Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.04.2004

OVG NRW: örtliche zuständigkeit, notlage, behörde, deckung, stadt, aufenthalt, abgabe, unterbringung, wechsel, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 B 401/04
Datum:
30.04.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 B 401/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Aachen, 2 L 116/04
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
1
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet. Die dargelegten
Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen nicht die Aufhebung
oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.
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Mit der Beschwerde greift der Antragsgegner weder die rechtliche Würdigung des
Verwaltungsgerichts an, wonach sich der Anspruch auf Übernahme der notwendigen
Krankenbehandlungskosten aus § 4 Abs. 1 AsylbLG ergibt, noch die Beurteilung, die
örtliche Zuständigkeit für diese Leistung bestimme sich nach § 10a Abs. 1 Satz 2
AsylbLG. Vielmehr macht der Antragsgegner mit der Beschwerde im Wesentlichen
geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht darauf abgestellt, dass die
Antragstellerin sich zu dem Zeitpunkt, in dem sie die Übernahme der Pflegekosten bei
ihm (dem Antragsgegner) beantragt habe, in seinem Bereich tatsächlich aufgehalten
habe. Maßgeblich sei demgegenüber der tatsächliche Aufenthalt der Antragstellerin in
dem Zeitpunkt, in dem die durch Leistungen nach § 4 Abs. 1 AsylbLG zu behebende
Notlage eingetreten sei. Eine solche Notlage sei frühestens mit der Aufnahme der
Antragstellerin in der Pflegefamilie in X. am 4. Februar 2004 entstanden. Denn für die
Dauer ihres Aufenthaltes im Universitätsklinikum B. seien die Voraussetzungen für die
Gewährung von Leistungen nach § 4 AsylbLG nicht gegeben gewesen, weil der
Krankenversicherungsschutz im Wege der Familienversicherung gewährleistet
gewesen sei. Da der Bedarf erst zu einem Zeitpunkt aufgetreten sei, in dem die
Antragstellerin ihren tatsächlichen Aufenthalt nicht mehr im Bereich der Stadt B. ,
sondern bereits im Gebiet der Stadt X. gehabt habe, sei er für die Deckung dieses
Bedarfs örtlich nicht zuständig. Durch die am 4. Februar 2004 erfolgte Änderung des
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tatsächlichen Aufenthalts sei ein Wechsel der örtlich zuständigen Behörde eingetreten.
Durch dieses Vorbringen wird die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, es komme
nach § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG darauf an, wo sich die Antragstellerin im Januar 2004
tatsächlich aufgehalten habe, nicht erschüttert. Das hat der Senat in seinem im
Verfahren gleichen Rubrums - 12 B 308/04 - ergangenen Beschluss vom heutigen Tag
im Einzelnen ausgeführt und begründet. Auf diesen Beschluss wird zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen. Für den im vorliegenden Verfahren in Rede
stehenden Krankenbehandlungsbedarf gilt nichts anderes als für den
Unterbringungsbedarf, auf den sich das Verfahren - 12 B 308/04 - bezieht. Auch bei der
nach der Entlassung der Antragstellerin aus der Kinderklinik erforderlich werdenden
Krankenbehandlung handelte es sich bereits im Januar 2004 um einen gegenwärtigen
Bedarf, für dessen Deckung der Antragsgegner als diejenige Behörde örtlich zuständig
war, in deren Bereich sich die Antragstellerin damals tatsächlich aufhielt.
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Denn in Anbetracht des Umfanges der Behandlungsbedürftigkeit der Antragstellerin und
der Höhe der dadurch verursachten Kosten musste davon ausgegangen werden, dass
die Eheleute T. erst dann zur Aufnahme der Antragstellerin bereit waren, wenn zuvor
geklärt war, welcher Leistungsträger die Krankenbehandlungskosten übernehmen
würde. Wenn der Ergänzungspfleger im Verfahren - 12 B 308/04 - darauf hingewiesen
hat, dass der Pflegevermittlungsdienst die Aufnahme ohne vorherige Kostenzusage
verweigert, so sind unter „Kosten" bei sachgerechter Auslegung alle mit der
Unterbringung in der Pflegefamilie zusammenhängenden Kosten gemeint, also auch die
- nicht unerheblichen - Kosten der medizinischen Behandlung. Aus diesem Grund
bestand auch im Hinblick auf die (künftige) Krankenbehandlung der Antragstellerin nach
Aufnahme in die Pflegefamilie bereits im Januar 2004 eine gegenwärtige Notlage, von
der der Antragsgegner durch den Antrag vom 15. Januar 2004 und den beigefügten
Bericht des Universitätsklinikums B. vom 21. Oktober 2003 Kenntnis erlangt hat und die
er durch Abgabe einer (zeitlich begrenzten) Kostenzusage hätte beseitigen können.
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Abschließend weist der Senat darauf hin, dass nach § 40 SGB VIII auch Krankenhilfe zu
leisten ist, wenn nach § 33 SGB VIII Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege gewährt wird.
Für die Übernahme der Krankenbehandlungskosten dürfte daher künftig der örtliche
Jugendhilfeträger zuständig sein, sobald ein Antrag auf Hilfe zur Erziehung durch den
dazu Berechtigten gestellt worden ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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