Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 10.12.2004

OVG NRW: flughafen, vergleich, auflage, zahl, luftverkehr, start, vereinigtes königreich, angemessener ersatz, schallschutz, beschränkung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberverwaltungsgericht NRW, 20 D 155/00.AK
10.12.2004
Oberverwaltungsgericht NRW
20. Senat
Urteil
20 D 155/00.AK
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Klägerinnen und Kläger tragen die Kosten ihrer jeweiligen Verfahren,
die bis zur Verbindung entstanden sind. Von den Kosten nach der
Verbindung tragen die Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2. sowie der
Kläger des Verfahrens zu 3. je 5/29 und die Klägerinnen und Kläger in
den Verfahren zu 4. und 5. je 1/29 der Kosten. Die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der
jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen und Kläger (im Weiteren: Kläger) sind Gemeinden und Private aus der
Umgebung des von der Beigeladenen betriebenen Verkehrsflughafens Düsseldorf. Sie
wenden sich gegen die mit der angefochtenen Genehmigung zugelassene Erhöhung der
Flugbewegungen an diesem Flughafen.
Die beiden Gemeinden (Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2.) liegen mit dicht
besiedelten Ortsteilen (C. und U. ) in der nordöstlichen bzw. südwestlichen Verlängerung
der Hauptstart- und -landebahn des Flughafens. Sie besitzen öffentliche Einrichtungen
(Schulen, Kindertagesstätten, Kindergärten, Altentagesstätten, Wohnheime und Friedhöfe)
sowie Wohngrundstücke im Flughafennahbereich. Der Kläger des Verfahrens zu 3. betreibt
Krankenanstalten auf Flächen nordwestlich der Parallelbahn des Flughafens. Die übrigen
Klägerinnen und Kläger sind Eigentümer selbstgenutzter Grundstücke in E. , N. und S. ,
seitlich oder unterhalb der An- und Abflugstrecken.
Der Verkehrsflughafen Düsseldorf verfügt über ein abhängiges Parallelbahnsystem. Im
Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um die Verlängerung der Hauptbahn und den
Bau der zweiten Bahn schlossen u.a. die Beigeladene und Gemeinden des damaligen
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Amtes Angerland am 13. Mai 1965 einen Vergleich, den so genannten Angerland-
Vergleich, in dem einem Generalausbauplan, der die Parallelbahn umfasst, als
Endausbauzustand zugestimmt und die Nutzung der zweiten Bahn beschränkt wurde.
Vergleich a) 1. Teil A II lautet:
"Die beigeladene DFG erklärt: Die im Generalausbauplan ... vorgesehene Parallelbahn ist
eine Ausweichbahn, d.h. diese Bahn wird ... nur in den Zeiten der Betriebsunterbrechung
der Hauptstartbahn und sonst in den Zeiten des Spitzenverkehrs über Tage betrieben. ..."
In der Genehmigung zur Erweiterung der Anlage um die Parallelbahn (im Folgenden:
Erweiterungsgenehmigung) vom 3. Oktober 1976 ist unter Auflage Nr. 6 verfügt:
"Die Anzahl der Flugbewegungen auf den Start- und Landebahnen 06 R/24 L und 06 L/24
R darf die mögliche Endkapazität der vorhandenen Start- und Landebahn 06/24 nicht
übersteigen. Deshalb dürfen 91.000 Flugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten
Monaten des Jahres nicht überschritten werden."
Der Plan für die Parallelstart- und -landebahn wurde dann mit Beschluss vom 16.
Dezember 1983 und Planänderungsbeschluss vom 18. November 1985 festgestellt. In
Anpassung an das Ergebnis dieses Planfeststellungsverfahrens wurden die
flugbewegungsbegrenzenden Betriebsregelungen der Auflagen Nrn. 5 und 6 der
Erweiterungsgenehmigung durch Bescheid vom 25. November 1992 neu gefasst:
Auflage Nr. 5:
"Die Start- und Landebahn 06 L/24 R - jetzt 05 L/23 R - darf nur in den Zeiten der
Betriebsunterbrechung der Start- und Landebahn 06 R/24 L und sonst in den Zeiten des
Spitzenverkehrs über Tage (06.00 - 22.00 Uhr Ortszeit) benutzt werden.
Zeiten des Spitzenverkehrs sind dann gegeben, wenn für Luftfahrzeuge im Luftraum oder
am Boden Wartezeiten bestehen."
Auflage Nr. 6:
"Die Anzahl der Flugzeugbewegungen auf den Start- und Landebahnen 06 R/24 L und 06
L/24 R - jetzt 05 R/23 L und 05 L/23 R - darf die mögliche Endkapazität der vorhandenen
Start- und Landebahn 06/24 - jetzt 05/24 - nicht übersteigen. Deshalb darf die Zahl von
91.000 Flugzeugbewegungen, davon 71.000 Bewegungen im gewerblichen Luftverkehr mit
Flugzeugen über 5,7 t höchstzulässiger Startmasse, in den sechs verkehrsreichsten
Monaten eines Jahres auf dem Parallelbahnsystem nicht überschritten werden.
Darüber hinaus dürfen die vom Flugplankoordinator der Bundesrepublik Deutschland ...
koordinierten Flüge im gewerblichen Luftverkehr mit Flugzeugen über 5,7 t
höchstzulässiger Startmasse die Zahl von 34 Flugzeugbewegungen pro Stunde (Eckwert)
nicht übersteigen.
Der vorgenannte Eckwert von 34 Flugzeugbewegungen darf nur in bis zu sechs Stunden
zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr ausgeschöpft werden. In den übrigen Stunden
zwischen 06.00 Uhr und 22.00 Uhr dürfen nicht mehr als 30 Flugzeugbewegungen pro
Stunde koordiniert werden."
Bevor die Auflage Nr. 6 Beachtung verlangt hätte - was infolge der aufschiebenden
Wirkung anhängiger Klagen bis zum Juni 2000 nicht der Fall war -, ersetzte der Beklagte
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sie zunächst durch eine "Genehmigung zur Änderung der Betriebsregelung für das
Parallelbahnsystem des Verkehrsflughafens Düsseldorf" vom 10. Dezember 1997 (MBl.
NRW 1998, 912 - so genannte "Lärmkontingent- Genehmigung"), hob diese aber mit
Bescheid vom 28. März 2001 ersatzlos auf, nachdem sie durch den erkennenden Senat in
mehreren Verfahren mit Wirkung vom 1. November 1999 außer Vollzug gesetzt worden war
(Beschlüsse vom 28. Mai 1999 - 20 B 675/98.AK u.a.).
Die Beigeladene beantragte daraufhin unter dem 26. August 1999 die Erteilung einer
neuen Genehmigung, mit der u.a. die Auflage Nr. 6 auf ihren bisherigen Satz 1 beschränkt
werden sollte ("Hauptantrag"). Ergänzend beantragte sie unter dem 1. September 1999, für
die Zeit bis zur Erteilung der neuen Genehmigung die in den sechs verkehrsreichsten
Monaten des Jahres 1999 koordinierten Flugzeugbewegungen zuzulassen
("Interimsantrag").
Der Beklagte setzte zunächst durch eine von ihm so bezeichnete "Interimsgenehmigung"
vom 2. November 1999 die Anzahl der Flugzeugbewegungen in den sechs
verkehrsreichsten Monaten eines Jahres im Linien- und Charterflugverkehr
übergangsweise auf höchstens 95.600 fest; ferner legte er neue Stundeneckwerte als
Vorgaben für die Flughafenkoordinierung fest. Die Interimsgenehmigung sollte bis zur
Entscheidung über den Hauptantrag, längstens bis zum 24. März 2001 gelten. Sowohl die
vorläufigen Rechtsschutzverfahren wie die Klageverfahren hierzu sind abgeschlossen
(OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Mai 2000 - 20 B 2119/99.AK u.a. - und Urteile vom 10.
Oktober 2002 - 20 D 131/99.AK u.a. -).
Im Genehmigungsverfahren zur Erteilung der vorliegend streitigen Änderungsgenehmigung
- auf den oben bezeichneten "Hauptantrag" der Beigeladenen hin - beauftragte der
Beklagte die Bezirksregierung E. mit der Durchführung eines Beteiligungsverfahrens. Der
Öffentlichkeit und den betroffenen Gemeinden, unter anderem den Klägerinnen der
Verfahren zu 1. und 2., wurde unter Auslegung der Antragsunterlagen, die durch das
Kapazitätsgutachten des Prof. Dr. N. vom Januar 1995 ergänzt wurden, Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben. Hiervon haben die Kläger Gebrauch gemacht.
Unter dem 21. September 2000 erteilte der Beklagte sodann die angefochtene
"Genehmigung zur Änderung der Betriebsregelung für das Parallelbahnsystem" (so
genannte "Einbahnkapazitäts-Genehmigung", MBl. NRW 2000, 1523 - im Folgenden:
Änderungsgenehmigung). Mit ihr wurden - unter Ablehnung des Antrags im Übrigen - die
Auflagen Nrn. 6 und 9 der Betriebsgenehmigung neu gefasst. Unter Nr. 6.1 heißt es, die
Anzahl der Flugzeugbewegungen auf den Start- und Landebahnen dürfe die mögliche
Endkapazität der Hauptstart- und -landebahn nicht übersteigen. Unter Nr. 6.2 werden für
den Linien- und Charterflugverkehr Koordinierungseckwerte für einzelne Zeiträume
festgelegt, nämlich zwischen 6.00 und 21.00 Uhr 36 Slots pro Stunde, zwischen 21.00 und
22.00 Uhr 35 Slots und zwischen 22.00 und 23.00 Uhr in der Winterflugplanperiode 15, in
der Sommerflugplanperiode 25 Slots. Maßgebend für die Einhaltung der Eckwerte ist der
jeweils letzte Stand der Koordination vor dem Flugereignis. Unter Nr. 6.3 ist eine
Erweiterungsstufe festgelegt, in der unter näher bezeichneten Voraussetzungen ab der
Sommerflugplanperiode 2001 eine Erhöhung des Eckwertes für die Zeit von 6.00 bis 21.00
Uhr um bis zu 2 Slots pro Stunde, insgesamt also 38 Slots, im Linien- und
Charterflugverkehr zulässig ist. Für "sonstige Flüge nach Instrumentenflugregeln" gestattet
Nr. 6.4 eine Koordinierung von zusätzlich 2 Flugzeugbewegungen pro Stunde. Auflage Nr.
9.1 definiert ein Tagschutzgebiet durch die Grenzlinie eines äquivalenten
Dauerschallpegels nach Fluglärmgesetz von 62 dB(A) (Karte 1 zur Genehmigung), Auflage
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Nr. 9.2 ein Nachtschutzgebiet durch eine Grenzlinie von 6 Maximalpegeln mit (mindestens)
75 dB(A) (Karte 6 zur Genehmigung). Innerhalb dieser Gebiete hat die Beigeladene nach
näher bestimmten Maßgaben Eigentümern Aufwendungen für bauliche
Schallschutzmaßnahmen zu erstatten. Unter Nr. 10 ist ein Auflagenvorbehalt angefügt. Die
Änderungsgenehmigung ist der Beigeladenen zugestellt und öffentlich bekanntgemacht
worden.
Die Kläger haben gegen die Änderungsgenehmigung jeweils rechtzeitig Klage erhoben,
die der Senat zur gemeinsamen Entscheidung verbunden hat, und wegen der Anordnung
der sofortigen Vollziehung um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht, der vom
erkennenden Senat abgelehnt worden ist (Beschlüsse vom 24. Mai 2002 - 20 B
1600/00.AK, 1632/00.AK, 1802/00.AK, 1861/00.AK und 730/01.AK -, im Weiteren:
Beschlüsse 2002).
Da in den Beschlüssen Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Abwägung der
berührten Belange erhoben worden waren, hat der Beklagte während des Klageverfahrens
ein so genanntes ergänzendes Verfahren durchgeführt und dieses mit einer Entscheidung
vom 5. Juni 2003 (im Folgenden: ergänzende Entscheidung) abgeschlossen. Darin sind
die Auflagen Nrn. 9.1 und 9.3 der Änderungsgenehmigung neu gefasst worden. Das
Tagschutzgebiet wird nunmehr durch die Grenzlinie eines äquivalenten Dauerschallpegels
(Leq3) von 60 dB(A) bestimmt (Karte 1 der ergänzende Entscheidung).
Erstattungsansprüche bestehen auch, soweit sie auf der Grundlage der bisherigen
Regelungen noch nicht geltend gemacht worden waren; die Begrenzung auf einen
prozentualen Höchstbetrag ist fallengelassen und schließlich wird insofern ein
Nacherstattungsanspruch in Höhe des Differenzbetrages zwischen den tatsächlich
aufgewendeten Kosten und dem bisherigen Erstattungsbetrag begründet. In Nr. 9.3 wird die
Zahlung einer Entschädigung für die Nutzungsbeeinträchtigung bestimmter
Außenwohnbereiche angeordnet. Das Entschädigungsgebiet wird durch die Grenzlinie
eines äquivalenten Dauerschallpegels von 65 dB(A) gebildet (Karte 2 zur ergänzenden
Entscheidung), der Entschädigungsbetrag beträgt 2 % des nach näherer Maßgabe zu
ermittelnden Verkehrswertes des Grundstücks. Die ergänzende Entscheidung ist der
Beigeladenen am 6. Juni 2003 mit Empfangsbekenntnis zugeleitet worden. Die Kläger
haben sie über das Gericht erhalten.
Zur Begründung ihrer Klage greifen die Kläger die Änderungsgenehmigung in der Fassung
des ergänzenden Bescheides umfassend an und machen im Wesentlichen geltend:
Die Genehmigung bleibe auch in der nachgebesserten Form rechtswidrig und verletze sie
in ihren Rechten. Sie sei zahlenmäßig unbestimmt und widersprüchlich. Das Kriterium der
Einbahnkapazität, das als begrenzendes Betriebselement aus dem Angerland-Vergleich
herzuleiten sei, sei unbestimmt und damit ungeeignet, eine Begrenzung des Betriebs zu
bewirken. Die festgelegten Koordinierungseckwerte definierten die Einbahnkapazität nicht
hinreichend und seien zur Festlegung der maximalen Flugbewegungszahl ungeeignet, wie
die unterschiedlichen Zahlenangaben in der Änderungsgenehmigung belegten. Die
Einbahnkapazität werde vom Beklagten wegen fehlerhafter Gutachten zu hoch angesetzt.
Dies weise insbesondere die von der Klägerin des Verfahrens zu 2. in der mündlichen
Verhandlung vorgelegte Gutachterliche Stellungnahme der g. B. D. & Partners vom 16.
November 2004 nach. Es dürften nur so viele Slots vergeben werden, wie vollständig auf
der Hauptbahn abgewickelt werden könnten. Eine darüber hinausgehende Mitbenutzung
der Parallelbahn verstoße gegen den Angerland- Vergleich. Zur Festsetzung von
Koordinierungseckwerten sei der Beklagte auch nicht zuständig.
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Auch die übrigen vom Beklagten ausgewerteten Gutachten seien falsch. Das gelte
insbesondere für das lärmphysikalische und das lärmmedizinische Gutachten, das
Gutachten über die Luftverunreinigungen und das Flugsicherheitsgutachten. Das
lärmphysikalische Gutachten beruhe mit der "AzB99" auf einer unbekannten und ihnen,
den Klägern, lange Zeit nicht zugänglichen Grundlage. Das Betriebsrichtungsverhältnis sei
mit 80:20 falsch ermittelt. Eine solche idealtypische Verteilung sei in der Praxis nicht
erreichbar; tatsächlich schwanke es in Kurzzeiträumen zwischen 20 und 60 %, im längeren
Mittel zwischen 20 und 30 %. Die gebotene worst-case-Betrachtung der Lärmbelastung in
Kurzzeiträumen mit jeweils 100 % Starts oder Landungen (100:100-Betrachtung) sei nicht
angestellt worden. Die angenommenen Flugrouten seien überholt; insofern hätte, jedenfalls
im Zeitpunkt der ergänzenden Entscheidung, eine vorsorgliche Alternativbetrachtung
erfolgen müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei denkbarer Flugverkehr nicht
abgewogen worden. Die Berücksichtigung der Flugroutenänderungen vom 13. Juli und 25.
Oktober 2000 im Datenerfassungssystem (DES) des Flughafens hätte dessen Ergebnisse
verändert und das Abwägungsergebnis beeinflusst; insofern beantragen die Kläger der
Verfahren zu 3. und 4. hilfsweise, Beweis durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens zu erheben. Das Nachtschutzgebiet sei anhand von
Maximalpegeln nach der AzB ermittelt worden, was unzulässig sei. Die Pegel seien zudem
in "slow" angegeben worden, müssten also für die Wirkungsbetrachtung noch um 2,4 bis 4
dB(A) erhöht werden. Aufgrund der Fehler sei davon auszugehen, dass tatsächlich eine
deutlich höhere Lärmbelastung auftrete als im lärmphysikalischen Gutachten ausgewiesen.
Das lärmmedizinische Gutachten K./T. sei widersprüchlich und grob fehlerhaft, die
angelegten Kriterien wissenschaftlich nicht haltbar. Der Schalldämmwert eines gekippten
Fensters werde zu hoch angesetzt. Die von der Genehmigung ermöglichte Häufung der
Einzelschallereignisse sei vom Beklagten völlig ausgeblendet worden. Gerade dies sei
aber besonders belastend. Die Lärmpausen in stark beanspruchten Zeiten hätten deutlich
abgenommen. Die in der ergänzenden medizinischen Stellungnahme K./T. vom April 2003
gezogene Schlussfolgerung, die Steigerung der Einzelschallereignisse von 30 bis 34 auf
40 pro Stunde sei irrelevant bzw. sogar noch günstig, sei paradox und unschlüssig; für sie
fehle, wie die Gutachter selbst einräumten, jede wissenschaftliche Basis. Die Aussagen zur
Bewertung der Maximalpegel seien unzureichend. Zu Unrecht hätten die Gutachter den
Vorschlag des Umweltrates verworfen, als zusätzliches Beurteilungskriterium die täglich 10
höchsten Maximalpegel einzubeziehen. Insofern dränge sich die Einholung eines weiteren
Gutachtens auf. Der teilweise besonders belastende Bodenlärm und der Umkehrschub
seien nicht hinreichend berücksichtigt. Eine lärmpsychologische Begutachtung sei gar
nicht erst erfolgt. Auch die gebotene Summation und Gesamtbeurteilung der Lärmbelastung
aus Flugverkehr und anderen Verkehrsvorgängen sei nicht vorgenommen worden, obwohl
alle Quellen zusammen zu einer gesundheitsgefährdenden Gesamtbelastung führten. Eine
Summationsbetrachtung des einwirkenden Gesamtlärms sei aber, insbesondere auf der
Grundlage der Umgebungslärmrichtlinie der EG, möglich und wäre zu einem Ergebnis
gekommen, welches das Abwägungsergebnis beeinflusst hätte; insofern beantragen die
Kläger der Verfahren zu 2. bis 4. hilfsweise, Beweis durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens zu erheben.
Auch das Emissionsgutachten hinsichtlich der Luftverunreinigungen sei unter jedem
denkbaren Gesichtspunkt fehlerhaft. Es werde keine vergleichende Betrachtung von Vor-
und Zusatzbelastung angestellt, austauscharme Wetterlagen würden übersehen,
Belastungsspitzen weggemittelt und spekulative Annahmen zugrunde gelegt. Das
Gutachten leide auch an fehlender Betrachtung von Emissionsorten, fehlender Summation,
unrichtigen Annahmen zur Rollgeschwindigkeit und Startrichtungsverteilung, an
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unzureichender Auffächerung der Komponenten, unterbliebener Begutachtung der Boden-
und Grundwasserverunreinigung, Vernachlässigung der Motorentestläufe und fehlendem
Heranziehen des Gutachtens zur Lärmkontingen-Genehmigung. Der Lärmminderungsplan
der Klägerin des Verfahrens zu 2., der mit öffentlicher Bekanntmachung vom 21. März 2002
verbindlich geworden sei, sei in keiner Weise gewürdigt worden, obwohl er belege, dass im
Untersuchungsgebiet Lärmminderungen erforderlich seien. Das Flugsicherheitsgutachten
sei wegen ungeklärter Methodik und unzutreffender Berücksichtigung der
Betriebsrichtungen nicht ausreichend.
Infolge dieser insgesamt fehlerhaften Grundannahmen seien sie, die Kläger, in ihrem Recht
auf gerechte Abwägung verletzt. Der Abwägungsvorgang erwecke insgesamt den
Eindruck, der Beklagte habe sich nur lückenhaft und oberflächlich mit den Einwänden
befasst.
Ausgangsbasis für die Beurteilung sei nach wie vor der Planfeststellungsbeschluss
1983/1985. Der Beklagte habe die Grundstruktur des dort getroffenen Interessenausgleichs
beseitigt und Begrenzungen entfallen lassen, denen wesentlich lärmbegrenzende Funktion
zugunsten der Flughafenumgebung zugekommen sei. Eine Rechtfertigung hierfür sei nicht
gegeben, weil das Vorhaben nicht die ihm vom Beklagten zugesprochene überragende
Bedeutung habe. Das Wegfallen flugbetrieblicher Beschränkungen führe zu einer
gleichmäßigen Maximalauslastung des Flughafens, die nur unter permanenter und
unzulässiger Mitbenutzung der Parallelbahn zu bewältigen sei und eine gänzlich andere
Lärmbelastung mit sich bringe. Diese Konsequenzen habe der Beklagte gar nicht in den
Blick genommen. Dem Wegfall der Beschränkungen stehe kein genügender Ausgleich
gegenüber. Es sei unzureichend, den Interessenausgleich nur über baulichen Schallschutz
und Zahlungsauflagen herbeiführen zu wollen. Die Problematik der Verlärmung der
Außenwohnbereiche sei ungelöst geblieben. Der Verlust der Nutzbarkeit von
Außenanlagen werde durch Schallschutzmaßnahmen naturgemäß nicht ausgeglichen. Die
Entschädigungszahlungen könnten die Beeinträchtigung der Gesundheit nicht
ausgleichen; die Höhe der Entschädigung sei reine Kosmetik. Die erhebliche Zunahme der
Maximalpegel könne nicht allein dadurch kompensiert werden, dass die Fenster
geschlossen gehalten werden müssten; das Lüften sei notwendig.
Die Situation besonders schutzwürdiger Bevölkerungsgruppen wie Kinder oder Anwohner
mit Vorerkrankungen sowie der Kranken in den Anstalten des Klägers des Verfahrens zu 3.
sei nicht gesehen worden. Auch lärmempfindliche Einrichtungen seien unberücksichtigt
geblieben. Darin liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den
Eigentümern von Wohngebäuden. Denn lärmbetroffene Gebäude und Grundstücke mit
öffentlichen Einrichtungen, die in hohem Maße von besonders lärmempfindlichen
Menschen benutzt würden, seien ganz überwiegend keine Wohngebäude und würden von
den baulichen Schallschutzansprüchen auch der ergänzenden Entscheidung nicht
begünstigt. Kindergartenhöfe, Schulhöfe, Friedhöfe und der Bauhof seien in ihrer
Funktionsfähigkeit auf die Nutzung von Außenbereichen über längere Zeit angewiesen.
Auch hinsichtlich der Nachtzeit sei ein weitgehender Ausfall der Abwägung festzustellen. In
der Sommerperiode, in der die Außenbereiche bis in die Nacht hinein genutzt würden,
seien nunmehr 25 Flüge zulässig. Das Nachtschutzziel nach K. sei unzureichend. Die
kürzlich veröffentlichte Studie des DLR zu den Wirkungen von Nachtfluglärm belege, dass
gesundheitsgefährdende Aufwachreaktionen bereits ab 33 dB(A) zu verzeichnen seien.
Den Gemeinden im Umland, wie den Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2., werde die
Erfüllung ihrer Aufgaben als örtliche Trägerinnen der öffentlichen Verwaltung unmöglich
gemacht. Eine Eigenentwicklung sei praktisch ausgeschlossen. Bei der nunmehr
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zugelassenen Betriebsausweitung werde der Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie
verletzt.
Naheliegende Alternativen zur genehmigten Betriebsausweitung, wie die Kooperation mit
anderen Flughäfen oder die Verlagerung auf andere Verkehrsmittel, seien ausgeblendet
worden. Auch eine Reduzierung der Slots sei, zumindest zu bestimmten Zeiten, problemlos
möglich. Der Flugbetrieb an Wochenenden, die der Erholung und Freizeit dienten, sei nicht
zutreffend gewichtet worden; da diese Zeiten weniger nachgefragt würden und keine
operationellen Beeinträchtigungen der Fluggesellschaften zu befürchten seien, reichten
Pauschalargumente zur Ablehnung von Einschränkungen nicht aus.
Eine Rechtfertigung für die Mehrbelastung der Umgebung bestehe nicht. Die wirtschaftliche
Lage und Bedeutung des Flughafens sei ein irrelevantes Scheinargument und werde vom
Beklagten überschätzt. Ein konkreter Bedarf für zusätzlichen Flugverkehr sei nicht
nachgewiesen und bestehe auch nicht. Der Beklagte habe es unterlassen, den Bedarf
wissenschaftlich zu untersuchen. Die Langfristprognose des DLR und der DFS habe den
vorliegenden Fall nicht betrachtet, gehe von einem unzutreffenden Prognosehorizont aus
und beziehe nachfragerelevante Umstände nicht ein. Tatsächlich nähmen der
Luftfrachtumschlag und die gewerblichen Flugbewegungen auf dem Flughafen der
Beigeladenen seit Jahren kontinuierlich ab. Die zur Zeit mögliche Einbahnkapazität werde
nicht einmal ausgeschöpft. Es gelinge nicht, Flugzeiten und Flugzeuge hinreichend
auszulasten, die Überkapazität könne selbst durch Dumping-Ausverkauf von Slots nicht
abgebaut werden. Warum eine Erhöhung der Slotzahl in besonders schutzwürdigen Zeiten
notwendig sei, werde weder begründet noch ergebe es sich aus der Natur der Sache. Die
überproportionale Scheinnachfrage nach Slots mit anschließender Rückgabe begründe
keinen abwägungsrelevanten Bedarf. Das Interesse von privaten Fluggesellschaften, den
Flughafen vor allem zu bestimmten Morgen- und Abendzeiten nutzen zu können, sei von
untergeordneter Bedeutung. Es sei offensichtlich nicht näher untersucht worden, warum es
wirtschaftlich nicht vertretbar sei, den Flughafen auch mit engeren Stundenkontingenten
weiterzubetreiben. Das Gewicht des Interesses der Beigeladenen an einer Ausweitung des
Flugbetriebs sei zu hoch angesetzt worden. Die Beigeladene habe sich auf die
Bewegungsbeschränkung im gewerblichen Luftverkehr entsprechend dem
Planfeststellungsbeschluss einstellen können. Die Nachbarn des Flughafens hätten auf
den Fortbestand der Betriebsbeschränkungen vertrauen dürfen, jedenfalls darauf, dass für
ihren Fortfall ein angemessener Ersatz geleistet werde.
Die Entscheidung im ergänzenden Verfahren beseitige die Fehler der
Änderungsgenehmigung nicht. Sie sei bislang ein unbeachtliches rechtliches "Nullum",
weil sie nicht entsprechend den gesetzlichen Vorschriften allen innerhalb der
Schutzgebiete liegenden Grundeigentümern entsprechend den Vorschriften für das
Genehmigungsverfahren zugestellt worden sei. Es bestehe keine Ermächtigungsgrundlage
für ein ergänzendes Verfahren. Auch sei ein intransparentes Verfahren ohne Beteiligung
der Betroffenen durchgeführt worden. Die erneute Abwägung sei fehlerhaft. Ein
angemessener Interessenausgleich sei wiederum nicht gefunden worden. Der Kern der
Abwägung sei berührt. Die angebliche Nachfrage stelle auch nach der Konzeption der
ergänzenden Entscheidung einen tragenden Grund zur Rechtfertigung der Belastung der
Umgebung dar. Ein entsprechender Bedarf bestehe aber gar nicht, sei zumindest nicht
gegen das im Tages- und Wochengang unterschiedliche Ruhebedürfnis der Umgebung
abgewogen worden. Das selbstgesetzte Schutzziel, einen Abstand von der erheblichen
Belästigung zu wahren, sei verfehlt worden. Der vom Beklagten angenommene Wert eines
Dauerschallpegels von 62 dB(A) markiere nicht die Grenze zur erheblichen Belästigung,
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jedenfalls nicht unter den konkreten Verhältnissen am Flughafen der Beigeladenen. Es sei
nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte annehme, sich mit einem äquivalenten
Dauerschallpegel von 60 dB(A) auf der sicheren Seite zu bewegen. Namhafte Stimmen in
der Wissenschaft, so etwa das Umweltbundesamt, gingen davon aus, dass die erhebliche
Belästigung bei 55 dB(A) beginne. Das konkrete Schutzziel und der gewährte
Schutzumfang seien in der ergänzenden Entscheidung nicht festgelegt. Die Genehmigung
sei daher auch in der nachgebesserten Fassung aufzuheben, zumindest teilweise, etwa
bezüglich der zusätzlichen Slots in den Tagesrandzeiten und am Wochenende.
Die Kläger beantragen,
die Genehmigung zur Änderung der Betriebsregelung für das Parallelbahnsystem des
Verkehrsflughafens Düsseldorf vom 21. September 2000 in der Fassung der Entscheidung
im ergänzenden Verfahren zur vorgenannten Genehmigung vom 5. Juni 2003 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er erwidert: Die Genehmigung sei jedenfalls in der Fassung, die sie im ergänzenden
Verfahren erhalten habe, nicht zu beanstanden. Das ergänzende Verfahren sei zur
Behebung möglicher Fehler, auch etwa von Abwägungsmängeln der Genehmigung,
zulässig. Die Fehlerbehebung in einem ergänzenden Verfahren sei nach der
Rechtsprechung eine Selbstverständlichkeit, die keiner besonderen Regelung bedürfe,
jedenfalls aber in entsprechender Anwendung von § 10 Abs. 8 Satz 2 LuftVG möglich sei.
Die ergänzende Entscheidung verschmelze mit der ursprünglichen Genehmigung zu einer
Entscheidung, die nunmehr in dieser Gestalt der gerichtlichen Überprüfung unterliege. Dem
hätten die Kläger mit ihren Klageanträgen Rechnung getragen. Einer Veröffentlichung der
ergänzenden Entscheidung habe es nicht bedurft; vielmehr habe sie nur denjenigen
Betroffenen gegenüber ergehen müssen, die die Genehmigung aus dem Jahre 2000
angefochten hätten. Den Klägern selbst sei die Entscheidung nachweislich zugegangen.
Unabhängig davon werde die Entscheidung noch öffentlich bekannt gemacht werden.
Die Genehmigung in dieser Fassung leide nicht an materiellen Mängeln, die Rechte der
Kläger verletzten. Die Kläger verdeutlichten nicht, welche Konsequenzen die von ihnen
behaupteten Fehler hätten. Solche Konsequenzen seien auch nicht ersichtlich. Im Übrigen
lägen die behaupteten Fehler nicht vor.
Die AzB99 sei lediglich eine neue Datengrundlage für die Berechnung, die vom
Umweltbundesamt im Internet veröffentlicht worden sei. Er, der Beklagte, sei von zutreffend
prognostizierten Flugrouten ausgegangen. Bei der Ermittlung der voraussichtlichen
Lärmbelastung habe er die bestehenden bzw. wahrscheinlichen künftigen Flugrouten
zugrunde legen müssen. Dies sei geschehen. Die Änderungen von 13. Juli 2000 hätten
wegen des sich dagegen regenden Widerstandes nicht als gesichert zugrunde gelegt
werden können; es habe in 11 Monaten fünf Veränderungen gegeben. Die weitere
Entwicklung habe ihm aber Recht gegeben, denn seit dem 14. Juni 2001 würden im
Wesentlichen wieder die alten Abflugstrecken beflogen. Die ergänzende Entscheidung
habe insofern nichts verändern müssen; sie sei auch nicht zur fortlaufenden Überprüfung
der ursprünglichen Änderungsgenehmigung gedacht.
Entgegen der Auffassung der Kläger berühre die Entscheidung im ergänzenden Verfahren
nicht den Kern der Abwägung. Deren Grundstruktur sei nicht verändert worden. Die
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Betroffenheiten seien gesehen worden; sie seien aus den Einwendungen hinlänglich
bekannt gewesen. Die Lärmbelastung übersteige insgesamt nicht das Maß, das nach
heutigen Verhältnissen in dicht besiedelten Gebieten auch ohne Nachbarschaft zu einem
Flugplatz alltäglich auftrete. Eine Verletzung der Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2. in
eigenen Rechten sei nicht dargetan. Durch die angefochtene Genehmigung würden keine
neuen rechtlichen Beschränkungen der Planungshoheit bewirkt. Im Übrigen seien diese
schon lange gehalten, sich bei ihren Planungen auf ein weit höheres Lärmniveau
einzurichten, als es ihnen jetzt zugemutet werde. Die Nutzung städtischer Einrichtungen
werde nicht behindert. Das treffe auch zu auf Gebäude mit Einfachverglasung. Mit der
Dämmwirkung einfachverglaster Fenster werde der kritische Innenpegel von 55 dB(A)
durch einzelne Schallereignisse nicht überschritten. Für die Erstattung von Kosten für
Schallschutzmaßnahmen an verschiedenen Schulen, u. a. für die N. - Schule und die C.-H.
-Schule seien in der Vergangenheit an die Klägerin des Verfahrens zu 2. erhebliche
Beträge gezahlt worden. Bei Friedhöfen, Sportplätzen oder Schulhöfen seien Maßnahmen
des passiven Schallschutzes zwar nicht möglich, wegen der höheren Lärmerwartung sei
hier aber ein Anspruch auf eine von jeder Störung freie Benutzung einer solchen
Außenanlage von vornherein nicht gegeben. Die Klägerinnen seien auch nicht als
Eigentümer von bebauten und unbebauten Grundstücken in ihren Rechten verletzt.
Insoweit sei einzustellen, dass für die Wohngebäude im Tagschutzgebiet die Kosten der
Maßnahmen für passiven Schallschutz nach Maßgabe der Entscheidung im ergänzenden
Verfahren ersetzt würden. Soweit die Klägerinnen der Verfahren zu 1. und 2. das Interesse
der Bevölkerung und besonders sensibler Gruppen in der Umgebung des Flughafens
anführten, handele es sich nicht um eigene Rechte. Die Belastung sei insgesamt geringer
als noch nach dem Planfeststellungsbeschluss angenommen. Die Schutzmaßnahmen
seien in zwei großen Schritten auf ein in der Bundesrepublik einmaliges Niveau
ausgedehnt worden. Der Kläger des Verfahrens zu 3. liege mit der Belastung weit
unterhalb der Grenzen, über die ansonsten diskutiert werde.
Die Rechte der Kläger seien nicht deshalb verletzt, weil das Tagschutzgebiet nicht noch
erheblich weiter, nämlich auf eine Lärmkontur von 55 dB(A) ausgedehnt worden sei. Dieser
Wert drücke ein anzustrebendes Ziel, nicht aber eine fachplanerische
Zumutbarkeitsschwelle oder einen abwägungserheblichen Belang aus. Bei dem
genehmigten Vorhaben seien lediglich nachteilige Wirkungen auf Dritte auszuschließen
oder auszugleichen, nicht aber dem Vorsorgegrundsatz Rechnung zu tragen gewesen. Der
Grad der erheblichen Belästigung werde deutlich unterschritten. Bei einem
Dauerschallpegel von 62 dB(A) handele es sich bereits um einen Präventivwert, der von
der Genehmigung noch einmal um respektable 2 dB(A) unterschritten werde. Für die
Beigeladene bedeute dies Ausgaben in Höhe von rund 25 Mio. Euro. Der von ihm, dem
Beklagten, angestrebte deutliche Abstand von der Grenze zur erheblichen Belästigung sei
damit erreicht. Im Übrigen habe er selbst bestimmen können, was unter einem "deutlichen"
Abstand zu verstehen sei.
Der von ihm anerkannte Bedarf an zusätzlichen Flugbewegungen sei nicht zu
beanstanden. Der Flughafen der Beigeladenen sei die wichtigste luftverkehrliche
Infrastruktureinrichtung des Landes. Abgewogen sei das insofern mögliche Maximum an
Flugbewegungen. Weitere Betriebsbeschränkungen seien angesichts der gewollten
Ausdehnung des Flugbetriebs kontraproduktiv. Die hilfsweise beantragten Beweise seien
nicht zu erheben; sie bezögen sich auf nicht entscheidungserhebliche Tatsachen bzw. auf
Rechtsfragen.
Die Beigeladene beantragt,
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die Klagen abzuweisen.
Sie tritt den Ausführungen des Beklagten bei und macht ergänzend geltend: Die
Änderungsgenehmigung sei jedenfalls in der jetzigen Fassung rechtmäßig. Mit ihr sei eine
Anpassung des Interessenausgleichs vorgenommen worden, der dem
Planfeststellungsbeschluss von 1983 zugrunde liege. Dies sei geboten, denn die
Grundstruktur dieses Interessenausgleichs habe sich teilweise als irrig erwiesen und sei im
Übrigen überholt. Das gelte zum einen für die seinerzeitigen Annahmen über die Kapazität
der Hauptstart- und -landebahn. Auch die Lärmbelastung sei infolge der technischen
Entwicklung des Fluggeräts deutlich geringer als ursprünglich angenommen. Würde an der
Regelung des Planfeststellungsbeschlusses festgehalten, so käme diese günstige
Entwicklung ausschließlich der Flughafenumgebung zugute; es würde ein Schutzniveau
erreicht, das erheblich über demjenigen des Planfeststellungsbeschlusses liege. Auf der
anderen Seite bestehe ein gegenüber dem Jahr 1983 erheblich gesteigertes
Nutzungsinteresse, das sich in der tatsächlichen Steigerung der Zahl der Flugbewegungen
widerspiegele.
Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Interessenausgleich allein durch eine
Verbesserung des baulichen Schallschutzes und Entschädigungszahlungen hergestellt
werde. Die Lärmbelastung der Kläger stelle zwar ohne Zweifel einen
abwägungserheblichen Belang dar, wie die ermittelten Steigerungen der Dauerschallpegel
an den Klägergrundstücken ausweise; der hinzunehmende Fluglärm liege aber deutlich
unterhalb der fachgesetzlichen Zumutbarkeitsgrenze und unter allen medizinischen,
psychologischen und sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten "auf der sicheren Seite".
Den Klägern seien zum Teil bereits früher erhebliche Aufwendungen für baulichen
Schallschutz gezahlt worden oder ihre Grundstücke lägen in der Ankaufzone; teilweise
hätten sie sich in Kenntnis der vom Flughafen ausgehenden Immissionen angesiedelt, was
ihre Schutzwürdigkeit erheblich mindere. Nunmehr sei zudem weitergehender
Aufwendungsersatz zu leisten. Die Zunahme der Einzelschallereignisse sei in der
ergänzenden Stellungnahme K. /T. ausreichend beleuchtet worden. Dass es sich um ein
nur unvollständig geklärtes wissenschaftliches Gebiet handele, gestünden die Kläger zu.
Weitergehende betriebliche Beschränkungen seien vom Beklagten geprüft, aber zu Recht
abgelehnt worden, weil die damit verbundenen Behinderungen für Betriebsabläufe nicht in
einem angemessenen Verhältnis zum Vorteil für die Nachbarschaft stünden. Damit sei
insgesamt ein angemessener Interessenausgleich gefunden und der Konflikt zwischen
dem Flughafen und der Nachbarschaft bewältigt.
Die Belastung der Flughafenumgebung sei durch den erheblichen Bedarf an
Flugbewegungen und die besondere Bedeutung des Flughafens für das Land und die
gewerbliche Wirtschaft gerechtfertigt. Nach wie vor bestehe ein erheblicher und nach der
bisherigen Genehmigungslage nicht zu befriedigender Bedarf an zusätzlichen Slots. Die
Nachfrage übersteige seit Jahren das genehmigungsrechtlich verfügbare Volumen um 5
bis 20 %. Fluggesellschaften sähen sich daran gehindert, ihr Engagement am Flughafen
Düsseldorf auszuweiten. Viele Wünsche nach Neuanmeldungen seien durch die an
angestammte Fluggesellschaften zwingend zu erteilenden "Großvaterrechte" blockiert.
Zahlreiche Fluggesellschaften beantragten in Kenntnis der Restriktionen erst gar nicht die
gewünschten Slots. Insgesamt bestehe dadurch eine erhebliche Diskrepanz zwischen den
abgewickelten Flugbewegungen und dem tatsächlich erheblich höheren Bedarf.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten der Klageverfahren und der vorläufigen Rechtsschutzverfahren 20 B
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1600/00.AK, 1632/00.AK, 1802/00.AK, 1861/00.AK und 730/01.AK sowie der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klagen sind zulässig. Sie richten sich statthafterweise gegen die
Änderungsgenehmigung des Beklagten in der Fassung der ergänzenden Entscheidung.
Ein Genehmigungsbescheid und ein auf ihn bezogener ändernder Bescheid bilden eine
Einheit, weil sie in ihrer Gesamtheit umreißen, was erlaubt ist und gegebenenfalls von der
Umgebung hingenommen werden muss.
Vgl. Senatsurteil vom 2. September 2004 - 20 D 13/98.AK -, Urteilsabdruck S. 19 unter
Bezug auf OVG NRW, Urteil vom 30. Oktober 1996 - 21 D 2/89.AK -.
Gerade die vorliegend im ändernden Bescheid vom 5. Juni 2003 erneut aufgegriffene
Abwägung, die der Bewältigung der durch die vorausgegangene Änderung der
Betriebsregelung des Flughafens hervorgerufenen Probleme dient, steht in einem
untrennbaren planungsrechtlichen Zusammenhang mit dem Vorhaben. Es kann
dahinstehen, ob und in welchen Fällen von dieser Zusammenfassung, die grundsätzlich
auch prozessuale Wirkung entfaltet, eine Ausnahme gemacht werden kann; denn die
Anfechtungsbegehren sind hier ausdrücklich auf die Entscheidung vom 5. Juni 2003
erstreckt worden.
Der weiteren Beurteilung ist daher die Genehmigung in der Fassung des Bescheides vom
5. Juni 2003 zugrunde zu legen. Bedenken dagegen, dass der letztgenannte Bescheid
wirksam geworden ist, bestehen nicht.
Dem Beklagten stand es frei, das "ergänzende Verfahren" durchzuführen und mit einer
erneuten, auf die Änderungsgenehmigung in ihrer Ursprungsfassung einwirkenden
Entscheidung abzuschließen. Nach einem anerkannten Grundsatz des Verfahrensrechts,
der unabhängig von den Vorschriften der Planfeststellung gilt, darf die Behörde bis zur
Bestandskraft ihrer Entscheidung jederzeit - gegebenenfalls unter Wiederholung früherer
Verfahrensabschnitte - einen von ihr erkannten oder auch nur als möglich unterstellten
formellen wie auch materiellen Mangel beseitigen. Sie ist insbesondere befugt, das
Verfahren wieder aufzunehmen und es (erneut) zu Ende zu führen, wie es hier geschehen
ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2002 - 4 A 15.02 -, NVwZ 2003, 485, 486; Urteil
vom 12. Dezember 1996 - 4 C 19.95 -, BVerwGE 102, 358, 360 f.; Urteil vom 31. März 1995
- 4 A 1.93 -, BVerwGE 98, 126, Ls. 3 und S. 129 f.
Das "ergänzende Verfahren" ist bei richtiger Betrachtung lediglich ein (weiterer)
unselbständiger Abschnitt desselben Änderungsgenehmigungsverfahrens, das der
Beklagte auf der Grundlage von § 6 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 und 2 LuftVG durchgeführt
hat. Als Rechtsgrundlage erschließen sich von daher ohne weiteres diejenigen
Vorschriften, die für die geänderte Entscheidung selbst gelten. Für eine entsprechende
Anwendung des § 10 Abs. 8 Satz 2 LuftVG besteht weder Raum noch Notwendigkeit,
zumal diese Vorschrift eine Modifizierung des prozessualen Aufhebungsanspruchs aus §
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung beinhaltet und dabei
die Möglichkeit eines ergänzenden behördlichen Verfahrens voraussetzt ("wenn"), also
eine entsprechende Befugnis der Behörde als anderweitig begründet betrachtet. Die vom
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Beklagten gewählte Bezeichnung als "ergänzendes Verfahren" hat demgegenüber keine
eigene materiell-rechtliche Bedeutung etwa im Sinne des § 10 Abs. 8 LuftVG.
Die ergänzende Entscheidung ist wirksam geworden. Äußere Wirksamkeit erlangt ein
solcher Verwaltungsakt mit der Bekanntgabe, § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, die bei
luftverkehrsrechtlichen Änderungsgenehmigungen gemäß § 6 Abs. 5 LuftVG i.V.m. § 74
Abs. 4 Satz 1 VwVfG in der Form der Zustellung (vgl. § 41 Abs. 5 VwVfG, § 1 Abs. 2
Landeszustellungsgesetz - LZG) zu erfolgen hat. Es ist nicht fraglich, dass die Beigeladene
und die Kläger die ergänzende Entscheidung mit Wissen und Wollen des Beklagten
erhalten haben. Damit gilt ihnen gegenüber gemäß § 9 VwZG, der von § 1 Abs. 1 LZG für
Zustellungen einer Landesbehörde in Bezug genommen wird, zugleich die Zustellung als
ordnungsgemäß bewirkt.
Die Änderungsgenehmigung vom 21. September 2000 in der danach maßgeblichen
Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2003 ist nicht aus Gründen rechtswidrig, die eine zur
Aufhebung führende Verletzung von Rechten der Kläger einschließen, § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO.
Formelle Mängel sind nicht gegeben. Die Kläger mussten weder am Ausgangsverfahren
noch am ergänzenden Verfahren weitergehend als geschehen beteiligt werden. Eine
Verpflichtung des Beklagten, im ursprünglichen Änderungsgenehmigungsverfahren, in dem
die Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme hatten, die erhobenen Einwendungen in
entsprechender Anwendung des § 73 Abs. 6 VwVfG, § 10 Abs. 2 Nr. 4 LuftVG zu erörtern,
bestand nicht. Hierzu hat der Senat in den Beschlüssen 2002 bereits das Entscheidende
gesagt. An diesen Erwägungen hält er nach erneuter Prüfung auch auf die Einwände der
Kläger hin fest, zumal diese ihren bisherigen Standpunkt lediglich wiederholen und
bekräftigen. Selbst in der Literatur wird eine Erörterungspflicht allein für den hier nicht
gegebenen Fall so genannter isolierter Genehmigungen für neu anzulegende Flugplätze,
nicht aber für die Änderung bestehender Flugplätze befürwortet.
Vgl. Hofmann/Grabherr, LuftVG, Loseblatt-Kommentar (Stand: 1. März 2004), § 6 Rdnr. 92.
Im ergänzenden Verfahren bedurfte es keiner erneuten Beteiligung der Nachbarschaft des
Flughafens, unter anderem der Kläger, weil es nur um die Weiterführung der Abwägung auf
der Basis der bereits erfolgten Öffentlichkeitsbeteiligung ging.
Die Änderungsgenehmigung ist hinreichend bestimmt, § 37 Abs. 1 VwVfG. Zur
Bestimmtheit der neu gefassten Auflage Nr. 6 hat der Senat in den Beschlüssen zur
sofortigen Vollziehbarkeit das Erforderliche ausgeführt und hält hieran nach erneuter
Prüfung ebenfalls fest. Ergänzend ist anzumerken, dass das hinsichtlich der Anzahl der
erlaubten Flugbewegungen Genehmigte nicht von der Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit
des Begriffs der Einbahnkapazität, die in Nr. 6.1 gemäß der Änderungsgenehmigung als
"mögliche Endkapazität der Hauptstart- und -landebahn" bezeichnet ist, abhängt. Diese
Regelung beschreibt vielmehr den übergeordneten theoretischen Ausgangspunkt des
planerischen Gesamtkonzepts des Beklagten. Die maximal genehmigte Zahl der
Flugbewegungen ergibt sich allein aus den präzisierenden Vorgaben für die
Koordinierungseckwerte in den Auflagen Nrn. 6.2 bis 6.4 und lässt sich daraus für jeden
beliebigen Zeitraum präzise berechnen. Diese Berechnung hat der Beklagte bezogen auf
die zugelassene Maximalkapazität der sechs verkehrsreichsten Monate vorgenommen und
durch Überlegungen zu der auf dieser Basis praktisch erreichbaren Ausnutzung der
Kapazität, die er als hinter dem Maximum zurückbleibend ansieht, ergänzt
(Änderungsgenehmigung S. 48, 92 ff.). Unsicherheiten über das Erlaubte verbinden sich
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damit schlechterdings nicht. Soweit sich Fragen im Zusammenhang mit der
Belastungsprognose ergeben, auf die unten einzugehen ist, handelt es sich auch mit Blick
auf den Begriff der Einbahnkapazität nicht um solche der Bestimmtheit des
Regelungsgehalts, weil die Auflage Nr. 6.1 keinen über die Koordinierungseckwerte
hinausgehenden lärmrelevanten Verkehr ermöglicht.
Was das Verhältnis der Änderungsgenehmigung zu den vorangegangenen Bescheiden
betrifft, so ist klar und lässt sich aus der Zusammenschau ihrer Regelungen ohne weiteres
erschließen, dass die jetzt streitige Änderungsgenehmigung unmittelbar an die
Erweiterungsgenehmigung von 1976 (in der Fassung der Anpassungsbescheide von 1992
und 1997) anknüpft. Weiter erteilte ändernde Genehmigungen sind unwirksam, nämlich
aufgehoben (so die Lärmkontingent-Genehmigung) oder erloschen (die
Interimsgenehmigung). Demgemäß nimmt die hier streitige Änderungsgenehmigung unter
A. ausdrücklich die Genehmigung vom 3. Oktober 1976 in der Fassung der
Anpassungsbescheide in Bezug und benennt im Einzelnen die ersetzten Auflagen (Nrn. 6
und 9) bzw. die ergänzte Bestimmung (Nr. 10). Weitergehender Aussagen hierzu bedurfte
es nicht. Entsprechendes gilt für die Entscheidung im ergänzenden Verfahren, die
ausschließlich die Regelungen zu den Auflagen Nrn. 9.1 und 9.3 der Genehmigung vom
21. September 2000 neu fasst und es im Übrigen - klarstellend - bei der Fortgeltung dieser
Genehmigung belässt (vgl. A. III der ergänzenden Entscheidung). Von einer
undurchsichtigen Genehmigungslage kann mithin keine Rede sein.
Ebenso wenig wird die Bestimmtheit dadurch beeinträchtigt, dass die Schutzauflage Nr. 9.1
in der Fassung des Bescheides vom 5. Juni 2003 infolge einer sprachlichen Verkürzung
ihrer Ursprungsformulierung in der Änderungsgenehmigung zum Tagschutzziel und zur
Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen keine ausdrückliche Aussage mehr enthält.
Was angeordnet ist, bleibt gleichwohl auch insofern klar. Das Schutzziel wird dadurch
hinreichend verdeutlicht, dass in der Begründung des ergänzenden Bescheides (S. 53) die
einschlägigen Ausführungen der Änderungsgenehmigung in Bezug genommen werden.
Sicherzustellen ist danach weiterhin das dort (S. 125) verlautbarte Schutzziel (regelmäßig
keine Überschreitung eines Maximalpegels von 55 dB in Aufenthaltsräumen bei