Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.09.2005

OVG NRW: abwasser, auflage, inbetriebnahme, entsorgung, abfall, grundwasser, betriebsstörung, verordnung, bedürfnis, kanalisation

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 3537/03
Datum:
22.09.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 A 3537/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 8045/02
Tenor:
Die Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli
2003 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf wird
insoweit zugelassen, als sich die Klage gegen die Nebenbestimmungen
Nr. 22, 23 und 26 des Genehmigungsbescheids des Beklagten vom 20.
März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung
Düsseldorf vom 15. Oktober 2002 richtet. Im Übrigen wird der Antrag
abgelehnt.
Die Kostenentscheidung für das Antragsverfahren bleibt der
Entscheidung über die Berufung vorbehalten.
Gründe:
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I. Die Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2003 ergangene
Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ist gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO in dem
aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zuzulassen. Hinsichtlich der von der Klägerin
beanstandeten Bestimmungen, nach denen eine Ableitung von "Leckagen" und
Appreturflottenresten aus den Foulards der Spannrahmenanlage in die kommunale
Kanalisation unzulässig ist und deshalb die Abläufe der unter den Foulards befindlichen
Auffangwannen ständig verschlossen zu halten und nur für Reinigungsarbeiten nach
erfolgter Vorkontrolle auf wassergefährdende Stoffe zu öffnen sind, bestehen Zweifel,
die den Ausgang des Berufungsverfahrens zumindest als offen erscheinen lassen.
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1. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die durch Gebrauch verunreinigten
Appreturflottenreste seien kein Abwasser begegnet Bedenken. Mit dem Begriff
Abwasser wird im Wasserrecht nämlich sämtliches infolge einer Beeinflussung in
seinen Eigenschaften verändertes Wasser bzw. Wassergemisch verstanden,
hinsichtlich dessen ein Entledigungswille bzw. -bedürfnis besteht. Es umfasst damit
verunreinigtes oder in seinen Eigenschaften verändertes Wasser sowie sämtliche
abgehenden Wassergemische ohne Rücksicht auf die Ursache, das Ausmaß und die
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Schädlichkeit der Veränderungen oder Beimischungen. Insbesondere sind danach
Ursprung, Verwertungsmöglichkeiten, Wasseranteil und Schadstoffgehalt unerheblich.
Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 2. Oktober 2000 - 21 B 436/99 -.
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2. Wenn die Appreturflottenreste Abwasser sind, könnte sich die weitere von der
Klägerin auf Seite 19 der Antragsbegründung der Sache nach aufgeworfene Frage
stellen, ob die Voraussetzungen für eine Indirekteinleitung der Restflotten nach § 59
Abs. 2 Sätze 1 und 2 LWG i.V.m. der Genehmigungspflicht nach § 1 der
Ordnungsbehördlichen Verordnung über die Genehmigungspflicht für die Einleitung von
Abwasser mit gefährlichen Stoffen in öffentliche Abwasseranlagen vom 25. September
1989 (GV. NRW. S. 564), zuletzt geändert durch Art. 91 des Gesetzes vom 25.
September 2001 (GV. NRW. S. 708), - VGS - vorliegen, weil die Schadstofffracht in einer
öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage entsprechend den Anforderungen des § 7 a
Abs. 1 Satz 3 WHG reduziert werden kann. Schwierigkeiten würden sich insoweit
insbesondere daraus ergeben, dass die Klägerin, auch wenn sie Sicherheitsdatenblätter
der eingesetzten Grundchemikalien vorgelegt hat, bisher nicht sämtliche denkbaren
Zusammensetzungen und Konzentrationen ihrer Restflotten mitgeteilt hat. Das allein
rechtfertigt möglicherweise jedoch nicht das vorbehaltlose Verbot der Indirekteinleitung
von Appreturrestflotten, weil der Klägerin hierdurch der Nachweis im Einzelfall
abgeschnitten würde, dass die Voraussetzungen für eine Indirekteinleitung -
möglicherweise nur für einen Teil ihrer Restflotten - vorliegen.
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II. Soweit die Klage sich gegen die Nebenbestimmungen 24, 25 und 27 richtet, hat der
Antrag auf Zulassung der Berufung keinen Erfolg.
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1. Insoweit zeigt die Antragsschrift keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit des Urteils auf.
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a) Dies gilt zunächst für die Nebenbestimmung Nr. 24, wonach die Klägerin spätestens
vier Wochen vor Inbetriebnahme der Spannrahmenanlage den Entsorgungs- bzw.
Verwertungsweg für die Appreturflottenreste aus den Foulards schriftlich nachzuweisen
hat. Denn entgegen der Ansicht der Klägerin wird ihr mit dieser Auflage kein
abfallwirtschaftlicher Entsorgungs- oder Verwertungsnachweis im Sinne der
Nachweisverordnung, sondern nur der Nachweis des Entsorgungs- bzw.
Verwertungswegs abverlangt. Diese Pflicht ergibt sich aus § 4 c Nr. 4 der 9. BImSchV,
wonach die vorgesehenen Maßnahmen zur Beseitigung nicht zu vermeidender oder zu
verwertender Abfälle anzugeben sind, einschließlich der rechtlichen und tatsächlichen
Durchführbarkeit dieser Maßnahmen und der vorgesehenen Entsorgungswege.
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Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2005 - 8 A 2228/03 -.
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Eine möglicherweise zulässige Einleitung der Restflotten in die kommunale
Abwasserbehandlungsanlage stellt die Notwendigkeit nicht in Frage, die vorgesehenen
Entsorgungswege anzugeben und die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der
vorgesehenen Entsorgung nachzuweisen, weil die Restflotten bis zu einer solchen
Einleitung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 KrW-/AbfG als Abfall im Sinne des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes anzusehen sind. Sofern die Klägerin im Laufe
des Berufungsverfahrens den Nachweis erbringt, dass alle oder bestimmte
Appreturflottenreste in die öffentliche Abwasserbehandlungsanlage eingeleitet werden
dürfen, kommt auch dieser Entsorgungsweg in Betracht, ohne dass es einer Änderung
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der Nebenbestimmung Nr. 24 bedürfte.
b) Hinsichtlich der Nebenbestimmung Nr. 25 hat die Klägerin ernstliche Zweifel an der
Richtigkeit des Urteils nicht hinreichend dargelegt. Sie räumt die grundsätzliche
Zulässigkeit einer solchen Nebenbestimmung ausdrücklich ein und stellt auch nicht in
Zweifel, dass ihre Anlage den Pflichten des § 19 g WHG unterliegt. Demgegenüber
zeigt sie nicht auf, weshalb es, wie sie meint, eines klarstellenden Hinweises bedürfen
könnte, dass die Indirekteinleitung von Restflotten keine Betriebsstörung darstelle. Die
Erforderlichkeit eines solchen Hinweises erschließt sich nicht ansatzweise, weil sich die
Nebenbestimmung nur auf solche Betriebsstörungen bezieht, bei denen nicht
ausgeschlossen werden kann, dass wassergefährdende Stoffe in den Untergrund bzw.
in das Grundwasser gelangen können. Die Zulässigkeit der Indirekteinleitung wird durch
diese Bestimmung allein nicht in Zweifel gezogen.
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c) Ähnliches gilt für die Nebenbestimmung Nr. 27. Ernstliche Zweifel werden nicht
hinreichend durch die Behauptung dargelegt, diese Bestimmung könne ohne Nr. 22 bis
26 nicht bestehen bleiben. Damit ist nicht im Ansatz aufgezeigt, weshalb die behauptete
Zulässigkeit einer Indirekteinleitung gebrauchter Appreturflotten etwas daran ändern
sollte, dass die Anlage der Klägerin eine Anlage zum Umgang mit wassergefährdenden
Stoffen ist und den dafür geltenden Pflichten unterliegt (§ 19 i Abs. 2 Sätze 1 und 2
WHG).
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2. Aus den unter 1. angeführten Gründen zeigt die Antragsschrift hinsichtlich der dort
angesprochenen Bestimmungen keine tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten
auf. Insoweit wirft sie auch keine klärungsbedürftige und entscheidungserhebliche
Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
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