Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.07.2001

OVG NRW: zahnarzt, zahnärztliche behandlung, körperliche integrität, approbation, hauptsache, patient, gespräch, griechisch, diplom, besitz

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 531/01
Datum:
09.07.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 531/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 L 283/01
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 65.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Beschlusses des
Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 146 Abs. 4 VwGO) ist - auch mit der nach der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts,
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Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163,
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gebotenen Auslegung - nicht zu bejahen. Bei diesem Zulassungsgrund kommt es nicht
darauf an, ob die angefochtene Entscheidung in allen Punkten der Begründung richtig
ist, sondern nur darauf, ob ernstliche Zweifel im Hinblick auf das Ergebnis der
Entscheidung bestehen.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Juni 2001 - 13 B 380/01 -, vom 29. Mai 2001 - 13 A
301/01 -, vom 22. Februar 2000 - 13 A 5055/97 -, und vom 2. September 1997 - 13 B
1612/97 -, RdL 1998, 27; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 124 Rdnr. 7 a;
Sodan/Ziekow, VwGO, Stand: Juli 2000, § 124 Rdnrn. 143 ff.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts
bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr den Antrag des Antragstellers, die
Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die
Approbation als Zahnarzt vorläufig zu erteilen, zu Recht abgelehnt.
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Dem Begehren des Antragstellers steht nach Auffassung des Senats schon das für
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geltende Verbot der Vorwegnahme der
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Hauptsache entgegen. Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung
entsprechend kann in einem solchen Verfahren grundsätzlich nur eine vorläufige
Regelung getroffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch
auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das
gewährt werden, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Das aber
wäre bei der vom Antragsteller begehrten Erteilung der Approbation als Zahnarzt der
Fall. Ein Ausnahmefall, der (nur) zu bejahen ist, wenn die ohne eine Vorwegnahme der
Hauptsache zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein
hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für einen Erfolg in der Hauptsache spricht,
vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 123 Rdn. 13 ff.,
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ist bei dem Antragsteller angesichts dessen, dass die Antragsgegnerin bereit ist, ihm
eine Berufserlaubnis gemäß § 13 ZHG für eine Tätigkeit als angestellter Zahnarzt zu
erteilen, nicht anzunehmen.
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Überwiegende Erfolgsaussichten in einem Hauptsacheverfahren bestehen zudem
bezüglich des Begehrens des Antragstellers nicht, denn es fehlt, wie bereits das
Verwaltungsgericht ausgeführt hat, angesichts beim Antragsteller nicht vorhandener
ausreichender deutscher Sprachkenntnisse, wie Mitarbeiter der Antragsgegnerin in
einem persönlichen Gespräch mit ihm festgestellt haben, an der Glaubhaftmachung
eines Anordnungsanspruchs. Dabei kann dahinstehen, ob fehlende deutsche
Sprachkenntnisse - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - die
Unzuverlässigkeit des Approbationsbewerbers begründen oder ob, weil die
Unzuverlässigkeit regelmäßig mit charakterlichen Eigenschaften in Verbindung
gebracht wird, eine solche Zuordnung nicht gerechtfertigt ist. Nach Auffassung des
Senats gehört es jedenfalls - und nicht nur in Deutschland - zu den elementaren
Grundlagen ärztlichen/zahnärztlichen Wirkens, dass der Zahnarzt/Arzt mit einem ihn
aufsuchenden Patienten kommunizieren und mit dem Patienten ein an der
erforderlichen Behandlung orientiertes angemessenes Gespräch führen kann;
andernfalls erscheint eine Erfolg versprechende Heilbehandlung nicht möglich. Die
Notwendigkeit einer sprachlichen Verständigung zwischen Zahnarzt/Arzt und Patient
erscheint dabei nicht nur geboten für den Beginn der Behandlung, die Schilderung
körperlicher Beschwerden durch die Patienten und die Erfassung derselben durch den
Zahnarzt/Arzt, sondern auch für erforderliche Aufklärungsgespräche bei möglichen
Eingriffen in die körperliche Integrität von Patienten,
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vgl. für den umgekehrten Fall eines nicht deutschsprachigen Patienten und eines
deutsch sprechenden Arztes beispielsweise OLG Frankfurt, Urteil vom 19. Mai 1993 - 13
U 138/92 -, ArztR 1995, 174,
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und erst Recht für - im erstinstanzlichen Verfahren beispielhaft angesprochene -
mögliche Notfallsituationen bei der (zahn-)ärztlichen Behandlung, die eine schnelle und
unmittelbare Verständigung zwischen Zahnarzt und Patient erfordern. Dass der
Antragsteller (zunächst) als angestellter Zahnarzt in der Praxis eines griechischen
Zahnarztes zur Behandlung griechisch sprechender Patienten tätig werden wollte bzw. -
wie er geltend macht - die ihm für eine selbstständige Tätigkeit angebotenen
Zahnarztpraxen von griechischen Zahnärzten mit fast ausschließlich griechisch
sprechender Klientel geführt wurden, macht die Notwendigkeit einer
behandlungsorientierten Kommunikation und Verständigung mit den Patienten auf der
Grundlage insoweit ausreichender deutscher Sprachkenntnisse nicht entbehrlich. Der
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Antragsteller begehrt die Erteilung der Approbation als Zahnarzt, d.h. die Erlaubnis zur
Ausübung der zahnärztlichen Heilkunde in eigenverantwortlicher und selbstständiger
Tätigkeit. Eine Begrenzung der Behandlungstätigkeit auf einen Patientenkreis mit
derselben Muttersprache wie der Antragsteller (Griechisch) kann damit, weil die
Approbation einer entsprechenden Nebenbestimmung nicht zugänglich ist,
vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1998 - 3 C 4.98 -, Buchholz, 418.00 Ärzte, Nr. 102,
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nicht verbunden werden. Bei einer zahnärztlichen Tätigkeit eines Ausländers in
Deutschland ist stets auch von einem Erscheinen und einer Behandlungsnotwendigkeit
deutscher Patienten auszugehen mit der Folge, dass auch eine entsprechende
Verständigungsmöglichkeit zwischen dem ausländischen Arzt und den deutschen
Patienten bestehen muss, was ein Mindestmass an entsprechenden Sprachkenntnissen
voraussetzt. Darüber hinaus verlangen vor dem Hintergrund, dass ein Arzt/Zahnarzt
nicht seine Berufspflichten verletzen darf und ihm diese daher bekannt sein müssen,
auch die für Zahnärzte geltenden Berufsregeln und Rechtsvorschriften wie auch die
Erfüllung der administrativen Aufgaben eine angemessene Kenntnis der deutschen
Sprache.
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Vor dem dargestellten Hintergrund, dass es sich insoweit um ein grundlegendes
Element zahnärztlichen Wirkens handelt, schließt der Senat aus der im Gesetz über die
Ausübung der Zahnheilkunde fehlenden Erwähnung ausreichender deutscher
Sprachkenntnisse als Voraussetzung für die Erteilung der Approbation als Zahnarzt
nicht, dass es darauf nicht ankommen soll (a.A.: Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 6.
Oktober 1993 - S 2 Ka 69/93 -; vom Antragsteller vorgelegt). Europarechtliche
Erwägungen bedingen ebenfalls keine andere Wertung. Dass der Antragsteller im
Besitz eines von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellten
zahnärztlichen Diploms im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 ZHG ist, besagt lediglich, dass
ihm das selbe Fachwissen wie einem Zahnarzt mit deutscher Approbation zukommt, ist
aber für das Vorhandensein notwendiger Sprachkenntnisse ohne jeden Aussagewert.
Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich ein Anspruch
auf Erteilung der Approbation auch nicht unter Berücksichtigung des Art. 18 Abs. 3 der
Richtlinie des Rates 78/686/EWG. Der darin vorgesehenen Verpflichtung der
Mitgliedsstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass die Begünstigten eines Diploms eines
anderen Staates die Sprachkenntnisse erwerben, die sie für die Ausübung ihrer
Berufstätigkeit im Aufnahmestaat brauchen, liegt praktisch der Gedanke zu Grunde,
dass im Interesse der Patienten im Aufnahmestaat entsprechende Sprachkenntnisse
des ausländischen Arztes vorhanden sein müssen. Dies ergibt sich schon aus der
Formulierung in der Bestimmung, Sprachkenntnisse erwerben zu können, "die sie für
die Ausübung ihrer Berufstätigkeit im Aufnahmestaat brauchen", weil damit konstatiert
wird, dass für die Ausübung zahnärztlicher/ärztlicher Tätigkeit im Aufnahmestaat
Kenntnisse der Sprache dieses Staates erforderlich sind. Der Europäische Gerichtshof,
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Urteil vom 4. Juli 2000 - C 424/97 -, DVBl 2000, 1272,
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hat zudem entschieden, dass die zuständigen Stellen eines Mitgliedstaats die
Kassenzulassung eines Zahnarztes, der Staatsangehöriger eines anderen
Mitgliedstaats ist und der dort niedergelassen und approbiert ist, aber kein in Art. 3 der
Richtlinie 78/686/EWG genanntes Diplom besitzt, davon abhängig machen dürfen, dass
dieser Zahnarzt die Sprachkenntnisse hat, die er für die Ausübung seiner Berufstätigkeit
im Aufnahmemitgliedstaat braucht. Die Gewährleistung der Verständigung des
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Zahnarztes mit seinen Patienten sowie mit den Verwaltungsbehörden und
Berufsorganisationen stelle insoweit einen zwingenden Grund des allgemeinen
Interesses dar, der es rechtfertige, die Kassenzulassung eines Zahnarztes von
sprachlichen Voraussetzungen abhängig zu machen, weil sowohl das Gespräch mit
dem Patienten als auch die Einhaltung der im Aufnahmemitgliedstaat für Zahnärzte
geltenden Berufsregeln und Rechtsvorschriften und auch die Erfüllung der
administrativen Aufgaben eine zur Erreichung dieser Ziele angemessene Kenntnis der
Sprache dieses Staates verlangten. Der Senat sieht keine Veranlassung und vermag
auch nicht einen triftigen Grund dafür zu erkennen, das Erfordernis hinreichender
deutscher Sprachkenntnisse auf den von dieser Entscheidung des EuGH erfassten
Personenkreis derjenigen Zahnärzte, die nicht im Besitz eines Diploms nach Art. 3 der
Richtlinie 78/686/EWG sind, zu beschränken. Dem Diplom eines anderen
Mitgliedstaates kommt, wie dargelegt, lediglich ein Aussagegehalt zu im Hinblick auf die
Fachkunde und das Fachwissen des Betreffenden. Auch die deutschen Patienten, die
nicht als Kassenpatienten von dem ausländischen Zahnarzt behandelt werden, haben
Anspruch auf eine behandlungsangemessene Kommunikation des Zahnarztes mit
ihnen. Vor dem Hintergrund, dass eine hinreichende Verständigungsmöglichkeit
zwischen Zahnarzt und Patient bestehen muss, um eine erfolgreiche Zahnbehandlung
durchführen zu können, und dieses Erfordernis praktisch generell für jede zahnärztliche
Behandlung, egal in welchem Mitgliedsstaat der EG, gilt, sieht der Senat in der
Notwendigkeit ausreichender deutscher Sprachkenntnisse eines ausländischen
Zahnarztes in Deutschland auch keine diskriminierende Wirkung.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass auch der Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 146 Abs. 4 VwGO), der sich in
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ohnehin nur auf spezifisch das Eilverfahren
bezogene Fragestellungen erstreckt, ebenfalls nicht gegeben ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 3, 14 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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