Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.04.2007

OVG NRW: schutz der ehe, verfassung, doppelehe, kompetenz, ausländerrecht, bad, anknüpfung, ausreise, lebensgemeinschaft, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 A 3047/06
Datum:
25.04.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 A 3047/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 12 K 9961/03
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 EUR
festgesetzt.
Gründe:
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Es kann dahinstehen, ob der Antrag auf Zulassung der Berufung aufgrund der
freiwilligen Ausreise des Klägers und des damit möglicherweise verbundenen Wegfalls
des Rechtsschutzinteresses ganz oder teilweise unzulässig geworden ist. Der Antrag ist
jedenfalls unbegründet.
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Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Die vom Kläger aufgeworfene
Frage,
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„ob ein Verwaltungsgericht im Rahmen eines Verwaltungsstreitverfahrens befugt ist,
inzidenter Aussagen über das Vorliegen von Eheaufhebungsgründen gemäß §§ 1313,
1314 BGB zu treffen, also über Fragen zu entscheiden, die nach bürgerlichem Recht
dem zuständigen Amtsgericht/Familiengericht obliegen",
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bedarf keiner grundsätzlichen Klärung. Die Frage ist zweifelsfrei zu bejahen.
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Gesetzliche Regelungen, die wie § 27 Abs. 1 AufenthG, § 17 Abs. 1 AuslG 1990 an
diejenige Lebensgemeinschaft zwischen Frau und Mann anknüpfen, die als Ehe den
Schutz der Verfassung genießt, müssen die wesentlichen, das Institut der Ehe
bestimmenden Strukturprinzipien beachten, die sich aus der Anknüpfung des Art. 6 Abs.
1 GG an vorgefundene, überkommene Lebensformen in Verbindung mit dem
Freiheitscharakter des verbürgten Grundrechts und anderen Verfassungsnormen
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ergeben. Hierzu gehört unter anderem das Prinzip der Einehe. Die Anwendung zu
strenger oder zu geringer Voraussetzungen bei der Auslegung und Anwendung von an
das Institut der Ehe anknüpfend gesetzlichen Regelungen ist mit den sich aus der
Verfassung selbst ergebenden Strukturprinzipien unvereinbar.
BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 1971 - 1 BvR 636/68 -, juris, Rdn. 35.
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Danach ist es mit den Strukturprinzipien der Ehe vereinbar, dass das
Verwaltungsgericht und auch der Beklagte die Frage, ob der Kläger eine
verfassungswidrige und gegen § 1306 BGB verstoßende Doppelehe geführt hat, geprüft
haben, obwohl hierüber keine familiengerichtliche Entscheidung im
Aufhebungsverfahren (§ 1314 Abs. 1 iVm § 1306 BGB) erfolgt ist. Der
verfassungsrechtliche Schutz der Ehe gemäß Art. 6 Abs. 1 GG, an den § 27 Abs. 1
AufenthG, § 17 AuslG 1990 anknüpfen, erfordert es nicht, dass einem Gericht die
ausschließliche Kompetenz zur Feststellung einer Doppelehe übertragen wird. Zwar
mag eine solche Übertragung im Rahmen des Gestaltungsspielraums des
Gesetzgebers verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein. Der Gesetzgeber hat
jedoch weder im Bürgerlichen Gesetzbuch noch im Ausländerrecht eine ausschließliche
Prüfungskompetenz der Familiengerichte normiert.
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Im Ergebnis ebenso: VGH Bad.- Württ., Beschluss vom 15. August 2005 - 13 S 951/04 -,
juris, Rdn. 6.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 72 Nr. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1
Satz 5 GKG).
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