Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.12.2000

OVG NRW: besoldung, ortszuschlag, stimme, nachzahlung, familie, rechtswidrigkeit, unterlassen, vollstreckung, gerichtsverfahren, vollstreckbarkeit

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 368/99
Datum:
05.12.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 A 368/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 12 K 986/98
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Der Kläger war bis Ende September 2000 Leitender Städtischer Rechtsdirektor mit
Bezügen der Besoldungsgruppe B 2 BBesO im Dienst der Beklagten.
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Mit Schreiben vom 9. Dezember 1994 bzw. 2. Dezember 1995 machte er Ansprüche auf
amtsangemessene Alimentation für die Jahre 1994 und 1995 geltend, zugleich erhob er
Widerspruch gegen die in diesem Zeitraum ergangenen Besoldungsmitteilungen. Die
Entscheidung über den Widerspruch wurde im Einvernehmen mit dem Kläger
zurückgestellt.
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Mit Schreiben vom 28. November 1996 legte der Kläger auch Widerspruch gegen die
Besoldungsmitteilungen für das Jahr 1996 ein und führte zur Begründung aus: Ab 1996
ergäben sich verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe der Besoldung zwar
nicht mehr aus Gründen unzureichender kinderbezogener Alimentation, da ab diesem
Zeitpunkt nur noch zwei seiner Kinder zu berücksichtigen seien. Seine Besoldung sei
aber weiterhin verfassungswidrig, weil der Ortszuschlag nicht unterschiedlich
entsprechend den einzelnen Besoldungsgruppen, sondern lediglich generalisierend
nach Tarifklassen und damit nicht amtsbezogen gewährt werde.
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Mit drei Widerspruchsbescheiden vom 23. Januar 1998 wies die Beklagte die
Widersprüche des Klägers unter Bezugnahme auf die im Verfahren 12 K 6817/91 VG
Gelsenkirchen streitigen Bescheide mit der Begründung zurück, die dem Kläger
gewährte Besoldung stimme mit dem Bundesbesoldungsgesetz in der jeweils
maßgeblichen Fassung überein. Nach § 2 Abs. 1 BBesG könne eine höhere Besoldung
nicht gewährt werden.
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Am 12. Februar 1998 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen:
Die ihm für den Zeitraum von 1994 bis 1996 gewährte Besoldung stimme nicht mit den
verfassungsrechtlichen Vorgaben zur amtsangemessenen Alimentation überein. Für
1994 und 1995 sei den aus der Größe seiner Familie entspringenden Mehrbelastungen
nicht hinreichend Rechnung getragen worden. Hierzu hat er umfangreiche
Vergleichsberechnungen vorgelegt, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
Durch das Dienstrechtsreformgesetz vom 24. Februar 1997 habe sich daran nichts
Wesentliches geändert. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien zur
amtsangemessenen Alimentierung kinderreicher Beamter seien unter Berücksichtigung
des Alters der Kinder und des amtsgemäß geschuldeten Unterhaltes fortzuschreiben.
Ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 GG ergebe sich auch daraus, dass der
Basisortszuschlag generalisierend allen Beamten der Besoldungsgruppen A 13 bis B 2
in gleicher Höhe und damit nicht amtsgemäß gewährt werde. Diese Nivellierung führe
zu einem vergleichsweise geringeren Anstieg des Nettoeinkommens bei höheren
Ämtern, weil weder die mit dem höheren Amt wachsenden Unterhaltslasten gegenüber
der Ehefrau noch die steigende Steuerprogression berücksichtigt werde. Der Zuschlag
der Stufe 3 bzw. für die weiteren Kinder sei sogar bei allen Besoldungsgruppen gleich.
Danach sei auch die Besoldung im Jahr 1996 verfassungswidrig. Bei zwei Kindern
betrage der Ortszuschlag in der für ihn maßgeblichen Tarifklasse I b für 1996 1.432,--
DM, mithin 14 % des Bruttobetrages der Besoldung und sei damit kein zu
vernachlässigender Posten. Es bestehe die einfache und verfassungskonforme
Möglichkeit einer Abstufung zwischen den Besoldungsstufen A 13 und B 2 z.B. nach
Fünfteln innerhalb der Tarifklasse. Entsprechende Bedenken habe bereits das
Bundesverwaltungsgericht in dem Vorlagebeschluss vom 14. November 1985 geäußert,
darüber habe das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht entschieden.
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Der Kläger hat beantragt,
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unter Aufhebung der Widerspruchsbescheide vom 23. Januar 1998 festzustellen, dass
die ihm gewährte Besoldung von 1994 bis 1996 der Höhe nach nicht der
Alimentationspflicht des Dienstherrn (Beklagten) entsprochen hat und ihm insoweit ein
Anspruch auf höhere Besoldung zusteht.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat sie auf den Inhalt der angegriffenen Widerspruchsbescheide
verwiesen.
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Das Verwaltungsgericht hat die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur
Entscheidung über die Frage vorgelegt, ob das Bundesbesoldungs- und
Versorgungsanpassungsgesetz 1993 insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als
der Gesetzgeber es unterlassen hat, in dem Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Juli 1994 für
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verheiratete Beamte der Besoldungsgruppe B 2 BBesO mit drei unterhaltsberechtigten
Kindern kinderbezogene Gehaltsbestandteile in einer dem Grundsatz der
amtsangemessenen Alimentation entsprechenden Höhe festzusetzen. In dem bei dem
Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen 2 BvL 15/98 geführten Verfahren
hat das Verwaltungsgericht die Vorlage durch Beschluss vom 25. Februar 2000
zurückgenommen.
Mit Teilurteil vom 17. November 1998 hat das Verwaltungsgericht die Klage
abgewiesen, soweit der Kläger für den Zeitraum ab 1. Januar 1994 bis einschließlich
1996 die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Höhe seiner Besoldung aus Gründen
einer unzureichenden Differenzierung beim Ortszuschlag begehrt.
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Mit der gegen dieses Teilurteil gerichteten - vom Senat zugelassenen - Berufung macht
der Kläger geltend: Die Alimentierung im Rahmen des Basisortszuschlages und der
Zuschläge für zwei Kinder sei unzureichend. Aus diesen Besoldungsbestandteilen
müsse auch noch die restliche Alimentierung für das dritte und weitere Kind gedeckt
werden, um eine amtsangemessene Alimentierung zu erreichen, da der
Unterhaltsbedarf der weiteren Kinder durch die insoweit zu gewährenden
Besoldungsbestandteile (einen Mehrbetrag von 115 % des Sozialhilfesatzes) nicht
gedeckt werde. Jede Besoldungskomponente müsse amtsangemessen sein. Deshalb
sei eine Nivellierung der Besoldung unzulässig. Auch sonst sei die kinderbezogene
Alimentierung einer Beamtenfamilie mit zwei Kindern nicht ausreichend. Die vom
Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 24. November 1998 festgesetzte
kindesbezogene Alimentierung ab dem dritten Kind im Umfang von 115 % des
Sozialhilfesatzes sei unzureichend.
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Der Kläger beantragt,
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1. unter Änderung des Teilurteils des Verwaltungsgerichts vom 17. November 1998 und
Aufhebung der Widerspruchsbescheide vom 23. Januar 1998 festzustellen, dass die
dem Kläger gewährte Besoldung von 1994 bis 1996 nicht der Alimentationspflicht des
Dienstherrn (Beklagten) entsprochen hat und ihm insoweit eine höhere Besoldung
zusteht,
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2. die Beklagte, sobald nach verfassungsgerichtlicher Überprüfung der beanstandeten
Besoldungsregelungen der Besoldungsgesetzgeber die Alimentation nachgebessert
hat, zu verurteilen, ihm 4 % Zinsen auf den jeweiligen monatlichen Nachzahlungsbetrag
ab dem 1. des jeweiligen Monats, für den die Nachzahlung bestimmt ist, zu zahlen,
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hilfsweise,
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ihm 4 % Prozesszinsen auf die Nachzahlungsbeträge ab Klageerhebung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung trägt sie vor: Im streitbefangenen Zeitraum sei die Alimentierung einer
Beamtenfamilie mit zwei Kindern nicht unzureichend gewesen. Allenfalls könne von
einer Überalimentierung von kinderlosen oder unverheirateten Beamten ausgegangen
werden. Bei einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Besoldungsbestandteile könne nicht
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davon ausgegangen werden, dass die Differenzierungen zwischen der
Besoldungsgruppe B 2 und anderen, insbesondere niedrigeren Besoldungsgruppen
unzureichend sei. Gegen den hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, dass
mit einem höheren Amt in aller Regel auch eine höhere Besoldung verbunden sei,
werde damit offensichtlich nicht verstoßen.
Nach Inkrafttreten des Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 1999
hat die Beklagte dem Kläger im April 2000 für die Zeit von Januar bis Juli 1994
Nachzahlungsbeträge entsprechend Art. 9 des Gesetzes gewährt. Insoweit hat der
Kläger das vor dem Verwaltungsgericht anhängig gebliebene Verfahren für erledigt
erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten - auch zu den Verfahren 12 A 367/99 und 12 A 369/99 sowie der - auch
zu den vorgenannten Gerichtsverfahren - beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung in der Sache. Verfahrensrechtliche
Bedenken gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts durch Teilurteil (vgl. § 110
VwGO) bestehen nicht.
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Die Berufung ist nicht begründet.
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Aus den Gründen der Senatsentscheidung vom heutigen Tage - 12 A 369/99 -, die für
die hier streitbefangene Zeit von 1994 bis 1996 entsprechend gelten, vermag der Senat
nicht zu erkennen, dass die Alimentierung des Klägers, soweit es den hier anhängigen
Streitgegenstand betrifft, unzureichend gewesen ist. Dies gilt insbesondere, soweit er
die fehlende Differenzierung des Ortszuschlages der Stufen 1 und 2 innerhalb der
Tarifklasse I b gegenüber anderen Besoldungsgruppen bis hin zur Besoldungsgruppe A
13 BBesO beanstandet. Es gilt aber auch bei Einbeziehung der weiteren
Ortszuschlagstufen 3 und 4 nach dem BBesG, d.h. bei Berücksichtigung des ersten und
zweiten Kindes. Schließlich kann auch bei einer Gesamtbetrachtung eine
unzureichende Alimentierung einer vierköpfigen Familie eines nach der
Besoldungsgruppe B 2 besoldeten Beamten im streitbefangenen Zeitraum nicht
festgestellt werden. Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des
Bundesverwaltungsgerichtes in der Entscheidung vom 20. Juni 1996 - 2 C 7.95 -
betreffend die Zeit bis 1995 an. Entsprechendes gilt für das Jahr 1996. Es bestehen
keine Anhaltspunkte für wesentliche Änderungen der maßgeblichen Umstände in
Bezug auf diesen Zeitraum.
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Nach § 154 Abs. 2 trägt der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens. Die
Berücksichtigung der Nachzahlung gemäß dem Bundesbesoldungs- und
Versorgungsanpassungsgesetz 1999 muss der abschließenden Kostenentscheidung
des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vorbehalten bleiben. Insoweit ist das Verfahren
in der Berufungsinstanz nicht rechtshängig geworden.
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Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgen
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aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO, §
127 BRRG nicht gegeben sind.
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