Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.10.2001

OVG NRW: aufschüttung, spiel, auskunft, genehmigung, behörde, bauherr, beseitigungsverfügung, gefahr, bedürfnis, bestimmtheit

Oberverwaltungsgericht NRW, 10 B 1332/01
Datum:
29.10.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 B 1332/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 1 L 671/01
Tenor:
Der Antrag der Antragsteller auf Zulassung der Beschwerde gegen den
Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 19. September 2001
wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als
Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auch für das Antragsverfahren auf 4.000,- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde ist unbegründet. Die Ausführungen in der
Antragsschrift begründen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen
Beschlusses (Zulassungsgrund nach § 146 Abs. 4 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO), noch ergeben sich aus ihnen eine grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund
nach § 146 Abs. 4 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder besondere
rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 146 Abs. 4 in
Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 21. August 2001
gegen die Bauordnungsverfügung des Antragsgegners vom 6. August 2001 und die
darin enthaltene Zwangsgeldandrohung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt,
die Stilllegungs- und Nutzungsuntersagungsverfügung sei rechtmäßig, denn der
errichtete Spielturm sei eine genehmigungspflichtige, jedoch nicht genehmigte bauliche
Anlage und deshalb formell illegal. Es sei nicht ermessensfehlerhaft, dass der
Antragsgegner die Benutzung des Spielgeräts ausgeschlossen habe, um Unfälle zu
verhindern. Die dagegen gerichteten Einwände der Antragsteller greifen nicht durch.
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Bedenken hinsichtlich der hinreichenden Bestimmtheit der Ordnungsverfügung haben
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die Antragsteller lediglich behauptet, nicht aber entsprechend den Anforderungen des §
146 Abs. 5 Satz 3 VwGO dargelegt, so dass der Senat dem nicht weiter nachzugehen
braucht.
Das Verwaltungsgericht hat den auf einer 3 m hohen Aufschüttung auf einer Betonplatte
gegründeten und im Wesentlichen aus Holz hergestellten insgesamt ca. 7 m hohen
Spielturm mit angeschlossener Rutsche zutreffend als bauliche Anlage gemäß § 2 Abs.
1 Satz 1 BauO NRW und als nach § 63 Abs. 1 BauO NRW genehmigungspflichtig
angesehen. Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist § 65 Nr. 29 BauO NRW nicht
einschlägig, wonach bauliche Anlagen keiner Baugenehmigung bedürfen, die der
zweckentsprechenden Einrichtung von Sport- und Spielflächen dienen, wie Tore für
Ballspiele, Schaukeln und Klettergerüste, ausgenommen Tribünen. Derartige bauliche
Anlagen müssen in einem Funktionszusammenhang mit Spiel- und Sportplätzen
stehen,
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vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, Bauordnung für das Land Nordrhein- Westfalen,
Stand 1. April 2001, § 65 Rn. 97.
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Nach ihrem Regelungszweck betrifft die Bestimmung nur solche Baumaßnahmen, die
sich gegenüber den erwähnten Spiel- und Sportplätzen als unbedeutende bauliche
Anlage darstellen und als solche kein Bedürfnis nach (gesonderter) baubehördlicher
Präventivkontrolle auslösen.
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Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 14. September 1984 - 2 R 248/83 -, BRS 42 Nr. 70, zur
entsprechenden Vorschrift des saarländischen Bauordnungsrechts.
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Danach ist der Spielturm keine bauliche Anlage im Sinne von § 65 Nr. 29 BauO NRW.
Abgesehen davon, dass er als isoliertes Spielgerät nicht in einem
Funktionszusammenhang mit einem Spiel- oder Sportplatz steht, stellt er gegenüber
Spiel- und Sportplätzen keine unbedeutende bauliche Anlage dar. Vielmehr löst er - wie
schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat - auf Grund seiner Ausgestaltung
hinsichtlich seiner Standsicherheit und gefahrlosen Benutzbarkeit einen Prüfungsbedarf
aus, der eine Genehmigungsfreiheit nach § 65 Nr. 29 BauO NRW ausschließt. Der
Hinweis der Antragsteller auf die Genehmigungsfreiheit von Sprungschanzen und
Sprungtürmen bis zu 10 m Höhe nach § 65 Nr. 32 BauO NRW ändert daran nichts, denn
der Spielturm unterfällt dieser Regelung nicht.
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Auf das Antragsvorbringen weist der Senat darauf hin, dass die Aufschüttung im
Hinblick auf die Baugenehmigungspflicht nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang
mit dem aufstehenden Spielturm gesehen werden kann. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BauO
NRW erfasst nur solche Aufschüttungen, die nicht mit der Herstellung baulicher Anlagen
verbunden, also selbstständiger Betrachtung zugänglich sind.
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Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., § 2 Rdnr. 14.
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Eine solche selbstständige Aufschüttung liegt hier nicht vor. Der aufgeworfene Erdhügel
ist vielmehr mit der Herstellung des Spielturms verbunden, denn er steht mit diesem in
einem untrennbaren Zusammenhang und erhält erst durch diesen seinen Sinn. In dem
Erdhügel befinden sich die Stützen für die oben aufliegende Betonbodenplatte des
Spielturms. Erst durch die Aufschüttung erreicht der Spielturm die von den
Antragstellern angestrebte und wegen der angebauten Spielgeräte auch erforderliche
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Höhe von insgesamt ca. 7 m. Abgesehen davon wäre auch die 3 m hohe Aufschüttung
genehmigungspflichtig, wenn man diese als (selbstständige) bauliche Anlage nach § 2
Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BauO NRW ansähe und sie deshalb isoliert in den Blick nähme.
Dies folgt aus § 65 Nr. 42 BauO NRW, wonach selbstständige Aufschüttungen nur bis
zu 2 m Höhe genehmigungsfrei sind, im Außenbereich zudem nur, wenn die
Aufschüttungen nicht mehr als 400 qm Fläche haben. Dieses Höhenmaß von 2 m
übersteigt die Aufschüttung mit 3 m deutlich.
Das weitere Vorbringen der Antragsteller begründet keine ernstlichen Zweifel an der
Richtigkeit der Ausführungen des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der
Ermessensentscheidung des Antragsgegners. Dies gilt unabhängig davon, ob - wie die
Antragsteller behaupten - dem Antragsteller zu 2. vor Errichtung des Spielgeräts die
Auskunft erteilt worden ist, eine Genehmigung sei nicht erforderlich, und ob der
Antragsgegner die Antragsteller "sehenden Auges" das Spielgerät hat fertigbauen
lassen, ohne auf die Genehmigungspflicht hinzuweisen. Es entspricht der ständigen
Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, dass die Bauaufsichtsbehörden auch dann
nicht gehindert sind, gegen bauordnungsrechtliche Zustände einzuschreiten, wenn sie
diese längere Zeit hingenommen haben. Anderes gilt nur dann, wenn die Behörde ein
illegal errichtetes Bauvorhaben nicht nur geduldet, sondern darüber hinaus ein
Verhalten gezeigt hat, nach dem der Bauherr darauf vertrauen konnte, eine
Bauordnungsverfügung werde nicht mehr ergehen, tatsächlich darauf vertraut und sich
infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm
durch ein Einschreiten gegen die bauliche Anlage ein unzumutbarer Nachteil entstehen
würde.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. September 1990 - 11 A 1938/97 -, NVWBL 1990, 193 f.
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Derartige Umstände haben die Antragsteller mit der Behauptung, dem Antragsteller zu
2. sei mündlich vor Errichtung des Spielgeräts die Auskunft erteilt worden, dass eine
Genehmigung nicht erforderlich sei, schon nicht entsprechend den Anforderungen des §
146 Abs. 5 Satz 3 VwGO dargelegt, denn es fehlen nähere nachprüfbare Angaben zur
Person des Auskunftgebers. Abgesehen davon stellen selbst derartige Auskünfte keine
Umstände dar, die einer Stilllegungs- und Nutzungsuntersagungsverfügung
entgegenstehen.
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Vgl. - zur eingriffsintensiveren Beseitigungsverfügung -: OVG NRW, Urteil vom 25.
September 1990, a.a.O., 193 f.
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Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der Antragsgegner die
Benutzung des Spielturms vorerst verbieten durfte, um Unfälle auszuschließen, denn
eine dementsprechende Gefahr kann nicht von vornherein verneint werden. Ob die
Benutzung des Spielturms tatsächlich mit Unfallgefahren verbunden ist, lässt sich erst
nach Durchführung des vorgeschriebenen Baugenehmigungsverfahrens beantworten,
das gerade auch der Prüfung solcher Umstände dient. Dass ein solcher Prüfungsbedarf
durchaus besteht, wird durch die von den Antragstellern angesprochenen zahlreichen
sicherheitstechnischen Nachweise nicht widerlegt, sondern vielmehr bestätigt.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß §§ 146 Abs. 6 Satz 2, 124a Abs.
2 Satz 2 VwGO ab.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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