Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.06.2008

OVG NRW: versetzung, hauptsache, erlass, ordnungsvorschrift, gesundheitszustand, obsiegen, auflösung, gewalt, dienstleistung, billigkeit

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 B 971/08
Datum:
30.06.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 B 971/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 L 1049/08
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese
selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 16.886,22
Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Eine gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6
VwGO auf die dargelegten Beschwerdegründe beschränkte Überprüfung der
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung führt nicht zum Erfolg des Rechtsmittels.
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Der Hauptantrag hat keinen Erfolg, weil es bereits an einem Anordnungsgrund fehlt. Der
Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO
voraus, dass die Regelung erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder
drohende Gewalt zu verhindern oder sie aus anderen Gründen nötig erscheint. Hier
gelten darüber hinausgehend strengere Anforderungen, weil der Antragsteller mit der
einstweiligen Anordnung eine Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt. Bei
antragsgemäßer Entscheidung würde dem in der Hauptsache gestellten Antrag, den
Antragsgegner zu verpflichten, ihn (den Antragsteller) gemäß § 39 LBG NRW in den
einstweiligen Ruhestand zu versetzen, schon im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes entsprochen. Deshalb ist ein Anordnungsgrund nur gegeben, wenn
wirksamer Rechtsschutz durch ein Hauptsacheverfahren nicht erreichbar wäre, dem
Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung schlechthin unzumutbare
Nachteile drohten und er nach dem von ihm glaubhaft gemachten Sachverhalt
voraussichtlich im Klageverfahren obsiegen würde.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. August 2003 - 6 B 2373/02 - m.w.N.
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Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist
insbesondere zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht
geboten. Um sicherzustellen, dass der Antragsteller bei einem Obsiegen in der
Hauptsache den dort zu verfolgenden Anspruch durchsetzen kann, ist sie nicht
erforderlich. Entgegen der Auffassung des Antragstellers steht § 39 Satz 2 LBG NRW,
wonach der Dienstherr die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nur innerhalb
von sechs Monaten nach Auflösung der Behörde oder nach In-Kraft-Treten des
Gesetzes oder der Verordnung aussprechen darf, seiner Versetzung in den
einstweiligen Ruhestand auch nach Ablauf dieser Frist nicht entgegen.
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§ 39 Satz 2 LBG NRW soll sicherstellen, dass der Dienstherr von der in § 39 Satz 1 LBG
NRW vorgesehenen Möglichkeit, Beamte in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen,
zeitnah zu der Auflösung, Verschmelzung oder der Änderung des Aufbaus der
jeweiligen Behörden Gebrauch macht. Es handelt sich dabei um eine
Ordnungsvorschrift, die den Dienstherrn im Interesse der Allgemeinheit zu einer zügigen
Durchführung auch der personellen Folgemaßnahmen einer Neuorganisation der
Behördenstruktur anhalten soll. Einem von dem betroffenen Beamten rechtzeitig
innerhalb der Frist gestellten Antrag auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand
kann sie nicht entgegen gehalten werden. Insbesondere kommt ihr nicht die Bedeutung
einer Ausschlussfrist zu, mit deren Ablauf ungeachtet einer rechtzeitigen Antragstellung
die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand einem gesetzlichen Verbot unterläge.
Das folgt zunächst aus § 39 Satz 3 LBG NRW, der Ausnahmen zulässt und ein solches
Grundverständnis der Vorschrift nicht verlangt. Eine andere Betrachtungsweise wäre
zudem mit den schutzwürdigen Interessen der betroffenen Beamten nicht zu
vereinbaren. Zwar vermittelt § 39 Satz 1 LBG NRW als eine im Interesse der
Allgemeinheit bestehende Ordnungsvorschrift dem Beamten keine subjektiven Rechte,
sodass er aus ihr einen Anspruch auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand bzw.
auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein solches Begehren nicht herleiten
kann.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2008 - 6 B 1896/07 -.
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Jedoch kann ihm aufgrund einer Selbstbindung seines Dienstherrn (Art. 3 Abs. 1 GG)
ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf
Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nach Maßgabe einer von dem Dienstherrn
geübten Verwaltungspraxis zustehen. Dieser Anspruch kann nicht davon abhängig
gemacht werden, ob über den Antrag innerhalb der Frist des § 39 Satz 2 LBG NRW
entschieden wird. Einem berechtigten Begehren des Beamten könnte sonst aufgrund
von Zufälligkeiten oder gar nach dem Belieben des Dienstherrn der Boden entzogen
werden.
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Der Hilfsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft
gemacht, dass die begehrte Regelung erforderlich ist, um wesentliche Nachteile
abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder sie aus anderen Gründen nötig
erscheint. Es ist nicht dargelegt oder erkennbar, dass ihm wesentliche Nachteile drohen,
wenn er nicht vorläufig unter Fortzahlung seiner Bezüge von seiner
Dienstleistungspflicht freigestellt wird.
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Solche Nachteile ergeben sich insbesondere nicht mit Blick auf seinen
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Gesundheitszustand. Die von ihm geltend gemachten Erkrankungen gebieten die
begehrte Freistellung des Antragstellers vom Dienst nicht. Ist er - wie derzeit -
krankheitsbedingt dienstunfähig, ist er zur Dienstleistung bei der Beigeladenen ohnehin
nicht verpflichtet, sodass es der erstrebten Regelung nicht bedarf. Sollte sich der
Gesundheitszustand des Antragstellers soweit verbessern, dass er erneut dienstfähig
wäre, stünden die von ihm angeführten gesundheitlichen Einschränkungen einer
Dienstaufnahme dementsprechend nicht mehr entgegen. Dass dem Antragsteller allein
aufgrund der dann bestehenden Dienstleistungspflicht eine (erneute) erhebliche
Verschlechterung seines Gesundheitszustandes droht, ist nicht dargelegt oder
ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht
der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie
keinen Antrag gestellt und sich daher dem Risiko einer Kostentragung nicht ausgesetzt
hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 5 Satz 2
GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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