Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.11.2005

OVG NRW: aufschiebende wirkung, vollziehung, anfechtungsklage, behörde, arzneimittel, belastung, verwaltungsakt, suspensiveffekt, fortdauer, drucksache

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 255/05
Datum:
15.11.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 255/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 7 K 4860/01
Tenor:
Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der Fortdauer der
aufschiebenden Wirkung ihrer Klage wird abgelehnt. Die Antragstellerin
trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e
1
Der Antrag ist bereits unstatthaft. Soweit der Senat in vorangegangenen Beschlüssen in
anderen Verfahren inzident eine andere Auffassung zum Ausdruck gebracht hat, hält er
hieran nicht mehr fest.
2
Nach § 80b Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das
Oberverwaltungsgericht auf Antrag anordnen, dass die aufschiebende Wirkung
fortdauert. Die Vorschrift korrespondiert mit § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO, soweit dort
bestimmt ist, dass die aufschiebende Wirkung der im ersten Rechtszug abgewiesenen
Anfechtungsklage drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des
gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels endet.
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Danach scheidet eine direkte Anwendung der Vorschrift aus, weil es an einer im ersten
Rechtszug abgewiesenen Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alternative VwGO
und dementsprechend an einem Ende der aufschiebenden Wirkung der Klage im Sinne
von § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO fehlt, deren Fortdauer gemäß § 80b Abs. 2 VwGO
angeordnet werden könnte. Ausweislich des erstinstanzlichen Urteils ist eine
Bescheidungsklage abgewiesen worden, bei der es sich um einen Unterfall der
Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 2. Alternative VwGO handelt. Eine
aufschiebende Wirkung kommt der Verpflichtungsklage jedoch nicht zu, was sich aus §
80 Abs. 1 VwGO ergibt. Auch lag kein Fall des § 80b Abs. 1 Satz 2 VwGO vor. Im
Übrigen ist das Verwaltungsgericht in zutreffender Erfassung und Auslegung des
Klagebegehrens von der Sachdienlichkeit einer Verpflichtungsklage ausgegangen, weil
die Antragstellerin den Erlass eines sie begünstigenden Verwaltungsakts begehrte,
nämlich die Verlängerung der Zulassung (sog. Nachzulassung) ihres Arzneimittels „T.
H. L. -Dragees" gemäß § 105 Abs. 4f, Abs. 3 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG).
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Die Verpflichtungsklage wird schließlich nicht durch die ihr immanente
Anfechtungskomponente, die auf die Aufhebung des den Erlass des begünstigenden
Verwaltungsakts (Nachzulassung) ablehnenden Bescheids vom 31. Mai 2002 zielt, zu
einer Anfechtungsklage.
Der Umstand, dass die Antragstellerin erst im Berufungsverfahren und über sechs
Monate nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils zur Anfechtungsklage
übergegangen ist, rechtfertigt selbst dann, wenn es sich dabei lediglich um eine nicht
den Anforderungen des § 91 Abs. 1 VwGO unterliegende Beschränkung im Sinne von §
173 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) handelte,
keine andere Einschätzung. Dies ändert nämlich nichts daran, dass das
Verwaltungsgericht eine Verpflichtungsklage und keine Anfechtungsklage abgewiesen
hat und dementsprechend die Voraussetzungen des § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht
vorliegen. Selbst wenn man im Falle des nachträglichen Übergangs zur
Anfechtungsklage eine analoge Anwendung des § 80b VwGO bejahte, führte dies nicht
zu der begehrten Anordnung, weil einer solchen bereits die Unzulässigkeit der
Anfechtungsklage entgegenstände. Der von der Antragstellerin zur Begründung der
Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage gegebenen Begründung, dass diese
ausnahmsweise rechtsschutzintensiver als eine Verpflichtungsklage sei, wenn ein
Kläger den begehrten begünstigenden Verwaltungsakt bereits früher besessen habe
und ihm dieser später durch einen noch nicht bestandskräftigen Verwaltungsakt
entzogen werde, greift hier nicht. Denn den begehrten Verwaltungsakt, die
Nachzulassung ihres Arzneimittels, hat die Antragstellerin noch nicht innegehabt. Die
sich aus § 105 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AMG ergebende sog. fiktive
Zulassung ihres Arzneimittels stellt keinen Verwaltungsakt und erst recht nicht die von
ihr begehrte Nachzulassung dar. Im Übrigen dürfte es an einem rechtsschutzwürdigen
Interesse für eine isolierte Anfechtungsklage gegen einen die Nachzulassung
versagenden Bescheid fehlen. Zwar besteht möglicherweise auf Seiten der
Antragstellerin ein Interesse, von einer umfassenden Prüfung des geltend gemachten
Nachzulassungsanspruchs im Rahmen einer Verpflichtungsklage abzusehen, da auch
die bloße Aufhebung des Versagungsbescheids für sie von Vorteil wäre, weil damit
zugleich geklärt oder sichergestellt wäre, dass ihr Arzneimittel zumindest vorerst auf
Grund der dann weiter geltenden sog. fiktiven Zulassung im Verkehr bleiben könnte.
Schutzwürdig ist dieses Interesse jedoch nicht, weil dem insbesondere die zahlreichen
nachträglich in das Arzneimittelgesetz eingefügten Vorschriften (beispielsweise § 105
Abs. 3a Satz 1 1. Halbsatz, Abs. 5 Satz 1 und 3, Abs. 5b AMG) entgegenstehen, in
denen die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck kommt, die arzneimittelrechtlichen
Nachzulassungsverfahren zum Abschluss zu bringen und zu beschleunigen. Damit
lässt es sich nicht vereinbaren, von der an sich statthaften und im Prüfungsumfang
weitergehenden Verpflichtungsklage abzusehen.
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Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine analoge Anwendung des § 80b VwGO auf
Verpflichtungsklagen jedenfalls in arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren, in
denen keine Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 105 Abs. 5b Satz 2 1.
Halbsatz AMG erfolgt ist, nicht in Betracht kommt.
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Nach der Begründung der Bundesregierung zur Einführung des § 80b VwGO bestehen
Sinn und Zweck der Vorschrift zusammengefasst darin, zu verhindern, dass
Rechtsmittel lediglich deshalb eingelegt werden, um durch den damit verbundenen
Suspensiveffekt den Eintritt der Unanfechtbarkeit eines belastenden Verwaltungsakts zu
verzögern.
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Vgl. Bundestags-Drucksache 13/3993, S. 9, 11 f.
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Zwar ist es erwägenswert, eine analoge Anwendung der Vorschrift auf
Verpflichtungsklagen in Betracht zu ziehen, bei denen einstweiliger Rechtsschutz
ausnahmsweise nicht nach § 123 VwGO, sondern nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren
ist. Insoweit wird als Beispiel die ausländerrechtliche Konstellation genannt, in der in
der Hauptsache eine Verpflichtungsklage erhoben und im Hinblick auf § 69 Abs. 2 und 3
des inzwischen außer Kraft getretenen Ausländergesetzes (AuslG) - ähnlich nunmehr §
81 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) - deren aufschiebende Wirkung
angeordnet wurde.
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Vgl. Schoch in: Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Band
I, Stand: Juli 2005, § 80b Rdnr. 30.
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Allgemein kommen für eine analoge Anwendung des § 80b VwGO auf
Verpflichtungsklagen Konstellationen in Betracht, in denen mit der Ablehnung eines
begehrten Verwaltungsakts eine über die Ablehnung hinausgehende Belastung
einhergeht. In der zuvor erwähnten ausländerrechtlichen Konstellation bestand diese
darin, dass mit der Entscheidung der Ausländerbehörde über den Antrag auf Erteilung
oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung die mit dem Antrag verbundene
Duldungsfiktion erlosch (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AuslG). Im Hinblick
darauf erscheint es vertretbar, die Regelung des § 80 Abs. 1 VwGO ausnahmsweise für
die Verpflichtungsklage fruchtbar zu machen, indem gegebenenfalls über § 80 Abs. 5
VwGO deren aufschiebende Wirkung angeordnet wird, um die mit der Ablehnung
einhergehende zusätzliche Belastung (Erlöschen der Duldungsfiktion) für die Dauer des
Klageverfahrens zu suspendieren. Ähnlich ist die Konstellation in
arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren, weil mit der Ablehnung der
Nachzulassung zugleich die sog. fiktive Zulassung des Arzneimittels erlischt. Im
Unterschied zu der Konstellation im Ausländerrecht, in der die zusätzliche
Belastungswirkung bereits mit der Entscheidung der Ausländerbehörde eintrat und
dementsprechend zu deren Suspendierung die aufschiebende Wirkung der Klage
angeordnet werden musste, kommt der Verpflichtungsklage in arzneimittelrechtlichen
Nachzulassungsverfahren jedoch von selbst eine dem Suspensiveffekt des § 80 Abs. 1
VwGO ähnliche Wirkung zu, weil die sog. fiktive Zulassung eines Arzneimittels erst mit
der Bestandskraft des die Nachzulassung versagenden Bescheids erlischt. Dies ergibt
sich daraus, dass anders als im Ausländerrecht im Arzneimittelgesetz keine Vorschrift
existiert, nach der die sog. fiktive Zulassung bereits mit der Entscheidung der Behörde
über den Nachzulassungsantrag erlischt. Bestätigt wird dies insbesondere durch § 105
Abs. 5b Satz 2 1. Halbsatz AMG. Wenn der Gesetzgeber es für erforderlich gehalten hat,
eine Regelung hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines in einer
Verpflichtungssituation ergehenden Verwaltungsakts (Ablehnung der beantragten
Nachzulassung) zu treffen, und er dies als Maßnahme zur Beschleunigung der
Nachzulassung gedacht hat,
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vgl. Bundestags-Drucksache 12/7572, S. 7,
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kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass ohne eine solche Anordnung eine
erhobene Verpflichtungsklage den Eintritt der Bestandskraft eines die Nachzulassung
versagenden Bescheids und damit zugleich das Erlöschen der sog. fiktiven Zulassung
des Arzneimittels verhindert.
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Angesichts der vorstehenden Ausführungen ließe sich durchaus vertreten, eine analoge
Anwendung des § 80b VwGO auf Verpflichtungsklagen generell abzulehnen. Da es sich
- soweit ersichtlich - allenfalls um wenige Ausnahmefälle handelt, in denen in
Verpflichtungskonstellationen mit der Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts
eine zusätzliche Belastung einhergeht, und darüber hinaus die Ausgangslage
zumindest in den beiden dargestellten Konstellationen unterschiedlich ist, erscheint es
zweifelhaft, ob der Gesetzgeber, wenn er dies mit in den Blick genommen hätte, den
Anwendungsbereich des § 80b VwGO über Anfechtungsklagen hinaus auch für
Verpflichtungsklagen oder aber für sämtliche Klagearten festgeschrieben hätte.
Jedenfalls kommt aber auf Grund der Besonderheiten des arzneimittelrechtlichen
Nachzulassungsverfahrens in diesen eine analoge Anwendung des § 80b VwGO auf
Verpflichtungsklagen nicht in Betracht.
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Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass es mit einer einfach- analogen
Anwendung des § 80b VwGO zumindest in dem hier vorliegenden Fall nicht getan wäre.
Eine solche liefe ins Leere, weil das Gesetz eine mit Verpflichtungsklagen verbundene
aufschiebende Wirkung, die analog § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO enden könnte,
grundsätzlich nicht kennt und - anders als in der ausländerrechtlichen Konstellation -
auch kein Fall des § 80b Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwGO vorliegt. Weder hat die
Behörde die Vollziehung ausgesetzt noch ergibt sich eine aufschiebende Wirkung der
Verpflichtungsklage aus einer entsprechenden gerichtliche Anordnung. Dass der
Verpflichtungsklage quasi ein Suspensiveffekt, wie er für die Anfechtungsklage in § 80
Abs. 1 VwGO geregelt ist, zukommt, folgt aus der ihr immanenten
Anfechtungskomponente, die verhindert, dass der die Nachzulassung versagende
Bescheid bestandskräftig wird.
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Ferner liegt in arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren eine besondere bzw.
zumindest teilweise von den Vorstellungen des Gesetzgebers bei der Einführung des §
80b VwGO abweichende Interessenlage vor. Zwar besteht auch in diesen Verfahren die
Gefahr, dass nach einem die Nachzulassung versagenden Bescheid lediglich deshalb
eine Verpflichtungsklage erhoben und diese auch nach einer ablehnenden
erstinstanzlichen Entscheidung weiterverfolgt wird, um so lange wie möglich von der mit
der ablehnenden behördlichen Entscheidung verbundenen zusätzlichen Belastung
verschont zu bleiben, d.h. die sog. fiktive Zulassung des Arzneimittels zu erhalten. Diese
Problematik dürfte der Gesetzgeber jedoch bedacht und bei der Einführung des § 105
Abs. 5b Satz 2 AMG, der im öffentlichen Interesse die Anordnung der sofortigen
Vollziehung erleichtern soll, vgl. Bundestags-Drucksache 12/7572, S. 7,
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mit im Blick gehabt haben. Wenn aber in arzneimittelrechtlichen
Nachzulassungsverfahren eine Verfahrensbeschleunigung von Anfang an beabsichtigt
ist, indem mit der Soll-Regelung des § 105 Abs. 5b Satz 1 1. Halbsatz AMG die
Anordnung der sofortigen Vollziehung zumindest dem Wortlaut nach zum Regelfall
erklärt wird, dann besteht unabhängig davon, ob diese Soll-Regelung tatsächlich eine
Erleichterung bringt und zur Beschleunigung der Nachzulassungsverfahren beiträgt,
jedenfalls kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung des § 80b VwGO, mit dem der
Gesetzgeber nach den vorstehenden Ausführungen bei Anfechtungsklagen auf andere
Art und Weise eine Verfahrensbeschleunigung erst im Rechtsmittelverfahren nach die
Klage abweisenden erstinstanzlichen Entscheidungen herbeiführen wollte.
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Schließlich bestätigt ein Blick auf die Interessenlage der Behörde im
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Nachzulassungsverfahren die Einschätzung, dass eine analoge Anwendung des § 80b
VwGO jedenfalls in Fällen, in denen trotz der Soll-Regelung in § 105 Abs. 5b Satz 2 1.
Halbsatz AMG keine Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgt ist, nicht in Betracht
kommt. Das Absehen von der Anordnung der sofortigen Vollziehung deutet angesichts
der Ausnahmeregelung in § 105 Abs. 5b Satz 2 2. Halbsatz AMG darauf hin, dass nach
Einschätzung der Behörde die Vollziehung für den pharmazeutischen Unternehmer eine
nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene unbillige Härte bedeuten
würde. Die Annahme einer solchen dürfte in Nachzulassungsverfahren durchaus
häufiger anzutreffen sein, wenn man berücksichtigt, dass die zur Nachzulassung
anstehenden Arzneimittel überwiegend bereits seit vielen Jahren ohne
Beanstandungen auf dem Markt sind. Dementsprechend dürfte es nur wenige Fälle
geben, in denen die Versagung der Nachzulassung auf von dem Arzneimittel
ausgehenden konkreten Gesundheitsgefahren beruht, die ein (überwiegendes)
öffentliches Bedürfnis für die Anordnung der sofortigen Vollziehung begründen würden.
Demgegenüber erscheint mit Blick auf die Art. 12, 14 des Grundgesetzes (GG) die
Annahme einer grundrechtlichen Betroffenheit des pharmazeutischen Unternehmers im
Fall der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Versagungsbescheids nicht
fernliegend. Die Anordnung dürfte häufig das faktische Aus für ein Arzneimittel
bedeuten, weil mit ihr die sog. fiktive Zulassung erlischt, das Arzneimittel mangels
Zulassung vom Markt genommen werden muss und die Wiedererlangung einer
innegehabten Marktposition nach - unterstellt - erfolgreichem Rechtsmittelverfahren
wenn überhaupt nur mit großen Schwierigkeiten möglich sein dürfte. Eine dies
berücksichtigende, in der Sache von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache
losgelöste Interessenabwägung, die die Behörde von der Anordnung der sofortigen
Vollziehung Abstand nehmen lässt, ändert sich jedoch nicht grundlegend dadurch, dass
die Verpflichtungsklage erstinstanzlich abgewiesen wird. Unabhängig davon, auf
welche Umstände in einem Verfahren nach § 80b Abs. 2 VwGO abzustellen und
welcher Maßstab anzulegen wäre, spricht Einiges dafür, dass eine für den
pharmazeutischen Unternehmer sich im Fall der Vollziehbarkeit des die Nachzulassung
versagenden Bescheids ergebende unbillige Härte nicht völlig außer Betracht bleiben
könnte. Dies führte im Fall der analogen Anwendung des § 80b VwGO möglicherweise
zu dem kuriosen Ergebnis, dass die Behörde zutreffend im Hinblick auf § 105 Abs. 5b
Satz 2 2. Halbsatz VwGO von der Anordnung der sofortigen Vollziehung absähe, sie
sich nach einem klageabweisenden erstinstanzlichen Urteil und dem Ablauf der in §
80b Abs. 1 Satz 1 VwGO genannten Frist einem Verfahren nach § 80b Abs. 2 VwGO
stellen müsste und dort eben aus den Gründen, die sie zu einem Absehen von der
Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben, unterliegen würde, wenn sie
nicht vorher von der in § 80b Abs. 1 Satz 2 am Ende VwGO vorgesehenen Möglichkeit
Gebrauch machte. Dies hätte sie in gewisser Weise aber bereits dadurch getan, dass
sie bei Erlass des die Nachzulassung versagenden Bescheids entgegen § 105 Abs. 5b
Satz 2 1. Halbsatz AMG von der Anordnung der sofortigen Vollziehung abgesehen hat.
Entsprechendes gilt, wenn die Behörde wegen besonderer Schwierigkeiten im
Einzelfall oder aber aus grundsätzlichen Erwägungen, weil beispielsweise die
Versagungsentscheidung für eine Vielzahl vergleichbarer Präparate präjudizielle
Wirkung hat, von der Anordnung der sofortigen Vollziehung absieht. Auch hier liefe sie
bei analoger Anwendung des § 80b VwGO Gefahr, in einem Verfahren nach § 80b Abs.
2 VwGO zu unterliegen, weil die Voraussetzungen für eine Berufungszulassung gemäß
§ 124 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 VwGO vorliegen dürften und dies zumindest teilweise als
Umstand angesehen wird, der die Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden
Wirkung rechtfertigt.
Vgl. Oberverwaltungsgericht Bremen, Beschluss vom 13. Dezember 1999 - 1 B 422/99 -,
NVwZ 2000, 942 (943).
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Ob die vorstehenden Ausführungen auch dann gelten, wenn die Behörde die sofortige
Vollziehung angeordnet hat, damit aber nicht durchgedrungen ist, weil das
Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat, bedarf hier keiner
Entscheidung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3
Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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