Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.03.2007

OVG NRW: wissenschaft und forschung, altersgrenze, beamtenverhältnis, berufliche ausbildung, probe, dienstzeit, erlass, schule, angemessenheit, anwendungsbereich

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 4625/04
Datum:
15.03.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 A 4625/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 3 K 238/02
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Der am . Januar 1961 geborene Kläger erwarb im Jahr 1983 die Allgemeine
Hochschulreife und leistete im Anschluss daran Zivildienst. Von 1985 bis 1988 studierte
er Sonderpädagogik, von 1986 bis 1990 außerdem Geografie an der Universität zu L. ,
danach von 1990 bis 1994 an der Universität C. . 1994 schloss er das Studium der
Geografie mit dem Diplom ab. Von 1995 bis 1997 studierte er an der Universität zu L.
Biologie (Sekundarstufe I und II). Am 15. Mai 1997 legte er die Erste Staatsprüfung für
die Lehrämter für die Sekundarstufe II und für die Sekundarstufe I ab, im Fach Geografie
durch Anerkennung der an der Universität in C. bestandenen Diplomprüfung. Am 29.
Januar 1999 bestand er die besondere Prüfung in Erziehungswissenschaft und am 9.
November 1999 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II und
für die Sekundarstufe I in den Fächern Biologie und Geografie.
2
Während der Studienzeit und nach Abschluss der Zweiten Staatsprüfung arbeitete der
Kläger in verschiedenen Bereichen außerhalb des öffentlichen Dienstes.
3
Mit Schreiben vom 28. März 2000 bewarb er sich beim Schulamt der Stadt L. um eine
Stelle als Lehrer im Vertretungsunterricht. Mit Arbeitsvertrag vom 12. April 2000 wurde er
mit Wirkung vom 6. April 2000 für die Zeit bis zum 28. Juni 2000 als vollbeschäftigte
Lehrkraft im Angestelltenverhältnis eingestellt. Weitere befristete Einstellungen -
teilweise als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft - folgten für die Zeit vom 14. August 2000 bis
zum 3. September 2000 und vom 4. September 2000 bis zum 25. Januar 2001. Er wurde
jeweils an einer Hauptschule verwendet.
4
Zum Schuljahr 2000/2001 hatte sich der Kläger außerdem am schulscharfen
Ausschreibungsverfahren beteiligt. Unter dem 9. Oktober 2000 teilte ihm die
Bezirksregierung L. mit, seine Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe sei in
Aussicht genommen, sofern er die laufbahn- und sonstigen dienstrechtlichen
Voraussetzungen erfülle. Der Kläger nahm das Einstellungsangebot an, wurde mit
Arbeitsvertrag vom 25. Januar 2001 mit Wirkung vom 1. Februar 2001 auf unbestimmte
Zeit als vollbeschäftigte Lehrkraft im Angestelltenverhältnis eingestellt und an einer
Hauptschule eingesetzt.
5
Bereits mit Antrag vom 18. Januar 2001 begehrte der Kläger die Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe unter Hinweis darauf, dass er auch die Mangelfächer
Mathematik und Physik unterrichten werde. Mit Schreiben vom 18. Mai 2001 wies das
Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen
darauf hin, dass nach der im Runderlass vom 22. Dezember 2000 getroffenen
Ausnahmeregelung eine Übernahme von Bewerbern mit den dort genannten
Mangelfächern trotz Überschreitung der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze nur bei
neu einzustellenden Lehrkräften in Betracht komme. Laufbahnrechtlich überalterte
Lehrer, die bereits im Angestelltenverhältnis beschäftigt seien, würden nicht erfasst.
6
Unter dem 5. Juni 2001 beantragte der Kläger erneut seine Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe und gab zur Begründung an, dass er hauptsächlich die
Mangelfächer Mathematik, Chemie und Physik unterrichte.
7
Mit Bescheid vom 13. September 2001 lehnte die Bezirksregierung L. den Antrag auf
Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ab. Der Erlass vom 22. Dezember 2000
könne keine Anwendung finden, weil der Kläger über keine Lehramtsbefähigung für die
Mangelfächer verfüge. Nicht entscheidend sei, dass er in diesen Fächern tatsächlich
Unterricht erteile.
8
Am 10. Oktober 2001 legte der Kläger Widerspruch ein. Wegen seines überwiegenden
Unterrichtseinsatzes in Mangelfächern müsse seine Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe schon aus Gründen der Gleichbehandlung erfolgen.
9
Die Bezirksregierung L. wies den Widerspruch mit Bescheid vom 21. Dezember 2001
zurück und führte zur Begründung aus, es sei im Hinblick auf die unterschiedliche
Vorbildung rechtlich unbedenklich, Lehrkräfte, die ohne entsprechenden Abschluss in
Mangelfächern Unterricht erteilten, vom Anwendungsbereich des Erlasses
auszuschließen.
10
Der Kläger hat am 10. Januar 2001 Klage erhoben und geltend gemacht, er erfülle die
Voraussetzungen des Erlasses vom 22. Dezember 2000, weil er - was ausreichend sei -
überwiegend in den dort genannten Unterrichtsfächern tätig sei. Ferner sei die
Einstellungspraxis nicht mit europäischem Recht vereinbar. Die Höchstaltersgrenze
11
verstoße gegen das in Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November
2000 enthaltene Diskriminierungsverbot wegen Alters. Eine sachliche Rechtfertigung im
Sinne des Art. 6 Satz 2 Buchstabe c) der Richtlinie gebe es nicht. Das folge bereits
daraus, dass in den benachbarten Bundesländern die Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe eine abweichende Regelung erfahren habe.
Der Kläger hat beantragt,
12
das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides der Bezirksregierung L. vom 13.
September 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2001
zu verpflichten, ihn in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen.
13
Das beklagte Land hat beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Es wiederholt sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und weist ergänzend
darauf hin, das Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung habe unter dem 4.
März 2002 bestätigt, dass die mit Erlass vom 22. Dezember 2000 zugelassene
Ausnahme von der Höchstaltersgrenze nur für Lehrkräfte mit einer entsprechenden
Lehrbefähigung gelte. Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der Höchstaltersgrenze mit
Gemeinschaftsrecht bestünden nicht. Eine abweichende Regelung in anderen
Bundesländern begründe ebenfalls keinen Anspruch, da jedem Landesgesetzgeber bei
der Festlegung der Altersgrenze ein Spielraum zukomme.
16
Das Verwaltungsgericht Köln hat die Klage mit Urteil vom 14. Oktober 2004
abgewiesen. Die Höchstaltersgrenze sei mit höherrangigem deutschem Recht und auch
mit Gemeinschaftsrecht vereinbar. Die gemeinschaftsrechtlichen Initiativen sollten der
Diskriminierung aus Altersgründen im Rahmen von Anstellungen bei
Gemeinschaftsinstitutionen aufgrund verschiedener Altersgrenzen der Institutionen
entgegenwirken, so dass die Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78/EG fraglich sei.
Ungeachtet dessen folge aus § 52 Abs. 1 LVO NRW keine Diskriminierung, weil die
darin bestimmte Altersgrenze für alle Laufbahnbewerber gleichermaßen gelte. Ferner
bringe die Altersgrenze die Dienstzeit und den Anspruch auf Versorgung im Ruhestand
in ein angemessenes Verhältnis und gewährleiste eine ausgewogene Altersstruktur in
den jeweiligen Laufbahnen. Ein Anspruch des Klägers auf Übernahme trotz
Überschreitens der Höchstaltersgrenze ergebe sich auch nicht aus dem Erlass des
Kultusministeriums vom 22. Dezember 2000, da die darin gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3 Nr.
1 LVO NRW getroffene allgemeine Ausnahme nur der Gewinnung neu einzustellender
Bewerber mit Unterrichtsbefähigung in den im Erlass genannten
Unterrichtsfächern/beruflichen Fachrichtungen diene. Darin liege kein Verstoß gegen
den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da bei fachfremd eingesetzten Lehrern im
Allgemeinen nicht vom Vorliegen entsprechender fachlicher Voraussetzungen
ausgegangen werden könne.
17
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28. Oktober 2004 zugestellte
Urteil hat dieser am 6. November 2004 die Zulassung der Berufung beantragt. Mit
Beschluss vom 25. Juli 2006, dem Prozessbevollmächtigten zugestellt am 4. August
2006, hat der Senat die Berufung zugelassen.
18
Mit seiner am 14. August 2006 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegründung trägt
19
der Kläger vor, die Richtlinie 2000/78/EG beanspruche allgemeine Geltung im EU-
Bereich, was sich auch aus den Erwägungsbegründungen unter den Ziffern 9, 12, 23
und 25 ergebe. Nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG erstrecke sich deren Geltung
auf "alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen einschließlich öffentlicher
Stellen".
Die im beklagten Land geltende Höchstaltersgrenze sei daher an Art. 6 Richtlinie
2000/78/EG zu messen. Sie sei nur dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie
objektiv und angemessen sei und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein
legitimes Ziel - etwa ein rechtmäßiges Ziel aus den Bereichen Beschäftigungspolitik,
Arbeitsmarkt und politische Bildung - gerechtfertigt sei und die Mittel zur Erreichung
dieses Zwecks angemessen und erforderlich seien. Die Höchstaltersgrenze von 35
Jahren erfülle diese Voraussetzungen nicht. Die angeführten fiskalischen Gründe seien
nicht objektiv und angemessen. Mit Blick auf den Erlass vom 22. Dezember 2000 werde
deutlich, dass eine angemessene Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand
auch dann noch bestehe, wenn der neu eingestellte Bewerber unmittelbar vor
Vollendung des 45. Lebensjahres stehe. Berücksichtige man, dass verbeamtete
Lehrkräfte bis zum 65. Lebensjahr beruflich tätig sein könnten, sei der verlangte
Beschäftigungszeitraum von 30 Jahren unangemessen lang.
20
Bei der Beurteilung einer angemessenen Beschäftigungszeit könne auf die regelmäßige
Dienstzeit, die Höhe der Versorgung und die zugestandene Mindestversorgung
abgestellt werden. Die regelmäßige Dienstzeit sei ab dem vollendeten 17. Lebensjahr
bis zur Regelaltersgrenze, der Vollendung des 65. Lebensjahrs in Ansatz zu bringen.
Die mögliche Dienstzeit betrage demnach 48 Jahre und ab dem 35. Lebensjahr 30
Jahre. Es werde also eine Beschäftigungszeit von 62,5 % der maximalen Gesamtdauer
gefordert. Die Dienstzeit in der Lehrerlaufbahn könne aufgrund der Vor- und Ausbildung
durch Studium und Referendariat nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres beginnen.
Das ergebe eine maximale Gesamtdienstzeit von 44 Jahren und eine geforderte
Beschäftigungszeit von 68,18 %. Eine Ungleichbehandlung dieses Umfangs sei nicht
gerechtfertigt.
21
Versorgungsgesichtspunkte im Sinne der Gewährung einer amtsangemessenen
Alimentation oder einer Mindestversorgung spielten für die Angemessenheit des
Verhältnisses zwischen Dienst- und Ruhestandszeit keine Rolle, da sie im öffentlichen
Dienstrecht kaum noch Bedeutung hätten. Teilzeitarbeit oder
Beurlaubungsmöglichkeiten seien nicht mehr abhängig von einer abgesicherten
Versorgung im Alter. Die zugesicherte Mindestversorgung sei bei langjährigen
Freistellungen ausdrücklich aufgehoben (§ 14 Abs. 4 Satz 4 BeamtVG) und bestehe nur
bei Ableistung einer ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 19,5 Jahren (§ 14 Abs. 4 Satz 1,
2; Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Daraus folge, dass bei einer Dienstzeit von 19,5 Jahren eine
angemessene Beschäftigungszeit vorliege, die das Erreichen der Mindestversorgung
ermögliche und für den Regelfall die Heraufsetzung der Altersgrenze auf 45 Jahre
notwendig mache. Ohnehin werde sich der zur Verfügung stehende
Beschäftigungszeitraum in absehbarer Zeit durch die Anhebung der Pensionsgrenze
von 65 auf 67 Jahre verlängern. Die Festlegung der Altersgrenze auf 35 Jahre verstoße
dementsprechend gegen Art. 6 Richtlinie 2000/78/EG.
22
Die laufbahnrechtliche Höchstaltersgrenze stehe auch im Widerspruch zu dem mit
Wirkung vom 18. August 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Eine Rechtfertigung nach dem allenfalls in Betracht
23
kommenden § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG liege nicht vor. Die Alternative 1 - spezifische
Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes - komme als
Rechtfertigung nicht in Frage, da nicht erkennbar sei, dass Lehrkräfte etwa aus
pädagogischen Gründen in höherem Alter in der Schule nicht mehr eingesetzt werden
könnten. Die Voraussetzungen der Alternative 2 - Notwendigkeit einer angemessenen
Beschäftigungsdauer vor dem Eintritt in den Ruhestand - seien ebenfalls nicht erfüllt.
Das zeige die amtliche Gesetzesbegründung, wonach der Regelung die Überlegung zu
Grunde liege, dass bei älteren Beschäftigten, bei denen das Erreichen des Rentenalters
bereits absehbar sei, einer aufwändigen Einarbeitung am Arbeitsplatz auch eine
betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer produktiver Arbeit gegenüberstehen
müsse. Bei einer durch die umstrittene Altersgrenze vorgegebenen Erwerbsdauer von
30 Jahren liege es auf der Hand, dass der letztgenannte Rechtfertigungsgrund nicht
einschlägig sei.
Der Kläger beantragt,
24
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
25
Der Beklagte beantragt,
26
die Berufung zurückzuweisen.
27
Die durch §§ 52 Abs. 1, 6 Abs. 2 LVO festgelegte Altersgrenze verstoße nach ständiger
Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht gegen höherrangiges nationales Recht.
In gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht gelte nichts anderes. Die Richtlinie 2000/78/EG sei
durch das am 14. August 2006 in Kraft getretene AGG in nationales Recht umgesetzt
worden, so dass die zur Überprüfung stehenden Landesvorschriften nun an dieser
richtlinienkonformen Umsetzung zu messen seien. Sie fielen allerdings nicht in den
Anwendungsbereich des Gesetzes, der sich gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG "auf alle
Personen in öffentlichen und privaten Bereichen in Bezug auf die Bedingungen für den
Zugang zu selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit" erstrecke. Zwar
seien Regelungen für den Zugang zu öffentlichen Ämtern grundsätzlich erfasst, doch
werde durch die Festlegung einer beamtenrechtlichen Altershöchstgrenze der Zugang
zum Schuldienst nicht generell verwehrt, da Lehrkräfte auch als Angestellte beschäftigt
würden.
28
Ungeachtet dessen sei die Altershöchstgrenze richtlinienkonform und verstoße nicht
gegen das Benachteiligungsverbot aus Altersgründen nach § 1 AGG, da es sich um
einen Fall gerechtfertigter Ungleichbehandlung im Sinne des § 10 AGG handele.
29
Die Altershöchstgrenze sei verhältnismäßig, da die berufliche Ausbildung zum Erwerb
der laufbahnrechtlichen Befähigung als Lehrkraft in der Regel bis zum 35. Lebensjahr
abgeschlossen sei. Zudem handele es sich nicht um eine starre Altersgrenze, da in § 6
Abs. 1 Sätze 3 ff. LVO NRW Ausnahmen normiert seien, die die Rücksichtnahme auf
verschiedene persönliche Belastungen ermöglichten. Der Mangelfacherlass habe
lediglich Ausnahmecharakter und könne nicht als allgemeiner Maßstab herangezogen
werden. Um neue Lehrer für sog. Mangelfächer zu gewinnen, sei insoweit die
Altersgrenze für eine Aufnahme in das Beamtenverhältnis auf Probe auf 45 Jahre
heraufgesetzt worden.
30
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
31
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes
(Beiakten Hefte 1 und 2) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
32
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
33
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Bezirksregierung L. vom 13. September
2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2001 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO).
34
I.
35
Gemäß den §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 LVO NRW darf als Laufbahnbewerber nach §
5 Abs. 1 Buchstabe a) LVO NRW in das Beamtenverhältnis auf Probe nur eingestellt
oder übernommen werden, wer das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
36
Eine Übernahme des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe ist ausgeschlossen,
weil er bereits am 12. Januar 1996 und damit mehrere Jahre vor seinem Antrag auf
Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe vom 18. Januar 2001 das Höchstalter
von 35 Jahren überschritten hatte.
37
Eine Verpflichtung des Beklagten zur Zulassung einer Ausnahme nach § 84 Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 LVO NRW besteht nicht. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner
Entscheidung, ob der eine allgemeine Ausnahme von der Höchstaltersgrenze
zulassende Runderlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung -
121-22/03 Nr. 1050/00 - vom 22. Dezember 2000, zuletzt verlängert durch Runderlass
des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 16. November 2004 - 211-
1.12.03.03-973 - noch herangezogen werden kann, obwohl er zum Schuljahr 2006/2007
aufgehoben worden ist. Der Kläger wird jedenfalls nicht von der durch Nr. I. dieses
Erlasses eingeführten Verwaltungspraxis erfasst, Lehrern mit Mangelfächern ein
Überschreiten der Altersgrenze um längstens zehn Jahre zu ermöglichen. Mit den
Fächern Biologie und Geografie verfügt er über keine Lehramtsbefähigung in einem der
in dem Erlass aufgeführten Mangelfächer. Dass für die Frage, ob ein Laufbahnbewerber
dem Mangelfacherlass unterfällt, allein seine - grundsätzlich durch das Absolvieren der
Staatsprüfungen erworbene - Lehramtsbefähigung maßgeblich ist, folgt bereits daraus,
dass ein späterer fachfremder Einsatz bei der Bewerbung noch gar nicht feststeht. Im
Übrigen entspricht es - wie das Ministerium für Schule Wissenschaft und Forschung des
Landes Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom 4. März 2002 bestätigt hat - der
insoweit maßgeblichen Verwaltungspraxis, die Überschreitung der Altersgrenze
lediglich den Lehrkräften zu ermöglichen, die die Lehramtsbefähigung in einem der im
Erlass genannten Fächer/beruflichen Fachrichtungen besitzen.
38
Diese auf dem Erlass vom 22. Dezember 2000 beruhende Verwaltungspraxis, eine
Ausnahme nur bei Bewerbern mit entsprechender Lehramtsbefähigung zuzulassen,
hingegen Lehrkräfte nicht zu berücksichtigen, die zwar in Mangelfächern Unterricht
erteilen, insoweit aber über keine Lehramtsbefähigung verfügen, verstößt nicht gegen
den in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltenen Gleichbehandlungsgrundsatz. Mit dem Erlass wird
ersichtlich der Zweck verfolgt, gerade die an den Schulen fehlenden Lehrkräfte zu
gewinnen, die aufgrund einer entsprechenden fachlichen Ausbildung eine
39
Lehramtsbefähigung in Bezug auf die Mangelfächer besitzen. Denn nur auf diese Weise
kann der grundsätzlich unerwünschte fachfremde Einsatz von Lehrkräften vermieden
oder zumindest verringert werden. Ein sachlich vertretbares Differenzierungskriterium
liegt damit vor.
II.
40
Es bestehen keine Bedenken gegen die Anwendung der vorstehend genannten
laufbahnrechtlichen Vorschriften. Sie sind mit dem höherrangigen nationalen (1.) und
europäischen (2.) Recht vereinbar.
41
1.
42
Die in den §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW vorgesehene Höchstaltersgrenze steht im
Einklang mit dem Verfassungsrecht; insbesondere ist sie mit dem Grundgesetz
vereinbar. Eine derartige an das Alter des Bewerbers anknüpfende Beschränkung soll
die Dienstzeit mit dem Anspruch auf Versorgung während des Ruhestandes in ein
angemessenes Verhältnis bringen und eine ausgewogene Altersstruktur in den
jeweiligen Laufbahnen gewährleisten.
43
Vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Juni 1998 - 2 C 20.97 -, DÖD 1999, 139 = DVBl. 1999,
315 = NVwZ-RR 1999, 133, m.w.N., vom 13. Juli 2000 - 2 C 21.99 -, ZBR 2001, 32; vgl.
auch die ständige Rechtsprechung des OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Juni 2002,
a.a.O., vom 22. Oktober 2003, a.a.O., vom 17. November 2003 - 6 A 665/03 -, vom 18.
November 2003, a.a.O., und vom 30. September 2005 - 6 A 1458/04 -.
44
Die Bestimmung der Höchstaltersgrenze durch Rechtsverordnung auf der Grundlage
des § 15 Abs. 1 LBG NRW ist auch mit dem sonstigen Bundesrecht vereinbar. Sie
verstößt nicht gegen das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August
2006 (BGBl. I S. 1897), das in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage
maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits in Kraft getreten
war und damit grundsätzlich Anwendung findet.
45
Die streitentscheidenden Normen der Laufbahnverordnung unterfallen dem
Anwendungsbereich des AGG (a) und stehen im Einklang mit den dort getroffenen
Vorgaben (b).
46
a) Der Anwendungsbereich des AGG erfasst in personeller Hinsicht auch Beamte, die -
wie der Kläger - den laufbahnrechtlichen Vorschriften des beklagten Landes
unterliegen. Nach § 24 AGG gelten die Vorschriften des Gesetzes unter
Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend unter anderem für
Beamte der Länder. Darin eingeschlossen sind künftige Beamte, das heißt Bewerber für
das Beamtenverhältnis (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG).
47
Auch in sachlicher Hinsicht unterfallen die streitentscheidenden Regelungen der §§ 6
Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW dem Anwendungsbereich des AGG. Allerdings wird mit der
Höchstaltersgrenze nicht der Zugang zur Lehrtätigkeit an öffentlichen Schulen im Sinne
des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG beschränkt. Denn Laufbahnbewerber haben nach
Überschreitung der Höchstaltersgrenze die Möglichkeit, im Angestelltenverhältnis als
Lehrkraft im öffentlichen Schuldienst eingestellt zu werden. Die laufbahnrechtliche
Höchstaltersgrenze hat jedoch eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG ebenfalls vom
48
Anwendungsbereich des AGG erfasste unterschiedliche Ausgestaltung des
Beschäftigungsverhältnisses zur Folge. Die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen
für Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis unterscheiden sich unter anderem im Hinblick
auf das Arbeitsentgelt, die Versorgungsleistungen und die Beendigungsmöglichkeiten
maßgeblich von den entsprechenden Regelungen für Lehrkräfte im Beamtenverhältnis.
b) Die in den §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW festgelegte Höchstaltersgrenze für die
Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ist mit den Vorgaben des AGG
vereinbar. Sie enthält keine unzulässige Diskriminierung wegen Alters im Sinne des
AGG.
49
Nach § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person
wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - darunter das Alter - eine weniger
günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation,
erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die unmittelbar an das Alter anknüpfende
Höchstaltersgrenze von 35 Jahren für die Einstellung oder Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe stellt für Bewerber, die diese Höchstaltersgrenze
überschritten haben, eine Benachteiligung wegen des Alters in diesem Sinne dar.
50
Für diese Ungleichbehandlung liegt jedoch ein Rechtfertigungsgrund vor. Nach § 10
AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv
und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist (Satz 1). Die Mittel zur
Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein (Satz 2).
51
Mit der Höchstaltersregelung verfolgt der Verordnungsgeber des beklagten Landes ein
legitimes, das heißt nicht auf unsachliche Gründe zurückzuführendes Ziel aus dem
Bereich der Beschäftigungspolitik beziehungsweise des Arbeitsmarktes. Sie dient - wie
bereits dargestellt - dem Zweck, ein angemessenes Verhältnis zwischen der
Beschäftigungszeit als Beamter und dem Anspruch auf Versorgung im Ruhestand
herzustellen sowie eine ausgewogene Altersstruktur in den jeweiligen Laufbahnen zu
gewährleisten.
52
Die Sicherstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen aktiver Dienstzeit und
dem Versorgungsanspruch im Ruhestand ist wesentliche Grundlage für die
Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems. Dessen Erhaltung
liegt im wohlverstandenen Interesse der Allgemeinheit. Die Legitimität darauf zielender
Sicherungsmaßnahmen wird - soweit erkennbar - von keiner Seite ernstlich in Frage
gestellt. Auch das Gesetz selbst bringt dies an anderer Stelle nochmals besonders zum
Ausdruck: § 10 Satz 3 AGG führt Beispiele für eine unterschiedliche Behandlung wegen
des Alters an, die nach der Überschrift der Norm "zulässig" sind. Hierzu gehört die in Nr.
3 aufgeführte "Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung (...) auf Grund der
Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den
Ruhestand". Dem liegt nach den Gesetzesmaterialien,
53
vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 16/1780, S. 36,
54
zwar vor allem die Überlegung zugrunde, dass bei älteren Beschäftigten, deren
Rentenalter bereits absehbar ist, einer aufwändigen Einarbeitung am Arbeitsplatz auch
eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer einer produktiven Arbeitsleistung
gegenüberstehen muss. Der Wortlaut der Vorschrift ist aber weiter gefasst und schließt
auch das mit der laufbahnrechtlichen Altersgrenze verfolgte Ziel ein. Ausgehend davon
55
ist dieses Ziel im Sinne des Gesetzes legitim.
Dies vorausgesetzt muss die altersbedingte unterschiedliche Behandlung von
Laufbahnbewerbern auch als objektiv und angemessen betrachtet werden.
56
Vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 22. November 2005, Rechtssache C-144/04, Mangold,
Slg. 2005, S. I-09981, Rdnrn. 60 f.
57
Das gilt insbesondere für das Kriterium der Angemessenheit. Die Funktionsfähigkeit der
beamtenrechtlichen Altersversorgung stellt - wie ausgeführt - ein so gewichtiges
Anliegen dar, dass die Notwendigkeit ihrer Sicherstellung im Wesentlichen unbestritten
ist. Vor diesem Hintergrund halten sich die Einschränkungen, die der
Gleichbehandlungsgrundsatz durch die laufbahnrechtliche Altersgrenze erleidet, in
einem unbedenklichen, insbesondere verhältnismäßigen Rahmen.
58
Das vom Verordnungsgeber gewählte Mittel der Höchstaltersgrenze von 35 Jahren ist
auch im Sinne von § 10 Satz 2 AGG zur Erreichung des angestrebten Ziels
angemessen und erforderlich.
59
Das Mittel ist erforderlich, weil das angestrebte Ziel sonst nicht erreicht werden könnte.
Für die Herstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen der Zeit des aktiven
Dienstes und den Versorgungszeiten im Ruhestand ist eine Höchstaltersgrenze für die
Einstellung unvermeidbar. Allein auf diese Weise ist angesichts des nicht beliebig
hinausschiebbaren Beschäftigungsendes, die Versetzung in den Ruhestand, eine
Mindestdienstzeit gewährleistet.
60
Mit der in den §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW festgelegten Höchstaltersgrenze für die
Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe geht der Verordnungsgeber nicht über
das hinaus, was zur Erreichung des legitimen Ziels angemessen ist.
61
Bei der Beurteilung der Angemessenheit des gewählten Mittels in Relation zu dem
damit verfolgten Zweck steht dem Gesetz- beziehungsweise Verordnungsgeber ein
Gestaltungsspielraum zu:
62
Mit dem Begriff der Angemessenheit übernimmt § 10 Satz 2 AGG wortgleich die
europarechtliche Vorgabe des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG. Sowohl der
nationale als auch der europäische Normgeber haben sich damit für einen
unbestimmten Rechtsbegriff entschieden, der eine weitere Konkretisierung zulässt und
erfordert. Der Rat der Europäischen Gemeinschaft wollte damit dem Umstand Rechnung
tragen, dass der in der Richtlinie enthaltene Gestaltungsauftrag einer Umsetzung in den
Mitgliedstaaten bedarf, die keiner einheitlichen Regelung zugänglich ist. Gerade
Ungleichbehandlungen wegen Alters können aus verschiedensten Gründen
gerechtfertigt sein, die zudem aufgrund der unterschiedlichen Situation in den jeweiligen
Mitgliedstaaten erheblich voneinander abweichen können.
63
So ausdrücklich die Begründungserwägung Nr. 25 zur Richtlinie 2000/78/EG, Amtsblatt
der Europäischen Gemeinschaften vom 2. Dezember 2000, L 303/17.
64
Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, dass mit dem prinzipiellen Verbot der
Altersdiskriminierung ein europarechtlicher Ausgangspunkt gewählt worden ist, der
ohne weitreichende, den natürlichen Gegebenheiten Rechnung tragende Ausnahmen in
65
der Lebenswirklichkeit nicht praktiziert werden kann. Die notwendigen Ausnahmen
lassen sich nicht in einem Katalog umfassend und abschließend, sondern allenfalls
beispielhaft festlegen; dementsprechend ist auch eine Auffangklausel, die die
Ausnahmevoraussetzungen nur allgemein umschreibt, nicht verzichtbar. Hieraus
erklären sich Normgebungstechnik und Inhalt des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstaben a) bis
c) Richtlinie 2000/78/EG auf der einen und Satz 1 der Vorschrift auf der anderen Seite.
In Bezug auf das hier interessierende Merkmal der Angemessenheit hat das zur Folge,
dass die Mitgliedstaaten insoweit über einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl
der Maßnahmen zur Erreichung der Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik
verfügen müssen.
Ausdrücklich so EuGH, Urteil vom 22. November 2005, a.a.O., Rdnrn. 62 f.
66
Der Bundesgesetzgeber hat diese Überlegungen bei der nationalstaatlichen Umsetzung
der Richtlinie 2000/78/EG durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufgegriffen.
Mit der Beschränkung des Gesetzestextes auf allgemeine, durch unbestimmte Begriffe
umschriebene Grundsätze sollte im Hinblick auf die gerade beim Alter bestehenden
komplexen, keiner allgemein gültigen Lösung zugänglichen Zusammenhänge eine
flexible Handhabung der Ausnahmemöglichkeiten von dem grundsätzlichen
Gleichbehandlungsgebot gewährleistet werden. Begründet wurde dies damit, dass das
Merkmal Alter sich gegenüber allen anderen in § 1 des Gesetzes genannten Gründen
durch eine besondere Situation auszeichnet. Alle Beschäftigten könnten während ihres
Berufslebens ein "kritisches" Alter durchlaufen. Dies könne z. B. sowohl der Zugang
zum Beruf nach der Ausbildung für 20- jährige als auch die Verdrängung aus dem
Arbeitsmarkt für 55-jährige Beschäftigte sein. In einem Berufszweig könne die höhere
"Belastbarkeit" jüngerer Beschäftigter im Vordergrund stehen, in anderen
Berufszweigen die größere Lebens- und Berufserfahrung. Deshalb belasse es die
Vorschrift bei den europarechtlich vorgegebenen allgemeinen Grundsätzen.
67
Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum AGG, BT-Drucks. 16/1780, S. 36.
68
Auch bei der Beurteilung der Angemessenheit der streitgegenständlichen
laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze sind verschiedene Sach- und Wertungsfragen
zu beantworten. Die Vielzahl und Interdependenz der dabei zu berücksichtigen
Entscheidungskriterien schließt die Annahme nur einer zutreffenden Antwort aus.
69
Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zunächst das öffentliche Interesse, mit einer
niedrigen Altersgrenze eine möglichst lange aktive Dienstzeit der Beamten
sicherzustellen, und das gegenläufige private Interesse der Laufbahnbewerber, auch
noch in fortgeschrittenem Alter in das Beamtenverhältnis eintreten zu können. Daneben
sind aber auch weitere, ebenfalls im Allgemeininteresse liegende Gesichtspunkte zu
berücksichtigen, die diesen Ausgangspunkt relativieren können. So kann das Interesse,
qualifizierte Lehrkräfte zu gewinnen, etwa um entstandene Defizite bei der
Unterrichtsversorgung zu decken, für eine weniger strenge Altersgrenze streiten.
70
Vgl. den Runderlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung - 121-
22/03 Nr. 1050/00 - vom 22. Dezember 2000, zuletzt verlängert durch Runderlass des
Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 16. November 2004 - 211-1.12.03.03-
973 -; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31. Januar 1980 - 2 C 15.78 -, Rdnr. 27.
71
Ebenso stellen die Konkurrenz mit anderen Bundesländern und möglicherweise auch
72
mit anderen Arbeitgebern sowie die damit verbundene Gefahr der Abwanderung
qualifizierter Lehrkräfte einen Gesichtspunkt bei der Wahl der Altersgrenze dar. Auch in
tatsächlicher Hinsicht wird die Angemessenheit durch verschiedene Entwicklungen
beeinflusst, die sich allenfalls grob vorhersagen lassen. Das betrifft etwa die
Entwicklung des zahlenmäßigen Verhältnisses zwischen aktiven Beamten und
Versorgungsempfängern, die unter Umständen durch vorzeitige Zurruhesetzungen
(erheblich) verkürzte durchschnittliche Dauer der aktiven Dienstzeit oder die von der
individuellen Lebenserwartung abhängige durchschnittliche Bezugsdauer der
beamtenrechtlichen Versorgung.
Die Vielzahl dieser Gesichtspunkte lässt - wie bereits hervorgehoben - nicht nur eine
richtige Entscheidung zu. Es ist deshalb Aufgabe des demokratisch legitimierten
Gesetzgebers beziehungsweise hier der gemäß § 15 Abs. 1 LBG NRW zur Regelung
des Laufbahnrechts ermächtigten Landesregierung, den bestehenden Spielraum
auszufüllen. Die vom Normgeber getroffene Entscheidung ist infolgedessen im
gerichtlichen Verfahren nicht uneingeschränkt überprüfbar, sondern lediglich darauf, ob
die Grenzen des legislativen Gestaltungsspielraums eingehalten worden sind.
73
Der Umfang des jeweiligen Gestaltungsspielraums hängt von verschiedenen Faktoren
ab, insbesondere von der Eigenart des Sachbereichs, den Möglichkeiten, eine
hinreichend sichere Zukunftsprognose zu treffen, und der Bedeutung der betroffenen
Interessen. Demgemäß können auch der gerichtlichen Kontrolldichte unterschiedliche
Maßstäbe zugrunde liegen.
74
Vgl. zu Gestaltungsspielraum und Umfang gerichtlicher Überprüfung BVerfG, Urteil vom
1. August 1953 - 1 BvR 281/53 -, BVerfGE 3, 19 (24), Beschlüsse vom 11. Juni 1958 - 1
BvR 1/52, 46/52 -, BVerfGE 8, 1 (16, 22), vom 7. Juli 1982 - 2 BvL 14/78, 2/79, 7/82 -,
BVerfGE 61, 43 (62 f.), und vom 6. Mai 2004 - 2 BvL 16/02 -, BVerfGE 110, 353 (364).
75
Gemessen an alledem ist die Festlegung der Altersgrenze auf 35 Jahre rechtlich nicht
zu beanstanden. Der Verordnungsgeber hat den sich aus dem Verbot der
Altersdiskriminierung ergebenden Anforderungen bei der Wahl der Altersgrenze
hinreichend Rechnung getragen. Die gewählte Altersgrenze findet einen sachlichen
Grund in dem Erfordernis eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Dienstzeit und
Versorgungsanspruch. Die damit verbundene Einschränkung des Prinzips der
Gleichbehandlung stellt sich als hinnehmbar, weil im Verhältnis dazu als weniger
gewichtig dar. Die berufliche Ausbildung für den höheren Dienst im Allgemeinen (vgl. §
39 Abs. 1 LVO NRW) und das hier interessierende Lehramt an öffentlichen Schulen im
Besonderen (vgl. § 52 Abs. 1 LVO NRW) kann in aller Regel ohne Weiteres bis zum 35.
Lebensjahr abgeschlossen werden. So schließt sich an eine Regelstudienzeit von neun
Semestern für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen (vgl. § 8 LABG NRW)
beziehungsweise sieben Semestern für das Lehramt an Grund-, Haupt- und
Realschulen (vgl. § 7 LABG NRW) jeweils ein 24monatiger Vorbereitungsdienst an (vgl.
§ 7, 8 LABG NRW). Ohne Hinzutreten wesentlicher Verzögerungen kann die
Ausbildung demnach etwa bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs absolviert werden.
Die Höchstaltersgrenze erfährt zudem eine Abmilderung durch die Möglichkeiten,
verschiedene Verzögerungszeiten zu berücksichtigen, die auf den persönlichen
Lebensumständen des jeweiligen Laufbahnbewerbers beruhen, wie beispielsweise die
Geburt eines Kindes, die tatsächliche Betreuung eines minderjährigen Kindes, eines
sonstigen nahen Angehörigen oder das Vorliegen einer Schwerbehinderung (vgl. § 6
Abs. 1 LVO NRW). Über die Ausnahmeregelung des § 84 LVO NRW kann zudem
76
besonderen Fallgestaltungen Rechnung getragen werden.
Eine Überschreitung des Gestaltungsspielraums durch den Verordnungsgeber folgt
nicht daraus, dass für die "Erdienung" einer Mindestversorgung eine Dienstzeit von
etwa 19,5 Jahren ausreichend ist (vgl. § 14 Abs. 4 und 1 BeamtVG). Die zur Erlangung
der Mindestversorgung erforderliche Dienstzeit vermag allenfalls einen von mehreren
Anhaltspunkten für die Ausgewogenheit zwischen Dienstzeit und Versorgungsanspruch
zu bieten. Sie zwingt jedoch nicht zu dem Schluss, die Altersgrenze könne allein
rechtmäßig bei 45 Jahren gezogen werden. Denn neben den oben beschriebenen
Einflussfaktoren, wäre der Dienstherr bei einer Heraufsetzung der Altersgrenze auf 45
Jahre unter Umständen gezwungen, mehr Beamte einzustellen als bei der niedriger
angesetzten Altersgrenze von 35 Jahren. Der größere Personalbestand hätte höhere
Beihilfeaufwendungen und sonstige einzelfallbezogene Sonderaufwendungen,
beispielsweise im Rahmen der Unfallfürsorge (vgl. §§ 30 ff. BeamtVG), sowie einen
erhöhten Personalverwaltungsaufwand zur Folge.
77
Der Umstand, dass in anderen Bundesländern für Laufbahnbewerber des höheren
Dienstes im Hinblick auf die Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis auf
Probe überhaupt keine oder jedenfalls eine deutlich höhere Altersgrenze gilt, rechtfertigt
keine andere Entscheidung. Nach den eingangs dargestellten Grundsätzen hängt die
Beurteilung der Angemessenheit im Sinne des § 10 Satz 2 AGG und des Art. 6 Abs. 1
Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG von einer Vielzahl von Gesichtspunkten ab, die zudem
einer unterschiedlichen Gewichtung zugänglich sind und sich je nach der Situation im
jeweiligen Mitgliedstaat voneinander abweichend darstellen können. Nichts anderes
gilt, wenn die Umsetzung des in der Richtlinie enthaltenen Gestaltungsauftrags wegen
der föderalen Struktur des jeweiligen Mitgliedstaats auf der Ebene einzelner
Bundesländer oder sonstiger Gliedstaaten erfolgt. Die länderspezifischen
Besonderheiten können insoweit durchaus zu voneinander abweichenden
Entscheidungen führen, deren jede - wie auch hier die streitige Regelung - sich im
Rahmen des Zulässigen hält.
78
2.
79
Die laufbahnrechtliche Altersgrenze nach dem Recht des beklagten Landes steht auch
im Einklang mit europäischem Recht. Soweit nach Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1,
2 und Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG eine Benachteiligung wegen des Alters
grundsätzlich unzulässig ist, ergibt sich eine Rechtfertigung der streitigen Altersgrenze
aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG. Die betreffenden Vorschriften stimmen
mit der nahezu wortgleichen Regelung des § 10 Sätze 1 und 2 AGG - jedenfalls soweit
hier von Interesse - inhaltlich überein und rechtfertigen deshalb keine abweichende
Beurteilung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
81
Die Zulassung der Revision folgt aus § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil der Senat der
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
82
83