Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.06.2006

OVG NRW: beamtenverhältnis, probe, wissenschaft und forschung, angestelltenverhältnis, öffentliches interesse, verfügung, stadt, arbeitsgericht, ermessensausübung, vollstreckung

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 77/04
Datum:
23.06.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 A 77/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 K 5335/01
Tenor:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts wird geändert.
Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides der
Bezirksregierung N. vom 5. April 2001 und ihres
Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2001 verpflichtet, über den
Antrag der Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu
entscheiden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden
Rechtszügen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die am 00.00.1967 geborene Klägerin begehrt die Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe.
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Sie bestand im Oktober 1996 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die
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Primarstufe mit den Fächern Deutsch, Mathematik und Gesellschaftswissenschaften
und wurde erstmals zum 16. April 1997 von der Bezirksregierung L. als Lehrerin im
Angestelltenverhältnis (Aushilfsangestellte) eingestellt. Die Stelle diente der
Erziehungsurlaubsvertretung und war befristet bis zum 2. Juli 1997.
Nachdem die Klägerin nach eigenen Angaben kein Einstellungsangebot für den
Schuldienst im Schuljahr 1997/98 erhalten hatte, stellte das Schulamt der Stadt X. sie im
Rahmen des Programms "Geld statt Stellen" als Lehrerin im Angestelltenverhältnis ein.
Die Einstellung wurde zum 8. September 1997 wirksam und war befristet bis zum 31.
Januar 1998. Das Arbeitsverhältnis wurde später bis zum 24. Juni 1998 verlängert.
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Mit Schreiben vom 5. August 1998 erhob die Klägerin Klage beim Arbeitsgericht X. mit
dem Ziel, das laufende Arbeitsverhältnis zu entfristen. Nachdem sie im Bereich des
Schulamtes I. eine bis zum 22. Dezember 1998 befristete Stelle an einer Grundschule
angetreten hatte, nahm sie diese Klage zurück.
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Für die Zeit vom 1. Februar 1999 bis zum 10. Mai 2000 stellte sie das Schulamt der
Stadt X. erneut als Lehrerin im Angestelltenverhältnis ein. Sie wurde als
Erziehungsurlaubsvertretung an einer Grundschule in X. eingesetzt und dort auch über
den 10. Mai 2000 hinaus weiter beschäftigt.
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Die Klägerin erhob unter dem 24. Mai 2000 nochmals Klage beim Arbeitsgericht X. mit
dem Ziel, ihr damaliges Arbeitsverhältnis zu entfristen. Das Arbeitsgericht stellte mit
Urteil vom 15. August 2000 - 0 Ca 0000/00 - fest, dass zwischen den Beteiligten ein auf
unbestimmte Zeit geschlossenes Arbeitsverhältnis bestehe, und verurteilte das beklagte
Land, die Klägerin als angestellte Lehrerin mit einer Unterrichtsverpflichtung von 26
Unterrichtsstunden in der Woche bei Zahlung einer anteiligen Vergütung aus der
Vergütungsgruppe III BAT zu beschäftigen.
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Im Hinblick auf dieses Urteil begründeten die Beteiligten mit Arbeitsvertrag vom 21.
Dezember 2000/24. Januar 2001 - rückwirkend ab dem 11. Mai 2000 - ein unbefristetes
Angestelltenverhältnis.
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Mit Schreiben vom 4. Februar 2001 beantragte die Klägerin, in das Beamtenverhältnis
auf Probe übernommen zu werden.
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Mit Bescheid vom 5. April 2001 lehnte die Bezirksregierung E. den Antrag ab und führte
hierzu aus, dass die Auswahl der Bewerber für die Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe gemäß § 7 LBG nach Eignung, Befähigung und fachlicher
Leistung zu erfolgen habe. Die Klägerin sei demgegenüber als
Erziehungsurlaubsvertretung und nicht nach den vorgenannten Maßstäben eingestellt
worden.
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Den dagegen unter dem 2. Mai 2001 eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die
Bezirksregierung E. mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2001 zurück.
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Die Klägerin hat am 25. August 2001 Klage erhoben und vorgetragen, das beklagte
Land habe in verschiedenen Fällen Lehrkräfte, deren befristete Angestelltenverträge
nach Entscheidungen der Arbeitsgerichte entfristet worden seien, in den Jahren 1999
und 2000 in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Im Übrigen werde auch bei der
Vergabe von Erziehungsurlaubsvertretungsstellen das in Art. 33 Abs. 2 GG und § 7 LBG
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normierte Prinzip der Bestenauslese beachtet. Die
Erziehungsurlaubsvertretungslehrkräfte seien - anders als Lehrkräfte, die das beklagte
Land im Rahmen des Programms "Geld statt Stellen" eingestellt habe - in den
nachfolgenden Lehrereinstellungsverfahren bevorzugt berücksichtigt worden, weil bei
der Vergabe ihrer Stellen Leistungskriterien eine Rolle gespielt hätten. Examensnoten
und Rangplatz seien nur für die Frage der Einstellung bedeutsam. Sie - die Klägerin -
sei aber bereits eingestellt. Es gehe nunmehr nur noch um ihren Status. Notenaspekte
seien in diesem Zusammenhang ohne Belang. Wenn sie als Lehrerin gut genug
gewesen sei, um im Angestelltenverhältnis eingestellt zu werden, sei sie auch gut
genug, um in das Beamtenverhältnis berufen zu werden. Die Bezirksregierungen L. und
E. hätten ihr am 12. November 1999 beziehungsweise am 25. Juli 2000 jeweils ein
Einstellungsangebot für den Vertretungspool unterbreitet und dabei Eignung,
Befähigung und fachliche Leistung beachtet. Die Angebote habe sie nicht annehmen
können, da sie sich damals in einem anderweitigen Beschäftigungsverhältnis befunden
habe. Andere Lehrer, die vergleichbare Angebote angenommen hätten, würden in
Dauerbeschäftigungsverhältnisse übernommen und danach verbeamtet.
Die Klägerin hat beantragt,
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das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung E. vom 5.
April 2001 und deren Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2001 zu verpflichten, sie in
das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen,
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hilfsweise das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung E.
vom 5. April 2001 und deren Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2001 zu
verpflichten, über ihren Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Das beklagte Land hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es hat ergänzend vorgetragen, die Klägerin sei nicht nach den Grundsätzen des § 7
LBG eingestellt worden, sondern habe vielmehr vor dem Arbeitsgericht ihre unbefristete
Weiterbeschäftigung erstritten. In ähnlich gelagerten Fällen würden mittlerweile keine
Verbeamtungen mehr vorgenommen. Als der Klägerin die Angebote für die Einstellung
in den Vertretungspool unterbreitet worden seien, habe sie nicht in einem
Dauerbeschäftigungsverhältnis, sondern in einem befristeten Angestelltenverhältnis
gestanden, sodass sie eines der Angebote hätte annehmen können.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 15.
Oktober 2003 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es fehle
bereits an einer haushaltsrechtlich zur Verfügung stehenden besetzbaren Planstelle,
weil die Klägerin nicht auf einer solchen geführt werde. Zudem sei sie nicht nach den
Grundsätzen der Bestenauslese ausgesucht worden. Sie habe nicht mit Erfolg an einem
der in Nordrhein-Westfalen vorgesehenen Lehrerauswahlverfahren teilgenommen. Dass
sie sich in dem vom Schulamt der Stadt X. durchgeführten Auswahlverfahren für eine
befristete Vertretungsstelle durchgesetzt habe, ersetze die Bestenauslese ebenso wenig
wie die ihr unterbreiteten Einstellungsangebote für den Vertretungspool. Der mit der
Klage geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG in
Verbindung mit einer ständigen Verwaltungspraxis, da das beklagte Land im Hinblick
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auf die jüngere obergerichtliche Rechtsprechung seine frühere Praxis aufgegeben habe,
Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis, deren befristete Verträge auf Grund
arbeitsgerichtlicher Entscheidungen entfristet worden seien, in das Beamtenverhältnis
auf Probe zu übernehmen. Schließlich lasse sich der Anspruch weder aus § 22 Abs. 3
SchVG noch aus Art. 33 Abs. 4 GG herleiten. Der in diesen Vorschriften begründete
Funktionsvorbehalt begründe keine individuellen Rechte, sondern garantiere lediglich
das strukturelle Prinzip, dass hoheitsrechtliche Befugnisse in der Regel durch Beamte
wahrzunehmen seien. Der Einsatz von Arbeitnehmern zur ständigen Wahrnehmung
hoheitlicher Aufgaben im Bereich des Schulwesens sei durch die Vorschriften nicht
generell verboten.
Mit der vom Senat mit Beschluss vom 31. Mai 2005 zugelassenen und von ihr am 28.
Juni 2005 begründeten Berufung trägt die Klägerin vor, es sei nicht erwiesen, dass die
Stelle, die sie besetze, keine Planstelle für beamtete Lehrkräfte sei. Im Übrigen sei es für
die von ihr angestrebte Verbeamtung nicht notwendig, dass sie bereits auf einer
entsprechenden Planstelle geführt werde.
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Sie habe auch ein Verfahren der Bestenauslese durchlaufen. Das ergebe sich schon
daraus, dass ihr wiederholt die Einstellung in den Vertretungspool angeboten worden
sei. Die Einstellungsangebote für den Vertretungspool seien von den
Bezirksregierungen vergeben worden. Diese hätten dabei auf die Einstellungslisten aus
dem Einstellungsverfahren zurückgegriffen und sich bei den Angeboten an der
Reihenfolge der Rangplätze orientiert. Die Angebote seien also jeweils den Besten der
nach dem Listenverfahren verbliebenen Lehrkräfte unterbreitet worden. Mithin habe sie -
die Klägerin - im November 1999 und im Juli 2000, als ihr jeweils die Einstellung in den
Vertretungspool angeboten worden sei, zu den Besten gehört. In der Handreichung
"Vertretungspool an Grundschulen - Informationen und Material für die Planung,
Organisation und Durchführung von Vertretungsunterricht" des Ministeriums für Schule
und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen
heiße es unter 3.1:
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"Die Bewerberinnen und Bewerber mit diesen Voraussetzungen, die am landesweiten
Verfahren für die Lehrereinstellung an Grundschulen teilgenommen haben, aber bisher
nicht berücksichtigt wurden, erhalten bis zur Ausschöpfung der für den Vertretungspool
bereit gestellten Haushaltsmittel entsprechend der sich aus der landesweiten Liste
ergebenden Reihenfolge und ihren Ortswünschen ein Angebot für einen befristeten
Arbeitsvertrag mit maximal 20 Wochenstunden."
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Auch ihre Einstellung im Bereich des Schulamtes X. sei nach dem Prinzip der
Bestenauslese erfolgt. Nach ihrer Kenntnis würden 96 % aller Stellen in schulscharfen
Ausschreibungsverfahren vergeben. Diejenigen, die sich in einem solchen Verfahren
mit einem beschränkten Bewerberkreis durchsetzten, gälten als Bestgeeignete unter
Beachtung grundgesetzlicher und beamtengesetzlicher Vorgaben. Sie - die Klägerin -
habe sich bei ihrer Einstellung mehrfach gegenüber mehr als 100 Bewerbern auf der
Ebene des Schulamtes X. und damit gegenüber einem größeren Bewerberkreis
durchgesetzt als er bei irgendeinem schulscharfen Ausschreibungsverfahren
anzutreffen sei.
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Die Vergabe von Erziehungsurlaubsvertretungsstellen erfolge stets unter
Leistungsaspekten. Es sei bekannt, dass Lehrkräfte mit
Erziehungsurlaubsvertretungsverträgen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr im
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nachfolgenden Lehrereinstellungsverfahren bevorzugt eingestellt würden. In der
Vergangenheit seien sie vor den Listenbewerbern zum Zuge gekommen, was damit
begründet worden sei, dass sie ihre Vertretungsstellen nach dem Prinzip der
Bestenauslese erhalten hätten. Auch die später eingeführte Bonifizierung der
Vertretungskräfte im Rahmen nachfolgender Lehrereinstellungsverfahren spreche für
eine Vergabe der Erziehungsurlaubsvertretungsstellen nach dem Prinzip der
Bestenauslese.
Ihr - der Klägerin - stehe der geltend gemachte Anspruch auch unter
Gleichbehandlungsgesichtspunkten zu. Es sei nicht belegt, dass das beklagte Land
seine ständige Praxis geändert habe, wonach es Lehrer, deren befristete
Arbeitsverhältnisse nach arbeitsgerichtlichen Entscheidungen entfristet worden seien, in
das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen habe. Es sei offenkundig, dass die
Bezirksregierung E. Lehrkräfte, die schlechter als sie - die Klägerin - qualifiziert
gewesen seien, in den Vertretungspool eingestellt und später verbeamtet habe.
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Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu
erkennen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Es trägt ergänzend vor, die Klägerin besetze derzeit eine Stelle für Angestellte mit der
Vergütungsgruppe III BAT. In den Anlagen zum Haushaltsplan würden nach § 11 Abs. 1
Nr. 3 HGrG die Planstellen für die Beamten und die Stellen der Angestellten und
Arbeiter getrennt voneinander aufgeführt. Im Haushaltsplan seien die Planstellen
gemäß § 12 Abs. 5 HGrG nach Besoldungsgruppen und Amtsbezeichnungen
auszubringen. Für die Verbeamtung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten
Lehrkräfte sei es zwingend erforderlich, dass diese bereits auf einer Planstelle oder
mindestens auf einer Stelle für beamtete Hilfskräfte, die für die Beamten im
Beamtenverhältnis auf Probe eingerichtet seien, geführt würden. Für neu einzustellende
Bewerber, die im Rahmen eines Auswahlverfahrens ausgewählt würden, würden stets
entsprechende Planstellen beziehungsweise Stellen für beamtete Hilfskräfte
bereitgestellt. Die Übernahme von Lehrkräften im Angestelltenverhältnis in das
Beamtenverhältnis auf Probe setze eine entsprechende Haushaltsänderung voraus.
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Die früher übliche Übernahme der Lehrkräfte aus dem Vertretungspool in
Dauerbeschäftigungsverhältnisse und ihre spätere Verbeamtung habe nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gegen Art. 33 Abs. 2 GG verstoßen und sei
rechtswidrig gewesen. Einen Anspruch auf Wiederholung unrechtmäßigen
Verwaltungshandelns bestehe nicht. Ab dem Einstellungstermin 15. September 2003
sei nach Auswertung der besagten arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung den
Lehrkräften aus dem Vertretungspool keine Übernahme in ein
Dauerbeschäftigungsverhältnis mehr zugesagt worden.
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Es habe der Klägerin freigestanden, die ihr unterbreiteten Angebote zur Einstellung in
den Vertretungspool anzunehmen. In den Bereichen der Bezirksregierungen L. und E.
seien nur diejenigen Lehrkräfte an der Annahme eines solchen Angebotes gehindert
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gewesen, die damals in einem Dauerbeschäftigungsverhältnis gestanden hätten.
Die arbeitsgerichtlich erzwungene Weiterbeschäftigung der Klägerin in einem
unbefristeten Angestelltenverhältnis beruhe auf einem Formfehler bei Abschluss des
vorangegangenen befristeten Arbeitsvertrages zwischen der Klägerin und dem
Schulamt der Stadt X. . Die Grundsätze von Eignung, Befähigung und fachlicher
Leistung hätten dabei keine Beachtung gefunden, sodass eine Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe nicht in Betracht komme.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes
(Beiakten Hefte 1 und 2) Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
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Hinsichtlich des Hauptantrages, mit dem die Klägerin die Verpflichtung des beklagten
Landes begehrt, sie in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, hat die Klage
keinen Erfolg. Insoweit ist die Sache nicht spruchreif. Die Übernahme eines Bewerbers
in das Beamtenverhältnis steht im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Nach
dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand lässt sich nicht erkennen, dass das beklagte
Land sein Ermessen allein dahingehend ausüben kann, die Klägerin in das
Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen. Im Rahmen des dem Dienstherrn bei der
Übernahme in das Beamtenverhältnis zustehenden Entscheidungsspielraums ist neben
anderen Erfordernissen beispielsweise auch die gesundheitliche Eignung des
Bewerbers von Bedeutung. Die gesundheitliche Eignung der Klägerin, die zu keiner Zeit
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war, hat zunächst der Dienstherr in eigener
Verantwortung zu beurteilen. Diese Beurteilung ist gerichtlich nur eingeschränkt zu
überprüfen. Ein Verpflichtungsurteil muss schon aus diesem Grunde ausscheiden.
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Soweit die Klägerin mit dem Hilfsantrag die Verpflichtung des beklagten Landes zur
Neubescheidung ihres Antrags vom 4. Februar 2001 auf Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe begehrt, ist die Klage begründet.
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Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass das beklagte Land über ihren Antrag auf
Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts erneut entscheidet, denn der Bescheid der Bezirksregierung E. vom 5.
April 2001 und deren Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2001 sind rechtswidrig und
verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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Die bei der Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis auf Probe gebotene
Ermessensausübung hat sich vorrangig am Prinzip der Bestenauslese zu orientieren
(Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 Abs. 1 LBG). Die Beurteilung von Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis. Die gerichtliche Überprüfung des
dem Dienstherrn insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums beschränkt sich darauf,
ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen
unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet
oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat.
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Auch Erwägungen personalwirtschaftlicher und organisatorischer Art können
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zusätzliche Grundlage einer ermessensgerechten Entscheidung über die Verbeamtung
sein. Bedeutung können solche Gesichtspunkte etwa gewinnen, wenn es darum geht,
einen bestehenden personellen Engpass durch kurzfristige Einstellungen zu beseitigen
oder bereits bestehende Rechtsverhältnisse zu bereinigen oder zu vereinheitlichen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. April 2005 - 6 A 138/04 -, NVwZ-RR 2006, 194; a.A.
BAG, Urteil vom 19. Februar 2003 - 7 AZR 67/02 -, BAGE 105, 161.
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Danach ist die langjährige Praxis des beklagten Landes, diejenigen Lehrkräfte
bevorzugt in Dauerbeschäftigungsverhältnisse zu übernehmen und später zu
verbeamten, die sich für den so genannten "Vertretungspool" zur Verfügung gestellt
hatten und dort über eine gewisse Zeit in befristeten Angestelltenverhältnissen tätig
waren, grundsätzlich nicht zu beanstanden. Diese vom "Belohnungsgedanken"
getragene Praxis diente dazu, die Attraktivität der vergleichsweise unbequemen
Tätigkeit im Vertretungspool zu erhöhen, um dringend benötigte Vertretungskräfte für
einen flexiblen Einsatz im Schuldienst zu gewinnen. Diesen personalwirtschaftlichen
Aspekt bei der Entscheidung über die Übernahme von Vertretungspoollehrkräften in das
Beamtenverhältnis zu berücksichtigen, war durchaus sachgerecht, zumal sich das
beklagte Land bei der Einstellung der Lehrkräfte in den Vertretungspool allem Anschein
nach an deren Erfolg im landesweiten Lehrereinstellungsverfahren orientiert und die
Einstellung in den Vertretungspool jeweils den auf der Einstellungsliste bestplatzierten
Lehrkräften angeboten hatte, die nach Abschluss des landesweiten
Einstellungsverfahren noch zur Verfügung standen.
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Angesichts der vorstehend beschriebenen Praxis des beklagten Landes, ehemals
befristet angestellte Lehrkräfte aus dem Vertretungspool zu verbeamten, durfte der
Antrag der Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe nicht allein mit
der Erwägung abgelehnt werden, sie habe kein landesweites Lehrerauswahlverfahren
durchlaufen und sei damit nicht nach den Prinzipien der Bestenauslese ausgewählt
worden. Die Klägerin zählte selbst zum Kreis derjenigen Lehrkräfte, die für eine
Einstellung in den Vertretungspool in Frage kamen. Ihr wurde am 12. November 1999
beziehungsweise am 25. Juli 2000 jeweils ein entsprechendes Einstellungsangebot
durch die Bezirksregierungen L. und E. unterbreitet. Eine sachangemessene und am
Gleichheitssatz orientierte Entscheidung durfte diese Aspekte nicht vernachlässigen.
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Der hierin liegende Ermessensfehler ist durch den Vortrag des beklagten Landes im
gerichtlichen Verfahren nicht beseitigt worden. Zwar hat das beklagte Land die
Begründung seiner ablehnenden Entscheidung in zulässiger Weise nachgebessert (§
114 Satz 2 VwGO) und seine Ermessenserwägungen dahingehend ergänzt, dass die
Klägerin die ihr von den Bezirksregierungen L. und E. unterbreiteten Angebote zur
Einstellung in den Vertretungspool ohne zwingenden Grund abgelehnt habe. Auch
schließt der Senat nicht aus, dass bei der Entscheidung des Dienstherrn über die
Verbeamtung im Rahmen der Ermessensausübung zulässigerweise berücksichtigt
werden kann, dass sich der Bewerber - anders als andere - für den Vertretungspool
nicht zur Verfügung gestellt und dementsprechend die mit der Beschäftigung im
Vertretungspool verbundenen Unannehmlichkeiten - etwa kurze Einsätze an
verschiedenen Schulen - nicht auf sich genommen hat. Der Dienstherr darf dabei jedoch
die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles nicht außer Acht lassen.
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Hier hat das beklagte Land den Lebenssachverhalt, der die Klägerin dazu bewogen hat,
die ihr unterbreiteten Einstellungsangebote für den Vertretungspool nicht anzunehmen,
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vollständig ausgeblendet, sodass sich die Ablehnung ihres Antrags auf Übernahme in
das Beamtenverhältnis auf Probe im Ergebnis als sachwidrig darstellt.
Die Klägerin hat die ihr unter dem 12. November 1999 beziehungsweise 25. Juli 2000
unterbreiteten Angebote zur Einstellung in den Vertretungspool aus nachvollziehbaren
Gründen abgelehnt. Sie stand damals bereits auf Grund des Arbeitsvertrages vom 3.
Februar 1999 in einem befristeten Arbeitsverhältnis als Aushilfsangestellte, das
ursprünglich bis zum 10. Mai 2000 befristet war. Das Einstellungsangebot vom 12.
November 1999 umfasste 20 Wochenstunden und war bis zum 28. Juni 2000 befristet.
Es stellte damit für die Klägerin keine Verbesserung ihrer beruflichen Situation dar.
Nachdem sie im Bereich des Schulamtes der Stadt X. über den 10. Mai 2000 hinaus mit
26 Wochenstunden weiter beschäftigt worden war, hatte sie am 24. Mai 2000 Klage
beim Arbeitsgericht X. auf Entfristung des bestehenden Arbeitsverhältnisses erhoben.
Die Klage hatte angesichts der einschlägigen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung gute
Erfolgsaussichten, sodass für die Klägerin nicht der geringste Anlass bestand, die
Chance auf eine unbefristete Weiterbeschäftigung mit 26 Wochenstunden aufzugeben,
um im Vertretungspool ein neues befristetes Beschäftigungsverhältnis mit nur 20
Wochenstunden zu beginnen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass nach der
Praxis der Bezirksregierungen B. und N. die Angebote zur Einstellung in den
Vertretungspool zwingend nur von denjenigen Lehrkräften angenommen werden
konnten, die nicht ohnehin schon in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis im
Schuldienst standen. Dieser Vorbehalt - der in den entsprechenden Angeboten der
Bezirksregierungen L. und E. fehlte - macht deutlich, dass jedenfalls ein öffentliches
Interesse an der Aufhebung einer befristeten schulgebundenen Beschäftigung zu
Gunsten einer befristeten Beschäftigung als Vertretungskraft an verschiedenen Schulen
nur schwer zu begründen ist, da mit dem Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses
regelmäßig ein zu deckender Bedarf an anderer Stelle hervorgerufen wird.
Ebensowenig darf vernachlässigt werden, dass die der Klägerin unterbreiteten
Angebote zur Einstellung in den Vertretungspool mit dem Hinweis versehen waren,
wonach eine Ablehnung des Angebots keinerlei Auswirkungen auf die
Lehrereinstellungsverfahren haben werde, die ein Dauerbeschäftigungsverhältnis
begründeten. Die Klägerin konnte demnach nicht vorhersehen, dass sich die Ablehnung
der ihr unterbreiteten Einstellungsangebote letztlich nachteilig für sie würde auswirken
können.
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Dass die Klägerin inzwischen 39 Jahre alt ist, steht dem Erfolg der Klage nicht
entgegen. Zwar darf gemäß den §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 LVO als
Laufbahnbewerber nach § 5 Abs. 1 LVO grundsätzlich nur derjenige in das
Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt oder übernommen werden, der das 35.
Lebensjahr noch nicht vollendet hat, doch ist in § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVO
vorgesehen, dass auf Antrag der obersten Dienstbehörde eine Ausnahme von der
Einhaltung dieser Höchstaltersgrenze zugelassen werden kann. Im Wege einer solchen
Ausnahme lässt sich dem Umstand Rechnung tragen, dass die Klägerin auf Grund ihres
Antrags vom 4. Februar 2001 - damals war sie noch keine 34 Jahre alt - in das
Beamtenverhältnis auf Probe hätte übernommen werden können, dieser Antrag aber mit
rechtlich nicht tragfähigen Erwägungen abgelehnt worden ist.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2000 - 2 C 13.99 -, NVwZ-RR 2000, 690.
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Ob gegenwärtig eine besetzbare Planstelle oder eine besetzbare Stelle für beamtete
Hilfskräfte zur Verfügung steht, in die die Klägerin im Falle ihrer Verbeamtung
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eingewiesen werden könnte, ist für den Erfolg der Klage ebenfalls ohne Belang. Allein
das vorübergehende Fehlen einer solchen besetzbaren Stelle würde angesichts der
Vielzahl geeigneter Stellen im Bereich der Schulverwaltung, die fortlaufend frei werden,
die Einstellung der Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Probe allenfalls zeitlich
hinausschieben, nicht aber auf Dauer hindern können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
und des § 127 BRRG hierfür nicht gegeben sind.
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