Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.12.2007

OVG NRW: widmung, abwasseranlage, treu und glauben, rohrleitung, stadt, bestandteil, gewässer, entwässerung, kanalisation, gemeinde

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 2398/03
Datum:
18.12.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 A 2398/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 9 K 4234/00
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird teilweise geändert.
Die Klage wird auch insoweit abgewiesen, als der Kläger zu
Niederschlagsentwässerungsgebühren in Höhe von 53.949,30 DM
bezogen auf die westlichen Grundstücksflächen mit einer Größe von
17.403 m2 für die Jahre 1993 bis 1996 herangezogen worden ist.
Unter Einbeziehung der teilweise rechtskräftig gewordenen
Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil werden die Kosten des
Verfahrens beider Rechtszüge wie folgt verteilt: Von den Kosten der I.
Instanz trägt der Kläger 29,2 % der bis zur erstinstanzlichen teilweisen
Hauptsacheerledigung und 39,2 % der danach entstandenen Kosten; im
Übrigen trägt der Beklagte die Kosten. Hinsichtlich des
zweitinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger 12,6 % der bis zum
Beschluss des Senats vom 11. September 2007 entstandenen Kosten
sowie die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens; der Beklagte trägt
87,4 % der bis zum Beschluss des Senats vom 11. September 2007
entstandenen Kosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger war bis Dezember 1996 Eigentümer des Grundstücks H.-------straße 4 in F. -
G. , Gemarkung G1. -H1.---ringen , Flur 9, Flurstücke 74, 141, 149 und 158. Das
Grundstück liegt westlich der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden H4.------straße . Auf
der westlichen Straßenseite ist etwa in Höhe des klägerischen Grundstücks ein
Niederschlagswasserkanal verlegt. Dieser führt am Flurstück 165 zunächst vorbei,
bevor er - ca. 2,5 m vom Haus H2.------straße 6 entfernt - nach Südosten abknickt. Der
Kanal mündet in einen Wegeseitengraben östlich der H3.------straße , der kurz vor der
Einmündung eines Stichwegs in die H3.------straße beginnt. Dieser geht nach etwa 8 m
in ein etwa 8 m langes nach beiden Seiten hin offenes Rohr über und verläuft danach
wiederum als offener Graben. Etwa 7 m nördlich der Einmündung der Straße "Landweg"
in die H3.------straße verbindet sich der in diesem Bereich erneut verrohrt geführte
Graben mit dem aus östlicher Richtung kommenden Gewässer 4086. Durch Bescheid
von Dezember 1993 erlaubte die Bezirksregierung E. der Stadt F. , das aus dem
gemeindlichen Entwässerungsnetz anfallende Abwasser entsprechend den
Anforderungen des Bescheids an dieser Stelle in das Gewässer Nr. 4086 einzuleiten.
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Von der bebauten bzw. befestigten Fläche der klägerischen Grundstücke entwässert der
etwa 30 m breite Grundstücksstreifen zwischen dem Dachfirst der auf dem Flurstück 74
errichteten Halle und der H3.------straße in den dortigen Niederschlagswasserkanal. Von
der übrigen (westlichen) Fläche entwässern 17.403 m² in eine Leitung, die zunächst auf
dem Firmengrundstück und dann durch den Stichweg zur H3.------straße verläuft, bevor
sie in das Rohr im Wegeseitengraben mündet.
3
Die zuvor beschriebene Rohrleitung wurde 1978 ebenso sie das Betonrohr im
nördlichen Teil des Wegeseitengrabensim Zuge einer Betriebserweiterung durch den
Rechtsvorgänger des Klägers auf eigene Kosten verlegt. Schon seinerzeit befand sich
der Straßenbereich im Eigentum der Stadt F. . Der Kläger bzw. seine Rechtsvorgänger
unterhielten seit dieser Zeit die verlegten Rohre. Die Unterhaltung des
Wegeseitengrabens führt die Stadt F. durch.
4
In der Vergangenheit setzte der Beklagte für die klägerischen Grundstücke mehrfach
Niederschlagsentwässerungsgebühren fest. U. a. zog der Beklagte den Kläger in der
Zeit zwischen März 1985 und Januar 1992 zu entsprechenden Gebühren heran. Unter
dem 21. November 1994 beanspruchte der Beklagte vom Kläger
Niederschlagsentwässerungsgebühren für das Jahr 1994. Dabei legte er die (östliche)
Fläche mit 4.858 m² zu Grunde, hinsichtlich derer der Kläger die Entwässerung in die
städtische Kanalisation eingeräumt hatte. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am
20. Dezember 1994 Widerspruch. Das nachfolgende Klageverfahren (VG Minden - 9 K
565/99 -) endete durch übereinstimmende Hauptsacheerledigungserklärungen im
Termin zur mündlichen Verhandlung am 10. März 2003.
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Durch Bescheide vom 15. Januar 1996 bzw. vom 10. Januar 1997 zog der Beklagte den
Kläger zu Niederschlagsentwässerungsgebühren für die Jahre 1996 und 1997 in Höhe
von 3.886,40 DM bzw. von 4.129,30 DM heran. Ferner setzte der Beklagte durch
Bescheid vom 17. Dezember 1997 gegenüber dem Kläger für die Jahre 1985 bis 1997
bezogen auf eine zusätzliche Fläche von 25.698 m² (30.556 m² abzüglich bereits
veranlagter 4.858 m²) weitere Gebühren von insgesamt 229.997,10 DM fest. Mit
Bescheid vom 17. Februar 1998 setzte der Beklagte u.a. die für 1997 insgesamt
festgesetzte Gebühr (4.129,30 + 21.843,30 = 25.972,60 DM) wieder ab. Durch weiteren
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Bescheid vom 7. Juni 1999 nahm der Beklagte eine Solländerung von minus 56.303,10
DM vor. Dabei legte er nunmehr eine entwässerte Fläche von insgesamt 23.605 m²
zugrunde. Der für den Zeitraum 1985 bis 1996 zu entrichtende Betrag wurde mit
insgesamt 191.200,50 DM angegeben. Gegen sämtliche Bescheide erhob der Kläger
rechtzeitig Widerspruch. Unter dem 19. Oktober 2000 wies der Beklagte u. a. die
Widersprüche des Klägers gegen die vorerwähnten Bescheide aus den Jahren 1996,
1997 und 1999 zurück.
Das Verwaltungsgericht hat die unter den Aktenzeichen 9 K 4233/00, 9 K 4236/00, 9 K
4237/00 und 9 K 4234/00 rechtzeitig erhobenen Klagen zur gemeinsamen Verhandlung
und Entscheidung unter letztgenanntem Aktenzeichen verbunden. Zur Begründung hat
der Kläger geltend gemacht, er nehme die öffentliche Abwasseranlage nicht in dem in
den Bescheiden zu Grunde gelegten Umfang in Anspruch. Von den westlichen
Grundstücksflächen gelange das Regenwasser in die Rohrleitung im Stichweg der H3.--
----straße und von dort in den offenen Wegeseitengraben. Weder die Rohrleitung noch
der Wegeseitengraben seien Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage. Für die
dorthin entwässernden Grundstücksflächen dürften keine Gebühren erhoben werden.
Schließlich sei für einen Großteil der Gebühren die Festsetzungsfrist abgelaufen
gewesen.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 7. Juni 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 19.
Oktober 2000 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat geltend gemacht, sowohl die Rohrleitung im Stichweg der H3.------straße als auch
der offene Wegeseitengraben an der H3.------straße seien Bestandteile der öffentlichen
Abwasserbeseitigungseinrichtung. Die Rohrleitung im Stichweg sei durch Erhebung
von Niederschlagsentwässerungsgebühren in den 1980iger Jahren konkludent
gewidmet worden. Der Widmungswille sei dadurch zum Ausdruck gebracht worden,
dass die Stadt F. für die damals zusätzlich bebauten und befestigten Flächen, die über
die im Stichweg verlegte Rohrleitung entwässerten,
Niederschlagsentwässerungsgebühren erhoben habe. Im Übrigen stelle der
Wegeseitengraben kein Gewässer dar. Dies habe der Landrat des Kreises N. - M. im
Dezember 2000 unter Bezug auf den Gewässerplan des Wasserverbandes "Große
Aue" noch einmal bestätigt. Auch der Wegeseitengraben sei Bestandteil der öffentlichen
Abwasseranlage.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die
Beteiligten Einigkeit darüber erzielt, dass lediglich noch der im Bescheid des Beklagten
vom 7. Juni 1999 enthaltene Betrag Gegenstand des Rechtsstreits sein solle. Daraufhin
haben sie übereinstimmend den Rechtsstreit hinsichtlich der Bescheide des Beklagten
vom 15. Januar 1996, 10. Januar 1997 und 17. Dezember 1997 für erledigt erklärt.
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Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht das Verfahren teilweise
eingestellt und den Bescheid vom 7. Juni 1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2000 aufgehoben, soweit darin Gebühren für
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die Jahre 1985 bis 1992 und für die Jahre 1993 bis 1996 Gebühren von mehr als
15.582,70 DM festgesetzt worden sind; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat
die Festsetzung von Niederschlagsentwässerungsgebühren für die Jahre 1993 bis 1996
bezogen auf 6.202 m² Grundstücksfläche für rechtmäßig erachtet. Auf den sich
ergebenden Betrag von 19.226,20 DM sei allerdings der unter dem 22. November 1994
für das Jahr 1993 bestandskräftig festgesetzte Betrag von 3.643,50 DM anzurechnen.
Von der westlichen Teilfläche der klägerischen Grundstücke (17.403 m²) gelange
Niederschlagswasser nicht in die öffentliche Abwasseranlage. Weder die auf dem
klägerischem Grundstück und durch den Stichweg der H3.------straße führende
Rohrleitung noch der offene Wegeseitengraben an der H3.------straße seien Bestandteil
der öffentlichen Abwasseranlage. Für die Jahre 1985 bis 1992 hätten für den östlichen
Grundstücksteil wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist keine Gebühren mehr festgesetzt
werden dürfen.
Durch Beschluss vom 11. September 2007 hat das Gericht die Berufung zugelassen,
soweit das Verwaltungsgericht der Klage gegen die Heranziehung zu
Niederschlagsentwässerungsgebühren bezogen auf die westlichen Grundstücksflächen
mit einer Größe von 17.403 m² für die Jahre 1993 bis 1996 stattgegeben hat. Im Übrigen
hat das Gericht die Zulassungsanträge des Beklagten sowie des Klägers abgelehnt.
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Zur Begründung seiner Berufung vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen
und verweist auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zur (konkludenten)
Widmung von Entwässerungsanlagen. Ergänzend macht er geltend, durch die
Gebührenerhebung mittels der angefochtenen Bescheide sei für den Kläger erkennbar
gewesen, dass er sowohl den Kanal als auch den Wegeseitengraben als Bestandteil
der Abwasseranlage ansehe.
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Der Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage auch insoweit abzuweisen,
als der Kläger zu Niederschlagsentwässerungsgebühren bezogen auf die westlichen
Grundstücksflächen mit einer Größe von 17.403 m² für die Jahre 1993 bis 1996 in Höhe
von 53.949,30 DM herangezogen worden ist.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
21
Der Berichterstatter hat am 22. November 2007 an Ort und Stelle einen
Erörterungstermin durchgeführt. Insoweit wird auf das hierüber gefertigte Protokoll
verwiesen.
22
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte in diesem sowie in dem Verfahren 9 A 2399/03 nebst der dazugehörigen
Verwaltungsvorgänge und Unterlagen (12 bzw. 4 Bände) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
24
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist auch insoweit unbegründet, als der
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Kläger zu Niederschlagsentwässerungsgebühren bezogen auf die westlichen
Grundstücksflächen mit einer Größe von 17.403 m² für die Jahre 1993 bis 1996
herangezogen worden ist. Die diesbezüglichen Gebührenbescheide des Beklagten sind
rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) .
Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellte Klageantrag
ist dahin auszulegen, dass er sich hinsichtlich der hier noch streitigen
Gebührenfestsetzung bezogen auf die westlichen Grundstücksflächen mit einer Größe
von 17.403 m2 für die Jahre 1993 bis 1996 auf den Bescheid des Beklagten vom 17.
Dezember 1997 in der Fassung des Bescheides vom 7. Juni 1999 und des
Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2000 bezieht (vgl. § 88 VwGO).
26
Der Beklagte durfte für die Jahre 1993 bis 1996 auch hinsichtlich der eingangs
genannten westlichen Grundstücksflächen Niederschlagsentwässerungsgebühren in
der geforderten Höhe festsetzen. Die zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren
allein umstrittene Frage, ob der Kläger auch insoweit die öffentliche Abwasseranlage in
Anspruch genommen hat, ist im bejahenden Sinne zu beantworten. Dabei kann auf sich
beruhen, ob die seinerzeit privat verlegte Rohrleitung im Stichweg zwischen den
früheren Grundstücksflächen des Klägers und dem etwa 8 m langen Betonrohr im
Wegeseitengraben östlich der H3.------straße im hier maßgeblichen Zeitraum
Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage gewesen ist. Zur Vermeidung von
Unklarheiten weist das Gericht darauf hin, dass insoweit zumindest auf Grund des
Verhaltens des Beklagten in der ersten mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht am 17. Oktober 2002 eine konkludente Widmung anzunehmen ist.
Er hat seinerzeit hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, die Rohrleitung im
Stichweg als der öffentlichen Abwasseranlage zugehörig zu betrachten.
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Jedenfalls ist der in Nord-Süd-Richtung in der H3.------straße verlegte
Niederschlagsentwässerungskanal bis zum südlichen Ende des im Wegeseitengraben
östlich der H3.------straße verlegten etwa 8 m langen Betonrohrs, in das die Rohrleitung
mündet, Teil der öffentlichen Abwasseranlage. Ob ein Kanal diese Voraussetzungen
erfüllt, richtet sich danach, ob er nach Würdigung der gesamten Umstände zum
entwässerungsrechtlichen Zweck technisch geeignet und durch Widmung bestimmt ist,
die nicht formgebunden ist und auch konkludent erfolgen kann.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. März 2001 - 15 A 1564/97 -, KStZ 2002, 15, und
vom 27. Januar 1999 - 15 A 1929/96 - sowie Urteile vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -,
NWVBl. 2000, 300, und vom 7. September 1987 - 2 A 993/85 -, StuGR 1988, 299.
29
Dass der in Nord-Süd-Richtung verlaufende Niederschlagsentwässerungskanal der
H3.---- --straße bis zum südlichen Abschluss des Betonrohres im östlichen
Wegeseitengraben den entwässerungsrechtlichen Zweck, Niederschlagswasser
unschädlich zu beseitigen (vgl. hierzu § 1 Abs. 1 der Satzung über die Entwässerung
der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage -
Entwässerungssatzung - der Stadt F. vom 20. November 1973), erreichen kann, ist zu
Recht zwischen den Beteiligten unumstritten.
30
Vgl. hierzu im Übrigen OVG NRW, Urteil vom 7. September 1987 - 2 A 993/85 -, a. a. O.
31
Zu diesem entwässerungsrechtlichen Zweck war der zuvor beschriebene Kanal
spätestens ab Mitte der 1980er Jahre rechtlich in die öffentliche Entwässerungsanlage
32
durch Widmung eingegliedert. Entscheidend dafür ist der Gesichtspunkt, dass der
Beklagte ab dieser Zeit (auch) vom Kläger Gebühren für die Benutzung verlangte. Das
war nur zulässig, wenn es sich bei dem Kanal um einen Teil der öffentlichen
Entwässerungsanlage gehandelt hat. Daher hat der Beklagte durch Erheben von
Benutzungsgebühren den Willen der Stadt zu erkennen gegeben, dass der Kanal
jedenfalls ab diesem Zeitpunkt Teil der städtischen Entwässerungsanlage sein sollte
und ihn damit konkludent gewidmet.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. März 2001
33
- 15 A 1564/97 -, a.a.O.
34
Dass auch der in Nord-Süd-Richtung in der H3.------straße verlaufende
Regenwasserkanal ursprünglich von Privaten hergestellt worden sein mag, ist für die
Frage der Widmung rechtlich unerheblich. Gleiches gilt für die Eigentumsverhältnisse
hinsichtlich der gewidmeten Sache. Die Verfügungsmacht des Widmenden ist kein
Tatbestandsmerkmal, sondern eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der
Widmung. Eine etwaig fehlende Zustimmung des Eigentümers führt allenfalls zur
Anfechtbarkeit der Widmung, nicht zu ihrer Nichtigkeit.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Juni 1996 - 9 A 3176/93 - und vom 7. September 1987 - 2
A 993/85 -, a.a.O.
36
Im Übrigen gelangt das Gericht auf Grund einer wertenden Betrachtung der
geographischen Gegebenheiten unter Berücksichtigung der an eine ordnungsgemäße
Entwässerung zu stellenden Anforderungen sowie mit Blick auf weitere Anzeichen zu
der Überzeugung, dass der zuvor beschriebene Kanal jedenfalls bis zum südlichen
Abschluss des Betonrohres im Wegeseitengraben östlich der H3.------straße reicht.
Zweck der Entwässerung ist nach § 1 der Entwässerungssatzung der Stadt F. die
unschädliche Beseitigung der Abwässer (Schmutz- und Niederschlagswasser).
Hierunter sind bei natürlicher Betrachtung zumindest das Sammeln und Ableiten von
Niederschlagswasser, d. h. der Transport aus dem Bereich des zu entwässernden
Grundstücks so weit entfernt zu verstehen, dass das Abwasser nicht mehr zu
erheblichen Belästigungen für die Bewohner des Grundstücks durch Geruch oder
Infektionsgefahren führen kann. Diese Anforderungen werden - bezogen auf die
westlich an die H3.------straße angrenzenden Flurstücke 149 und 165 - im Bereich des
südlichen Endes des erwähnten Betonrohres im Wegeseitengraben östlich der H3.------
straße erfüllt. Zum nächstgelegenen Grenzpunkt des Flurstücks 165 beträgt die
Entfernung ca. 20 m Luftlinie. Das genügt, um erhebliche Belästigungen der
vorerwähnten Art hinreichend sicher auszuschließen.
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Hinzu kommt, dass das etwa 8 m lange Betonrohr einen Durchmesser von 800 mm hat.
Bereits das spricht entschieden dagegen, dass es allein zum Ermöglichen einer Zufahrt
von der H3.------straße zur östlich gelegenen Wiese dient. Hierfür hätte auch ein Rohr
mit wesentlich geringerem Durchmesser gereicht. An der hier in Rede stehenden Stelle
verbindet sich der von Norden kommende, zuvor errichtete Zulauf der
Niederschlagsentwässerung mit der 500er Rohrleitung der Stichstraße. Nimmt man
beide Zuströme in den Blick, so dient das Betonrohr erst recht der wirksamen Ableitung
des Niederschlagswassers (von Norden und Nordwesten). Zugleich verhindert es - wie
von der Klägerseite auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal
betont hat - das Ausspülen des Wegeseitengrabens durch Aufeinanderprallen zweier
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Wasserströme bei stärkeren Regengüssen. Vor diesem Hintergrund trägt der
Rohrdurchmesser nach den örtlichen Verhältnissen zumindest auch dem Gesichtspunkt
Rechnung, das aus dem nördlichen Bereich des Gewerbegebietes in den Graben
geführte Niederschlagswasser wirksam abzuleiten.
Ferner ist der zuvor beschriebene Bereich in dem 1992 erstellten Lageplan betreffend
Regenwasserkanalisation der H3.------straße in F. -G. als Bestandteil der
Regenwasserkanalisation erfasst. Das bedeutet, dass der Beklagte - nach
Bescheiderteilung auch behördenintern - zum Ausdruck gebracht hat, dass die
Kanalisation in der H3.------straße zumindest bis zum südlichen Ende des etwa 8 m
langen Betonrohres im östlichen Wegeseitengraben der H3.------straße reichen soll.
Darüber hinaus war der Beklagte seit 1993 im Besitz einer wasserrechtlichen Erlaubnis
zur Einleitung von Niederschlagswasser aus dem Entwässerungsgebiet "F. -G. " in das
südlich gelegene Gewässer 4086. In der Gesamtschau dieser Gesichtspunkte,
39
vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, a.a.O.,
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spricht alles dafür, dass die Widmung sogar bis zur Einmündung des Wegseitengrabens
in das Gewässer 4086 reichen sollte, jedenfalls aber erstreckt sie sichbis zum südlichen
Ende des erwähnten Betonrohres im Wegeseitengraben östlich der H3.------straße .
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Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist der Gesichtspunkt vernachlässigenswert,
dass der in der H3.------straße verlegte Regenentwässerungskanal einige Meter vor dem
nördlichen Ende des Betonrohres im Wegeseitengraben in diesen einmündet. Dadurch
wird die zuvor beschriebene technische Integration des Betonrohres in die
Entwässerungsanlage des Beklagten nicht wirksam in Frage gestellt. Gleiches gilt
hinsichtlich der wenige Meter langen Erstreckung des Wegeseitengrabens nach Norden
hin zwischen Einmündung des Kanals von Norden und dem nördlichen Ende des
erwähnten Betonrohres. Jedenfalls im zuvor beschriebenen Bereich, d. h. bis zum
südlichen Ende des etwa 8 m langen Betonrohres, wäre nach der Zwei-Funktionen-
Theorie von einer Integration des (etwaigen) Gewässers in das öffentliche
Abwassernetz und damit einhergehend von seiner Entwässerungsfunktion, mithin von
einem Bestandteil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung, auszugehen.
42
Vgl. in diesem Zusammenhang Hessischer VGH, Urteil vom 18. Mai 1995 - 5 UE
1815/92 -, NVwZ-RR 1996, 598; OVG NRW, Urteil vom 23. August 1989 - 2 A 149/85 -.
43
Die vom Kläger im Berufungsverfahren in den Vordergrund gerückten Gesichtspunkte
verlangen ebenfalls keine abweichende Beurteilung. Im Hinblick auf die zuvor
beschriebene Integration des Betonrohres in die Entwässerungsanlage ist eine etwaige
Aufhebung der Gewässereigenschaft für die Frage der Gebührenfestsetzung rechtlich
unerheblich. Die Festsetzung einer Abwasserabgabe sagt nichts darüber aus, wie weit
die Widmung der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung reicht. Die
Abwasserabgabe für verschmutztes Niederschlagswasser, das über eine öffentliche
Kanalisation eingeleitet wird, berechnet sich nach der Zahl der angeschlossenen
Einwohner (§ 7 Abs. 1 Satz 1 AbwAG). § 2 Abs. 1 Satz 1 AbwAG bestimmt als
Niederschlagswasser i.S.d. AbwAG das von Niederschlägen aus dem Bereich von
bebauten oder befestigten Flächen abfließende und gesammelte Wasser. Eine
Kanalnetzanzeige ist wegen der Maßgeblichkeit der (hier bejahten) Widmung des
Kanalnetzes für die Gebührenpflicht schließlich ebenfalls ohne Belang. Eine positive
Anzeige ist allenfalls ein Indiz für eine Widmung. Ihr Fehlen spricht nicht zwingend
44
gegen eine Widmung, insbesondere, wenn sie sich, wie hier, aus anderen
Gesichtspunkten ergibt. Auf sich beruhen kann daher, ob der Beklagte eine
entsprechende Anzeige vorgenommen hat und dass nach der der Klägerseite am 17.
Dezember 2007 erteilten Auskunft der oberen Wasserbehörde wegen Vernichtung der
Unterlagen eine ggf. in den 1980iger Jahren erfolgte Meldung nicht mehr nachzuweisen
sein dürfte.
Die gebührenpflichtige Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage hinsichtlich
der westlichen Grundstücksflächen mit einer Größe von 17.403 m² wird auch nicht
dadurch in Frage gestellt, dass das abgeleitete Regenwasser ohne weitere
abwassertechnische Behandlung letztlich in das Gewässer 4086 eingeleitet wird. Die
Leistung der Gemeinde besteht bei leitungsgebundenen Abwasserableitungen darin,
das Abwasser soweit vom Grundstück zu entfernen, dass hierfür keine Gefahren mehr
bestehen können. Rechtlich ist demgemäß aus Sicht des Gebührenschuldners
unerheblich, wohin das Niederschlagswasser letztlich abgeleitet wird. Im Übrigen ist
ungeachtet einer etwaigen Verbindung der Kanalstrecke zum übrigen Leitungsnetz
zumindest jeder nicht nur unwesentliche Teil der Kanalisationsanlage der Gemeinde als
rechtlich gleichwertiger Teil des Entwässerungssystems anzusehen. Auch eine
vergleichsweise kurze Kanalstrecke - hier mit Blick auf die Einmündung des privat
verlegten Kanals in das Betonrohr im Wegeseitengraben etwa in der Mitte des Rohres,
d. h. ca. 4 m - ist dementsprechend geeignet, den Gebührenanspruch auszulösen.
45
Vgl. insoweit OVG NRW, Urteil vom 6. Juli 1987 - 2 A 2082/84 -, m. w. N., GemH 1988,
182.
46
Dass nach Mitteilung des Amtsgerichts Rahden vom 4. Dezember 1996 seinerzeit ein
Eigentumswechsel erfolgt war, steht der Gebührenpflicht des Klägers für das Jahr 1996 -
nur insoweit käme eine Auswirkung überhaupt in Betracht - nicht entgegen. Gemäß § 10
Abs. 1 Satz 3 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt
F. vom 13. Dezember 1973 (im Folgenden: Gebührensatzung) ist Erhebungszeitraum
das Kalenderjahr. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 der Gebührensatzung ist der neue
Eigentümer im Fall eines Eigentumswechsels vom Beginn des Monats an
gebührenpflichtig, der dem Monat der Rechtsänderung folgt. Gemäß Satz 2 der
Vorschrift haftet der bisherige Eigentümer gesamtschuldnerisch für die Zahlung der
Gebühren, die bis zu dem Zeitpunkt entstanden sind, in dem die Stadt Kenntnis von dem
Eigentumswechsel erhält. Demgemäß ist gebührenrechtlich unerheblich, dass die
öffentlichen Lasten nach dem zu Grunde liegenden notariellen Kaufvertrag im
Innenverhältnis bereits zum 1. Januar 2005 auf den Erwerber übergegangen waren.
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Es ist schließlich nichts dafür ersichtlich, dass die Erhebung von
Entwässerungsgebühren durch den Beklagten treuwidrig wäre. Das gilt unabhängig
davon, ob ein Verstoß gegen Treu und Glauben anzunehmen sein kann, wenn eine
Gemeinde rechtswidrig eine im Privateigentum stehende Kanalisationsleitung widmet
und anschließend Entwässerungsgebühren erhebt, die ohne rechtswidrige Widmung
nicht angefallen wären.
48
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Mai 1990 - 9 A 2194/89 -.
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Nach dem übereinstimmenden Beteiligtenvorbringen wird die Unterhaltung des
Wegeseitengrabens östlich der H3.------straße - unabhängig von seiner
wasserrechtlichen Beurteilung - nämlich vom Beklagten auf dessen Kosten
50
wahrgenommen (vgl. auch § 1 Abs. 4 der Entwässerungssatzung in der bis zum
Inkrafttreten der Satzung vom 8. Oktober 1997 gültigen Fassung, wonach zu den
öffentlichen Abwasseranlagen auch Gräben sowie Anlagen und Einrichtungen, die von
Dritten hergestellt und unterhalten werden, gehören, wenn die Stadt sich ihrer zur
Durchführung der Grundstücksentwässerung bedient und zu den Kosten ihrer
Unterhaltung beiträgt).
Mithin erweist sich die Gebührenerhebung dem Grunde nach wegen Inanspruchnahme
der öffentlichen Abwasseranlage hinsichtlich der westlichen Grundstücksflächen von
17.403 m² als rechtmäßig. Die angefochtenen Gebührenbescheide sind in diesem
Umfang auch im Übrigen rechtmäßig. Insbesondere sind Bedenken gegen die
Gebührenhöhe weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs.
2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167
VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen
nicht vor.
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