Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 14.02.2007

OVG NRW: grundstück, stand der technik, bebauungsplan, öffentliche bekanntmachung, landwirtschaftlicher betrieb, grünfläche, ausschluss, ausschuss, offenlegung, gutachter

Oberverwaltungsgericht NRW, 10 D 31/04.NE
Datum:
14.02.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 D 31/04.NE
Tenor:
Der Bebauungsplan der Stadt T. Nr. 37 "B. Q.---weg " ist mit Ausnahme
der Festsetzung einer Privaten Grünfläche - Zweckbestimmung Anlage
für den Reitsport -, eines Sondergebiets Tierklinik sowie der auf diese
beiden Gebiete bezogenen textlichen und zeichnerischen
Festsetzungen unwirksam. Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin Nr. 37
"B. Q.---weg ". Er ist Eigentümer des im Plangebiet gelegenen Grundstücks Gemarkung
T. , Flur 11, Flurstück 160.
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Das Plangebiet ist aus zwei unterschiedlich strukturierten Bereichen zusammengesetzt.
Im Nordosten bzw. Osten befindet sich eine ausgedehnte Grünfläche, auf der ein
Reitplatz angelegt ist und eine Reithalle sowie als Tierklinik genutzte Baulichkeiten
errichtet sind. Hierfür setzt der Bebauungsplan eine private Grünfläche mit der
Zweckbestimmung "Anlage für den Reitsport" sowie ein Sondergebiet "Tierklinik" fest.
Alle anderen Bereiche des Plangebiets sind - abgesehen von den öffentlichen
Verkehrsflächen - als Gewerbe- oder Mischgebiete festgesetzt. Gewerbegebiete
befinden sich im nordwestlichen Teil des Plangebiets sowie im Süden auf dem Gelände
eines inzwischen stillgelegten großen metallverarbeitenden Unternehmens (C.-------- -
Gelände).
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Das nordwestlich im Plangebiet gelegene Gewerbegebiet ist in seiner Ausdehnung
identisch mit dem Grundstück des Antragstellers. Es ist in zwei Teilgebiete untergliedert,
nämlich in eine zwischen 23m und 33m tiefe an die I. Straße angrenzende Teilfläche
(GE 2) und die restliche östlich davon gelegene Fläche mit einer ungefähren
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Ausdehnung von 100m x 75m (GE 1). Auf dem Grundstück werden derzeit u.a. eine
Autowaschanlage mit mehreren Waschplätzen zur Selbstbedienung, eine Kfz-Werkstatt,
ein Fitness-Studio, eine Schlosserei sowie ein Partyservice mit Festsaal betrieben.
Während des Planaufstellungsverfahrens war zusätzlich ein U. -Markt in Betrieb, dessen
Halle nach wie vor vorhanden ist.
Das südlich im Plangebiet gelegene weitere Gewerbegebiet (C.-------- -Gelände) ist
insgesamt als GE 1 bezeichnet. Dort stehen Produktions- und Lagerhallen, deren
Nutzung inzwischen offenbar eingestellt wurde. Mischgebiete sind zwischen den beiden
Gewerbegebieten sowie westlich davon zu beiden Seiten der I. Straße (L ) angeordnet.
Sie werden überwiegend zu Wohnzwecken genutzt. In dem zwischen den beiden
Gewerbegebieten gelegenen Mischgebiet befinden sich zusätzlich ein
metallverarbeitender sowie ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Pferdehaltung. Weiter
südlich folgen im Mischgebiet östlich der I. Straße zunächst wiederum Wohnbebauung,
sodann ein M. -Markt.
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Für die Gewerbegebiete gelten im Wesentlichen folgende Festsetzungen: Betriebe der
Abstandsklassen I bis VI sind im GE 2 unzulässig, während in den als GE 1
bezeichneten Gebieten Betriebe der Abstandsklassen I bis V unzulässig und solche der
Abstandsklasse VI ausnahmsweise zulässig sind. In allen Gewerbegebieten sind
darüber hinaus Vergnügungsstätten, Bordelle und Swingerclubs ausgeschlossen. Für
den Einzelhandel gilt in allen Gewerbegebieten folgende textliche Festsetzung:
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"In den Gewerbegebieten sind unzulässig:
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Einzelhandelsbetriebe mit folgenden zentrumsrelevanten Sortimenten des mittelfristigen
Bedarfs: Textilien, Schuhe, Lederwaren, Hausrat, Werkzeug / Eisenwaren, Porzellan /
Glas, Spielwaren, Sportartikel / Camping
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Einzelhandelsbetriebe mit folgenden zentrumsrelevanten Sortimenten des langfristigen
Bedarfs: Uhren / Schmuck, Optik / Akustik, Foto, Farben / Lacke / Tapeten, Beleuchtung
/ Elektro, TV / Hifi / Video / CD, Computer / EDV
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Einzelhandelsbetriebe mit folgenden nahversorgungsrelevanten Sortimenten des
kurzfristigen Bedarfs: Lebensmittel allgemein, Fleischerei, Bäckerei-, Reformhaus /
Drogerie / Apotheken, Blumen, Papier / Büroausstattung (§ 9 (1) Nr. 1 BauGB i.V.m. § 1
(5) BauNVO)"
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In den Mischgebieten sind Vergnügungsstätten, Bordelle und Swingerclubs
ausgeschlossen. Nach der Legende zu den Planzeichen sind dort auch "Tankstellen
gemäß textlicher Festsetzung" unzulässig; allerdings findet sich in den textlichen
Festsetzungen zu diesem Aspekt nichts.
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Das Planaufstellungsverfahren nahm im Wesentlichen den folgenden Verlauf:
12
Der Ausschuss für Stadtentwicklung der Antragsgegnerin fasste am 8. Mai 2001 den
Aufstellungsbeschluss - öffentlich bekannt gemacht am 8. Juni 2001 -; einziger
Planungsanlass war nach der Begründung des Beschlusses das Bedürfnis, im
Plangebiet eine Steuerung der Einzelhandelsentwicklung zu ermöglichen. Nach
Erstellung einer Vorstudie im April 2002 wurde ein Planentwurf gefertigt, der die
Gliederung des westlichen Plangebiets in eine Abfolge von Gewerbe- und
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Mischgebieten sowie im östlichen Bereich eine private Grünfläche mit der
Zweckbestimmung "Anlage für den Reitsport" sowie ein Sondergebiet "Tierklinik"
vorsah; der Entwurf umfasste im Südosten des damaligen Plangebiets zusätzlich noch
ein Besonderes Wohngebiet. Als Planziele wurden die Sicherung der vorhandenen
Nutzungen, die Vermeidung städtebaulich unerwünschter Fehlentwicklungen
insbesondere durch eine Steuerung des Einzelhandels sowie der Erhalt der östlich
gelegenen Grünflächen festgelegt. Im April 2003 wurden eine lärmtechnische
Untersuchung durch die Ingenieurgesellschaft " " N. - überarbeitet im Juli 2003 - sowie
eine Studie zur Umweltverträglichkeit durch das Planungsbüro " " in E. vorgelegt.
In der Zeit vom 11. August bis zum 10. September 2003 wurde die frühzeitige
Unterrichtung der Bürger durchgeführt. Der Antragsteller ließ schon zuvor, durch
Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 29. April 2003, sowie erneut durch
Schreiben vom 21. August 2003 vortragen, er halte die beabsichtigte Gliederung der ihm
gehörenden Flächen nach dem Abstandserlass sowie den Ausschluss von
Einzelhandel - jedenfalls soweit Nahversorger erfasst seien - und Vergnügungsstätten
für abwägungsfehlerhaft. Er bitte auch darum, statt der vorgesehenen drei getrennten
Baufenster auf seinem Grundstück eine zusammenhängende überbaubare Fläche
festzusetzen.
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Nach Abschluss der frühzeitigen Unterrichtung der Bürger wurde das Plangebiet durch
Herausnahme der für das Besondere Wohngebiet vorgesehenen Flächen wegen
immissionsschutzrechtlicher Bedenken im Hinblick auf die unmittelbare Nähe zu dem
metallverarbeitenden Gewerbebetrieb C.-------- verkleinert. Am 30. September 2003
fasste der Ausschuss für Stadtentwicklung einen Beschluss zur Abwägung der im
Rahmen der frühzeitigen Bürgeranhörung vorgebrachten Anregungen sowie zu den
Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange, u.a. auch zu den Anregungen des
Antragstellers vom 29. April und 21. August 2003. Darin hieß es, der
Einzelhandelsausschluss benachteilige die Gewerbegebiete nicht gegenüber den
Mischgebieten, weil sich diese nach ihrer "Flächen- und Gebäudestruktur" für
Einzelhandelsbetriebe nicht eigneten. Weiter beschloss der Ausschuss die öffentliche
Auslegung des Entwurfs; diese fand in der Zeit zwischen dem 20. Oktober und dem 19.
November 2003 statt.
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In dem Entwurf der Planbegründung, der ebenfalls Gegenstand der Offenlage war,
wurde der Einzelhandelsausschluss als ein wesentliches Planungsziel bezeichnet. Zur
Erläuterung verwies die Begründung auf das Gutachten "T. : Einzelhandel,
Zentrenplanung und stadtentwicklung 2010 - Teil II" des Instituts für Stadt-, Standort-,
Handelsforschung und -beratung Dr. H. E1. & Partner GmbH E2. ( ) vom 6. Juni 2001,
wonach die überplanten Flächen weder zur Stadtmitte noch zum Erweiterungs- oder
Ergänzungsgebiet gezählt werden könnten. Im Verlauf der Offenlegung und danach
wurden noch wenige Anregungen erhoben und Stellungnahmen abgegeben; der
Antragsteller meldete sich nicht erneut.
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Am 16. Dezember 2003 nahm der Rat "zu den im Rahmen der Offenlage nach § 3 Abs.
2 BauGB zum Bebauungsplanentwurf Nr. 37 'B. Q.---weg ' vorgebrachten Anregungen
von Trägern öffentlicher Belange sowie Privater eine Abwägung aller öffentlichen und
privaten Belange untereinander und gegeneinander ... vor" und beschloss den
Bebauungsplan als Satzung. Die Vorlage hierfür enthielt die während der Offenlegung
vorgebrachten Anregungen und Stellungnahmen, nicht aber die im Rahmen der
frühzeitigen Bürgeranhörung erhobenen Einwendungen wie diejenigen des
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Antragstellers. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt am 19. Dezember 2003.
Am 4. März 2004 hat der Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt.
Zur Begründung führt er aus, der angegriffene Plan sei abwägungsfehlerhaft und
deshalb unwirksam. Die vorgenommene Gliederung der Gewerbegebiete nach der
Abstandsliste verletze das Gebot planerischer Zurückhaltung, weil die Anwendung des
§ 15 BauNVO in der Genehmigungspraxis zur Schonung angrenzender Misch- und
Wohngebiete ausreiche. Auch der Einzelhandelsausschluss sei fehlerhaft, schon weil in
den Mischgebieten Einzelhandel zulässig sei. Das Ziel, die Innenstadt zu schützen,
könne deshalb nicht erreicht werden, es gehe lediglich um Konkurrentenschutz.
Schließlich sei die Anregung des Antragstellers, ein einheitliches Baufenster für sein
Grundstück festzusetzen und nicht eine Aufteilung in drei unterschiedliche Flächen
vorzunehmen, nicht aufgenommen worden. Auch dies sei abwägungsfehlerhaft, weil es
keinen hinreichenden Grund hierfür gebe.
18
Der Antragsteller hat auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Er hat
seinen zunächst auf den gesamten Bebauungsplan bezogenen Antrag umgestellt und
beantragt nunmehr,
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den Bebauungsplan der Stadt T. Nr. 37 "B. Q.---weg " mit Ausnahme der Festsetzung
einer Privaten Grünfläche - Zweckbestimmung Anlage für den Reitsport -, eines
Sondergebiets Tierklinik sowie der auf diese beiden Gebiete bezogenen textlichen und
zeichnerischen Festsetzungen für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin hat gleichfalls auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung
verzichtet und beantragt,
21
den Antrag abzuweisen.
22
Sie ist der Meinung, der Plan sei nicht zu beanstanden. Eine Gliederung von
Gewerbegebieten nach dem Abstandserlass sei gängige Praxis; die Rechtsgrundlage
hierfür finde sich in § 1 Abs. 4 BauNVO. Auch der Einzelhandelsausschluss sei, gestützt
auf § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO, abwägungsgerecht. Aus dem in Bezug genommenen
Gutachten ergebe sich die Erforderlichkeit, die Innenstadt und die Einzelhandelsstruktur
der Antragsgegnerin zu schützen. Einzelhandelsansiedlungen an nicht integrierten
Standorten müssten daher vermieden werden. In den festgesetzten Mischgebieten
werde im Wesentlichen der Bestand überplant, so dass dort mit Neuansiedlungen von
Einzelhandel nicht zu rechnen sei.
23
Der Berichterstatter des Senats hat am 29. Januar 2007 einen Orts- und
Erörterungstermin durchgeführt; auf die Niederschrift wird verwiesen. Wegen der
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der Aufstellungsvorgänge verwiesen. Der Senat hat neben dem oben
genannten Einzelhandelsgutachten vom 6. Juni 2001 ein weiteres Gutachten desselben
Gutachters (" ") vom 19. November 1999 beigezogen.
24
Entscheidungsgründe:
25
Soweit der Antragsteller seinen Antrag zurückgenommen hat - in der Umstellung des
ursprünglich unbeschränkt gestellten Antrags liegt eine teilweise Antragsrücknahme -,
wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen ist der Antrag zulässig und begründet.
26
Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Der Antragsteller ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO antragsbefugt, da sein Grundstück im Plangebiet gelegen ist und durch die von
ihm beanstandeten Festsetzungen - u.a. den Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen -
überplant wird.
27
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Bebauungsplan Nr. 37 ist - soweit er
noch angegriffen wird - abwägungsfehlerhaft.
28
Das Gebot, die öffentlichen und privaten Belange untereinander und gegeneinander
gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB), wird verletzt, wenn eine sachgerechte
Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung an Belangen nicht
eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die
Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den
von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur
objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so
gezogenen Rahmens ist dem Abwägungserfordernis jedoch genügt, wenn sich die zur
Planung berufene Gemeinde im Widerstreit verschiedener Belange für die Bevorzugung
des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs
entscheidet.
29
Vgl. grundlegend dazu: BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1974 - IV C 50.71 -, BRS 28 Nr. 4.
30
Diesen Kriterien wird die dem Bebauungsplan zu Grunde liegende Abwägung nicht
gerecht. Der Rat der Antragsgegnerin hat in seiner Abwägungsentscheidung die
Belange des Antragstellers sowie die übrigen vor der Offenlegung eingegangenen
Einwendungen und Stellungnahmen nicht berücksichtigt. Über diese Belange hat
vielmehr ausschließlich der Ausschuss für Stadtentwicklung am 30. September 2003
befunden, der seine Entscheidung auch ausdrücklich als Abwägungsentscheidung
bezeichnet hat. Demgegenüber hat der Rat im Zusammenhang mit dem
Satzungsbeschluss nur noch über die zusätzlichen, während der Offenlegung des
Planentwurfs eingegangenen Anregungen und Einwendungen entschieden; nur diese
sind ihm mit der Sitzungsvorlage auch zur Kenntnis gebracht worden. Damit ist der Rat
seiner Pflicht, im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses eine vollständige Erfassung,
Bewertung und Abwägung aller von der Planung betroffenen Belange vorzunehmen,
aus zwei Gründen nicht gerecht geworden. Zum einen hat er einen Teil der Abwägung
einem hierzu bundesrechtlich nicht berufenen Organ überlassen; zum anderen hat die
Abwägung - unabhängig von der Frage, wer sie vorgenommen hat - zeitlich gestaffelt
stattgefunden, so dass die im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung vorgetragenen
Einwendungen und die im Laufe der Offenlegung abgegebenen Stellungnahmen nicht
zu dem allein maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses gegeneinander
abgewogen werden konnten.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Oktober 2003 - 10a B 2515/02.NE -, BRS 66 Nr. 27;
BVerwG, Urteil vom 25. November 1999 - 4 CN 12.98 -, BVerwGE 100, 118.
32
Der Umstand, dass sich der vom Rat im Zusammenhang mit der Satzung ebenfalls
beschlossenen Planbegründung einzelne Hinweise auf die Anregungen des
Antragstellers entnehmen lassen könnten, ändert nichts daran, dass die
Abwägungsentscheidung wegen Abwägungsausfalls rechtswidrig ist. Denn zum einen
werden nicht alle Einwendungen des Antragstellers in der Planbegründung aufgegriffen
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- dies gilt etwa für seine Anregung, für sein Grundstück auf eine Gliederung der
Baufläche durch mehrere Baufenster zu verzichten -, und zum anderen lässt sich aus
der Planbegründung auch hinsichtlich der übrigen Einwendungen nicht ableiten, dass
die Interessen des Antragstellers vom Rat als solche gesehen und zu den ihm
ausdrücklich vorgelegten Stellungnahmen anderer Planbetroffener in Beziehung gesetzt
worden sind.
Hiervon unabhängig ist die Abwägungsentscheidung auch insoweit fehlerhaft, als sie in
den textlichen Festsetzungen den Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen in den
Gewerbegebieten - u.a. auf dem Grundstück des Antragstellers - anordnet.
34
Der Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben kann zwar seine Grundlage in § 1 Abs. 5
BauNVO finden und, falls - wie hier - zusätzlich eine Differenzierung nach Sortimenten
vorgenommen wird, auf § 1 Abs. 9 BauNVO gestützt werden.
35
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 BN 15.99 -, BRS 62 Nr. 19; Beschluss
vom 4. Oktober 2001 - 4 BN 45.01 -, BRS 64 Nr. 28.
36
Diese Ausschlussmöglichkeiten stehen allerdings nicht im planerischen Belieben der
Gemeinde, sondern kommen nur dann in Betracht, wenn städtebauliche Gründe den
Ausschluss insgesamt bzw. besondere städtebauliche Gründe eine sortimentsbezogene
Differenzierung rechtfertigen und ihr Gewicht insbesondere das Gewicht der betroffenen
Eigentümerbelange überwiegt. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Rat der
Antragsgegnerin verfolgt ausweislich der Planbegründung mit dem angegriffenen
Bebauungsplan vornehmlich das - grundsätzlich nicht zu beanstandende - Ziel, neben
einer städtebaulichen Ordnung des durch eine Gemengelage gekennzeichneten
Plangebiets eine funktionale Schwächung der Innenstadt durch die Ansiedlung von
Einzelhandelsbetrieben an nicht integrierten Standorten zu vermeiden. Die in das
Planaufstellungsverfahren eingebrachten gutachterlichen Erkenntnisse und sonstigen
Ermittlungsergebnisse bieten jedoch keine hinreichende Grundlage für die getroffene
Abwägungsentscheidung.
37
Insbesondere vermag das in der Planbegründung (dort S. 8) in Bezug genommene
Gutachten "T. : Einzelhandel, Zentrenplanung und Stadtentwicklung 2010" vom 6. Juni
2001 nicht zu belegen, dass gewichtige öffentliche Belange für den festgesetzten
Einzelhandelsausschluss sprechen, da in dem Gutachten ein klares und
widerspruchsfreies Einzelhandelskonzept nicht erkennbar wird. Zweifel an der
Überzeugungskraft des Gutachtens ergeben sich schon daraus, dass die
Aufgabenstellung des Gutachtens nicht auf die Formulierung eines
Einzelhandelskonzepts für die Antragsgegnerin zielte, sondern dass allein die
Ansiedlung eines Lebensmittel-Vollversorgers und eines Discounters von insgesamt
2.410,92m² Verkaufsfläche am Standort "T1. N1. " zu prüfen war. Das - vom Investor
dieser geplanten Einzelhandelsansiedlung in Auftrag gegebene - Gutachten hatte
demnach als Vorfrage zwar eine Bestandsaufnahme der Einzelhandelsnutzungen im
Gebiet der Antragsgegnerin vorzunehmen, doch es zielte im Kern lediglich auf die
Prüfung der Verträglichkeit einer Einzelhandelsnutzung an einem konkreten Standort in
dem eng begrenzten Sortimentsausschnitt "Lebensmittel". Die Zweifel an der
Aussagekraft des Gutachtens werden durch den Umstand untermauert, dass das
Ergebnis des Gutachtens einem von demselben Gutachter zu demselben
Einzelhandelsstandort nur 19 Monate zuvor formulierten Gutachten deutlich
widerspricht: In einem von der Werbegemeinschaft T. in Auftrag gegebenen Gutachten
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über die Zulässigkeit eines großflächen Verbrauchermarkts am Standort der ehemaligen
Maschinenfabrik hatte der Gutachter am 19. November 1999 die Empfehlung
ausgesprochen, das Vorhaben an diesem als nicht integriert anzusehenden Standort zu
verhindern, weil es "im diametralen Widerspruch zu den (noch) im Stadtzentrum sehr
funktionsfähig bestehenden Klein- und Mittelbetrieben" stehe (S. 56 des Gutachtens
vom 19. November 1999). Demgegenüber kam der Gutachter im Juni 2001 zu dem
Ergebnis, dass die Ansiedlung von 2.400m² Verkaufsfläche an demselben Standort
"neuesten und zukunftsorientierten Entwicklungen entspreche" (S. 51 des Gutachtens
vom 6. Juni 2001), weil der Standort als Ergänzungsgebiet zur Innenstadt als integrierter
Standort zu bezeichnen sei (S. 54). Eine überzeugende Begründung dieses
grundlegenden Positionswechsels lässt sich in dem Gutachten nicht auffinden; es greift
vielmehr im Wesentlichen auf dieselben Ermittlungen zur Einzelhandelssituation zurück
wie das frühere Gutachten.
Hiervon unabhängig lässt sich dem vom Rat der Antragsgegnerin in Bezug
genommenen Gutachten eine klare und als Abwägungsgrundlage taugliche
Abgrenzung von Innenstadt und Nahversorgungsstandorten nicht entnehmen. So heißt
es in dem Gutachten vom 6. Juni 2001 einerseits, Innenstadt und Standort "N2. "
bildeten für den Einzelhandel eine Hauptachse, während bis zum Grundstück des
Antragstellers im Plangebiet eine "Nebenachse" reiche, die durch
Einzelhandelsnutzungen "in ihrem Wert gehalten" werden solle (S. 34, 31 sowie
Abbildung 8). Andererseits spricht sich der Gutachter gegen Einzelhandelsnutzungen
entlang der I. Straße aus - insbesondere gegen den dort angesiedelten und durch den
Bebauungsplan gesicherten M. -Markt (S. 46) und geht an anderer Stelle offenbar davon
aus, dass die "Nebenachse" an der I. Straße im Bereich des dort befindlichen
Gartenfachmarkts und M. endet (Abbildung 9), also nicht weiter nach Norden bis auf das
Grundstück des Antragstellers reicht, den M. -Markt offenbar aber noch umfasst. Eine
Abgrenzung von Nahversorgungsstandorten fehlt gänzlich, obwohl dies im Hinblick auf
das westlich an das Grundstück des Antragstellers angrenzende neue Wohngebiet
erforderlich gewesen wäre. Damit fehlt es an einem überzeugenden Konzept für eine
Lokalisierung von Innenstadtzentrum und Nahversorgungsstandorten, das sich zudem
mit der Frage auseinander setzen müsste, ob die geringen Entfernungen von nur jeweils
wenigen Hundert Metern zwischen Zentrum (Rathaus / Kirche) und ehemaliger N2.
einerseits sowie zwischen diesem Standort und dem Grundstück des Antragstellers
andererseits überhaupt Grundlage für eine Einstufung der betroffenen Standorte als
integrierte bzw. nicht integrierte Lage sein kann.
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Die im angegriffenen Plan getroffenen Festsetzungen wären jedoch selbst dann
abwägungsfehlerhaft, wenn tatsächlich feststünde, dass Innenstadt und
Nahversorgungsstandorte im Gemeindegebiet durch eine Ansiedlung der textlich
ausgeschlossenen Sortimente gefährdet würden. Denn dem Plan liegt auch insoweit
kein schlüssiges Konzept zu Grunde. Der Plangeber hat die textlich festgesetzten
Einzelhandelsausschlüsse auf die beiden im Plangebiet liegenden Gewerbegebiete
erstreckt, nicht aber auf die unmittelbar benachbarten - und vom Stadtzentrum ebenso
weit entfernten - Mischgebiete; demnach sind Einzelhandelsbetriebe dort nach § 6 Abs.
2 Nr. 3 BauNVO in den Grenzen etwa des § 11 Abs. 3 BauNVO zulässig. Dies ist
widersprüchlich, da eine Ansiedlung zentrenrelevanter Sortimente in den Mischgebieten
dieselben negativen Wirkungen auf die Attraktivität der Innenstadt hätte wie eine
Ansiedlung in den unmittelbar benachbarten - teilweise sogar noch näher am Zentrum
liegenden - Gewerbegebieten. Eine zureichende Erklärung dafür, warum die Ansiedlung
von Einzelhandel in den Mischgebieten nicht möglich oder sonst ausgeschlossen wäre,
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ist nicht erkennbar, zumal im südlich gelegenen Mischgebiet ein moderner
Lebensmittelmarkt betrieben und durch den angegriffenen Plan planungsrechtlich auch
abgesichert wird. Zwar hat der Ausschuss für Stadtentwicklung in Auseinandersetzung
mit den Einwendungen des Antragstellers ausgeführt, die Mischgebiete wiesen eine
"Flächen- und Gebäudestruktur" auf, die sich für Einzelhandelsbetriebe nicht eigne, so
dass eine Ansiedlung solcher Betriebe nicht zu erwarten sei. Diese Einschätzung ist
indes nicht nachvollziehbar. Auch nach Inaugenscheinnahme der betreffenden
Gebietsteile durch den Berichterstatter des Senats fehlt jede Grundlage für die
Annahme, dass eine Umnutzung vorhandener Gebäude und Flächen strukturell
unmöglich oder auch nur unwahrscheinlich wäre. Beispielsweise wäre es ohne weiteres
denkbar, dass die Baulichkeiten des im Mischgebiet gelegenen landwirtschaftlichen
Hofes oder des ebenfalls dort angesiedelten metallverarbeitenden Betriebes für
zentrenrelevante Einzelhandelsnutzungen umgenutzt werden könnten. Die angegriffene
Planung führt deshalb dazu, dass zwar die Eigentümer von Grundstücken in den
festgesetzten Gewerbegebieten die Einschränkung der Nutzbarkeit für
Einzelhandelsbetriebe hinnehmen müssen, die Eigentümer von Grundstücken in
festgesetzten Mischgebieten hingegen nicht. Das dem Plan zu Grunde liegende
Planungsziel - Schutz von Innenstadt und Nahversorgungszentren - lässt sich auf diese
Weise nicht erreichen, da es schon durch zusätzliche Einzelhandelsnutzungen in den
Mischgebieten verfehlt würde.
Damit ist das Interesse des Antragstellers am Erhalt bestehender Nutzungsrechte - auf
dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück befand sich zum Zeitpunkt des
Satzungsbeschlusses ein Getränkemarkt, der inzwischen aufgegeben worden ist -
verletzt. Es könnte zwar durch das öffentliche Interesse an einer städtebaulichen
Neuordnung des Planungsgebiets überwunden werden, jedoch nur dann, wenn dieses
öffentliche Interesse der angegriffenen Planung auch im Übrigen konsequent und
widerspruchsfrei zu Grunde läge. Denn in die Abwägung ist einzustellen, dass sich der
Entzug baulicher Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine Teilenteignung
auswirken kann.
41
Vgl. hierzu: BVerfG, Beschlüsse vom 22. Februar 1999 - 1 BvR 565/91 -, BRS 62 Nr. 69,
und vom 19. Dezember 2002 - 1 BvR 1402/01 -, BRS 65 Nr. 6.
42
Die Abwägungsfehlerhaftigkeit der Festsetzungen zur Einzelhandelssteuerung führt zu
ihrer Unwirksamkeit, da sie offensichtlich und auf das Ergebnis von Einfluss gewesen ist
(§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB a.F.). Dies hat die Unwirksamkeit des Bebauungsplans -
soweit er noch angegriffen ist - insgesamt zur Folge, da nach der Planbegründung nicht
anzunehmen ist, dass der Rat der Antragsgegnerin den Plan auch ohne die
unwirksamen Festsetzungen zur Einzelhandelssteuerung aufgestellt hätte; diese waren
vielmehr für den streitgegenständlichen Teil des Plangebiets das wesentliche Planziel.
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Vor diesem Hintergrund muss der Senat auf die weiteren Rügen des Antragstellers nicht
näher eingehen. Allerdings besteht Anlass zu der Klarstellung, dass die
Antragsgegnerin sich bei der Festsetzung zur Gliederung des Gewerbegebiets auf die
dem Abstandserlass vom 2. April 1998 ("Abstände zwischen Industrie- und
Gewerbegebieten und Wohngebieten im Rahmen der Bauleitplanung und sonstige für
den Immissionsschutz bedeutsame Abstände", Runderlass des Ministeriums für
Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft, MBl. NW. 1998, 744) als Anhang 1
beigefügte Abstandsliste beziehen durfte. Dies ist rechtlich unbedenklich, da auf der
Rechtsgrundlage des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO, wonach bei Wahrung der
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allgemeinen Zweckbestimmung u.a. für Gewerbegebiete (§ 8 BauNVO) im
Bebauungsplan Festsetzungen getroffen werden können, die das Baugebiet nach der
Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern, die derartige Gliederung eines Gewerbegebietes zulässig ist.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Januar 1998 - 4 NB 3.97 -, BRS 60 Nr. 26 und vom
18. Dezember 1990 - 4 N 6.88 -, BRS 50 Nr. 25; OVG NRW, Urteil vom 17. Oktober
1996 - 7a D 15/05.NE -,
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Ob dann, wenn auf der Planurkunde weder die Fundstelle des Abstandserlasses noch
weitere seiner Auffindung dienliche Angaben abgedruckt sind, das Gebot der
Normklarheit noch erfüllt ist, bedarf hier keiner näheren Untersuchung. Allerdings ist im
vorliegenden Fall die vollständige Abstandsliste der Planbegründung als Anlage
beigefügt; zu bemerken ist jedoch, dass zumindest der Abdruck einer Fundstelle des
Abstandserlasses ohne jeden Aufwand möglich ist und der Normklarheit dient.
46
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. September 2005 - 7 D 142/04.NE -, wo allerdings weitere
Angaben auf der Planurkunde vorhanden waren.
47
Der Senat muss sich auch nicht näher mit der Frage auseinandersetzen, ob der Rat der
Antragsgegnerin die Belange der im Plangebiet vorhandenen Betriebe - etwa die auf
dem Grundstück des Antragstellers vorhandene Autowaschanlage, Autowerkstatt und
Schlosserei - zutreffend erfasst und in ihrem Bestands- und ggf. Erweiterungsinteresse
abgewogen hat. Allerdings spricht viel dafür, dass im Planaufstellungsverfahren eine
genaue Bestandsaufnahme erforderlich gewesen wäre, um zu ermitteln, ob die
genannten Betriebe dem Stand der Technik entsprachen und ob bzw. in welchem
Ausmaß von ihnen im konkreten Fall für die angrenzende Wohnbebauung im
Mischgebiet sowie für das westlich des Plangebiets folgende Wohngebiet Störungen
ausgehen. Ebenso wenig muss der Senat die Abwägungsentscheidung darauf prüfen,
ob die Festsetzung einer Fläche zum Anpflanzen von wegbegleitenden Bäumen und
Sträuchern (als "C" bezeichnet) an der Nordgrenze des Flurstücks 160 zu rechtfertigen
ist. Dies könnte zweifelhaft sein, weil unmittelbar an das Plangebiet das Gebiet eines
weiteren Bebauungsplans mit einem festgesetzten Gewerbegebiet angrenzt, so dass
die Grünflächenfestsetzung eine in der Örtlichkeit einheitliche - im Übrigen insgesamt im
Eigentum des Antragstellers stehende - gewerbliche Baufläche durchschneidet, ohne
dass zugleich eine öffentliche Verkehrsfläche vorgesehen ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 VwGO. Der
Senat sieht von einer Kostenteilung ab, weil der Antragsteller seinen Antrag nur
hinsichtlich der Festsetzung einer privaten Grünfläche und eines Sondergebiets für eine
Tierklinik und damit - gemessen an der wirtschaftlichen Bedeutung des
Streitgegenstand für den Antragsteller - in sehr geringem Umfang fallen gelassen hat.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen
des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
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