Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 06.09.2001

OVG NRW: kommission, verordnung, eugh, reserve, milchproduktion, zukunft, eigentum, jersey, mitgliedstaat, berechtigung

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 101/00
Datum:
06.09.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 A 101/00
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 9 K 2794/97
Tenor:
Die Berufungen werden zurückgewiesen.
Der Kläger und der Beigeladene tragen die Kosten des
Berufungsverfahrens je zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger und der
Beigeladene dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für den Berufungsrechtszug auf 5.925,00 DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
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Der Kläger, der bis Oktober 1983 eine Verpflichtung zur Nichtvermarktung von Milch
eingegangen war, nahm im Mai 1992 auf Grund der Verordnung (EWG) Nr. 1639/91 des
Rates vom 13. Juni 1991 (so genannte Slom II Regelung) die Milcherzeugung wieder
auf. Die für ihn zuständige Molkerei hatte ihm zunächst eine vorläufige spezifische
Anlieferungs- Referenzmenge nach § 6 a Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) in
Höhe von 62.819 kg berechnet, die sie nach Ablauf des 12 Monate umfassenden
Referenzzeitraums als endgültig feststellte, und zwar mit einem Fettgehalt von 6,83 %
(Mitteilung vom 11. Mai 1993).
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Mit Zustimmung seiner Verpächterin übertrug der Kläger seine Milchreferenzmenge für
den Zeitraum vom 1. Dezember 1996 bis 31. März 2000 auf den Beigeladenen gemäß
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schriftlicher Vereinbarung vom 24. Dezember 1996.
Auf Antrag des Klägers stellte der Beklagte diesem unter dem 25. März 1997 gemäß § 7
Abs. 2 a Sätze 4 und 6 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 MGV eine Bescheinigung des Inhalts aus,
dass mit Wirkung ab 1. Dezember 1996 eine Referenzmenge - ohne Fläche - in Höhe
von 62.819 kg mit einem Referenzfettgehalt von 4,21 % befristet auf den Beigeladenen
übergegangen sei. Zur Begründung führte er an, der für den Kläger festgestellte
einzelbetriebliche repräsentative Fettgehalt liege über dem durchschnittlich gewogenen
Fettgehalt der in der Bundesrepublik Deutschland angelieferten Milch. Dieser liege für
denselben Zeitraum bei 4,21 %. Deshalb könne gemäß Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2
Buchstabe e der VO (EWG) Nr. 536/93 der Kommission vom 9. März 1993 mit
Durchführungsbestimmungen zur Zusatzabgabe im Milchsektor i.d.F. der
Änderungsverordnung (EG) Nr. 470/94 der Kommission vom 2. März 1994 nur dieser
niedrigere einzelstaatliche Durchschnittsfettgehalt festgesetzt werden.
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Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe den erzielten Fettgehalt mit
einer Herde von Jersey-Kühen produziert. Wegen einer aufgetretenen Paratuberkulose
habe er den gesamten Bestand im Dezember 1995 töten lassen müssen. Auf Anraten
des Veterinäramtes (erhöhte Infektionsgefahr für die nächsten fünf Jahre) habe er davon
abgesehen, eine neue Herde aufzubauen, und sich deshalb entschlossen, die
zugeteilte Referenzmenge zeitweise dem Beigeladenen zu überlassen.
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Nach Zurückweisung seines Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 24. Juli
1997 hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben, mit der er sich gegen die Herabsetzung
des Fettgehalts auf 4,21 % wendet. Er hält die Regelung des Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2
Buchstabe e VO (EWG) Nr. 536/93 i.d.F. der VO (EG) Nr. 470/94 für unwirksam, weil sie
unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz die Slom II Erzeuger benachteilige, die ihre
Produktion nach dem 1. April 1992 aufgenommen hätten. Die zum 1. April 1993 bzw. 1.
April 1994 eingeführte Kürzungsregelung verstoße als nachträgliche Regelung gegen
den Vertrauensgrundsatz und entwerte seine Eigentumsrechte, die er sich durch den
Aufbau seiner Jersey- Herde erworben habe.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Beklagten unter teilweiser Aufhebung seiner Bescheinigung vom 25. März 1997
und des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 1997 zu verpflichten, ihm statt des
Referenzfettgehaltes von 4,21 % einen Referenzfettgehalt von 6,83 % zu bescheinigen.
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Der Beklagte ist dem Vortrag des Klägers entgegengetreten und hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen
wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
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Mit der zugelassenen Berufung wendet sich der Kläger unter Wiederholung und
Vertiefung seiner Rechtsausführungen gegen die Rechtsansicht des
Verwaltungsgerichts, die Regelung des Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe e der VO
(EWG) Nr. 536/93 i.d.F. der VO (EG) Nr. 470/94 sei gültiges Recht.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
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Der Beigeladene, der ebenfalls Berufung eingelegt hat, tritt den Ausführungen des
Klägers bei und beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm eine
Bescheinigung über den Übergang einer Milch-Referenzmenge in Höhe von 62.819 kg
mit einem Fettgehalt von 6,83 % auszustellen.
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Der Beklagte stellt keinen Antrag.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen
wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
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II.
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Der Senat kann gemäß § 130 a Satz 1 VwGO über die Berufungen durch Beschluss
entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung
nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gemäß § 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2
Satz 3 VwGO angehört worden.
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Die Berufungen sind nicht begründet.
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1. Berufung des Klägers
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Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Ablehnung des Beklagten,
in der dem Kläger ausgestellten Bescheinigung den Referenzfettgehalt von 4,21 % auf
6,83 % heraufzusetzen, nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten
verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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Unbeschadet des Umstandes, dass die Verordnung zur Durchführung der
Zusatzabgabenregelung (Zusatzabgabenverordnung) vom 12. Januar 2000, BGBl. I S.
27, die MGV mit Wirkung ab 1. April 2000 weitgehend aufgehoben hat, sind nach der
Übergangsregelung des § 28 a Zusatzabgabenverordnung in anhängigen Verfahren die
bisherigen Vorschriften in der jeweils geltenden Fassung weiter anzuwenden, soweit es
- wie hier - um die Ausstellung einer Bescheinigung über den Übergang einer
Referenzmenge ohne Übergang des Betriebs oder einer entsprechenden Fläche für die
Zeit vor Inkrafttreten der Zusatzabgabenverordnung geht. Dies gilt sowohl für die
formelle Seite, wonach die zuständige Landesstelle - hier der Beklagte - im Falle des §
7 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 1 MGV in der Neufassung vom 21. März 1994, BGBl. I S. 586, i.d.F.
der 33. Änderungsverordnung vom 25. März 1996, BGBl. I S. 535, nach § 7 Abs. 2 a
Satz 4 MGV in entsprechender Anwendung des § 9 MGV eine Bescheinigung
bestimmten Inhalts - der neben den Angaben nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 MGV gemäß § 7
Abs. 2 a Satz 6 MGV auch die Feststellung der Zulässigkeit der Vereinbarung umfasst -
auszustellen hat, als auch für die materielle Seite und die hier allein streitige Frage, ob
der in der Bescheinigung für den Übergang der Slom II Referenzmenge (ab 1.
Dezember 1996) vom Kläger auf den Beigeladenen ausgewiesene Referenzfettgehalt
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von 4,21 % richtig festgestellt worden ist. Letzteres ist der Fall.
Für den Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages (24. Dezember 1996) wie auch den
Zeitpunkt des vereinbarten Übergangs der Referenzmenge (1. Dezember 1996) galt
bezüglich des zu bescheinigenden Fettgehalts bei Erzeugern - wie beim Kläger -, deren
Referenzmenge vollständig aus der einzelstaatlichen Reserve stammt und die ihre
Tätigkeit nach dem 1. April 1992 aufgenommen hatten, die Regelung des Art. 2 Abs. 1
Unterabsatz 2 Buchstabe e der VO (EWG) Nr. 536/93 i.d.F. der VO (EG) Nr. 470/94.
Diese Regelung war gemäß Art. 2 VO (EG) Nr. 470/94 ab 1. April 1994 anzuwenden.
Danach gilt bei diesen oben erwähnten Erzeugern der durchschnittliche Fettgehalt der
in den ersten zwölf Monaten dieser Tätigkeit (beim Kläger von Mai 1992 bis April 1993)
gelieferten Milch als repräsentativ (beim Kläger: 6,83 %) (Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2
Buchstabe e Satz 1 VO (EWG) Nr. 536/93 i.d.F. der VO (EG) Nr. 470/94). Überschreitet
jedoch der so festgestellte einzelbetriebliche Fettgehalt den durchschnittlichen
Fettgehalt der in dem betreffenden Mitgliedstaat während des genannten
zwölfmonatlichen Referenzzeitraums gelieferten Milch insgesamt (für die
Bundesrepublik Deutschland für diesen Zeitraum: 4,21 %), so darf diesen Erzeugern die
negative Berichtigung gemäß dem zweiten Gedankenstrich von Abs. 2 nicht zu Gute
kommen, es sei denn, dass der betreffende Erzeuger die Berechtigung dafür
nachweisen kann (Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe e Satz 2 erster
Gedankenstrich VO (EWG) Nr. 536/93 i.d.F. der VO (EG) Nr. 470/94) und so wird
(zweiter Gedankenstrich von Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe e Satz 2 VO (EWG)
Nr. 536/93 i.d.F. der VO (EG) Nr. 470/94) der repräsentative Fettgehalt der übertragenen
Referenzmenge bei Anwendung der Art. 6, 7 und 8 vierter und fünfter Gedankenstrich
der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 auf den Wert des betreffenden einzelstaatlichen
Durchschnittsgehalts festgesetzt.
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Hier greift die Regelung des Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe e Satz 2
Gedankenstrich zwei VO (EWG) Nr. 536/93 i.d.F. der VO (EG) Nr. 470/94 ein. Denn die
zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen vereinbarte befristete Übertragung einer
Referenzmenge ohne Übergang des entsprechenden Betriebs oder einer
entsprechenden Fläche beruht auf der Ermächtigungsnorm des § 7 Abs. 2 a Satz 2 Nr.
1, Satz 3 MGV, die ihrerseits einen Anwendungsfall von Art. 8 Unterabsatz 1 vierter
Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992
über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor darstellt. Danach können die
Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Umstrukturierung der Milcherzeugung auf nationaler
oder regionaler Ebene oder auf der Ebene der Erfassungszonen anhand objektiver
Kriterien die Regionen oder Erfassungszonen bestimmen, in denen im Hinblick auf die
Verbesserung der Milcherzeugungsstruktur die Übertragung von Referenzmengen
zwischen Erzeugern einiger Kategorien ohne entsprechende Flächenübertragung
zulässig ist. Im Zeitpunkt des vereinbarten Übergangs der Referenzmenge (1.
Dezember 1996) war auch die Sperrfrist für die Übertragung von Slom-
Referenzmengen, die gemäß § 7 Abs. 2 a Satz 2 letzter Halbsatz MGV i.V.m. Art. 8
Unterabsatz 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 bis 30. Juni 1994 lief, abgelaufen. Da der
repräsentative Fettgehalt der Slom-Referenzmenge des Klägers über dem
einzelstaatlichen Durchschnittsfettgehalt im selben Zeitraum lag, war er in der
auszustellenden Bescheinigung - wie geschehen - auf 4,21 % festzusetzen.
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Die Regelung des Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe e VO (EWG) Nr. 536/93 i.d.F.
der VO (EG) Nr. 470/94 ist gültiges Recht. Formell beruht sie auf der
Ermächtigungsnorm des Art. 11 VO (EWG) Nr. 3950/92, wonach die
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Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung und insbesondere die Merkmale
der Milch - wie der Fettgehalt -, die bei der Feststellung der gelieferten oder gekauften
Milchmengen als repräsentativ gelten, von der Kommission in einem bestimmten, von
der Kommission eingehaltenen Verfahren erlassen werden. Materiell verstößt die
Regelung nicht - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - gegen die
allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes, des
Diskriminierungsverbotes und der Verhältnismäßigkeit und beeinträchtigt auch nicht das
Grundrecht auf Eigentum.
Vgl. zur Geltung dieser Grundsätze im EG-Recht: EuGH, Urteil vom 17. Dezember 1998
- C-186/96 - Slg 1998 I - 8529 (8549 ff.).
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Anlass für die neue Regelung war der Umstand, dass die ursprüngliche Regelung über
die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (siehe Art. 5 c der VO (EWG) Nr.
804/68 i.d.F. der VO (EWG) Nr. 856/84 und der VO (EWG) Nr. 816/92) nach neun Jahren
am 31. März 1993 auslief und für weitere sieben aufeinander folgende Zwölf-
Monatszeiträume verlängert werden sollte (vgl. VO (EWG) Nr. 2074/92 des Rates vom
30. Juni 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor), weil eine solche
Regelung zur Herstellung eines besseren Marktgleichgewichts erforderlich erschien. Im
Rahmen der Neuregelung durch die VO (EWG) Nr. 3950/92 ging der Verordnungsgeber
von dem Grundsatz aus, dass jeder Milcherzeuger mit der einzelbetrieblichen
Referenzmenge sollte weiter produzieren können, die ihm am 31. März 1993 zustand.
Dieser Grundsatz bezog sich nicht nur auf die Milchmenge (vgl. Art. 4 VO (EWG) Nr.
3950/92), sondern auch auf den repräsentativen Fettgehalt (vgl. Art. 2 Abs. 1
Unterabsatz 1 VO (EWG) Nr. 536/93). Da nach den bisherigen
Durchführungsbestimmungen für die Zusatzabgabe nach Art. 5 c VO (EWG) Nr. 804/68
bei Erzeugern, die mit der Milchlieferung nach dem Anfang des zweiten
Anwendungszeitraums der Zusatzabgabenregelung begonnen hatten, d.h. nach dem 1.
April 1985, der in den ersten zwölf Monaten dieser Tätigkeit festgestellte Fettgehalt als
repräsentativ galt (vgl. Art. 12 Abs. 1 Unterabsatz 2 VO (EWG) Nr. 1546/88 i.d.F. der VO
(EWG) Nr. 1033/89 der Kommission vom 20. April 1989), ergriff die neue Grundregel
über den repräsentativen Fettgehalt nur solche Milcherzeuger, die bei Auslaufen der
Altregelung (31. März 1993) bereits ein Jahr lang Milch geliefert hatten, d.h., die
spätestens am 1. April 1992 mit der Lieferung von Milch begonnen hatten. Für Erzeuger,
die - wie der Kläger - nach dem 1. April 1992 mit der Anlieferung von Milch begonnen
hatten - und zwar sind das nicht nur ein Teil der Slom II Erzeuger, sondern jeder
Neubeginner (etwa Junglandwirte), dem aus der einzelstaatlichen Reserve eine
Referenzmenge zugeteilt wird -, war eine Zusatzregelung erforderlich, die ursprünglich
(ab 1. April 1993) in Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe d der VO (EWG) Nr. 536/93
enthalten war, ab 1. April 1994 auf Grund der Änderungsverordnung (EG) Nr. 470/94 in
Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe e enthalten ist. Für diese Neubeginner hat der
Verordnungsgeber im Grundsatz die bisherige Regelung übernommen, wonach der
durchschnittliche Fettgehalt der in den ersten zwölf Monaten gelieferten Milch als
repräsentativ gilt (Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe d Satz 1 VO (EWG) Nr. 536/93
bzw. Buchstabe e Satz 1 i.d.F. der VO (EG) Nr. 470/94).
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Anlass für die ergänzende Ausnahmeregelung in Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe
e Satz 2 VO (EWG) Nr. 536/93 i.d.F. der VO (EG) Nr. 470/94 war - wie sich aus der
Bezugnahme im ersten Gedankenstrich auf die Bonusregelung in Art. 2 Abs. 2 der VO
(EWG) Nr. 536/93 ergibt, die der betreffende Erzeuger nur erhalten soll, wenn er die
Berechtigung dafür nachweisen kann (früherer Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2
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Buchstabe d VO (EWG) Nr. 536/93: "Wenn er für jedes Jahr nachweist, dass er in
seinem Bestand Milchkühe hält, die die Berücksichtigung eines höheren Gehalts
rechtfertigen") -, dass viele Neubeginner die mit der VO (EWG) Nr. 1033/89 der
Kommission vom 20. April 1989 eingeführte Bonusregelung zum Anlass genommen
hatten, im Referenzjahr, d.h. für die ersten zwölf Monate der Milchanlieferung, Kühe
aufzustallen, die möglichst fetthaltige Milch produzierten.
Vgl. Düsing, Milch-Quoten Ratgeber, 4. Auflage 1994, S. 43.
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Nach Ablauf des Referenzjahres konnten dann Kühe aufgestallt werden, die "normal"
fetthaltige Milch produzierten, wodurch sich die zulässige einzelbetriebliche
Liefermenge aufgrund der Bonusregelung des Art. 2 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 536/93
erhöhte. Dies konnte zu der nicht erwünschten Folge führen, dass die Summe der
einzelbetrieblichen Liefermengen die für den Mitgliedstaat festgeschriebene
Gesamtgarantiemenge überschritt (siehe Art. 3 VO (EWG) Nr. 3950/92 sowie die vierte
Begründungserwägung zur VO (EWG) Nr. 536/93) und entsprechende
Abgabezahlungen nach Art. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 auslöste. Das Ziel des
Verordnungsgebers, solche unerwünschten Folgen für die Zukunft abzustellen bzw. zu
minimieren, ist mit dem Hauptziel der VO (EWG) Nr. 3950/92 vereinbar, durch
Marktordnungsmaßnahmen zu einer Verringerung des Ungleichgewichts zwischen
Angebot und Nachfrage bei Milch und Milcherzeugnissen beizutragen (siehe erste
Begründungserwägung zur VO (EWG) Nr. 3950/92).
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Die getroffene Regelung ist verhältnismäßig und nicht übermäßig belastend. Denn
Neubeginner können unter den Voraussetzungen, unter denen sie im Referenzjahr die
Milchanlieferung aufgenommen haben, weiter fettreiche Milch produzieren, soweit sie
entsprechende Kühe (wie im Referenzjahr) aufstallen. Ihnen wird lediglich für die
Zukunft die Möglichkeit genommen, die sich aus der Bonus- und Malusregelung des Art.
2 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 536/93 ergebende Gestaltungsmöglichkeit zu Lasten der
Allgemeinheit auszunutzen.
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Darin liegt keine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes. Wie das Verwaltungsgericht
zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH,
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vgl. Urteil vom 15. April 1997 - C- 22/94-, Slg 1997 I - 1829,
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ausgeführt hat, dürfen die Wirtschaftsteilnehmer auf dem Gebiet der gemeinsamen
Marktorganisation, deren Zweck eine ständige Anpassung an die Veränderung der
wirtschaftlichen Lage mit sich bringt, nicht darauf vertrauen, dass sie zukünftig nicht
Beschränkungen unterworfen werden, die sich aus eventuellen markt- oder
strukturpolitischen Bestimmungen ergeben. Die Berufung auf den Vertrauensschutz ist
gegenüber einer Gemeinschaftsregelung nur insoweit möglich, als die Gemeinschaft
zuvor selbst eine Situation geschaffen hat, die ein berechtigtes Vertrauen erwecken
kann. Ziel der Bonus- und Malusregelung des Art. 2 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 536/93 ist es,
für natürliche Schwankungen der einzelbetrieblichen Milchanlieferungen, die auch den
Fettgehalt der jeweils angelieferten Milch betreffen können, eine Rechnungsgrundlage
anzubieten, wie ein Mehr oder Weniger an Fettgehalt in Liefermengen umzurechnen ist.
Ziel der Regelung war es nicht, bestimmten Erzeugergruppen, nämlich Neubeginnern,
die aus der einzelstaatlichen Reserve eine zusätzliche Referenzmenge zugeteilt
erhalten hatten, wobei die einzelstaatliche Reserve naturgemäß nur den
einzelstaatlichen Durchschnittsfettgehalt repräsentieren konnte, die Möglichkeit
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einzuräumen, durch gezieltes Hochtreiben des Fettgehaltes der gelieferten Milch im
ersten Anlieferungsjahr langfristig höhere Milchanlieferungen tätigen zu können, als sie
der einzelbetrieblichen Produktion im Referenzjahr entsprach, weil in der Folgezeit
Kühe aufgestallt wurden, die nicht so fettreiche Milch produzierten. Einen
Vertrauensschutz eines Marktteilnehmers darauf, dass eine solche
Manipulationsmöglichkeit für die Zukunft erhalten bleibt, gibt es nicht. Deshalb durfte der
Verordnungsgeber nicht nur, wie in Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe e Satz 2
erster Gedankenstrich VO (EWG) Nr. 536/93 i.d.F. der VO (EG) Nr. 470/94 geschehen,
den Neubeginnern die Manipulationsmöglichkeit nehmen, falls sie selbst die
Milchproduktion fortführen, sondern erst Recht für den Fall der Überlassung der aus der
einzelstaatlichen Reserve stammenden Referenzmenge an einen Dritten vorschreiben -
wie im zweiten Gedankenstrich von Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe e Satz 2 VO
(EWG) Nr. 536/93 i.d.F. der VO (EG) Nr. 470/94 geschehen -, dass der repräsentative
Fettgehalt der übertragenen Referenzmenge auf den Wert des einzelstaatlichen
Durchschnittsfettgehalts festgesetzt wird. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass der
EuGH insbesondere für Nichtvermarkter mehrfach entschieden hat, dass sich deren
Vertrauen nur darauf erstreckt, dass sie selbst die Milchproduktion wieder aufnehmen
können, nicht jedoch darauf, dass sie einen Vorteil wie die Zuteilung einer
Referenzmenge nach der Zusatzabgabenregelung kommerziell verwerten können.
Vgl. EuGH, Urteil vom 28. April 1988 - C-120/86 -, DVBl. 1988, 731; Urteil vom 11.
Dezember 1990 - C-189/89 -, NVwZ 1991, 463; Urteil vom 22. Oktober 1991 - C-44/89 -,
AgrarR 1991, 306; Urteil vom 25. Mai 2000 - C-273/98 -, LRE, Band 39 Nr. 1.
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Eine Regelung wie die in Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe e Satz 2 erster und
zweiter Gedankenstrich VO (EWG) Nr. 536/93 i.d.F. der VO (EG) Nr. 470/94 getroffene
beeinträchtigt auch nicht das Grundrecht des Klägers auf Eigentum. Denn - wie der
EuGH mehrfach entschieden hat -,
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vgl. Urteil vom 22. Oktober 1991 - C-44/89 - a.a.O.; Urteil vom 24. März 1994 - C-2/92 -,
RdL 1995, 186, Urteil vom 9. November 1995 - C-38/94 -, Slg 1995 I-3875 (3895 ff.),
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sind Vorteile wie die Referenzmenge, die im Rahmen einer gemeinsamen
Marktorganisation zugeteilt werden, nicht als ein Recht anzusehen, das aus dem
Eigentum oder der Berufstätigkeit fließt.
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Die Regelung des Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe e VO (EWG) Nr. 536/93 i.d.F.
der VO (EG) Nr. 470/94 verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot, das eine
Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist. Nach diesem Grundsatz dürfen
vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, eine
Differenzierung wäre objektiv gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall betrifft die
Neuregelung des Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe e VO (EWG) Nr. 536/93 i.d.F.
der VO (EG) Nr. 470/94 - wie oben ausgeführt - nicht nur einen Teil der Slom II Erzeuger,
sondern sämtliche Neubeginner, die nach dem 1. April 1992 die Milchproduktion
aufgenommen haben. Diese Neubeginner werden anders behandelt als die
Neubeginner, die seit Einführung der Bonusregelung durch die VO (EWG) Nr. 1033/89
vom 20. April 1989 in der Zeit vom 21. April 1989 bis 31. März 1992 die Milchproduktion
aufgenommen und ein Jahr betrieben hatten. Sachlicher Grund für diese
unterschiedliche Handhabung ist der Umstand, dass der Verordnungsgeber bei Erlass
der VO (EWG) Nr. 3950/92 den Stichtag 31. März 1993 festgelegt und bestimmt hat,
dass sich sowohl die einzelbetriebliche Referenzmenge (vgl. Art. 4 VO (EWG) Nr.
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3950/92) als auch der repräsentative Fettgehalt (vgl. Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 1 VO
(EWG) Nr. 536/93) nach dem Stand zu diesem Stichtag bemessen. Rechtfertigender
Grund für eine solche Stichtagsregelung ist die der Verfahrensökonomie zuzurechnende
Überlegung, dass damit eine Überprüfung der Referenzmengenzuteilungen, soweit sie
bei Auslaufen der Altregelung der VO (EWG) Nr. 857/84 am 31. März 1993
abgeschlossen waren, entfiel. Andernfalls hätte der Verordnungsgeber nämlich den
Ausnahmekatalog des Art. 2 Abs. 1 Unterabsatz 2 VO (EWG) Nr. 536/93 um eine
Zusatzbestimmung für sämtliche Neubeginner-Fälle ab Bekanntwerden der
Bonusregelung (21. April 1989) erweitern müssen, die a) eine Überprüfung dieser
bereits abgeschlossenen Fälle dahin vorsah, ob der damals festgestellte
einzelbetriebliche repräsentative Fettgehalt den betreffenden einzelstaatlichen
Durchschnittsfettgehalt für denselben 12- Monats-Zeitraum überstieg, und die
bejahendenfalls b) eine entsprechende Regelung wie die unter Buchstabe e getroffene
für diese Fälle einführten. Eine solche Regelung wäre angesichts der Vielzahl der zu
überprüfenden Fälle mit einem Mehr an Verwaltungsarbeit und Kosten verbunden
gewesen, das in keinem Verhältnis zu dem von dem Kläger erstrebten Mehr an
Gleichbehandlung stünde.
Nach Alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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2. Aus den Ausführungen zu 1. folgt zugleich, dass auch die Berufung des
Beigeladenen keinen Erfolg haben kann. Denn der in der Bescheinigung ausgewiesene
Referenzfettgehalt von 4,21 % ist richtig.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 159 Satz 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708
Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO nicht gegeben sind.
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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 13 Abs. 1 GKG. Auf die zutreffende
Berechnung des Verwaltungsgerichts wird Bezug genommen.
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