Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.12.2007

OVG NRW: nationalität, ausreise, verfügung, anforderung, sorgfalt, verwaltungsakt, datum, subsumtion

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 2888/06
Datum:
21.12.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 2888/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 9 K 9776/02
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000,-- Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
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Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO. Es vermag die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, ein
Anspruch der Klägerin nach § 51 VwVfG auf Wiederaufgreifen des bestandskräftig
abgeschlossenen Aufnahmeverfahrens bestehe nicht, nicht in Frage zu stellen.
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Entgegen der Auffassung des Klägerin handelt es sich bei dem Bescheid vom 28. März
2002 nicht um einen Zweitbescheid. Eine erneute materiell-rechtliche Entscheidung
über das bestandskräftig abgelehnte Aufnahmebegehren ist damit ersichtlich nicht
erfolgt. Die Begründung des Bescheides zu den Voraussetzungen des § 6 BVFG steht
ausschließlich im Kontext der ausdrücklich getroffenen Regelung - Ablehnung des
Wiederaufgreifens des Verfahrens - und des hierzu im Bescheid geprüften
Wiederaufnahmegrundes des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Die Feststellung, ob sich i.S.d.
genannten Regelung die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage
nachträglich zu Gunsten des Betroffenen geändert hat, setzt - wie das
Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - eine vergleichende Bewertung der
ursprünglichen Rechtslage und der neuen Rechtslage sowie die Subsumtion der im
konkreten Einzelfall vorliegenden Tatsachen und individuellen Merkmale unter die
jeweilige Rechtslage voraus, ohne dass damit zugleich eine erneute, die gerichtliche
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Überprüfung eröffnende materiell-rechtliche Entscheidung über das bestandskräftig
beschiedene Begehren zu sehen ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das
Bundesverwaltungsamt in seinem Bescheid vom 28. März 2002 über die aus dem
Bescheid ersichtliche Regelung der Ablehnung des Wiederaufgreifens hinaus nochmals
eine originäre materiell-rechtliche Entscheidung über das bestandskräftig abgelehnte
Aufnahmebegehren hat treffen wollen, sind weder vorgetragen noch sonst im Ansatz
ersichtlich.
Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen
Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. Wie oben ausgeführt, ist ohne
Schwierigkeiten festzustellen, dass die Beklagte einen Zweitbescheid nicht erlassen
hat.
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Auch die Ausführungen zur Verwertbarkeit des Sprachtestergebnisses zeigen keine
besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf. Die im Rahmen des §
51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zu treffende Feststellung, ob sich die Sach- und Rechtslage zu
Gunsten der Klägerin geändert hat, hängt nicht allein davon ab, ob ein einzelnes
Tatbestandsmerkmal (in der Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung)
günstiger ausgestaltet worden ist, wie hier die geltend gemachte Herabstufung der
Anforderungen an das Sprachvermögen. Die "Rechtslage" i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1
VwVfG ist durch die Gesamtheit der einschlägigen materiell- rechtlichen Regelungen
und damit insbesondere durch die Gesamtheit der Tatbestandsvoraussetzungen
gekennzeichnet, die erfüllt sein müssen, um den geltend gemachten Anspruch zu
tragen. Wie sich schon aus dem Bescheid vom 28. März 2002 ergibt, beschränkte sich
die Änderung des § 6 Abs. 2 BVFG zum 7. September 2001 durch Art. 1 Nr. 1 des
Spätaussiedlerstatusgesetzes vom 30. August 2001, BGBl. I S. 2266, nicht nur auf das
Bestätigungsmerkmal der deutschen Sprache (§ 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG n.F.); sie
erfasste vielmehr auch das Bekenntnis zum deutschen Volkstum. Nach § 6 Abs. 2 Satz
1 BVFG n.F. war ein durchgehendes Bekenntnis nur zum deutschen Volkstum bis zur
Ausreise erforderlich; ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum erst im Zeitpunkt der
Ausreise genügte nicht mehr. Ein solches durchgehendes Bekenntnis hat das
Verwaltungsgericht nicht für überwiegend wahrscheinlich gehalten, weil die Klägerin in
der im Jahre 1993 ausgestellten Geburtsurkunde ihrer Tochter mit russischer
Nationalität eingetragen sei und im Regelfall angenommen werden könne, dass die
Übernahme der Nationalitäteneintragung mit Sorgfalt erfolgt sei, so dass etwa von der
Eintragung in sekundären Urkunden auf die Eintragung im Inlandspass geschlossen
werden dürfe. Soweit dem gegenüber vorgetragen wird, Mutmaßungen oder
Spekulationen hinsichtlich des Nationalitätseintrages seien für die Feststellung eines
Gegenbekenntnisses nicht ausreichend, wird die verfahrensrechtliche Stellung der
Klägerin verkannt. Sie ist zur Begründung ihres geltend gemachten
verfahrensrechtlichen Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51
VwVfG und um ihrer Darlegungsobliegenheit im Zulassungsverfahren nach § 124a Abs.
4 Satz 4 VwGO zu genügen, gehalten, zu der sie begünstigenden Änderung der
Rechtslage und nicht nur zu einem sie - nach ihrer Auffassung - begünstigenden
einzelnen Tatbestandsmerkmal schlüssig vorzutragen. An einem diesbezüglichen
schlüssigen Vortrag fehlt es jedoch, weil die Klägerin die vom Verwaltungsgericht
begründeten Zweifel an ihrer Behauptung, die Eintragung der russischen Nationalität in
der Geburtsurkunde ihrer Tochter beruhe auf einem behördlichen Fehler, nicht durch
entsprechenden nachvollziehbaren Sachvortrag ausgeräumt hat.
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Die Rechtssache hat schließlich keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr.
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3 VwGO. Soweit geltend gemacht wird, es sei grundsätzlich zu klären,
"wodurch sich der Zweitbescheid von der lediglich wiederholenden Verfügung
unterscheidet",
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handelt es sich um eine Klärung, die maßgeblich von den Gesamtumständen des
jeweiligen Einzelfalls abhängt und damit der Rechtssache keine
verallgemeinerungsfähige, über den Einzelfall hinaus wirkende Bedeutung zu vermitteln
vermag.
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Die des weiteren aufgeworfene Frage,
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"ob die Änderung des Gesetzes, die während eines Verfahrens auf Wiederaufgreifen
des Verfahrens eintritt, die später auf Grund höchstrichterlicher Rechtsprechung
eindeutig als Änderung der Rechtslage zu Gunsten des Betroffenen bewertet wird, die
Beklagte nicht verpflichtet, i.S. einer echten Ermessungsreduktion auf Null nunmehr
eine Sachentscheidung zu treffen",
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betrifft lediglich ein Tatbestandsmerkmal der geänderten Rechtslage, nämlich die
Anforderung an die Sprachkompetenz, dem es mit Blick auf das nicht dargelegte weitere
Tatbestandsmerkmal der geänderten Rechtslage, hier dem durchgehenden Bekenntnis
zum deutschen Volkstum, an der Entscheidungserheblichkeit mangelt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt
gem. §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1
Satz 5 GKG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig
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(§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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