Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.06.2005

OVG NRW: körperliche unversehrtheit, rechtsschutz, klagebefugnis, eingriff, subjektives recht, grundrecht, gütliche einigung, altes recht, umweltverträglichkeitsprüfung, vorwirkung

Oberverwaltungsgericht NRW, 11 A 1194/02
Datum:
07.06.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 A 1194/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Aachen, 9 K 691/00
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger wendet sich gegen die Zulassung des Rahmenbetriebsplans für den
Tagebau Garzweiler I/II, Zeitraum 2001 - 2045. Er ist Eigentümer des Grundstückes
Gemarkung J. Flur Flurstück . Der genannte Rahmenbetriebsplan sieht eine
Inanspruchnahme des gesamten Heimatortes des Klägers und damit auch des
genannten Grundstückes für den Braunkohlentagebau vor (Rahmentriebsplan vom
31.8.1995, Kap. 4.1., S. 35 f.). Nach den Angaben der Beigeladenen soll die
Umsiedlung des Klägers frühestens im Jahre 2005 und die bergbauliche
Inanspruchnahme der Fläche ab dem Jahr 2017 erfolgen. Der derzeit aktuelle
Hauptbetriebsplan erfasst den Abbau im Bereich des Übergangs der A 44; er betrifft den
Zeitraum vom 1. Juni 2005 bis 30. November 2007.
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Der Abbau im östlichen Teilbereich von Garzweiler (Garzweiler I, früher: Frimmersdorf)
erfolgte zunächst auf der Grundlage von Rahmenbetriebsplänen, die in den Jahren
1976 und 1984 zugelassen worden waren, sowie auf der Grundlage des durch Erlass
vom 19. September 1984 genehmigten Braunkohlenplans Frimmersdorf. Ausweislich
des von der Landesplanungsbehörde mit Erlass vom 31. März 1995 genehmigten
Braunkohlenplans Garzweiler II (vgl. GV. NRW. 1995 S. 202/338) soll sich der
Abbaubereich des Tagebaus Garzweiler II nach den derzeitigen Planungen auf ein
Gebiet von etwa 48 km2 Größe erstrecken; der Tagebau soll im Jahre 2006 beginnen
und 2045 abgeschlossen sein.
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Der angegriffenen Zulassung des Rahmenbetriebsplans ging folgendes Verfahren
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voraus:
Nachdem die Beigeladene im August 1987 einen Antrag auf Aufstellung eines
Braunkohlenplans Garzweiler II gestellt hatte, legte sie dem vormals zuständigen
Bergamt Köln im November 1987 einen Rahmenbetriebsplan vom 5. Oktober 1987 für
den Tagebau Garzweiler I/II für das sich an den seinerzeit zugelassenen Plan
(Planstand 1997) anschließende Abbaugebiet von Garzweiler I sowie das seinerzeit in
den Blick genommene (größere) Abbaugebiet Garzweiler II zur Zulassung vor. Im
Folgenden kam es zu Verzögerungen bei der Aufstellung des Braunkohlenplans
Garzweiler II, weil der Braunkohlenausschuss im Jahre 1989 eine Entkoppelung von
Garzweiler I und II gefordert hatte. Deshalb reichte die Beigeladene im Mai 1992 beim
Bergamt Köln einen "Rahmenbetriebsplan für den Tagebau Garzweiler I vom 5. Oktober
1987, Antrag auf Teilzulassung für den Zeitraum 1996 - 2001" zur Zulassung ein. Diese
(Teil-)Zulassung erfolgte am 29. Juli 1994. Unter dem 31. August 1995 legte die
Beigeladene dem Beklagten einen weiteren Antrag auf Teilzulassung, nämlich den
"Rahmenbetriebsplan für den Tagebau Garzweiler I/II vom 05.10.1987 mit Änderungen
und Ergänzungen vom 31. August 1995 für den Zeitraum 2001 - 2045" zur Zulassung
vor. Hierin sind unter anderem Änderungen hinsichtlich der im
Braunkohlenplanverfahren vorgenommenen Verkleinerung des Abbaufeldes Garzweiler
II im Norden und Westen berücksichtigt. Das in diesem Rahmenbetriebsplan
dargestellte Abbauvorhaben schließt an den unter dem 29. Juli 1994 zugelassenen
Tagebaustand im Jahre 2001 auf dem Gebiet des Abbaufeldes Garzweiler I an.
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Der Beklagte ließ durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 22. Dezember 1997
den o.g. Rahmenbetriebsplan bis zum 31. Dezember 2045 befristet zu. Diese Zulassung
erfasst neben dem (verkleinerten) Abbaugebiet Garzweiler II eine trapezförmige Fläche,
die noch zum Abbaubereich von Garzweiler I gehört.
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Hiergegen legte der Kläger am 22. Januar 1998 Widerspruch ein, den er auf eine
Verletzung der Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 11 GG stützte. Zudem bemängelte er das
Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).
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Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2000 wies das damals noch zuständige
Landesoberbergamt Nordrhein-Westfalen (nunmehr: Bezirksregierung Arnsberg) den
Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurück, es bestünden bereits
erhebliche Zweifel an der Widerspruchsbefugnis, jedenfalls sei der
Rahmenbetriebsplan aber rechtmäßig.
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Der Kläger hat am 28. März 2000 Klage erhoben. Er hat vorgetragen: Da mit der
Zulassung des Rahmenbetriebsplans der vollständige Abbau seines Grundeigentums
vorgesehen sei, ergebe sich die Klagebefugnis aus einer möglichen Verletzung in den
Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentum), Art. 11 Abs. 1 GG (Erhaltung des
Wohnsitzes) und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (körperliche Unversehrtheit, Gesundheit) sowie
des Rechts aus Art. 19 Abs. 4 GG (effektiver Rechtsschutz).
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Die Klage sei auch begründet. Schon die Zulassung des Rahmenbetriebsplans verletze
ihn in seinen Rechten, weil ihr - zumindest mittelbar - die Wirkung einer endgültigen
Entscheidung über die Grundstücksinanspruchnahme zukomme. Denn der spätere
Hauptbetriebsplan regele nur die betrieblichen Details der Betriebsführung.
Demgegenüber werde die Überbaggerung, also die Grundentscheidung der
Vorhabensdurchführung, nicht mehr geprüft. Das Abwarten des
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Grundabtretungsverfahrens sei aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unzumutbar.
Effektiver Rechtsschutz könne nur gegen die streitbefangene Zulassungsentscheidung
gewährt werden. Denn zwischen dieser grundsätzlichen, die Inanspruchnahme der
Wohnorte vorsehenden Zulassung und dem (im Übrigen nur auf das Eigentum
bezogenen) Grundabtretungsverfahren gebe es keine weiteren von Seiten der Bürger
angreifbaren Entscheidungen mehr. Die eigentlichen Folgen der tagebaubedingten
Betroffenheit ergäben sich nicht erst durch die Grundabtretung, sondern schon durch
das im Vorfeld ausgelöste Umsiedlungsgeschehen: Durch die unfreiwillige Aufgabe des
Wohnsitzes werde in das Grundrecht aus Art. 11 Abs. 1 GG eingegriffen. Wegen der
Gewissheit, Heimatort und Häuser räumen zu müssen, entstehe eine permanente
Belastung, die zu Schlafstörungen, Krankheiten wie Depressionen und Lebenskrisen
führen könnten. Suizidgefahren seien nicht auszuschließen. Infolgedessen seien auch
Gesundheit und körperliche Unversehrtheit im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG
betroffen. Zu dem späten Zeitpunkt des Grundabtretungsverfahrens seien die
Rechtsgüter, deren Beachtung verlangt werde, bereits unwiderruflich verletzt. Der Erhalt
des formal eventuell noch vorhandenen Eigentums sei dann sinnlos geworden. Darüber
hinaus würden die Grundrechte der Freizügigkeit, der Berufsfreiheit und der
körperlichen Unversehrtheit im Grundabtretungsverfahren nicht berücksichtigt. Vor dem
Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG stellten sich die bergrechtlichen Vorschriften zum
Grundabtretungsverfahren (§§ 77 ff. BBergG) als verfassungswidrig dar. Unter dem
tatsächlichen und finanziellen (Umsiedlungs-)Druck des heranrückenden Tagebaus
unterbleibe erfahrungsgemäß die Prüfung der Rechtmäßigkeit der bergbaulichen
Inanspruchnahme im Grundabtretungsverfahren. Dies verletze das Recht auf effektiven
Rechtsschutz. Die Ermächtigungsgrundlage zur Enteignung sei zudem so allgemein
gefasst, dass der private Unternehmer deren Erfüllung immer in der Hand habe. Dies
gelte für alle in § 79 Abs. 1 BBergG genannten Enteignungsgründe. Gegebenenfalls sei
eine bloße Grundrechtsgefährdung, vor der Schutz zu bieten sei, zu bejahen. In diesem
Zusammenhang könne die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu
Zwangspunkten bei Planfeststellungsverfahren fruchtbar gemacht werden. Danach
könnten Dritte, die nicht unmittelbar durch den planfestgestellten Abschnitt betroffen
würden, durch die Abschnittsbildung dann in ihren Rechten verletzt sein, wenn ein
früherer Abschnitt für einen späteren einen "Zwangspunkt" setze. Mit derartigen
Konstellationen sei die vorliegende Rahmenbetriebsplanzulassung vergleichbar.
Das Bundesberggesetz enthalte mit den §§ 48 Abs. 2 und 55 BBergG auch Einfallstore
für die Berücksichtigung von Grundrechten. Wenngleich die Vorschrift des § 55 Abs. 1
Satz 1 Nr. 9 BBergG grundsätzlich nicht drittschützend sei, so könne trotzdem die
fehlende Übereinstimmung des Tagebauvorhabens der Beigeladenen mit dem
Allgemeinwohl geltend gemacht werden. Durch den vollständigen Abbau der
Oberfläche komme es nicht nur zu einem Eingriff in Rechte so genannter
Oberflächeneigentümer, vielmehr werde auch das Allgemeinwohl verletzt. Da der
Braunkohlenplan nicht auf die Rechtsstellung der Bürger einwirke, sondern nur Ziele
der Landesplanung festlege, seien die Ausführungen der Beigeladenen zum
Braunkohlenplan Garzweiler II unergiebig. Dieser Plan lege im Übrigen die
Erforderlichkeit einer Umsiedlung nicht fest. Der Verfassungsgerichtshof für das Land
Nordrhein-Westfalen habe bei seiner Überprüfung des Braunkohlenplans Garzweiler II
keine Aussage bezüglich einer Zulässigkeit etwaiger Grundrechtseingriffe getroffen.
Entscheidend sei im Übrigen, dass die energiepolitische Notwendigkeit des Tagebaus
bislang nicht gerichtlich geprüft worden sei. Derartiges sei aber zur Beantwortung der
Frage, ob die mit dem Vorhaben verbundenen Grundrechtseingriffe gerechtfertigt seien,
notwendig. Die Leitentscheidung der Landesregierung Nordrhein-Westfalen aus dem
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Jahre 1991 sei im Hinblick auf die Liberalisierung des Strommarktes überholt. Die
Rahmenbetriebsplanzulassung sei auch deswegen rechtswidrig, weil weder ein
Planfeststellungsbeschluss ergangen noch eine UVP durchgeführt worden sei. Der
Zulassungsantrag aus dem Jahr 1995 sei nicht mit dem ursprünglich im Jahre 1987
gestellten Antrag identisch. Für diesen neuen Antrag sei nach den einschlägigen
Bestimmungen des Bundesberggesetzes eine UVP durchzuführen gewesen.
Insbesondere greife § 52 Abs. 2 b BBergG, wonach ausnahmsweise eine
Umweltverträglichkeitsprüfung entbehrlich sein könne, nicht ein. Denn es handele sich
weder um einen "geführten Gewinnungsbetrieb" noch lege der Braunkohlenplan
Garzweiler II, wie vom Gesetz gefordert, die Abbaugrenzen und Haldenflächen fest. Im
Übrigen genüge die im Braunkohlenplanverfahren durchgeführte UVP nicht den
Anforderungen des Bundesberggesetzes. Jedenfalls aber stelle sich die Freistellung
des Vorhabens von der Durchführung einer solchen Prüfung als europarechtswidrig dar.
Die Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und
privaten Projekten - UVP-Richtlinie - erfordere eine projektbezogene im Gegensatz zur
hier durchgeführten planbezogenen UVP.
Der Kläger hat beantragt,
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die durch den Beklagten erfolgte Zulassung des Rahmenbetriebsplans für den Tagebau
Garzweiler I/II (Zeitraum 2001 bis 2045) vom 22. Dezember 1997 in der Fassung der
Widerspruchsbescheide des Landesoberbergamts Nordrhein-Westfalen (nunmehr:
Bezirksregierung Arnsberg - Abt. 8, Bergbau und Energie in NRW -) vom 24. Februar
2000 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat er vorgetragen: Es fehle schon an der Klagebefugnis. Die gerügten
Grundrechtsverletzungen begründeten wegen des im mehrpoligen
Verwaltungsrechtsverhältnis zu beachtenden Anwendungsvorrangs einschlägiger
einfach-gesetzlicher Vorschriften keine Klagebefugnis. Der Gesetzgeber habe die
kollidierenden Interessen zwischen Grundeigentümern und Bergbauunternehmern
durch den Erlass des Bundesberggesetzes, im Besonderen durch die dortigen
Regelungen über die Betriebsplanpflicht bergbaulicher Vorhaben und die Vorschriften
über die Grundabtretung, geregelt. Auch aus einfach-gesetzlichen Normen ergebe sich
keine Klagebefugnis. Zwar sei das Bundesverwaltungsgericht in verschiedenen
Entscheidungen von Drittschutz bei Betriebsplanzulassungen ausgegangen. Diese
Rechtsprechung sei indes nicht übertragbar, denn dort sei über den Sachgüterschutz
mittelbar betroffener Grundstückseigentümer vor den Folgen des untertägigen Bergbaus
entschieden worden, während es hier um die direkte Inanspruchnahme von
Grundstücken für den Braunkohlentagebau gehe. Hierfür sei ein
Grundabtretungsverfahren erforderlich, so dass Sachgüterschutz nicht bereits im
Betriebsplanverfahren zu gewähren sei. Zwar könne der Kläger sich auf die Drittschutz
vermittelnde Vorschrift des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG wegen der behaupteten
Gesundheitsgefahr stützen. Dazu fehle es aber einem substantiierten Vortrag. Darüber
hinaus mangele es an der erforderlichen Kausalität zwischen dem angefochtenen
Verwaltungsakt und der behaupteten Rechtsverletzung. Die angefochtene
Rahmenbetriebsplanzulassung verursache bezogen auf die Grundstücke und die
sonstige Situation des Klägers allenfalls faktische, jedoch keine rechtlichen Wirkungen,
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weil die Rahmenbetriebsplanzulassung die Ausführung des Abbauvorhabens noch
nicht gestatte. Auch entfalte sie keine Bindungswirkung für ein etwaiges
Grundabtretungsverfahren. Auch bezüglich anderer als Eigentümerrechte fehle es an
der Kausalität der Rahmenbetriebsplanzulassung. Diese untersuche das Vorhaben
nämlich allein unter spezifisch bergbaulichen Anforderungen, so dass ein Eingriff in das
"Grundrecht auf Verbleiben am Heimatort", soweit dieses überhaupt durch Art. 11 Abs. 1
GG geschützt sei, nicht erfolge. Gleiches gelte für die Gesundheitsgefahr, die ebenso
wenig durch den Rahmenbetriebsplan ausgelöst werde. Im Zusammenhang mit der
Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG sei darauf
hinzuweisen, dass zwischen der Rahmenbetriebsplanzulassung und dem
Grundabtretungsverfahren sehr wohl weitere Entscheidungen in Form von Haupt- und
Sonderbetriebsplanzulassungen ergingen. Soweit beklagt werde, dass Bürger sich
schon zehn Jahre vor der voraussichtlichen Inanspruchnahme ihrer Grundstücke mit der
Beigeladenen einigten und wegzögen, so dass umsiedlungsunwillige Bürger isoliert in
einer sich entleerenden Ortschaft verbleiben müssten, sei dies weniger eine Folge der
Rahmenbetriebsplanzulassung, sondern eher des Braunkohlenplans und der
Entscheidungen dieser umzugsbereiten Bürger. Der Braunkohlenplan Garzweiler II
enthalte Ziele der Raumordnung und Landesplanung, insbesondere das Gebot der
gemeinsamen Umsiedlung und die Durchführung der Umsiedlung in gestaffelten
Zeiträumen entsprechend dem Tagebaufortschritt. Gemäß diesen Zielen müsse die
Beigeladene mit den für die Umsiedlung erforderlichen Schritte in den einzelnen
Ortschaften relativ früh beginnen. Zugegebenermaßen würden etwaige
Grundabtretungsverfahren relativ spät eingeleitet. In der Regel beantrage die
Beigeladene die Grundabtretung je nach Größe des Objekts zwei bis drei Jahre vor der
Inanspruchnahme. Es sei nicht zu verkennen, dass auch ein solcher Zeitraum kurz sei.
Dies beruhe jedoch darauf, dass eine Grundabtretung rechtlich nur zulässig sei, wenn
die Inanspruchnahme des Grundstücks notwendig sei und die Bemühungen um eine
gütliche Einigung vergeblich gewesen seien. Ein Grundabtretungsverfahren könne
einerseits erst durchgeführt werden, wenn die Fläche in absehbarer Zeit benötigt werde;
Enteignungen gleichsam auf Vorrat seien unzulässig. Andererseits müsse sich das
Unternehmen frühzeitig um einen freihändigen Erwerb der von ihm benötigten
Grundstücke bemühen.
Wenn man die Klage für zulässig erachte, erweise sie sich als unbegründet. Die geltend
gemachten Grundrechtsverletzungen lägen nicht vor. Hinsichtlich Art. 14 Abs. 1 GG
fehle es an einem Eingriff in das Grundeigentum durch die
Rahmenbetriebsplanzulassung. Zudem handele es sich weder bei der
Rahmenbetriebsplanzulassung noch bei einer zu einem späteren Zeitpunkt
erforderlichen Inanspruchnahme der Grundflächen um eine gewollt gegen die
Freizügigkeit gerichtete Maßnahme und deshalb auch nicht um einen Eingriff in das
Grundrecht aus Art. 11 Abs. 1 GG. Im Übrigen müsse in den Blick genommen werden,
dass dem Grundrecht auf (negative) Freizügigkeit auch eine grundrechtlich geschützte
Position des Bergbautreibenden gegenüberstehe. Die Beigeladene könne sich
ebenfalls auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen, weil sie Inhaberin bergrechtlicher
Abbauberechtigungen sei. Hinsichtlich Art. 2 Abs. 2 GG sei bereits die Möglichkeit einer
Verletzung durch die Rahmenbetriebsplanzulassung nicht ausreichend dargelegt. Es
sei nicht erkennbar, dass psychische Störungen und dadurch verursachte physische
Beschwerden aufträten, die über die typischerweise mit einem Orts- und
Wohnungswechsel verbundenen Belastungen hinausgingen.
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Schließlich verstoße die angefochtene Rahmenbetriebsplanzulassung nicht gegen
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nationale oder europarechtliche Vorschriften über die Durchführung einer
Umweltverträglichkeitsprüfung, die zudem nicht drittschützend seien.
Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen: Die Klage sei unzulässig. Das Landesplanungsgesetz NRW (LPIG)
sehe in seinem IV. Abschnitt die Umsiedlung als zwangsläufige Voraussetzung des
Braunkohlentagebaus im Rheinischen Braunkohlenrevier vor; § 32 Abs. 4 Satz 2 LPlG
verlange Angaben zur einzelortsbezogenen Sozialverträglichkeit der Umsiedung. Damit
sei die Grundentscheidung zur Umsiedlung bereits vom Gesetzgeber getroffen worden.
Diese gesetzgeberischen Vorgaben seien im Braunkohlenplanverfahren "Garzweiler II"
beachtet worden. Der Zulassung des Rahmenbetriebsplans komme keine gestattende
Wirkung zu. Ebenso wenig entfalte er Bindungswirkungen gegenüber dem Kläger.
Deshalb fehle es insoweit an der erforderlichen Klagebefugnis. Die vom Kläger
dargelegte faktische Beeinträchtigung in etwaigen Rechten reiche hierfür nicht aus.
Vielmehr laufe der Klägervortrag auf die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes
gegen die spätere Grundstücksinanspruchnahme hinaus. Der im Rahmen des
Grundabtretungsverfahrens gewährleistete Rechtsschutz sei effektiv, so dass es
vorbeugenden Rechtsschutzes nicht bedürfe.
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Darüber hinaus wende der Kläger sich gegen die Umsiedlung insgesamt. Diese sei
aber bereits im Braunkohlenplanverfahren geprüft und mit zahlreichen anderen
Belangen abgewogen worden. An diese landesplanerische Entscheidung sei der
Beklagte bei der Rahmenbetriebsplanzulassung gem. § 34 Abs. 4 LPlG gebunden.
Gegenstand der Rahmenbetriebszulassung seien allein technische und bergrechtliche
Fragen der Vorhabenzulassung. Im Rahmen des Grundabtretungsverfahrens nach den
§§ 77 ff. BBergG werde die Zulässigkeit der Abtretung und damit letztlich des gesamten
Tagebauvorhabens umfassend überprüft. Eine Klagebefugnis ergebe sich auch nicht
aus § 48 Abs. 2 BBergG. Im Braunkohlentagebau könnten über § 48 Abs. 2 BBergG
ausschließlich sonstige zu erwartende Auswirkungen betreffend Flächen außerhalb des
aufzuschließenden Bereichs erfasst werden. Die Klagebefugnis ergebe sich auch nicht
aus den Grundrechten der Art. 14, 11 und 2 Abs. 2 GG. Bezogen auf Art. 14 Abs. 1 GG
präjudiziere die streitbefangene Entscheidung ein Grundabtretungsverfahren nicht.
Mangels Gestattungswirkung greife die Rahmenbetriebsplanzulassung auch nicht in
das Grundrecht der Freizügigkeit ein. Überdies sei die etwaige mittelbare Beschränkung
der Freizügigkeit vor dem Hintergrund, dass das bergbauliche Vorhaben den
landesplanerischen Vorgaben entspreche, gerechtfertigt. Schließlich komme den
Gesichtspunkten der Rohstoffsicherung und Energieversorgung überragende
Bedeutung zu. Wegen des fehlenden diesbezüglichen Regelungsgehalts der
Rahmenbetriebsplanzulassung scheide auch ein Eingriff in das Grundrecht des Art. 2
Abs. 2 Satz 1 GG ersichtlich aus.
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Im Übrigen sei die streitbefangene Zulassungsentscheidung rechtmäßig. Bereits aus
dem Wortlaut der Vorschrift ergebe sich, dass Belange der Umsiedlung nicht auf der
Grundlage des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG zu berücksichtigen seien. Die
Umsiedlung bereite den Tagebau nur vor. Sie stelle sich nicht als dessen Betrieb dar. §
55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG sei nur einschlägig, wenn der Abbau Folgen verursache,
deren Nachteile größer seien als der durch die Betriebshandlung erwachsende Vorteil.
Ein Vergleich mit dem Steinkohlenabbau sei wegen dessen grundsätzlicher
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Andersartigkeit unergiebig. Zudem habe ein Abwägungsvorgang bereits im
Braunkohlenplanverfahren stattgefunden. Unzutreffend sei die Ansicht des Klägers, es
habe eine Umweltverträglichkeitsprüfung und ein Planfeststellungsverfahren
durchgeführt werden müssen. Insbesondere stellten die Zulassungsanträge aus den
Jahren 1987, 1992 und 1995 keine eigenständigen, drei selbstständige Vorhaben
betreffende Rahmenbetriebspläne dar.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. November 2001 als unzulässig
abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger fristgerecht die Zulassung der Berufung
beantragt. Mit Beschluss vom 18. Juli 2002 hat der damals noch zuständige 21. Senat
die Berufung zugelassen, die der Kläger rechtzeitig eingelegt und begründet hat.
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Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, seine Klagebefugnis ergebe sich aus
drittschützenden Vorschriften des Bundesberggesetzes sowie aus den Grundrechten. Im
Übrigen seien auch die UVP-Bestimmungen drittschützend. Letzteres ergebe sich aus
dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. September 1999 (C 435/97). Im
Hinblick auf das Grundabtretungsverfahren führt er ergänzend aus: Auf dieses dürfe er
nicht verwiesen werden, denn dessen Zeitpunkt liege allein in der Hand des
Unternehmers (§ 77 Abs. 1 BBergG). Auch sei es unzumutbar, in einem verlassenen,
größtenteils abgerissenen Heimatort ohne Infrastruktur auszuharren. Nur so sei es zu
erklären, dass es im rheinischen Braunkohlenrevier zwischen 1948 und 1996 bei über
30.000 Umsiedlern aus 72 Ortschaften so gut wie keine Grundabtretungsverfahren -
zumindest nicht in bezug auf Wohngrundstücke - gegeben habe. Auch anhand des
Braunkohlentagebaus Jänschwalde könne man die Rechtschutzdefizite aufzeigen: Hier
hätten sich ca. 350 Einwohner über 10 Jahre geschlossen gegen den geplanten Abbau
zur Wehr gesetzt. Dennoch sei bis etwa zwei Jahre vor der geplanten Devastierung kein
Grundabtretungsverfahren beantragt worden. Etwaiger Rechtschutz sei daher nur noch
im Eilverfahren - mit der bekannten Beschränkung hinsichtlich der Prüfungsdichte -
möglich gewesen. Angesichts des enormen Umsiedlungsdrucks seien die Betroffenen
regelrecht gezwungen, auf das ihnen theoretisch zustehende
Grundabtretungsverfahren, das zudem nur noch im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes überprüft werden könne, zu verzichten. Dass der Grundsatz "dulde und
liquidiere" auch im Bergrecht nicht verfassungskonform sei, habe das
Bundesverwaltungsgericht in der Moers-Kapellen-Entscheidung aufgezeigt. Diese
Rechtsprechung sei weiterzuentwickeln. Die aus dem Planfeststellungsrecht bekannte
"Zwangspunkte-Rechtsprechung" des Bundesverwaltungsgerichts sei bereits auf
Plangenehmigungen übertragen worden. Auch diese Rechtsprechung müsse - ebenso
wie die Rechtsprechung zu Flugrouten - für die vorliegende Konstellation
weiterentwickelt werden.
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Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 1990 unterscheide sich
maßgeblich von dem vorliegenden Fall, da es hier um eine "schwere und unerträgliche
Veränderung des Grundstücks" gehe. Im Übrigen sei der für jede hoheitliche Planung
geltende Grundsatz der Problembewältigung durch Nichtprüfung der grundrechtlichen
Belange des Klägers verletzt worden.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 10.12.2001 (9 K 691/00) abzuändern
und den Bescheid des Beklagten vom 22.12.1997 auf Zulassung des
"Rahmenbetriebsplanes für den Abbau Garzweiler I/II" in der Fassung des
28
Widerspruchsbescheides aufzuheben.
hilfsweise,
29
das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des
BBergG über die Betriebsplanzulassung (§§ 48, 55) und Grundabtretung (§§ 77, 79) im
Hinblick auf deren Vereinbarkeit mit den Grundrechten aus Art. 14 GG, Art. 11 GG, Art. 2
Abs. 2 GG und Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG einzuholen, insbesondere im Hinblick auf deren
Anwendung im Verhältnis zu einem Grundrechtsträger, dessen Wohnhaus im
Geltungsbereich eines nach §§ 52 Abs. 2 Nr. 1, 55, 48 BBergG zugelassenen und die
vollständige Devastierung dieses Grundstückes vorsehenden Rahmenbetriebsplanes
gelegen ist.
30
Der Beklagte beantragt,
31
die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält an seinen Ausführungen fest und führt ergänzend aus: Die "Zwangspunkte-
Rechtsprechung" sei nicht übertragbar, weil ein Rahmenbetriebsplan - gleich ob
fakultativ oder obligatorisch - gerade keine Zwangspunkte im Sinne der
straßenrechtlichen Rechtsprechung enthalte. Hierfür fehle es nicht nur an der
Abschnittsbildung, sondern vor allem an einer vergleichbaren Bindungswirkung. Ein
weiterer entscheidender Unterschied sei auch, dass es bei Straßen alternative Trassen
gebe, während es hier allein um die Frage gehe, ob das Tagebauvorhaben realisiert
werde oder nicht. Das Gebot der Konfliktbewältigung gelte bei Planungsentscheidungen
mit einer echten Abwägung, nicht aber bei der hier vorliegenden gebundenen
Entscheidung.
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Die vom Kläger angeführte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs enthalte zum
einen die Einschränkung, dass der Mitgliedstaat nicht grundsätzlich ausschließen dürfe,
dass sich betroffene Personen auf die durch die UVP-Richtlinie auferlegte Verpflichtung
berufen können. Damit bestehe noch keine Pflicht, in jedem Fall eine Klagebefugnis
anzunehmen. Zum anderen sei es dort - anders als hier - um die Herausnahme
bestimmter Projekte aus der UVP-Pflicht gegangen. Die bundesdeutsche
Rechtsprechung halte die UVP-Regelungen auch nicht generell (im Sinne von
grundsätzlich) für unbeachtlich, sondern verlange - ähnlich wie bei anderen
Verfahrensfehlern -, dass sich der Fehler konkret ausgewirkt haben müsse. Diese
Rechtsprechung sei europarechtskonform und verlange im vorliegenden Fall eine
Darlegung, inwiefern die unterbliebene UVP zur Verneinung der
Zulassungsvoraussetzungen der §§ 55, 48 BBergG geführt hätte. Im Übrigen sei die
UVP-Richtlinie auch nicht verletzt worden, weil der hier angefochtene
Rahmenbetriebsplan am 5. Oktober 1987 beantragt und das Verfahren mithin vor dem
Inkrafttreten des BBergGÄndG am 1. August 1990 und vor dem Ablauf der
Umsetzungsfrist für die UVP-Richtlinie am 3. Juli 1988 eingeleitet worden sei. Dies
habe zur Folge, dass wegen der Überleitungsvorschrift des Art. 2 Satz 2 des
BBergGÄndG altes Recht gelte, so dass eine Verpflichtung zur Durchführung eines
UVP-pflichtigen Planfeststellungsverfahrens nicht bestanden habe.
34
Die Beigeladene beantragt,
35
die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung hält sie ebenfalls an ihrer Auffassung fest, der Kläger sei schon nicht
klagebefugt. Eine Konfliktbewältigung im Hinblick auf Sachgüter Dritter sei in § 55 Abs.
1 BBergG ausdrücklich nicht vorgesehen. Die von der Rechtsprechung angenommene
Ausnahme zu § 48 BBergG beziehe sich auf den untertägigen Bergbau und sei nicht auf
den Braunkohlentagebau übertragbar. Hierfür stehe das Instrumentarium des
Grundabtretungsverfahrens zur Verfügung. Die Umsiedlung und ihre Auswirkungen
seien nicht im bergrechtlichen Zulassungsverfahren zu prüfen. Schließlich komme den
UVP-Bestimmungen kein drittschützender Charakter zu. Jedenfalls sei eine UVP hier
aber wegen der Übergangsregelung nicht erforderlich gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses und der Verfahren 11 A 1192/02
(H. ) und 11 A 1193/02 (C. ) sowie der in diesen (drei) Verfahren beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren.
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Entscheidungsgründe:
39
Die zulässige, insbesondere fristgerecht begründete Berufung hat in der Sache
insgesamt keinen Erfolg.
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A. Hauptantrag
41
Der auf Aufhebung der Zulassungsentscheidung vom 22. Dezember 1997 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids des Landesoberbergamts NRW vom 24. Februar 2000
gerichtete Hauptantrag hat keinen Erfolg.
42
Der Senat kann offen lassen, ob die Klage bereits an der fehlenden Klagebefugnis
scheitert, wie das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit weiterer Rechtsprechung
43
- vgl. etwa OVG Brandenburg, Beschluss vom 17. Juli 2000 - 4 A 94/99 - (S. 3 ff. des
Beschlussabdrucks); bestätigt durch Verfassungsgericht des Landes Brandenburg,
Beschluss vom 28. Juni 2001 - VfGBbg 44/00 -, ZfB 2002, 45 (49) (keine
Beschwerdebefugnis für eine Verfassungsbeschwerde) -.
44
angenommen hat, was nach § 42 VwGO voraussetzen würde, dass subjektive Rechte
des Klägers durch den Zulassungsbescheid offensichtlich und nach keiner
Betrachtungsweise verletzt sein können.
45
Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 6 C 8.01 -, BVerwGE 117, 93 (95)
m.w.N., (std. Rspr.).
46
Die Klage ist jedenfalls unbegründet, weil der Kläger durch die hier angegriffene
Zulassung des Rahmenbetriebsplans nicht in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO). Das folgt aus Regelungsgegenstand und -wirkung der Zulassung des
Rahmenbetriebsplans.
47
Das für den großflächigen Braunkohlentagebau zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der
letzten Behördenentscheidung (24. Februar 2000) geltende Recht ist durch ein
48
komplexes, teilweise gestuftes Regelungssystem gekennzeichnet, das von
planerischen Festlegungen im Landesplanungsgesetz NRW (vgl. Abschnitt IV.
Sondervorschriften für das Rheinische Braunkohlenplangebiet im
Landesplanungsgesetz NRW - LPIG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 29.
Juni 1994 - GV. NRW. S. 474 -, zuletzt geändert am 14. Juli 1999 - GV. NRW. S. 396),
konkretisiert im Braunkohlenplan (vgl. §§ 24, 33 ff. LPlG), über verschiedene
bergrechtliche Betriebspläne (§§ 51 ff. des Bundesberggesetzes - BBergG - vom 13.
August 1980, BGBl. I S. 1310, zuletzt geändert am 26. Januar 1998 BGBl. I S. 164, 187)
bis hin zum bergrechtlichen Grundabtretungsverfahren (§§ 77 ff. BBergG) reicht.
Vgl. im Einzelnen zur Verfahrensstufung etwa Degenhart, Probleme der
Braunkohlenplanung, in: Festschrift Hoppe, München 2000, S. 696 (704 ff.).
49
Dabei erlangen die "Ziele der Raumordnung", wie sie in einem Braunkohlenplan
festgelegt sind, für die systematisch und regelmäßig auch zeitlich nachgeschalteten
bergrechtlichen Betriebsplanzulassungen Verbindlichkeit nach Maßgabe des § 4 Abs. 4
des Raumordnungsgesetzes - ROG - vom 18. August 1997 (BGBl. I S. 2081, 2102).
Hinzu kommt in Nordrhein-Westfalen eine landesplanungsrechtliche Pflicht, die
Betriebspläne der im Braunkohlenplangebiet gelegenen bergbaulichen Betriebe mit den
Braunkohlenplänen in Einklang zu bringen (§ 34 Abs. 5 Satz 2 LPlG).
50
In diesem System der "gestuften Betroffenheit" kommt es erst im
Grundabtretungsverfahren zu einem Eingriff in das Eigentumsrecht eines vom Abbau
betroffenen Oberflächeneigentümers, denn erst hier wird endgültig und mit
Außenwirkung über die Zulässigkeit der Inanspruchnahme seines Grundeigentums
entschieden. Der Oberflächeneigentümer kann die Rechtmäßigkeit der bergbaulichen
Maßnahme, für die sein Grundstück in Anspruch genommen werden soll, im
Grundabtretungsverfahren uneingeschränkt überprüfen lassen. Demgegenüber kommt
der hier angegriffenen Zulassung des (fakultativen) Rahmenbetriebsplans weder
Gestattungswirkung für den Bergbauunternehmer noch eine enteignende Vorwirkung in
bezug auf das Oberflächeneigentum zu; auch ein Eingriff in sonstige Grundrechte ist
nicht gegeben (hierzu I.). Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG)
zwingt nicht zu einer anderen Bewertung. Vielmehr hält die vom Gesetzgeber
vorgesehene Verfahrensstufung, die mangels enteignender Vorwirkung auf den
vorangegangenen Stufen den Rechtsschutz des Oberflächeneigentümers hinsichtlich
des Zugriffs auf sein Grundstück auf die Grundabtretungsentscheidung verlagert - trotz
der vom Kläger nachvollziehbar geltend gemachten faktischen Beeinträchtigungen -
einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand (hierzu II.). Schließlich ergibt sich auch aus
sonstigen, insbesondere dem Naturschutz dienenden Vorschriften außerhalb des
Bergrechts (UVPG, FFH-RL), keine Rechtsverletzung des Klägers (hierzu III.).
51
I. Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 55, 56
BBergG. Mangels Gestattungswirkung für den Bergbauunternehmer und insbesondere
mangels enteignender Vorwirkung in bezug auf das Oberflächeneigentum scheidet eine
unmittelbare Verletzung sowohl des Art. 14 Abs. 1 GG (1.) als auch sonstiger
Grundrechte (2.) durch die Zulassung des Rahmenbetriebsplans aus.
52
1. Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans verletzt den Kläger nicht in seinem
Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG.
53
Ein Rahmenbetriebsplan enthält gem. § 52 Abs. 2 Nr. 1 BBergG nur "allgemeine
54
Angaben über das beabsichtigte Vorhaben, dessen technische Durchführung und
voraussichtlichen zeitlichen Ablauf". Seine Zulassung entfaltet noch keine
Gestattungswirkung, d.h. sie berechtigt nicht zur Durchführung des Vorhabens. Hierzu
bedarf es vielmehr der nachfolgenden Haupt- und Sonderbetriebspläne (vgl. § 52 Abs. 1
BBergG). Der (fakultative) Rahmenbetriebsplan herkömmlicher Art enthält nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weder ein verselbständigtes
vorläufiges positives Gesamturteil im Hinblick auf das Gesamtvorhaben noch ist er
einem Konzept- oder Standortvorbescheid im Sinne des Immissions- oder Atomrechts
vergleichbar. Er soll in erster Linie ein "die bergbaulichen Maßnahmen ständig
begleitendes behördliches Kontrollinstrument" sein. Der Regelungsgehalt der
Zulassung eines Rahmenbetriebsplans erschöpft sich vielmehr in der Feststellung, dass
das beabsichtigte Vorhaben die in § 55 BBergG genannten
Zulassungsvoraussetzungen erfüllt.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 1991 - 7 C 25.90 - (Gasspeicherurteil), ZfB
1992, 38 ff. - kritisch hierzu v. Mäßenhausen, ZfB 135, 119 (125 f.) -, vom 2. November
1995 - 4 C 14.94 -, BVerwGE 100, 1 (11 f.), und vom 9. November 1995 - 4 C 25.94 -,
BVerwGE 100, 31; zum Verhältnis von Rahmenbetriebsplan zu weiteren Betriebsplänen
vgl. auch: OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 1998 - 21 A 7553/95 -, ZfB 1998, 146;
Boldt/Weller Bundesberggesetz, Ergänzungsband 1992, § 52 Rdnrn. 19 ff. und § 57 a
Rdnrn. 72 ff.; Hoppe, UVPG, Kommentar, 2. Aufl. 2002, § 18 Rdnr. 21.
55
Zwar mögen die Einzelheiten der von einem Rahmenbetriebsplan für nachfolgende
Betriebspläne ausgehenden Bindungswirkung nicht sämtlich geklärt sein. Auf diese
Problematik kommt es im vorliegenden Verfahren aber nicht an.
56
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts greift - dem
folgend auch schon die Vorinstanz (vgl. Urteil, Seite 19 f.) - die Zulassung eines
Rahmenbetriebsplans, der - wie hier - ein Vorhaben zum obertägigen Braunkohleabbau
betrifft, (noch) nicht in das Eigentum der betroffenen Oberflächeneigentümer ein;
vielmehr wird der Eingriff erst durch den Grundabtretungsbeschluss bewirkt (a). Soweit
das Bundesverwaltungsgericht die frühere bergrechtliche Rechtsprechung für den
Steinkohlebergbau im Lichte des Art. 14 GG dahingehend fortentwickelt hat, dass die im
Betriebsplanzulassungsverfahren zu beachtenden Bestimmungen (§§ 48, 55 BBergG)
in gewissem Umfang Drittschutz vermitteln, ist diese Rechtsprechung auf die Situation
im Braunkohletagebau nicht übertragbar (b).
57
a) Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C
18.90 - dargelegt, dass einem bergrechtlichen Betriebsplan (dort: Sonderbetriebsplan für
eine Bohrung zur Untersuchung der Lagerungsverhältnisse von Braunkohle) keine
enteignende Vorwirkung für den betroffenen Oberflächeneigentümer zukommt. Aus dem
Bundesberggesetz ergebe "sich eindeutig, dass über die unmittelbare
Inanspruchnahme von Grundstücken für bergbauliche Vorhaben allein im Verfahren der
Grundabtretung (§§ 77 ff. BBergG) zu entscheiden" sei. Insbesondere müsse in diesem
Verfahren geprüft werden, ob und in welchem Umfang die Grundabtretung zur
Verwirklichung des Vorhabens erforderlich sei (§§ 79, 81 Abs. 1 Satz 1 BBergG).
58
BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C 18.90 -, NVwZ 1991, 992 - Hervorhebung
durch den Senat -.
59
In seinem weiteren Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C 5.90 - hat sich das
60
Bundesverwaltungsgericht mit dem Grundabtretungsverfahren für die genannte
Untersuchungsbohrung befasst. Dazu hat es ausgeführt, dass die Vorschriften zur
bergrechtlichen Grundabtretung (§§ 77 ff. BBergG) trotz der Begrenztheit der
behördlichen Betriebsplanzulassung und des Fehlens einer der Grundabtretung
vorausgehenden Planfeststellung, die die Zulässigkeit bergbaulicher Maßnahmen
umfassend am Maßstab aller öffentlich-rechtlichen Vorschriften und der
Allgemeinwohlerforderlichkeit prüft, den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG an ein
Gesetz, das eine Administrativ-Enteignung zulässt, entsprächen. Hieraus sei allerdings
zu folgern, dass eine solche umfassende Prüfung im Grundabtretungsverfahren selbst
stattfinden müsse. Dies gelte selbst dann, wenn ein Braunkohlentagebau - wie im
vorliegenden Fall in Nordrhein-Westfalen - in einem besonderen landesplanerischen
Verfahren geprüft worden sei. Die behördliche Entscheidung im
Grundabtretungsverfahren sei auch nicht durch vorangegangene
Betriebsplanzulassungen gebunden. Ein zugelassener Betriebsplan habe gegenüber
dem Grundabtretungspflichtigen nur Indizcharakter dafür, dass die Maßnahmen nach
ihm sachgemäß ausgeführt werden und dem Bergrecht entsprechen; er bewirke keine
Bindung für den Abtretungspflichtigen.
BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C 5.90 -, NVwZ 1991, 987 (988 ff.) =
BVerwGE 87, 241 (251 ff.).
61
Soweit der Kläger einwendet, das Grundabtretungsverfahren bestehe nur theoretisch,
der hiergegen gerichtete Rechtsschutz komme zu spät, ist festzuhalten, dass sich das
Bundesverwaltungsgericht mit dieser Kritik bereits in der vorgenannten Entscheidung
befasst hat. Es hat hierzu ausgeführt, letztlich trage der Bergbauunternehmer das Risiko
dafür, dass von ihm im Vertrauen auf bestandskräftig zugelassene Betriebspläne
gemachte Aufwendungen wertlos werden könnten, weil die Inanspruchnahme fremder
Grundstücke für das bergbauliche Vorhaben an den Voraussetzungen für die
Zulässigkeit der Grundabtretung scheitere.
62
BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C 18.90 -, a.a.O., 993, unter Hinweis auf
BVerwG, Urteil vom 9. März 1990 - 7 C 23.89 -, BVerwGE 85, 54 (58).
63
Die genannten Entscheidungen vom 14. Dezember 1990 beziehen sich zwar - wie
erwähnt - auf die Zulassung eines bergrechtlichen Sonderbetriebsplans für eine
Bohrung zur Untersuchung der Lagerungsverhältnisse von Braunkohle und nicht auf die
Zulassung eines Rahmenbetriebsplans für ein großflächiges
Braunkohleabbauvorhaben, um das es im vorliegenden Fall geht. Hierauf wird in beiden
Entscheidungen auch ausdrücklich hingewiesen. So heißt es z.B. in der Entscheidung
zum Sonderbetriebsplan - 7 C 18.90 - (a.a.O., 993):
64
"Übrigens geht es hier noch nicht um das Verhältnis zwischen Betriebsplanzulassung
und Grundabtretung für einen großflächigen Tagebau selbst, sondern für vorbereitende
Tätigkeiten für einen beabsichtigten Tagebau, über dessen betriebsplanmäßige
Zulassung und sonstige öffentlich- rechtliche Zulässigkeit erst noch zu entscheiden ist."
65
Aus diesem Zusatz lässt sich aber nichts für die Rechtsauffassung des Klägers, er
werde bereits durch die Zulassung des Rahmenbetriebsplans und nicht erst durch den
Grundabtretungsbeschluss in seinen Rechten verletzt, herleiten. Denn die vom
Bundesverwaltungsgericht für den Fall einer Probebohrung aufgezeigte Systematik der
bergrechtlichen Bestimmungen (keine enteignende Vorwirkung des
66
Rahmenbetriebsplans; Eignung des Grundabtretungsverfahrens zur umfassenden
Rechtmäßigkeitsprüfung) wird hierdurch nicht entkräftet.
Zudem sprechen die Erwägungen in der Grundabtretungsentscheidung - 7 C 5.90 -
dafür, dass das Bundesverwaltungsgericht mit seinem o.a. Hinweis lediglich die
unterschiedliche Eingriffsintensität der beiden Maßnahmen und die hierdurch bedingte
unterschiedliche Prüfungstiefe im Rahmen des Grundabtretungsverfahrens
verdeutlichen, nicht aber auf einen zwingend vorzuverlagernden Rechtschutz
aufmerksam machen wollte. So heißt es am Ende der Entscheidung (a.a.O., 992):
67
"Die Errichtung des Tagebaus selbst wird in der Tat eine vorausgehende Prüfung am
Maßstab zahlreicher öffentlich-rechtlicher Vorschriften erfordern, wie z.B. des Baurechts
(vgl. §§ 29 Satz 3, 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB), des Wasserrechts (vgl. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3
Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 Nr. 1 WHG) und des Naturschutzrechts (vgl. § 8 BNatSchG); eine
Grundabtretung für diesen Zweck wird nicht angeordnet werden dürfen, wenn die
Errichtung des Tagebaus an einer dieser Vorschriften scheitern muß (vgl. BVerwGE 77,
86 <91>, keine Enteignung für ein bebauungsrechtlich unzulässiges Vorhaben). Die
Untersuchungsbohrung unterliegt jedoch nicht denselben öffentlich- rechtlichen
Anforderungen wie die etwaige spätere Errichtung des Tagebaus. Es ist nicht
erkennbar, daß ihr öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstünden." (Hervorhebung
durch den Senat)
68
b) Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht den
Vorschriften über die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans (§§ 48 Abs. 2 und 55 Abs.
1 Satz 1 Nr. 3 BBergG) im Hinblick auf Art. 14 GG in gewissem Umfang durchaus
drittschützenden Charakter zugesprochen hat. So können Kläger geltend machen, ihr
grundrechtlich geschütztes Oberflächeneigentum sei durch zu erwartende Bergschäden
in seinem sachlichen Substrat bedroht.
69
Grundlegend BVerwG, Urteil vom 16. März 1989 - 4 C 36.85 -, DVBl. 1989, 663 (Moers-
Kapellen- Urteil); Urteil vom 13. Dezember 1991 - 7 C 25.90 -, BVerwGE 89, 246, 248 ff.
(Gasspeicher-Urteil) vgl. zur Entwicklung dieser Rechtsprechung Gaentzsch, DVBl.
1993, 527 ff.
70
Diese Rechtsprechung ist indes hier nicht übertragbar. Sie bezieht sich auf Fälle aus
dem Steinkohlenbergbau, in denen - anders als im hier zu betrachtenden großflächigen
Braunkohlentagebau - Grundeigentum nicht unmittelbar für das Vorhaben in Anspruch
zu nehmen war, so dass es eines Grundabtretungsverfahrens gar nicht bedurfte. Im
Übrigen hat sich auch das Bundesverwaltungsgericht selbst mit der Frage der
Übertragbarkeit befasst und diese verneint. So hat es in der bereits mehrfach erwähnten
Entscheidung vom 14. Dezember 1990 (7 C 18.90 - Sonderbetriebsplan) ausgeführt, es
sehe keinen Anlass, den im Moers-Kapellen- Urteil entwickelten Rechtsgedanken auf
Fälle auszuweiten, in denen der Eigentümer - wie im Probebohrungsfall - die
Möglichkeit habe, in dem für die Inanspruchnahme seines Grundstücks erforderlichen
Grundabtretungsverfahren die Rechtmäßigkeit der bergbaulichen Maßnahme
uneingeschränkt zur Überprüfung zu stellen.
71
2. Nichts anderes gilt für die übrigen vom Kläger angeführten Grundrechte (Art. 2 Abs. 2
und Art. 11 Abs. 1 GG). Auch in diese greift der Beklagte angesichts des beschriebenen
Regelungsumfangs der Rahmenbetriebsplanzulassung nicht unmittelbar ein.
72
Art. 11 GG garantiert sowohl das Recht, unbehindert durch die deutsche Staatsgewalt
an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen und
auch zu diesem Zweck in das Bundesgebiet einzureisen,
73
BVerfG 1. Senat, Beschluss vom 7. Mai 1953 - 1 BvL 104/52 -, BVerfGE 2, 266 ff.
74
als auch die sogenannte negative Freizügigkeit, d.h. das Verbleiben am frei gewählten
Ort.
75
Vgl. nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG- Kommentar, 7. Aufl. 2004, Art. 11 Rdnr. 3 a.E.;
Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG-Komm., 1996, Art. 11 Rdnr. 12, jew. m.w.N.
76
In dieses Recht greift der angegriffene Zulassungsbescheid nicht ein, denn es bleibt
dem Kläger (zunächst noch) unbenommen, an seinem Wohnort zu verweilen. Der Senat
kann die umstrittene Frage, ob planerische Entscheidungen einen mittelbaren Eingriff in
Art. 11 Abs. 1 GG darstellen können,
77
- vgl. hierzu Jarass, a.a.O., Rdnr. 7 a und Pernice, a.a.O., Rdnr. 20 -
78
offen lassen, denn eine solche planerische Entscheidung stellt der Zulassungsbescheid
nicht dar (dazu genauer unter III.). Ebensowenig greift der Zulassungsbescheid
(unmittelbar) in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ein.
79
II. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zwingt nicht zu einer
anderen Bewertung. Verfahrensstufungen zur planerischen Bewältigung komplexer
raumgreifender und konfliktträchtiger Infrastrukturvorhaben sind grundsätzlich zulässig
(1.). Die vom Gesetzgeber für den Braunkohlentagebau vorgesehene Verfahrensstufung
hält einer verfassungsrechtlichen Prüfung stand, weil von den vorausliegenden Ebenen
keine irreversiblen nachteiligen Rechtswirkungen ausgehen (2). Die vom Kläger
beschriebenen faktischen Beeinträchtigungen lassen eine andere Bewertung nicht zu
(3.).
80
1. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen der Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1
GG und des Art. 19 Abs. 4 GG können auch durch ein Zusammenwirken mehrerer
aufeinander folgender Verfahrensstufen erfüllt werden. Es steht dem Gesetzgeber
ungeachtet der verfahrensrechtlichen Garantiefunktion des Eigentumsgrundrechts und
des Gemeinwohlerfordernisses jeder Enteignung frei, zur planerischen Bewältigung
komplexer raumgreifender und konfliktträchtiger Infrastrukturvorhaben "Systeme
vorausliegender Planungsstufen und mehrstufiger Entscheidungsverfahren" einzuführen
und die Beteiligungs- sowie Klagerechte betroffener Dritter (insbesondere der
Grundeigentümer) auf die letzte zur außenverbindlichen Entscheidung führende
Verfahrensstufe zu begrenzen, soweit von den vorausliegenden Ebenen keine
irreversiblen nachteiligen Rechtswirkungen ausgehen.
81
So BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2002 - 4 C 9.00 -, BVerwGE 116, 365 ff. (zum
Energierecht) und vom 24. Oktober 2002 - 4 C 7.01 -, BVerwGE 117, 138 ff.
(Transitpipeline MERO); vgl. auch Papier, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Stand
Februar 2005, Rdnr. 54 zu Art. 14, sowie Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Kommentar
zum GG, Stand Februar 2003, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 167.
82
2. Hiervon ausgehend ist die vom Gesetzgeber für den Braunkohlentagebau
83
vorgesehene Verfahrensstufung verfassungsrechtlich unbedenklich, denn für den
Kläger nachteilige, irreversible Rechtswirkungen enthalten die dem
Grundabtretungsverfahren vorangehenden Verfahrensschritte nicht.
Dem Rahmenbetriebsplan kommt - wie dargelegt - keine enteignende Vorwirkung zu.
Der Senat kann offen lassen, ob schon durch die Festlegung von Zielen der
Raumordnung im Braunkohlenplan, die sachbedingt durch die Flächenbezogenheit der
Braunkohlentagebaue auch parzellenscharf erfolgen kann,
84
genauer hierzu Degenhart, a.a.O., S. 705,
85
nachteilige Rechtswirkungen erzeugt werden könnten und welche Folgerungen für den
Rechtschutz daraus in Nordrhein-Westfalen ggf. zu ziehen wären, das von der
Möglichkeit des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO keinen Gebrauch gemacht hat.
86
Zu Zielen der Raumordnung als Rechtsvorschriften im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2
VwGO vgl. BVerwG, Urteil vom 20. November 2003 - 4 CN 6.03 - , BVerwGE 119, 217;
zu sonstigen Klagearten vgl. Kment, Rechtsschutz im Hinblick auf Raumordnungspläne,
Münster 2002 S. 231 ff.; speziell zu Braunkohlenplänen: Erbguth, Die nordrhein-
westfälische Braunkohlenplanung und der Parlamentsvorbehalt, VerwArch. 86 (1995),
327 (351 ff.); Keienburg, Die Öffentlichkeits-beteiligung im Bergrecht, 2004, S. 221.
87
Denn zumindest bei den hier zu untersuchenden Braunkohlenplänen Frimmersdorf
(1984) und Garzweiler II (1995) scheidet die Annahme einer irreversiblen
Bindungswirkung zulasten des Klägers aus. Beide Pläne sind noch vor der Neufassung
des Raumordnungsgesetzes (ROG) durch Art. 2 des Bau- und Raumordnungsgesetzes
1998 (BauROG) vom 18. August 1997 (BGBl. I S. 2081) entstanden, durch das die
Zielbindungen teilweise - wenngleich nach wie vor nicht uneingeschränkt gegenüber
Privaten - erweitert worden sind.
88
Vgl. Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Raumordnungs- und
Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, Loseblattausgabe,
Stand: September 2004, K § 4 Rdnrn. 447 ff. m.w.Nachw.
89
Das Landesplanungsgesetz NRW sieht bis heute keine Bindungswirkung von
Braunkohlenplänen gegenüber Privaten vor (vgl. § 34 Abs. 4 Satz 2 LPlG in der
Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 2001, GV. NRW. S. 50 -, zuletzt
geändert durch Gesetz vom 3. Februar 2004, GV. NRW. S. 96 ). Auch das
Bundesverfassungsgericht hat 1991 eine Verfassungsbeschwerde gegen einen
nordrhein-westfälischen Braunkohlenplan und die darin enthaltene
Umsiedlungsplanung mangels unmittelbarer rechtlicher Auswirkungen nicht zur
Entscheidung angenommen. Wenngleich es im dortigen Fall um einen Anspruch auf
Umsiedlung ging, haben die allgemeinen Aussagen zum nordrhein-westfälischen
Planungsrecht Geltung. Das Gericht hat ausgeführt, der Braunkohlenplan lege nach §
24 Abs. 1 LPlG Ziele der Raumordnung und Landesplanung fest, die zwar von der
öffentlichen Verwaltung bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu
beachten seien (§ 13 Abs. 6 LPlG). Durch sie werde aber nicht unmittelbar in die
Rechtsstellung der Bürger im Plangebiet eingegriffen.
90
BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1991 - 1 BvR 756/90 -, NVwZ 1991, 978; ebenso VerfGH
NRW, Urteil vom 29. April 1997 - 9/95 -, NVWBl. 1997, 247 (251).
91
3. Die vom Kläger beschriebenen faktischen Beeinträchtigungen führen im Ergebnis zu
keiner anderen Bewertung. Die von ihm angeführte Rechtsprechung zur
Berücksichtigung auch "faktischer Zwänge", hält der Senat nicht für übertragbar (a). Der
Senat verkennt allerdings nicht, dass die vom Gesetzgeber für den Braunkohlentagebau
vorgesehene Verlagerung des Rechtsschutzes auf das Grundabtretungsverfahren unter
rechtstaatlichen Aspekten wenig befriedigend erscheint (b). Die Schwelle eines
Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes ist aber
nach Auffassung des Senats noch nicht erreicht (c).
92
a) Soweit der Kläger für seine Auffassung auf einen Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 1. August 1980 zu "faktischen Zwangsläufigkeiten" im
Zusammenhang mit Planungsentscheidungen hinweist,
93
BVerfG, Beschluss vom 1. August 1980 - 2 BvR 1366/79 -, DVBl. 1981, 374 f.; kritisch
hierzu Schmidt-Aßmann, DVBl. 1981, 334 (335).
94
ist zunächst anzumerken, dass es sich diesbezüglich lediglich um ein obiter dictum
handelte, und die oben zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom
14. Dezember 1990 zeitlich nachfolgend und damit in Kenntnis dieses Beschlusses
ergingen. Im Übrigen hat die Vorinstanz zutreffend auf die erheblichen Unterschiede
zwischen einer luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung und dem bergrechtlichen
System gestaffelter Betriebspläne, denen keine enteignende Wirkung zukommt und bei
denen auch kein Planungsermessen besteht, hingewiesen. Der Senat nimmt auf diese
Ausführungen (Urteil, S. 37 f.) zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.
95
Ähnliches gilt für die vom Kläger angeführte Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zu "Zwangspunkten" im Zusammenhang mit der
Abschnittsbildung bei Fernstraßen. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese
Rechtsprechung selbst zusammenfassend als "Abwehrrechte gegen eine
heranrückende Planung" bezeichnet
96
- BVerwG, Beschluss vom 2. November 1992 - 4 B 205.92 -, NVwZ 1993, 887 -,
97
so dass eine Übertragung auf die hier vorliegende Fallgestaltung - Rechtschutz gegen
einen heranrückenden Braunkohlentagebau - auf den ersten Blick nahe liegen könnte.
98
In seiner grundlegenden Entscheidung zur Abschnittsbildung hat das
Bundesverwaltungsgericht zunächst ausgeführt, die fernstraßenrechtliche Planung
müsse in einem dichtbesiedelten Land wie der Bundesrepublik notwendigerweise von
zahlreichen faktisch und rechtlich vorgegebenen Planungsbindungen ausgehen. Zu
solchen Planungsbindungen gehörten auch die der Planung eines Streckenabschnitts
vorausgehenden bestandskräftigen Planfeststellungen früherer Abschnitte sowie die
aufgrund solcher Planfeststellungen ausgeführten Straßenbaumaßnahmen. Derartige
Planungsbindungen seien jedoch als solche weder rechtswidrig noch könnten sie
grundsätzlich das Bedürfnis nach vorbeugendem Rechtsschutz für die erst durch
spätere Streckenabschnitte potentiell Betroffenen begründen. Allerdings bedürfe es der
Hervorhebung, dass ein potentiell Planbetroffener mit der Begründung, die in einem
früheren Abschnitt - rechtswidrig - geschaffenen Planungsbindungen müssten im
weiteren Planungsverlauf zwangsläufig zu einer Verletzung seiner Rechte führen,
zulässigerweise auch schon den insoweit maßgebenden früheren
99
Planfeststellungsbeschluss anfechten könne.
BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1981 - 4 C 5.78 -, BVerwGE 62, 342 (353 ff.); Beschluss
vom 2. November 1992 - 4 B 205.92 -, a.a.O., (888).
100
Trotz einer vergleichbaren Fragestellung - vorbeugender Rechtsschutz gegen eine
heranrückende Planung - ergeben sich danach aber gewichtige Unterschiede, die einer
Übertragung der "Zwangspunkte"-Rechtsprechung entgegenstehen. Das
Verwaltungsgericht hat bereits auf die unterschiedlichen Rechtswirkungen eines mit
enteignender Vorwirkung versehenen Planfeststellungs-beschlusses und dem hier zu
untersuchenden Rahmenbetriebsplan hingewiesen (Urteil, Seite 20). Auch insoweit
schließt sich der Senat den Ausführungen an. Darüber hinaus sind aber auch die
"faktischen Planungsbindungen", die das Bundesverwaltungsgericht zur Begründung
seiner "Zwangspunkte"-Recht-sprechung angeführt hat, hier nicht gegeben. Denn bei
einem Vorhaben zum großflächigen Braunkohlenabbau geht es - anders als bei der
Straßenplanung - nicht um ein abschnittweise zuzulassendes Vorhaben, das
sinnvollerweise nur in einer bestimmten Linie (Trasse) weitergeführt werden kann.
Dementsprechend steht die Klagebefugnis nach der beschriebenen "Zwangspunkte"-
Rechtsprechung auch nur demjenigen zu, bei dem die geschaffenen Zwangspunkte bei
Verwirklichung des Planungskonzepts in einem späteren Planungsschritt
unausweichlich dazu führen, dass er in abwägungsrelevanter Weise betroffen wird.
Insoweit sei es durch Würdigung der "Verhältnisse in planerisch-tatsächlicher Hinsicht"
(Ausbaustandard, Kurvenradien, Überholsichtweiten u.ä.) möglich, im unmittelbaren
Anschluss an den planfestgestellten Abschnitt einen bestimmten Korridor abzugrenzen,
dessen Inanspruchnahme im folgenden Planungsabschnitt unumgänglich sei.
101
BVerwG, Beschluss vom 2. November 1992 - 4 B 205.92 -, a.a.O., (888).
102
Die vom Kläger schließlich angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
zu Abflugrouten, derzufolge betroffene Flughafenanwohner Rechtsschutz im Wege der
Feststellungsklage gegen die Festlegung von An- und Abflugstrecken durch eine
Rechtsverordnung erlangen können,
103
BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 -, BVerwGE 111, 276 (280 ff.),
104
ist im Ergebnis ebenfalls nicht übertragbar. Zwar sind auch hier die beiden
Ausgangsfragen vergleichbar, da es in der Entscheidung einerseits darum ging, ob die
der Rechtsverordnung zugrunde liegenden Normen des Luftverkehrsrechts
Schutznormen zugunsten des Klägers darstellen. Insoweit hat das
Bundesverwaltungsgericht - anders als die Vorinstanz - angenommen, dass sie in
materieller Hinsicht auch ein Abwägungsgebot enthalten, das dem Kläger ein
subjektives Recht auf gerechte Abwägung seiner rechtlich geschützten Interessen
vermittele. Auf der anderen Seite ging es - wie hier - um die Frage, ob der Rechtsschutz
für Flughafenanwohner nach der Systematik des Luftverkehrsgesetzes auf ein Vorgehen
gegen die für den Flughafen zuständige Genehmigungsbehörde konzentriert sei.
Letzteres hat das Gericht unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG verneint, da der Kläger
ansonsten lediglich unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen, nicht hingegen die
Verlegung der Abflugstrecke als solche abwehren könne. Der Rechtsschutz bliebe
mithin hinter dem dargelegten subjektiven Recht des Klägers zurück. Die
Fallgestaltungen unterscheiden sich also dadurch, dass dort anderer Rechtsschutz,
etwa gegen einen Vollzugsakt, nicht möglich war; das mit der Klage verfolgte
105
Rechtsschutzbegehren konnte allein durch Zubilligung einer Klagemöglichkeit gegen
die die Rechtsverletzung bewirkende Rechtsverordnung verfolgt werden.
Demgegenüber wird dem Kläger hier nach dem oben dargelegten Regelungssystem
Rechtschutz im Rahmen des Grundabtretungsverfahrens gewährt. Dieser Rechtsschutz
eröffnet auch eine vollständige Rechtmäßigkeitskontrolle, die sowohl das
Abbauvorhaben als Ganzes als auch die konkrete Inanspruchnahme seines
Grundstückes umfasst.
b) Die vom Kläger dargelegten "faktischen Beeinträchtigungen" schon vor Beginn des
Grundabtretungsverfahrens und die damit verbundenen Probleme sind dem Senat
allerdings durchaus bewusst.
106
Hierbei spielt eine wichtige Rolle, dass das Grundabtretungsverfahren gemäß § 77 Abs.
1 BBergG allein aufgrund eines Antrags des Unternehmers eingeleitet wird, d.h. der
betroffene Oberflächeneigentümer kann auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung
keinen Einfluss nehmen. Der Unternehmer darf den Antrag nach der gesetzlichen
Konzeption allerdings auch nicht verfrüht stellen, da er ansonsten das Vorliegen der
gesetzlichen Voraussetzungen (§ 79 BBergG) nicht nachweisen kann (keine
"Enteignung auf Vorrat"). Vor allem aber kommt es auf den beschriebenen
vorangegangenen Verfahrensstufen - insbesondere durch die Genehmigung des
Braunkohlenplans, der bereits detaillierte Angaben zur sozialverträglichen Umsiedlung
enthält (vgl. § 34 Abs. 2 LPlG) -, aber auch durch bergrechtliche Betriebspläne, die den
heranrückenden Tagebau betreffen, zu einem nicht zu unterschätzenden
"Umsiedlungsdruck". In dieser Situation liegt es im verständlichen Interesse eines
Grundstückseigentümers, möglichst frühzeitig Gewissheit zu erhalten über die
Rechtmäßigkeit des seinen Umzug erzwingenden Braunkohlenabbaus und die
Bedingungen seiner Umsiedlung.
107
Gaentzsch, Umsiedlung im Braunkohlenbergbau - Erfahrungen und Perspektiven,
Vortrag im Rahmen eines Workshops, November 2002, GA Bl. 991.
108
Eine solche frühzeitige Gewissheit ist im derzeitigen Regelungssystem nicht
gewährleistet (s.o.). Die gesetzlichen Regelungen nehmen vielmehr in Kauf, dass der
von den faktischen Auswirkungen eines Braunkohlentagebaus Betroffene eine
einschneidende Lebensentscheidung wie die endgültige Aufgabe seiner Heimat ohne
Rechtmäßigkeitskontrolle treffen muss. Bei lebensnaher Betrachtung und den
Erfahrungen der Vergangenheit ist nämlich bei einem Braunkohlenplanverfahren der
hier zu untersuchenden Größe davon auszugehen, dass der ganz überwiegende Teil
der Bevölkerung das Plangebiet verlässt, gleich ob unter Teilnahme an dem "Konzept
einer gemeinsamen Umsiedlung" oder hiervon unabhängig. Denn der Verbleib wäre -
abgesehen von der belastenden Ungewissheit - über lange Zeit mit zahlreichen
nachteiligen Folgen für die gesamte Lebensführung verbunden. Ein klagebereiter
Betroffener, der dem beschriebenen "Druck" standhält, muss hierfür nicht nur in Kauf
nehmen, möglicherweise an dem Konzept der "gemeinsamen Umsiedlung" nicht
teilnehmen zu können. Vielmehr muss er über viele Jahre (oder Jahrzehnte) damit
leben, dass sich sein Wohnort "entvölkert" und die Infrastruktur nach und nach verloren
geht. Damit ist für ihn - bei realistischer Betrachtung - von vorneherein absehbar, dass
etwaiger Rechtsschutz faktisch "ins Leere geht", denn selbst für den Fall einer
erfolgreichen Klage wäre das betroffene Grundstück, um dessen Erhalt er kämpft, aus
den genannten Gründen vermutlich entwertet.
109
c) Der Senat hat deshalb erwogen, ob die vorgenannten faktischen Beeinträchtigungen
derart gewichtig sind, dass die vom Gesetzgeber gewählte Verfahrensstufung unter dem
Gesichtspunkt eines "unzumutbaren Rechtsschutzes" unzulässig ist, aber die Schwelle
eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes
noch nicht als erreicht angesehen.
110
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können allerdings auch
schon faktische Beeinträchtigungen und nicht nur unmittelbare Rechtsverletzungen für
das Gebot des effektiven Rechtsschutzes eine Rolle spielen. Zwar verlangt Art. 19 Abs.
4 GG mit der Wendung "in seinen Rechten verletzt", dass Grundrechte oder sonstige
subjektive Rechte betroffen sind, um die es bei der hier angegriffenen
Zulassungsentscheidung in bezug auf den Kläger - wie dargelegt - noch nicht
unmittelbar geht. Allerdings beschränkt Art. 19 Abs. 4 GG sich nicht auf die Einräumung
der Möglichkeit, die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen, sie gibt dem
Bürger darüber hinaus einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche
Kontrolle. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt daher auch, dass die Gerichte
"den betroffenen Grundrechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen". Dies gilt
besonders dann, wenn dem Antragsteller eine erhebliche, durch die Entscheidung in
der Hauptsache nicht mehr zu beseitigende Verletzung seiner Grundrechte droht. Vor
diesem Hintergrund sind irreparable Entscheidungen soweit wie möglich
auszuschließen.
111
BVerfG, std. Rspr., vgl. nur Beschlüsse vom 14. Januar 2004 - 1 BvR 506/03 -, DVBl.
2004, 431, vom 25. Januar 1995 - 2 BvR 2689/94; 2 BvR 52/95 -, NJW 1995, 950; vgl.
auch Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 170, zum Problem
der "Asymmetrie zwischen verbindlichem Regelungshalt und Rechtschutz" in gestuften
Planungsverfahren; kritisch auch Ramsauer, in: Alternativ Kommentar-GG, 3. Auflage
2001, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 141.
112
Die Zulassung gerade des Rahmenbetriebsplans - und nur darum geht es hier - löst für
sich genommen solche irreparablen Folgen aber noch nicht aus.
113
Wollte man bereits de lege lata wünschenswerte, erweiterte Rechtsschutzmöglichkeiten
schon vor dem Grundabtretungsverfahren in Betracht ziehen, was der Senat erwogen
hat, so würde selbst dies der Klage gegen den Zulassungsbescheid nicht zum Erfolg
verhelfen. Denn ein etwaiges Rechtsschutzdefizit müsste nicht zwingend durch
Rechtsschutz gegen den Rahmenbetriebsplan, dem keine Gestattungswirkung
zukommt, kompensiert werden. Vielmehr könnte sich auch der mit gestattender Wirkung
verbundene Hauptbetriebsplan anbieten, dessen Prüfungsrahmen dann allerdings um
die Festlegungen im Braunkohlenplan, der sich mit der Umsiedlung befasst und letztlich
maßgebend den vom Kläger beklagten (faktischen) "Umsiedlungsdruck" auslöst,
erweitert werden müsste. Gegen den Hauptbetriebsplan als "Einfallstor" spricht
allerdings dessen kurze Laufzeit von 2 Jahren. Ebenso müsste über unmittelbar gegen
den Braunkohlenplan gerichteten Rechtsschutz nachgedacht werden, zumal sich
angesichts der beschriebenen faktischen Auswirkungen eine möglichst frühe Stufe für
die Rechtschutzgewährung aufdrängen würde. Zu erwägen wäre schließlich auch, ob
den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht im
Rahmen des Grundabtretungsverfahrens Rechnung getragen werden muss, indem eine
deutlich frühere Verfahrenseinleitung ermöglicht wird, insbesondere wenn - wie in der
mündlichen Verhandlung geschildert - die Bereitschaft zu einem freihändigen Verkauf
eindeutig verneint wird. Grundrechtsschutz ist nämlich auch durch die Gestaltung der
114
Verfahren zu bewirken. Die Grundrechte beeinflussen nicht nur das gesamte materielle,
sondern auch das Verfahrensrecht, soweit dies für einen effektiven Grundrechtsschutz
von Bedeutung ist. Die dem Gesetzgeber obliegende normative Ausgestaltung der
Verfahrensvorschriften muss das Ziel dieser Gewährleistung - den wirkungsvollen
Rechtsschutz - verfolgen; sie muss im Hinblick darauf geeignet, erforderlich und
angemessen sowie für den Rechtsuchenden zumutbar sein. Das muss auch der Richter
bei der Auslegung dieser Normen beachten; er darf den Beteiligten den Zugang zu den
in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus
Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschweren.
BVerfG, std. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 17. September 1999 - 1 BvR 1771/91 -,
NVwZ 2000, 185, m.w.N.
115
Letztlich ist der Senat - gerade auch in Anbetracht der letztgenannten Möglichkeit - zu
der Einschätzung gekommen, dass die derzeitige Regelung (noch) nicht gegen das
verfassungsrechtliche Gebot des Art. 19 Abs. 4 GG verstößt. Es kommt hinzu, dass es in
erster Linie Sache des Gesetzgebers ist, gegebenenfalls vorverlagerte
Rechtsschutzmöglichkeiten für den Bürger zu schaffen.
116
III. Auch aus sonstigen Vorschriften ergibt sich keine Rechtsverletzung des Klägers.
117
Soweit dieser geltend macht, der Rahmenbetriebsplan hätte durch einen
Planfeststellungsbeschluss nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung
ergehen müssen, verweist der Senat auf das den Verfahrensbeteiligten bekannte Urteil
vom heutigen Tage im Verfahren 11 A 1193/02. Darin wird ausgeführt, dass eine
Planfeststellungspflicht nicht bestand, weil die Regelung des 52 Abs. 2 a Satz 1 BBergG
nach der Überleitungsvorschrift des Art. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Änderung des
Bundesberggesetzes vom 12. Februar 1990 - BBergGÄndG - (BGBl. I S. 215) auf das
bereits im November 1987 beantragte Vorhaben keine Anwendung findet. Wegen des
Zeitpunkts der Antragstellung scheidet auch eine Berufung auf die Richtlinie
85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und
privaten Projekten (vom 27. Juni 1985 - ABl. EG Nr. L 175, S. 40 -, geändert durch die
Richtlinie 97/11/EG vom 3. März 1997 - ABl. EG Nr. L 73, S. 5 - UVP-Richtlinie -) aus.
118
Im Übrigen kann der Kläger insoweit keine Verletzung in eigenen Rechten geltend
machen. Letzteres gilt auch für sonstige dem Naturschutz dienende Vorschriften wie das
UVPG oder die FFH-Richtlinie. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der
Senat zur näheren Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des
Verwaltungsgerichts (Urteil, Seite 30).
119
Auch auf den "allgemeinen Grundsatz der Problembewältigung" kann sich der Kläger
nicht stützen. Denn dieser Grundsatz, nach dem in die Planung eines Vorhabens in
umfassender Weise alle planerischen Gesichtspunkte einzubeziehen sind, die zur
möglichst optimalen Verwirklichung der gesetzlich vorgegebenen Planungsaufgabe,
aber auch zur Lösung der vom Vorhaben in seiner räumlichen Umgebung
aufgeworfenen Probleme von Bedeutung sind,
120
BVerwG, std. Rspr., vgl. nur Urteile vom 1. Juli 1999 - 4 A 27.98 -, BVerwGE 109, 192
(Straßenplanung); vom 27. Oktober 1998 - 11 A 1.97 -, BVerwGE 107, 313
(Flughafenplanung),
121
gilt allein für planerische Entscheidungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass eine
Fülle widerstreitender Belange untereinander und gegeneinander abgewogen werden
müssen. Hiermit ist die bergrechtliche Zulassungsentscheidung nicht vergleichbar, weil
keine planerische, sondern eine gebundene Entscheidung zu treffen ist. Nach § 55 Abs.
1 BBergG ist die Zulassung eines Betriebsplans zu erteilen, wenn die dort im einzelnen
genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der zuständigen Behörde steht nicht einmal
ein Versagungsermessen zu.
122
BVerwG, Urteil vom 2. November 1995 - 4 C 14.94 -, BVerwGE 100, 1 (10), m.w.N.
(Salzstock Gorleben).
123
B. Hilfsantrag
124
Die vom Kläger angeregte Verfahrensaussetzung, um eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der §§ 48, 55, 77, 79
BBergG im Hinblick auf deren Vereinbarkeit mit den Grundrechten aus Art. 14 GG, Art.
11 GG, Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG einzuholen, kommt nicht in Betracht,
da der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der genannten Vorschriften überzeugt
ist.
125
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem zuvor mehrfach erwähnten Urteil vom 14.
Dezember 1990 - 7 C 5.90 - ausführlich dargelegt, dass die §§ 77 ff. BBergG den
Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG an ein Gesetz, das eine Administrativ- Enteignung
zulässt, entsprechen. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen - wie schon die
Vorinstanz (Urteil, Seite 35 f.) - an und nimmt auf sie zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug. Hinsichtlich der Vereinbarkeit der Vorschriften mit Art. 19 Abs.
4 GG wird auf das Obenstehende (unter II. 3 c) verwiesen.
126
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die
Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auszusprechen,
weil sie sich mit der Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3,
162 Abs. 3 VwGO).
127
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
128