Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 08.07.2009

OVG NRW: aufenthaltserlaubnis, flüchtlingseigenschaft, ausländer, anschluss, bundesamt, einzelrichter, klagebegehren, erfüllung, ausstellung, verwaltungsakt

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 E 1013/08
Datum:
08.07.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 E 1013/08
Schlagworte:
Terminsgebühr Einigungsgebühr
Normen:
VV-RVG Nr. 1000; VV-RVG Nr. 3104; VV-RVG Vorbemerkung 3 Abs. 3
Leitsätze:
1. Eine Terminsgebühr entsteht nicht, wenn die beklagte
Ausländerbehörde während des Klageverfahrens von sich aus oder auf
Nachfrage des Klägers lediglich mitteilt, dass sie aufgrund eines
behördeninternen Entscheidungsprozesses den angefochtenen
Verwaltungsakt aufhebt oder dem Klagebegehren entspricht.
2. Eine Einigungsgebühr fällt nicht an, wenn bei übereinstimmenden
Erledigungserklärungen nicht zugleich eine Einigung über den in Frage
stehenden materiell-rechtlichen Anspruch erzielt wird.
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
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Über die Beschwerde entscheidet der Senat nach § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO in
der Besetzung von drei Richtern. Denn es handelt sich um eine Beschwerde nach § 146
Abs. 1 VwGO gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts über die Erinnerung nach
den §§ 151, 165 VwGO gegen die Festsetzung der vom Gegner zu erstattenden Kosten
nach § 164 VwGO. Für diese Beschwerde gilt keine derjenigen Vorschriften, die bei
Kosten- und Streitwertbeschwerden eine Beschwerdeentscheidung des
Rechtsmittelgerichts durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter vorsehen, wenn die
angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen
wurde (§§ 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG, §§ 33 Abs. 8 Satz 1
Halbsatz 2, 56 Abs. 2 Satz 1 RVG).
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So auch OVG NRW, Beschluss vom 26. Januar 2009 – 19 E 130/08 – und
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BayVGH, Beschluss vom 19 Januar 2007 – 24 C 06.2426 -, NVwZ-RR
2007, 497.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung des
Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle vom 28. Mai 2008 mit zutreffenden Gründen, die durch das
Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden, zurückgewiesen.
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Der Kläger beruft sich für seine Ansicht, vorliegend sei eine Terminsgebühr nach Nr.
3104 VV-RVG entstanden, vergeblich auf die Entscheidung des BGH vom 20.
November 2006 – II ZB 9/06 -, NJW-RR 2007, 286, soweit darin ausgeführt wird, dass
eine solche Gebühr anfalle, wenn der Gegner eine auf die Erledigung des Verfahrens
gerichtete Erklärung zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei
entgegengenommen habe. Eine derartige Situation ist unter Berücksichtigung der
verwaltungsgerichtsprozessualen Besonderheiten bezüglich der hier nur in Betracht
kommenden letzten Alternative der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG vorliegend nicht
gegeben. Insoweit wird nämlich vorausgesetzt, dass eine auf die Vermeidung oder
Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung - die auch telefonisch und ohne
Beteiligung des Gerichts geführt werden kann - mit dem konkreten Ziel stattgefunden
hat, das Streitverfahren einvernehmlich zu beenden. Dies setzt die Bereitschaft der
Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen
Beendigung des Verfahrens einzutreten. Davon ausgehend entsteht keine
Terminsgebühr, wenn die beklagte Ausländerbehörde während des Klageverfahrens
von sich aus oder auf Nachfrage des Klägers lediglich mitteilt, dass sie aufgrund eines
behördeninternen Entscheidungsprozesses zu dem Ergebnis gelangt ist, dass dem
Klagebegehren entsprochen wird. Eine solche Mitteilung ist keine auf die Vermeidung
oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung. Das gilt auch für den Fall,
dass die Gegenseite zur Abgabe einer Erledigungserklärung aufgefordert wird.
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Vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 23. Juli 2008 – 2 S 458/07 -, juris.
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So war es auch hier. Es fehlt an einer Besprechung zwischen den Beteiligten. Der
Beklagte hat im Anschluss an die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge (Bundesamt) vom 15. Januar 2008, mit der dem Kläger die
Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG zugesprochen wurde, behördenintern
entschieden, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG zu
erteilen. Auf diese Entscheidung hatten weder das vorliegende Verfahren noch die darin
vom Kläger eingebrachten Äußerungen irgend einen Einfluss. Das Flüchtlingsverfahren
war völlig eigenständig und wurde vom Kläger parallel zum vorliegenden Verfahren
betrieben, in dem es um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5
AufenthG ging. Die einzige Gemeinsamkeit beider Verfahren war allein, dass mit beiden
die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erstrebt wurde.
Dementsprechend reduzierte sich die Beteiligung des Prozessbevollmächtigten an der
Erledigung des vorliegenden Verfahrens darin, das vom Beklagten allein herbeigeführte
erledigende Ereignis zur Kenntnis zu nehmen und die erforderlichen prozessualen
Konsequenzen daraus zu ziehen. Damit werden die Voraussetzungen für die
Entstehung einer Terminsgebühr nicht erfüllt.
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Die vom Kläger ferner beanspruchte Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV-RVG ist
ebenfalls nicht angefallen. Die Einigungsgebühr setzt die Mitwirkung beim Abschluss
eines Vertrages voraus, durch den der Streit der Parteien über ein Rechtsverhältnis
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beseitigt wird. Dafür ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass eine Einigung über
materielle Ansprüche erzielt wird, ohne dass es etwa eines Vergleichs bedarf. Daher
kann eine Einigungsgebühr auch anfallen, wenn der Rechtsstreit - wie hier - durch
übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien beendet wird, sofern über die
insofern vorliegenden Prozesshandlungen hinausgehend zugleich eine Einigung über
den in Frage stehenden materiell-rechtlichen Anspruch erzielt wird. Dagegen ist es nicht
ausreichend, wenn der Rechtsstreit statt durch ein gegenseitiges Einvernehmen durch
eine einseitige Erklärung beendet wird.
Vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2007 – II ZB 10/06 -, NJW 2007, 2187;
BayVGH, Beschluss vom 11. Juni 2008 – 10 C 08.777 -, juris.
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Letzteres ist hier gegeben. Die Parteien haben den Rechtsstreit nicht auf Grund einer
Einigung über den mit der Klage geltend gemachten, grundsätzlich in das Ermessen der
Ausländerbehörde gestellten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §
25 Abs. 5 AufenthG beendet. Der Beklagte hat vielmehr dem Kläger im Anschluss an
die o.g. Entscheidung des Bundesamtes nach zwingender Vorgabe des § 25 Abs. 2
AufenthG durch einseitige Erklärung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.
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Dem tritt die Beschwerde erfolglos mit der Ansicht entgegen, die Klage sei auf die
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gerichtet gewesen und
eine solche sei auch erteilt worden. Die allein im Streit stehende Erfüllung der
Passpflicht sei bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG
durch die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge ausgeräumt worden. Damit
verkennt die Beschwerde, dass es eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen
als solche nicht gibt. Vielmehr werden in § 25 AufenthG unter der Überschrift "Aufenthalt
aus humanitären Gründen" verschiedene von einander unabhängige Regelungen zur
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis getroffen. Namentlich die hier in Rede stehenden
Rechte aus den Absätzen 2 und 5 unterscheiden sich grundlegend. Während Absatz 2
anerkannten Flüchtlingen einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
vermittelt, verschafft Absatz 5 unter engen Voraussetzungen dieselbe Möglichkeit für
vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer. Insbesondere verdeutlicht die
Unterschiedlichkeit beider Rechtsgrundlagen, dass für eine Aufenthaltserlaubnis nach
Absatz 2 das Bundesamt dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt haben
muss, während bei Absatz 5 alle Anspruchsvoraussetzungen von der
Ausländerbehörde inhaltlich festzustellen sind.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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