich weigerte, die außerhalb ihrer eigenen Kompetenz
getroffene Feststellung einer Legalität des Vorhabens zurückzunehmen.
71
Die sich aus dem Wortlaut und dem Zweck der gesetzlichen Regelungen ergebende nur
eingeschränkte Feststellungswirkung der Baugenehmigung findet ihre Bestätigung in
der historischen Entwicklung der Regelungen zum Baugenehmigungsverfahren in
Nordrhein-West-falen. Danach kam einer Baugenehmigung zu keiner Zeit eine das
Fehlen gesonderter Genehmigungen überwindende Feststellungswirkung zu.
72
Die seit 1962 im Wesentlichen in der jeweils geltenden Landesbauordnung
zusammengefassten Vorschriften des Bauordnungsrechts gehen u.a. zurück auf die
73
Musterbauordnung vom 30. Oktober 1959.
Abgedruckt z.B. bei Scheerbarth, Das allgemeine Bauordnungsrecht, Köln, S. 301 ff.
74
Die Musterbauordnung - MBO - schlug eine Regelung vor, welche die Baugenehmigung
als Schlusspunkt eines die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem öffentlichen Recht
umfassend prüfenden Verfahrens behandelte. Gemäß § 88 Abs. 1 S. 1 u. 2 MBO war der
Bauantrag schriftlich bei der Gemeinde einzureichen, die ihn mit ihrer Stellungnahme
unverzüglich an die Baubehörde weiterleitete. Mit dem Bauantrag galten alle nach
anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften für die Errichtung, Änderung, Nutzung oder
den Abbruch von baulichen Anlagen oder Werbeanlagen erforderlichen Anträge auf
Genehmigung, Zustimmung, Bewilligung und Erlaubnis als gestellt. Nach § 90 Abs. 2
Satz 1 MBO hatte die Baubehörde, soweit andere Behörden zuständig waren, die für die
Errichtung, Änderung, Nutzung oder den Abbruch von baulichen Anlagen und
Werbeanlagen nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlichen
Genehmigungen, Zustimmungen, Bewilligungen und Erlaubnisse einzuholen und mit
der Baugenehmigung gleichzeitig auszuhändigen. Diese Regelung sollte der
Verwaltungsvereinfachung dienen: "Der Verwaltungsvereinfachung dient es, wenn der
Bauherr nicht einzeln die betreffenden Erklärungen der anderen Behörden einzuholen
braucht, sondern die Baubehörde diese Erklärungen für ihn einholt."
75
Vgl. Begründungsausschuss der Musterbauordnungskommission, Einführung die
Musterbauordnung, Teil B, Schriftenreihe des Bundesministers für Wohnungsbau, Band
18, Recklinghausen 1960, S. 129.
76
Der Regierungsentwurf einer Bauordnung für das Land Nordrhein- Westfalen vom 15.
Juni 1960 - EBauO 1962 - beruhte zwar - jedenfalls nach seinem Selbstverständnis -
weitestgehend auf den Ergebnissen der Musterbauordnung, um die Schaffung eines
einheitlichen Bauaufsichtsrechts im Bundesgebiet zu ermöglichen.
77
Vgl. Landtags-Drucksache 4/327, S. 88.
78
Gleichwohl sah er hinsichtlich des Baugenehmigungsverfahrens von der
Musterbauordnung so deutlich abweichende Regelungen vor, - wie weiter unten noch
ausgeführt wird - dass schon von einer bewusste Abkehr von den Vorschlägen der
Musterbauordnung gesprochen werden muss. Diese abweichenden Regelungen finden
ihre Wurzeln in den bis 1962 in Nordrhein-West-falen geltenden örtlichen Vorschriften
zum Baugenehmigungsverfahren, die dem Bauwilligen erhebliche Mitwirkungslasten
bei der formellen Legalisierung seines Bauvorhabens aufbürdeten.
79
Diese örtlichen Vorschriften orientierten sich ihrerseits an dem für Preußen im Jahre
1919 verfassten "Entwurf zu einer Bauordnung" - EBO -.
80
Abgedruckt bei Baltz/Fischer, Preußisches Baupolizeirecht, 6. Auflage, Nachdruck
1954, Anhang "Baupolizei-liche Vorschriften".
81
Gemäß § 1 F EBO ("Neben der Baugenehmigung gesetzlich für Bauten
vorgeschriebene polizeilich Genehmigungen") war bei Gründung neuer Ansiedlungen
dem Antrag auf Baugenehmigung die Ansiedlungsgenehmigung, bei Errichtung einer
Feuerstätte in der Nähe einer Waldung, welche mehr als 100 ha im räumlichen
Zusammenhange umfasste, die hierfür nötige besondere Genehmigung und bei Bauten
82
im Überschwemmungsgebiet von Wasserläufen die nach dem Wassergesetze
vorgeschriebene Genehmigung beizufügen.
Diese Regelung galt (mit Modifikationen hinsichtlich der Erforderlichkeit einzelner
behördlicher Genehmigungen) ? gemäß § 1 F der Baupolizeiverordnung für den
gesamten Umfang des Regierungsbezirks A. mit Ausnahme des Stadtkreises A. vom 1.
August 1940 in der Fassung vom 8. August 1950 im Regierungsbezirk A. ; ? gemäß § 1
F der Baupolizeiverordnung für den Stadtkreis A. vom 1. April 1939 in A. ; ? gemäß § 1 F
der Baupolizeiverordnung für die Städte und stadtähnlichen Orte des Regierungsbezirks
Arnsberg, soweit sie nicht zum Ruhrsiedlungsverband gehörten, vom 29. April 1938
(Stand 1956) im Regierungsbezirk Arnsberg; ? gemäß § 1 F der Baupolizeiverordnung
für den Regierungsbezirk D. vom 28. Juli 1938 (Stand November 1956) im
Regierungsbezirk D. ; ? gemäß § 1 F der Baupolizeiverordnung für den
Regierungsbezirk D. ausschließlich des zum Ruhrsiedlungsverbandsgebiet
gehörenden Teiles vom 1. April 1939 (Stand 1. August 1955) für den Regierungsbezirk
D. ; ? gemäß § 1 F der Baupolizeiverordnung für die Stadtgemeinden des
Regierungsbezirks K. mit Ausnahme der Städte B. und K. vom 22. Mai 1930 (Stand 1.
De-zember 1955) im Regierungsbezirk K. ; ? gemäß § 1 F der Baupolizeiverordnung für
den Stadtkreis B. vom 1. Januar 1929 (Stand 1. Dezember 1955) in B. ; ? gemäß § 1 F
der Bauordnung für die Hansestadt K. vom 26. Januar 1929 (Stand 1. Dezember 1955);
? gemäß § 1 F der Baupolizeiverordnung für den Regierungsbezirk M. mit Ausnahme
der zum Siedlungsverbande Ruhrkohlenbezirk gehörenden Stadt- und Landkreise vom
20. Oktober 1933 (Stand 1. Juli 1948).
83
Gemäß § 2 Nr. 2 der Bauordnung für das Gebiet des Siedlungsverbandes
Ruhrkohlenbezirk vom 24. Dezember 1938 (Stand 1961) sollten Genehmigungen bzw.
Zustimmungserklärungen, die auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften notwendig
waren, soweit dies durchführbar und erforderlich erschien, vor Einreichung des
Bauantrages eingeholt und diesem als besondere Anlage beigefügt werden.
84
Eine ähnliche Regelung findet sich in § 2 Abs. 4 u. 5 der Bauordnung für die Stadt
Bielefeld vom 23. November 1960. Danach sollten Genehmigungen oder
Zustimmungen anderer Dienststellen oder Personen, die auf Grund besonderer
gesetzlicher Vorschriften erforderlich waren, vor Einreichung des Bauantrages eingeholt
und diesem als Anlage beigefügt werden. Die Bearbeitung des Bauantrages setzte die
Erteilung der erforderlichen Genehmigungen und Zustimmungen anderer Art voraus.
85
Allen Regelungen war demnach gemeinsam, dass die grundsätzlich schon bei Stellung
des Bauantrages notwendige Vorlage der erforderlichen weiteren Zustimmungen,
Genehmigungen usw. ganz allein Sache des Bauherrn war, nicht jedoch der
Baugenehmigungsbehörde.
86
Wurde die Baugenehmigung erteilt, obwohl die übrigen behördlichen Erklärungen nicht
vorlagen, blieb der Bauherr weiter zu deren Vorlage verpflichtet. Fehlte z.B. bei
vorhandener Bauerlaubnis eine Ansiedlungsgenehmigung, die grundsätzlich u.a. für die
Errichtung eines Wohnhauses außerhalb einer im Zusammenhang gebauten Ortschaft
erforderlich war (§ 13 Abs. 1 des pr. Ansiedlungsgesetzes),
87
abgedruckt bei Baltz/Fischer, a.a.O., S. 194,
88
blieb das Erfordernis einer Ansiedlungsgenehmigung gleichwohl bestehen. Die
89
zuständige Behörde durfte verfügen, dass der Unternehmer binnen bestimmter Frist um
die Ansiedlungsgenehmigung nachsuche oder das Haus als Wohnhaus zu beseitigen,
jedenfalls es vorläufig nicht als solches zu benutzen habe.
Vgl. PrOVG, Urteil vom 5. Januar 1881, OVGE 7, S. 332 ff. (S.335); Baltz/Fischer, a.a.O.,
S. 196.
90
Einigen Bauordnungen ist diese fortdauernde Verpflichtung ausdrücklich zu entnehmen:
Die Bauordnung für das Gebiet des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk bestimmte
in § 1 Nr. 21, die Pflicht des Antragstellers, auf Grund sonstiger Bestimmungen eine
Genehmigung einzuholen oder eine Anzeige zu erstatten, werde durch die Erteilung der
Baugenehmigung nicht aufgehoben. Die Bauordnung für die Stadt B. legte in § 3 Abs. 1
fest, dass die Baugenehmigung keine nach anderen gesetzlichen Vorschriften
notwendige Genehmigung oder Zustimmung, zu deren Erteilung die
Baugenehmigungsbehörde nicht befugt sei, ersetze. Nach § 3 Nr. 2 der Bauordnung für
die Hansestadt K. wurde durch die baupolizeiliche Genehmigung, Überwachung und
Abnahme der Bauausführungen die dem Bauherrn, dem Bauleiter, den ausführenden
Technikern, den Bauhandwerkern und den Bauarbeitern gesetzlich obliegende
Verantwortung dafür, dass u.a. die gesetzlichen Vorschriften beobachtet wurden, in
keiner Weise aufgehoben oder gemindert.
91
Der Regierungsentwurf zur Landesbauordnung 1962 enthielt in Abweichung von der
Musterbauordnung (aber in Fortschreibung der bisherigen Rechtslage) weder eine
Regelung, nach der Anträge für weitere notwendige Genehmigungen u.a. mit dem
Bauantrag ebenfalls als gestellt galten, noch eine Verpflichtung der Behörde, weitere
behördliche Erklärungen einzuholen, noch die Regelung, (alle) behördlichen
Erklärungen zusammen mit der Baugenehmigung auszuhändigen. Der Entwurf
bestimmte dagegen - dies ebenfalls in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage -
in § 88 Abs. 6 Satz 2 EBauO 1962, dass die Baugenehmigung auf Grund anderer
Vorschriften bestehende Verpflichtungen zum Einholen von Genehmigungen,
Bewilligungen, Erlaubnissen und Zustimmungen oder zum Erstatten von Anzeigen
unberührt lasse.
92
Vgl. Landtags-Drucksache 4/327, S. 68.
93
Der Regierungsentwurf wollte - die Einholung anderer behördlicher Erklärungen
betreffend - zwar eine Koordinierung der Aufgaben der Bauaufsicht erreichen, um den
Bauantragstellern Zeit und Wege zu ersparen,
94
vgl. Landtags-Drucksache 4/327, S. 94,
95
dies allerdings im Erlasswege.
96
Vgl. Landtags-Drucksache 4/327, S. 123.
97
Zu § 88 Abs. 6 Satz 2 EBauO 1962 wurde ausdrücklich ausgeführt, die
Baugenehmigung könne andere öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zur Einholung
besonderer Genehmigungen, Erlaubnisse oder Zustimmungen nicht ersetzen.
98
Vgl. Landtags-Drucksache 4/327, S. 125.
99
Die Gesetz gewordene Fassung der Landesbauordnung vom 25. Juni 1962 (GVBl. 62,
373 ff.) enthielt die schon im Entwurf vorhandene Regelung des § 88 Abs. 6 Satz 2
EBauO 1962. Darüber hinaus war im Zusammenhang mit der Stellung des Bauantrages
geregelt, dass die Bauaufsichtsbehörde dem Antragsteller einen Hinweis zu geben
hatte, falls die Erteilung der Baugenehmigung von der Zustimmung oder der Erteilung
einer weiteren Genehmigung oder Erlaubnis einer anderen Behörde abhängig war.
Mehr nicht.
100
Demnach ist schon mit Einführung der ersten Landesbauordnung im Jahre 1962 eine an
die Musterbauordnung angelehnte Regelung des Baugenehmigungsverfahrens nicht
erfolgt. In Fortschreibung der bisherigen Rechtslage war es weiterhin Sache des
Bauantragstellers, die über die Baugenehmigung hinaus erforderlichen behördlichen
Erklärungen beizubringen bzw. zu beantragen. Diese Mitwirkungslast dauerte über die
Erteilung der Baugenehmigung hinaus fort.
101
Die Reform des Bauordnungsrecht im Jahre 1970 änderte die hier interessierenden
Vorschriften nicht.
102
Der Gesetzentwurf der Novelle der Landesregierung für eine Landesbauordnung aus
dem Jahre 1983 - EBauO 1984 - übernahm in § 63 Abs. 1 Satz 2 EBauO 1984
wortgleich die bisherige Regelung aus § 83 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW 1962. § 70 Abs. 3
Satz 2 EBauO 1984 übernahm ebenfalls wortgleich § 88 Abs. 6 Satz 2 BauO NRW
1962.
103
Vgl. Landtags-Drucksache 9/2721, S. 53 ff.
104
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber mit der Einführung des vereinfachten
Genehmigungsverfahrens eine Baugenehmigung mit weiter eingeschränktem
Regelungsgehalt geschaffen. Nach § 64 Abs. 2 EBauO NRW 1984 beschränkte sich im
vereinfachten Genehmigungsverfahren die Prüfung der Bauvorlagen auf die
Zulässigkeit des Vorhabens auf dem Grundstück nach den Vorschriften der §§ 29 bis 38
BBauG und nach anderen Rechtsvorschriften (Nr. 1), die Bebaubarkeit des
Grundstücks, die Zugänge auf dem Grundstück sowie die Abstandflächen (Nr. 2), die
Zahl und Anordnung der notwendigen Stellplätze und Garagen (Nr. 3), die Gestaltung
(Nr. 4) sowie die Zulässigkeit von Wohnungen im Kellergeschoss (Nr. 5). Unberührt
blieb die Prüfpflicht für die Verwendung und Anwendung neuer Baustoffe, Bauteile und
Bauarten. Damit sollte die Prüfung der Bauanträge im Wesentlichen auf die
grundstücksbezogenen Merkmale der Gebäude beschränkt werden. Im Übrigen werde -
so der Regierungsentwurf - "die nach wie vor notwendige Übereinstimmung des
Vorhabens mit bauaufsichtlichen Vorschriften ganz der Verantwortung der am Bau
Beteiligten (insbesondere Bauherr, Entwurfsverfasser) überlassen."
105
Vgl. Landtags-Drucksache 9/2721, S. 88.
106
Diese Entwurfsregelung wurde - mit Ausnahme der Regelung zur Prüfpflicht neuer
Baustoffe, Bauteile und Bauarten - Teil der Landesbauordnung vom 26. Juni 1984 (s.o.).
Die Verantwortung des Bauherrn im Hinblick auf die aus dem bauaufsichtlichen
Prüfungsverfahren ausgegliederten, selbständigen Genehmigungsverfahren blieb
unangetastet.
107
Angemerkt sei an dieser Stelle, dass auch die Novellierungen der Landesbauordnung in
108
den Jahren 1995 und 2000 insoweit keine Veränderungen gebracht haben. Zwar prüft
die Baugenehmigungsbehörde u.a., ob die Erteilung einer weiteren Genehmigung oder
Erlaubnis einer anderen Behörde für das Bauvorhaben notwendig ist, § 72 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 BauO NRW, eine behördliche Pflicht, diese Genehmigungen oder Erlaubnisse
einzuholen, ist jedoch - im Gegensatz zur Einholung erforderlicher Zustimmungen
anderer Behörden bzw. Herstellung des Einvernehmens oder Benehmens mit anderen
Behörden, vgl. § 72 Abs. 2 u. 3 BauO NRW, - nicht normiert. Nach wie vor lässt gemäß §
75 Abs. 3 Satz 2 BauO NRW die Erteilung der Baugenehmigung die aufgrund anderer
gesetzlicher Vorschriften bestehende Verpflichtung u.a. zum Einholen von
Genehmigungen unberührt. Für das vereinfachte Verfahren hat der Gesetzgeber den
Regelungsgehalt des § 75 Abs. 3 Satz 2 BauO NRW nunmehr in § 68 Abs. 1 Satz 4 Nr.
4 BauO NRW sogar ausdrücklich übernommen.
Vgl. Regierungsentwurf vom 26. Fe- bruar 1999 zur Änderung der Landesbauordnung,
Landtags-Drucksache 12/3738, S. 89 : "... stellt sicher, dass die gem. § 75 Abs. 1 BauO
NW von einem Bauvorhaben einzuhaltenden sämtlichen öffentlich-rechtlichen
Vorschriften auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren geprüft werden, soweit sie
nicht ausdrücklich von einer bauaufsichtlichen Prüfung ausgenommen werden. Dies
erfasst ... Landschaftsschutzrecht ... sowie ggf. weitere öffentlich-rechtliche Vorschriften."
109
Angesichts dieser Entwicklung des Baugenehmigungsverfahrens, welches schon mit
Erlass der ersten Landesbauordnung eine deutliche Abkehr von den diesbezüglichen,
eine Schlusspunkttheorie rechtfertigenden Regelungsvorschlägen in der
Musterbauordnung 1959 enthielt, ist für das nordrhein- westfälische Landesrecht die
Qualifizierung der Baugenehmigung als Schlusspunkt eines das gesamte öffentliche
Recht umfassenden, bauaufsichtlichen Prüfungsverfahrens nicht möglich. Die den
Klägern erteilte Baugenehmigung vom 16. November 1995 stellt demgemäß nicht den
Schlusspunkt des Baugenehmigungsverfahrens in dem Sinne dar, dass die Kläger mit
Erteilung der Baugenehmigung davon ausgehen durften, alle zur Verwirklichung ihres
Bauvorhabens notwendigen Genehmigungen, Erlaubnisse, Gestattungen u.a. hätten
vorgelegen.
110
Eine gesetzliche Grundlage für die von den Klägerin in der mündlichen Verhandlung
noch einmal ausdrücklich herausgestellte Auffassung, einer Baugenehmigung komme
selbst bei eingeschränkter Feststellungswirkung eine darüber hinaus gehende, in jedem
Fall vollumfängliche Verfügungswirkung, die so genannte Baufreigabe zu, besteht nicht.
Sie folgt insbesondere nicht aus der hier einzig in Betracht zu ziehenden Regelung des
§ 70 Abs. 5 BauO NRW 1984.
111
§ 70 Abs. 5 BauO NRW 1984 (= § 75 Abs. 5 BauO NRW) bestimmte etwas anderes.
Nach dieser Vorschrift durfte und darf vor Zugang der Baugenehmigung mit der
Bauausführung nicht begonnen werden. Schon die negative Formulierung ist
ungewöhnlich und zeigt, dass ihr eine eigenständige Bedeutung zukommen muss.
Diese liegt darin, dass das Gesetz die Baugenehmigung lediglich als
Mindestvoraussetzung für eine legale Bautätigkeit ansieht. Es darf bei
genehmigungspflichten Bauvorhaben jedenfalls nicht ohne Baugenehmigung - also
nicht vor Abschluss der präventiven Prüfung zumindest der einschlägigen bauordnungs-
und bauplanungsrechtlichen Vorschriften - gebaut werden. Was - positiv gewendet - für
eine formell legale Bautätigkeit weiter erforderlich ist, besagt die Vorschrift nicht,
sondern überlässt die Beantwortung dieser Frage dem konkreten Einzelfall. Der von den
Klägern aus § 70 Abs. 5 BauO NRW 1984 gezogene Schluss, mit Vorliegen der
112
Baugenehmigung könne mit der Bautätigkeit begonnen werden, kann also nur dann
gerechtfertigt sein, wenn - anders als hier - im konkreten Einzelfall über die
Baugenehmigung hinaus keine weiteren Voraussetzungen für eine formell legale
Bautätigkeit erfüllt sein müssen. Aus der Gesetzgebungsgeschichte lässt sich im
Übrigen ablesen, dass der Gesetzgeber mit § 70 Abs. 5 BauO NRW 1984 einen völlig
anderen Zweck verfolgte als denjenigen, dem Bauherrn die Sicherheit zu geben, mit
Erhalt der Baugenehmigung seien alle für eine (for-mell) legale Bautätigkeit
erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Vielmehr geht es um den öffentlichen Zweck, die
Bautätigkeit erleichtert überwachen zu können. Die Regelung geht zurück auf § 93 Abs.
7 MBO (und die gleich lautenden ortsrechtlichen Vorschriften in Nordrhein- Westfalen
vor 1962). Nach § 93 Abs. 7 MBO durfte vor der Zustellung der Baugenehmigung nicht
mit der Bauausführung begonnen werden. Gemäß § 93 Abs. 8 MBO mussten vor
Baubeginn die Grundrissfläche des Gebäudes abgesteckt und seine Höhenlage
festgelegt sein. Baugenehmigung und Bauvorlagen mussten an der Baustelle von
Baubeginn an vorliegen. Gemäß § 88 Abs. 8 EBauO 1962 durfte vor Zustellung der
Baugenehmigung mit der Bauausführung, einschließlich des Baugrubenaushubs, nicht
begonnen werden. § 88 Abs. 9 EBauO 1962 entsprach wortgleich § 93 Abs. 8 MBO.
Nach der Begründung der Regierungsvorlage sollten diese Vorschriften der
Bauaufsichtsbehörde eine wirksame Überwachung des Bauvorhabens ermöglichen.
Vgl. Landtags-Drucksache 4/327, S. 125.
113
Die seither unverändert fortgeschriebene Regelung in § 88 Abs. 8 BauO NRW 1962
diente nach den Vorstellungen des Gesetzgebers allein dem öffentlichen Interesse an
einer Überwachung der Bautätigkeit. Grundlage für ein schützenswertes Vertrauen des
Bauherrn in eine Baufreigabe oder gar ein Verständnis dieser Regelung als
Rechtsgrundlage für eine solch unbeschränkte Erklärung der Behörde bietet eine dieser
Art motivierte gesetzliche Regelung nicht.
114
Die Entscheidung des
115
OVG NRW, Urteil vom 20. März 1992 - 11 A 610/90 -, BRS 54 Nr. 135,
116
auf die auch die Kläger Bezug nehmen, ist - ebenso wie die Entscheidung des
117
OVG NRW, Urteil vom 20. Mai 1985 - 11 A 2364/83 -, DÖV 1986, S. 575 f.,
118
auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. In den Entscheidung des 11.
Senats ging es um die Frage, ob eine Baugenehmigung erteilt werden dürfe, wenn eine
für die Bauausführung erforderliche anderweitige Genehmigung noch fehlt bzw. die
Erteilung der anderweitigen Genehmigung ausgeschlossen war. Hier aber ist
entscheidungserheblich, welche Wirkungen eine bereits erteilte Baugenehmigung hat.
119
Die landesrechtliche Beschränkung der Feststellungs- und Verfügungswirkung einer
Baugenehmigung, auf die öffentlich- rechtlichen Vorschriften, die im
Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, ist aus bundesrechtlicher Sicht nicht zu
beanstanden.
120
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Okto- ber 1982 - 4 B 195.82 -, Buchholz 406.11 § 29
BBauG Nr. 29; BVerwG, Urteil vom 11. Mai 1989 - 4 C 1.88 -, BVerwGE 82, S. 61 ff. (S.
69).
121
Daraus folgt zugleich, dass die Baugenehmigung im Sinne einer Schlusspunkttheorie
eine umfassende und abschließende Entscheidung über alle öffentlich-rechtlichen
Fragen nur dann enthält, wenn dies das jeweilige Landesrecht vorsieht.
122
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Okto- ber 1995 - 4 B 216.95 -, BRS 57 Nr. 186;
BVerwG, Beschluss vom 2. September 1999 - 4 B 27.99 -, BRS 62 Nr. 117.
123
Ein landesrechtlichen Regelungen vorgegebenes "Wesen" der Baugenehmigung als
allumfassender Feststellung der Vereinbarkeit eines Bauvorhabens mit dem gesamten
öffentlichen Recht gibt es nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar in der
Vergangenheit gelegentlich ohne Bezug zu landesrechtlichen Rechtsgrundlagen
ausgeführt, eine Baugenehmigung bedeute die Erklärung der Baubehörde, das
Vorhaben stimme mit dem im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung geltenden
öffentlichen Recht überein.
124
Vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1963 - I C 110.62 -, BRS 14, S. 51 ff. (S. 52); ebenso
BGH, Urteil vom 25. Januar 1973 - 3 ZR 256/68 -, BGHZ 60, S. 112 ff. (S. 115 f.).
125
Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht später deutlich herausgearbeitet und
regelmäßig betont, der Regelungsgehalt einer Baugenehmigung bemesse sich nach
den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften.
126
Vgl. jüngst BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2001 - 4 B 51.01 -: "Das Beschwerdegericht
ist im Hinblick auf die Irrevisibilität des § 70 Abs. 1 Satz 1 der Hessischen Bauordnung
nicht befugt, in eine Prüfung der Reichweite der sog. Schlusspunkttheorie einzutreten
(vgl. §§ 137 Abs. 1, 173 VwGO, § 562 ZPO)."
127
Aus der Sicht des Bundesrechts ist auch - entgegen der Auffassung der Kläger - im
vorliegenden Fall nicht deshalb eine andere Bestimmung des Regelungsumfanges der
Baugenehmigung vom 16. November 1995 geboten, weil § 35 Abs. 3 BauGB den
Landschaftsschutz schon aus städtebaulichen Gründen dem Prüfprogramm der
Baugenehmigungsbehörde überwiese. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der
von den Klägern herangezogenen Entscheidung des
128
BVerwG, Urteil vom 12. August 1977 - 4 C 48 u. 49.75 -, BRS 32 Nr. 90.
129
Die Kläger weisen zwar zutreffend darauf hin, dass durch § 35 Abs. 3 BauGB (in der bis
zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung), wonach eine Beeinträchtigung
öffentlicher Belange durch Außenbereichsvorhaben insbesondere u.a. dann vorlag,
wenn das Vorhaben Belange der Landschaftspflege beeinträchtigte, das
Landschaftsbild verunstaltete bzw. die natürliche Eigenart der Landschaft
beeinträchtigte, das materielle Landschaftsschutzrecht in das
Baugenehmigungsverfahren eingeführt war. Der von den Klägern hieraus gezogene
Schluss, damit umfasse die Feststellungswirkung der Baugenehmigung auch die
Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem Landschaftsschutz insgesamt, überdehnt
jedenfalls im vorliegenden konkreten Fall die bauplanungsrechtliche
Feststellungswirkung der Baugenehmigung vom 16. November 1995. Die Verpflichtung
der Baugenehmigungsbehörde zur Erteilung der Baugenehmigung setzt voraus, dass
"dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen." Das bedeutet
jedoch nicht, die Baugenehmigungsbehörde stelle mit Erteilung der Baugenehmigung in
130
jedem Fall fest, das zur Genehmigung gestellte Vorhaben stehe mit dem gesamten
öffentlichen Recht in Einklang, dessen Prüfung bei abstrakter Betrachtung in die
Kompetenz der Bauaufsichtsbehörde fallen kann, sondern bedeutet nur die
Feststellung, das Bauvorhaben stehe mit den Vorschriften des öffentlichen Rechts in
Einklang, deren Regelungsbereich durch das konkrete Bauvorhaben im Einzelfall
berührt wird. Im Rahmen der Prüfung des Vorhabens ist die Baugenehmigungsbehörde
nach der Konzeption des Bauplanungsrechts gezwungen, bestimmte für die weitere
Prüfung präjudizielle Feststellungen zu treffen. Dazu gehört insbesondere die
Feststellung, ob das Vorhaben dem Geltungsbereich eines (qualifizierten)
Bebauungsplanes, dem unbeplanten Innenbereich oder dem Außenbereich zuzuordnen
ist. Mit einer solchen Zuordnung ist zugleich der weitere Prüfungsrahmen abgesteckt mit
der Folge, dass die Baugenehmigungsbehörde die für die Alternativen geltenden
Regelungen nicht prüft und insoweit auch keine weiteren Feststellungen treffen kann. Im
vorliegenden Fall hat der Beklagte das unter dem 16. November 1995 genehmigte
Bauvorhaben dem unbeplanten Innenbereich zugeordnet. Diese Zuordnung schließt es
aus, dass die Baugenehmigung vom 16. November 1995 Feststellungen zu den in § 35
Abs. 3 BauGB genannten öffentlichen Belangen enthält, da § 35 Abs. 3 BauGB allein
Regelungen zur Zulässigkeit von Außenbereichsvorhaben trifft.
Angesichts alldessen war das Vorhaben der Kläger, soweit sie die Errichtung nur eines
Wohnhauses beabsichtigten, mangels landschaftsschutzrechtlicher Befreiung nach § 69
Abs. 1 LG NRW von dem Verbot der Errichtung baulicher Anlagen jedenfalls bis zur
Erteilung der Baugenehmigung vom 29. September 1997, die auf der
landschaftsrechtlichen Befreiung vom 17. September 1997 beruhte, formell rechtswidrig,
so dass die Bauarbeiten bis zu diesem Zeitpunkt als formell illegal rechtsfehlerfrei
stillgelegt werden durften. Das ist im Übrigen auch aus der Natur der Sache
gerechtfertigt: Gerade im Hinblick auf den durch Art. 29a Abs. 1 VerfNRW dem Land,
den Gemeinden und Gemeindeverbänden aufgegebenen Schutz der natürlichen
Lebensgrundlagen sowie im Hinblick auf die Nachhaltigkeit baulicher Eingriffe in Natur
und Landschaft bedarf es eines wirksamen Mittels, um einer Verfestigung dieses
Eingriffes jedenfalls so lange entgegenzuwirken bis die untere Landschaftsbehörde
über die Rechtmäßigkeit dieses Eingriffes aus landschaftsschutzrechtlicher Sicht
befunden hat.
131
3. Der Klageantrag zu 3., festzustellen, dass die Stilllegungsverfügung bei Erlass
rechtswidrig gewesen ist, hilfsweise festzustellen, dass die Stilllegungsverfügung durch
das Angebot vom 15. Oktober 1996, die Dachgauben abzureißen, wiederum hilfsweise
durch den Abriss der Dachgauben rechtswidrig geworden ist, hat ebenfalls keinen
Erfolg, denn auch hier ist auf die schon bei Erlass der Stilllegungsverfügung
bestehende, die Stilllegung der Bauarbeiten rechtfertigende formelle Rechtswidrigkeit
des Bauvorhabens wegen fehlender Befreiung vom landschaftsrechtlichen Bauverbot
abzustellen. Dies schließt die begehrte Feststellung aus. Gleiches gilt für die hilfsweise
zur Überprüfung des Gerichts gestellten Zeitpunkte. Weder das Angebot, die
Dachgauben abzureißen noch der Abriss selbst haben an der aus dem
Landschaftsschutz folgenden formellen Illegalität des unter dem 16. No-vember 1995
genehmigten Vorhabens der Kläger etwas geändert.
132
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO, die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO.
133
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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