Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 13.04.2005

OVG NRW: dienstalter, schule, qualifikation, substantiierungspflicht, leistungsbezug, rückgriff, fehlerhaftigkeit, ermessensspielraum, behörde, leiter

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 6 B 2711/04
13.04.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
6. Senat
Beschluss
6 B 2711/04
Verwaltungsgericht Arnsberg, 2 L 1339/04
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung
untersagt, die Stelle eines Rektors/einer Rektorin an der GHS F.-Schule
in I. mit dem Beigeladenen zu besetzen, bevor über die Bewerbung der
Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut entschieden worden ist.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge
mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen; diese
Kosten trägt der Beigeladene selbst.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die mit ihr dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4
Sätze 3 und 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) führen zu einem Erfolg des
Rechtsmittels.
Die Antragstellerin begehrt die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die von
der Bezirksregierung B. (Bezirksregierung) beabsichtigte Besetzung der Stelle einer
Rektorin/eines Rektors als Leiterin/Leiter der Gemeinschaftshauptschule (GHS) F.-Schule
in I. (Besoldungsgruppe A 14 der Bundesbesoldungsordnung - BBesO -) mit dem
Beigeladenen. Die Antragstellerin ist Konrektorin an der GHS F.-Schule und hat eine
Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 BBesO inne. In der ihr anlässlich ihrer Bewerbung
um die hier in Rede stehende Stelle erteilten dienstlichen Beurteilung vom 00.00.0000 ist
der Antragstellerin das Gesamturteil "Die Leistungen übertreffen die Anforderungen."
zuerkannt worden.
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Der Beigeladene ist Konrektor an der GHS K.-Schule in I. und hat ebenfalls eine Planstelle
der Besoldungsgruppe A 13 BBesO inne. Auch er wurde in seiner aktuellen dienstlichen
Beurteilung - ebenfalls vom 00.00.0000 - im Gesamturteil mit "Die Leistungen übertreffen
die Anforderungen." bewertet. Die Bezirksregierung beabsichtigt, die hier in Rede stehende
Beförderungsstelle an den Beigeladenen zu übertragen, weil dieser bei gleicher
Qualifikation der Bewerber ein um vierzehn Jahre höheres Dienstalter als die
Antragstellerin aufweise. Außerdem sei er ca. zehn Jahre lebensälter. In der
Rechtsprechung herrsche inzwischen die gefestigte Auffassung vor, dass die
Frauenförderung nach § 25 Abs. 6 Satz 2 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-
Westfalen (LBG NRW) als nicht leistungsbezogenes Hilfskriterium dann generell hinter das
(mit Leistungsbezug ausgestattete) Hilfskriterium "Dienstalter" zurücktrete, wenn der
betroffene Beamte ein um mindestens fünf Jahre höheres Dienstalter als sein Konkurrent
aufweise. Mit u.a. denselben Erwägungen hatte die Bezirksregierung zuvor den zu Gunsten
der Antragstellerin ausgefallenen Schulträgervorschlag abgelehnt.
Das Verwaltungsgericht hat den - sinngemäßen - Antrag der Antragstellerin,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Stelle eines
Rektors/ einer Rektorin an der GHS F.-Schule in I. mit dem Beigeladenen zu besetzen,
bevor über ihre Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut
entschieden worden ist,
abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Die Antragstellerin habe das Vorliegen eines
Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Es sei nicht ersichtlich, dass sie besser
qualifiziert sei als der Beigeladene. Beide seien in ihren dienstlichen Beurteilungen mit
dem Gesamturteil "Die Leistungen übertreffen die Anforderungen." bewertet worden. Ein
Qualifikationsvorsprung der Antragstellerin ergebe sich auch nicht aus dem weiteren Inhalt
dieser dienstlichen Beurteilungen. Keine der Beurteilungen der Konkurrenten enthalte
Ansatzpunkte, die sich für eine für die Antragstellerin im Ergebnis günstige "Ausschärfung"
aufdrängten. Insoweit führe das Vorbringen der Antragstellerin, die Bezirksregierung habe
nicht ausreichend berücksichtigt, dass sie - die Antragstellerin - nach dem Tod des Leiters
der F.-Schule die Aufgaben des Schulleiters wahrgenommen habe, nicht weiter. Denn
nach Aktenlage sei diesem Umstand Rechnung getragen worden. Nach den
Aktenvermerken vom 00.00.0000 und vom 00.00.0000 habe der Schulamtsdirektor I.-C. ,
der sowohl die Antragstellerin als auch den Beigeladenen dienstlich beurteilt habe,
klargestellt, dass zwischen den Bewerbern ein Leistungsgleichstand bestehe und die
Beurteilung der Antragstellerin ohne die Berücksichtigung ihrer kommissarischen
Schulleitertätigkeit geringfügig schlechter ausgefallen wäre. Die bei dieser Sachlage nach
Hilfskriterien erfolgte Auswahl sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit sei es
grundsätzlich dem Dienstherrn überlassen, welche Hilfskriterien er im Rahmen seiner
Ermessensentscheidung heranziehe und wie er die Hilfskriterien zueinander gewichte,
sofern nur das Prinzip der Bestenauslese beachtet werde. In diesem Zusammenhang sei
auch der Grundsatz der Frauenförderung gemäß § 25 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 LBG NRW
zu beachten, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwögen.
Dies sei in Bezug auf den Beigeladenen der Fall, denn er weise im Vergleich zu der
Antragstellerin ein um vierzehn Jahre höheres Dienstalter, ein um zehn Jahre höheres
Lebensalter und eine um siebzehn Monate längere Verweildauer im statusrechtlichen Amt
auf. Angesichts des deutlich höheren allgemeinen Dienstalters und des ebenfalls deutlich
höheren Lebensalters habe die Bezirksregierung von der Öffnungsklausel des § 25 Abs. 6
Satz 2 Halbsatz 1 LBG NRW Gebrauch machen dürfen. Dabei falle nicht ins Gewicht, dass
die dargelegten Unterschiede (lediglich) das allgemeine Dienstalter und das Lebensalter
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der Konkurrenten beträfen. Eine starre Reihenfolge der in Betracht zu ziehenden
(sachlichen) Hilfskriterien gebe es insoweit nicht. Schließlich könne sich die Antragstellerin
auch nicht darauf berufen, dass sich der Schulträger zu ihren Gunsten ausgesprochen
habe. Diesem Gesichtspunkt sei zwar ein wesentliches Gewicht beizumessen, er binde
den Dienstherrn aber nicht. Außerdem komme dem Schulträgervorschlag bei der hier in
Rede stehenden Beförderungsentscheidung nur Bedeutung auf der Ebene der
Hilfskriterien zu. Insoweit sei die Bezirksregierung nicht gehalten gewesen, diesen
Gesichtspunkt als erstes Hilfskriterium heranzuziehen; sie habe ihn vielmehr - wie auch
das Frauenförderungskonzept - gegenüber dem Hilfskriterium "Dienstalter" zurücktreten
lassen können.
Die Antragstellerin macht geltend: Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon
ausgegangen, dass sie keinen Qualifikationsvorsprung gegenüber dem Beigeladenen
aufweise. Die dienstlichen Beurteilungen, auf die das Verwaltungsgericht seine Annahme
stütze, würden nach Aufbau und Inhalt dem Gebot der Bestenauslese nicht gerecht. So
erfolge in ihnen keine gesonderte Bewertung der einzelnen Leistungen. Auch sei nicht
erkennbar, wie die Leistungen in der Revision im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen
bewertet seien und in die Gesamtbewertung eingeflossen seien. Da die Beurteilungen
auch keine Differenzierung in der Bewertung der für die Bestenauslese maßgeblichen
Kriterien (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung) enthielten und ferner innerhalb der
einzelnen Notenstufen keine Differenzierungen vorgenommen werden könnten, sei das
Gesamturteil allenfalls grob. Auch seien für Lehrkräfte keine Regelbeurteilungen
vorgesehen. Aus diesem Grund sei es nicht möglich, die Leistungsentwicklung in die
Auswahlentscheidung mit einfließen zu lassen. Hierdurch würden diejenigen Lehrkräfte
benachteiligt, die im dienstlichen Alltag kontinuierlich - und nicht nur punktuell in einer
Revision - gute Leistungen zeigten. Diese Beurteilungen unterschieden sich erheblich von
den Beurteilungen, die in den anderen Geschäftsbereichen des Antragsgegners erstellt
würden. Die aus der unterschiedlichen Beurteilungspraxis resultierende
Ungleichbehandlung dürfe ihr - der Antragstellerin - auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) nicht zum Nachteil gereichen.
Ungeachtet dessen weise sie - die Antragstellerin - gegenüber dem Beigeladenen einen
Qualifikationsvorsprung auf. Zunächst seien schon die von dem Verwaltungsgericht in
diesem Zusammenhang getroffenen tatsächlichen Feststellungen unzutreffend. Dieses
habe in seinem Beschluss ausgeführt, dass sie - die Antragstellerin - im 00.0000 die
Aufgaben des Schulleiters wahrgenommen habe. Tatsächlich sei sie aber bereits seit dem
00.00.0000 mit der kommissarischen Leitung der GHS F.-Schule beauftragt gewesen. Im
Rahmen dieser Tätigkeit habe sie es geschafft, den Schulbetrieb positiv verändernd zu
gestalten. Dies ergebe sich sowohl aus den Einzelaussagen in ihrer dienstlichen
Beurteilung als auch aus dem zu ihren Gunsten ausgefallenen Schulträgervorschlag.
Ausgehend hiervon sei die Bezirksregierung den ihr obliegenden Pflichten zur
Substantiierung und Begründung ihrer Auswahlentscheidung nicht nachgekommen. Eine
inhaltliche Ausschöpfung ihrer Beurteilung sei nicht erfolgt. Die Bezirksregierung lasse die
Umstände, die für einen Qualifikationsvorsprung ihrer Person sprächen, vollständig außer
Acht. Das Verwaltungsgericht habe in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die
kommissarische Wahrnehmung der Schulleitung berücksichtigt worden sei. In diesem
Zusammenhang habe es auf zwei Aktenvermerke verwiesen, denen zufolge der
Schulamtsdirektor I.-C. gegenüber der Bezirksregierung klargestellt habe, dass bei ihrer
Beurteilung die genannte Tätigkeit berücksichtigt worden sei und ihre Beurteilung
andernfalls geringfügig schlechter ausgefallen wäre. Diese Ausführungen seien nicht
haltbar. Zum einen obliege es nicht dem Schulamt, sondern der Bezirksregierung eine
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inhaltliche Auswertung der Beurteilungen der Bewerber vorzunehmen. Zum anderen habe
das Verwaltungsgericht insoweit nicht den Inhalt der pauschalen Aktenvermerke zugrunde
legen dürfen, denn hiermit würden die Anforderungen an die Glaubhaftmachung des
Anordnungsanspruchs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch in
verfassungsrechtlicher Hinsicht in nicht hinnehmbarer Weise überspannt. Eine verständige
Würdigung dieses Aktenvermerks ergebe, dass sie - die Antragstellerin - sich in der Praxis
besonders bewährt habe, und damit einen im Sinne eines Qualifikationsvorsprungs zu
ihren Gunsten zu berücksichtigenden Umstand.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts sei aber auch bei einer Unterstellung eines
Qualifikationsgleichstandes der Bewerber unzutreffend. In diesem Fall sei der Rückgriff der
Bezirksregierung auf das höhere Dienstalter und das höhere Lebensalter des
Beigeladenen fehlerhaft. Zu Unrecht sei der Schulträgervorschlag nicht in die
Auswahlentscheidung mit einbezogen worden. Dies sei willkürlich und
ermessensfehlerhaft, denn diesem Vorschlag komme wenn auch keine bindende Wirkung,
so aber doch ein erhebliches Gewicht zu. Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgehe,
dass ein Rückgriff auf die Hilfskriterien "Dienstalter" und "Lebensalter" nicht zu
beanstanden sei, weil insoweit allein die Verwaltungspraxis der Anstellungsbehörde
maßgeblich sei, sei schon nicht ersichtlich, dass bei der Bezirksregierung eine
entsprechende Verwaltungspraxis existiere. Weiterhin werde durch einen unmittelbaren
Rückgriff auf diese Hilfskriterien ein Verstoß gegen das Prinzip der Bestenauslese
begründet. Insoweit hätten vorrangig Hilfskriterien mit Leistungsbezug herangezogen
werden müssen. Schließlich habe das Verwaltungsgericht den Grundsatz der
Frauenförderung unzureichend berücksichtigt.
Mit diesem Vorbringen hat die Antragstellerin das Vorliegen sowohl eines
Anordnungsgrundes als auch eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht (§ 123 Abs.
3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung).
Ein Anordnungsgrund folgt daraus, dass eine Übertragung der hier in Rede stehenden
Beförderungsstelle an den Beigeladenen durch die Ernennung des Beigeladenen zum
Rektor nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte.
Der Antragstellerin kommt auch ein Anordnungsanspruch zu. Der Dienstherr hat bei der
Entscheidung darüber, welchem von mehreren in Betracht kommenden Beamten er eine
Beförderungsstelle übertragen will, das Prinzip der Bestenauslese zu beachten und
Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Konkurrenten zu bewerten und zu
vergleichen (Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 Abs. 1 LBG NRW). Sofern ein Bewerber besser
qualifiziert ist, darf er nicht übergangen werden. Im Übrigen - bei im Wesentlichen gleicher
Qualifikation - ist die Entscheidung in das pflichtgemäße Ermessen des Dienstherrn
gestellt. Der einzelne Bewerber hat insoweit ein Recht auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung über die Stellenbesetzung. Die Antragstellerin hat eine Verletzung dieses
Rechts, das nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sicherungsfähig ist, glaubhaft gemacht.
Allerdings folgt eine Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung nicht aus einer besseren
Qualifikation der Antragstellerin. Diese weist nämlich, wie bereits das Verwaltungsgericht
mit zutreffender Begründung festgestellt hat, gegenüber dem Beigeladenen keinen
Qualifikationsvorsprung auf. Die von der Antragstellerin gegen diese Annahme erhobenen
Einwände greifen nicht.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stellen die ihr und dem Beigeladenen unter
dem 00.00.0000 erteilten dienstlichen Beurteilungen eine hinreichende Grundlage für den
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Qualifikationsvergleich dar. Insbesondere ermöglichen sie eine dem Gebot der
Bestenauslese gerecht werdende hinreichende Differenzierung zwischen den Bewerbern.
Vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 29. Juli 2003 - 2 BvR
311/03 -, Zeitschrift für Beamtenrecht (ZBR), 2004, 45.
Insoweit begegnet es zunächst keinen Bedenken, dass den Lehrkräften in Nordrhein-
Westfalen eine Beurteilung nicht in regelmäßigen Zeitabständen (Regelbeurteilung)
sondern nur zu bestimmten, in Nr. 3 der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der
Lehrkräfte sowie Leiterinnen und Leiter an öffentlichen Schulen und Studienseminaren
(Runderlass des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 2. Januar 2003 - 122-
1.18.07.03-15026/02) - Beurteilungsrichtlinien - festgelegten Anlässen (Anlassbeurteilung)
erteilt und dass diese Beurteilungen im Wesentlichen auf der Grundlage punktuell
erbrachter Leistungen im Rahmen einer Revision erfolgen. Auch nach einem derartigen
System erstellte Beurteilungen sind grundsätzlich geeignet, den aktuellen Leistungsstand
des Beurteilten zu dokumentieren. Ob insoweit ein anderes Beurteilungssystem
zweckmäßiger wäre, ist nicht Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Denn
dem Dienstherrn kommt bei dem Erlass von Beurteilungsrichtlinien ein weiter Gestaltungs-
und Ermessensspielraum zu.
Vgl. insoweit Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. April 1981 - 2 C 26/78 -, ZBR 1982,
174.
Für die weitere Ausgestaltung der hier in Rede stehenden Beurteilungsrichtlinien gilt nichts
anderes. Namentlich ist nicht zu beanstanden, dass nach Nr. 4.6 der Beurteilungsrichtlinien
nur ein Gesamturteil ausgeworfen wird, das zugleich Aufschluss über die prognostizierte
Qualifikation für andere (höherwertige) Aufgaben geben soll (Nr. 4.9 der
Beurteilungsrichtlinien).
Ebenso wenig müssen in der Beurteilung gesonderte Bewertungen der im Rahmen der
Revision zu erbringenden Einzelleistungen enthalten sein, oder muss aus der Beurteilung
ersichtlich werden, wie die Leistungen in der Revision im Verhältnis zu den sonstigen
Leistungen bewertet werden. Nicht zu beanstanden ist auch, dass innerhalb der einzelnen
Bewertungsstufen keine Differenzierungen vorgesehen sind. Ungeachtet dessen genügt
eine fünfstufige Skala für Gesamturteile, wie sie nach Nr. 4.6 der Richtlinien vorgesehen ist,
dem für eine Bestenauslese erforderlichen Differenzierungsbedarf.
Vgl. hierzu Schnellenbach, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, 3.
Auflage, Rdnr. 397.
Außerdem kann eine weitere Differenzierung im Sinne einer Abstufung zwischen den
Gesamturteilen - soweit erforderlich - anhand der textlichen Bestandteile einer Beurteilung
erfolgen.
Vgl. insoweit Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),
Beschluss vom 4. Januar 1999 - 6 B 2096/98 - m.w.N. für die ständige Rechtsprechung des
Senats.
Die Antragstellerin hat auch nicht dargetan, dass sie gegenüber dem Beigeladenen einen
Qualifikationsvorsprung aufweist. In diesem Zusammenhang ist zunächst unerheblich, dass
das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss (Seite 6 des Beschlussabdrucks)
ausgeführt hat, die Antragstellerin habe im 00.0000 die Aufgabe des Schulleiters der F.-
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Schule wahrgenommen. In der dienstlichen Beurteilung der Antragstellerin ist insoweit - in
Übereinstimmung mit ihren Angaben - ausgeführt, dass sie die F.-Schule seit dem
00.00.0000 kommissarisch in eigener Verantwortlichkeit leite. Damit basiert ihre dienstliche
Beurteilung auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage.
Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass die Bezirksregierung keinen
Qualifikationsvorsprung zu Gunsten der Antragstellerin anhand einer Auswertung der dem
Gesamturteil der dienstlichen Beurteilungen zugrunde liegenden Einzelfeststellungen
abgeleitet hat. Dies lässt ein Abwägungsdefizit nicht erkennen; denn vorliegend drängt sich
eine derartige inhaltliche Ausschöpfung der dienstlichen Beurteilungen nicht auf. Der Senat
geht in ständiger Rechtsprechung,
vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Februar 2004
- 6 B 2451/03 -, vom 4. Juni 2004 - 6 B 637/04 -, vom 25. August 2004 - 6 B 1649/04 - und
vom 8. September 2004 - 6 B 1587/04 -,
davon aus, dass der Dienstherr zu einer inhaltlichen Ausschöpfung dienstlicher
Beurteilungen nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, eine solche zumindest ernsthaft
in Betracht zu ziehen. Der Dienstherr muss bei - wie hier - gleichlautenden Gesamturteilen
der Frage nachgehen, ob die Einzelfeststellungen in aktuellen dienstlichen Beurteilungen
eine Prognose über die zukünftige Bewährung im Beförderungsamt ermöglichen. Er darf
sich also im Rahmen des Qualifikationsvergleichs nicht ohne Weiteres auf das
Gesamturteil aktueller Beurteilungen beschränken. Bei der Würdigung von
Einzelfeststellungen einer Beurteilung kommt dem Dienstherrn aber ein gerichtlich nur
eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Entscheidung des Dienstherrn,
bestimmte Einzelfeststellungen zur Begründung eines Qualifikationsvorsprungs
heranzuziehen oder ihn keine Bedeutung beizumessen, ist im Grundsatz deshalb nur dann
zu beanstanden, wenn der in diesem Zusammenhang anzuwendende Begriff oder der
gesetzliche Rahmen, in dem sich der Dienstherr frei bewegen kann, verkannt worden ist
oder wenn von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, allgemein gültige
Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind. Im
Interesse effektiver Rechtsschutzgewährung trifft den Dienstherrn dabei eine - unter
Umständen erhöhte - Begründungs- und Substantiierungspflicht, wenn er sich
aufdrängenden oder zumindest naheliegenden Unterschieden in den dienstlichen
Beurteilungen der jeweiligen Konkurrenten keine Bedeutung beimessen will.
Hiernach kann allein aus dem Umstand, dass der Dienstherr seiner
Beförderungsentscheidung nur das Gesamtergebnis der maßgeblichen Beurteilungen zu
Grunde legt, ohne eine inhaltliche Ausschöpfung der Beurteilungen vorzunehmen, nicht auf
die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung geschlossen werden. Ausschlaggebend ist
in diesem Zusammenhang vielmehr, ob sich die Entscheidung, den Einzelfeststellungen im
Rahmen des Qualifikationsvergleichs keine Bedeutung beizumessen, im Rahmen des dem
Dienstherrn zustehenden Beurteilungsspielraums hält. Nur insoweit kommt dem
Gesichtspunkt der sich aufdrängenden inhaltlichen Ausschöpfung eine Bedeutung zu;
weisen die mit gleichem Gesamturteil abschließenden Beurteilungen in
Einzelfeststellungen sich aufdrängender Unterschiede auf, trifft den Dienstherrn eine
Begründungs- und Substantiierungspflicht, wenn er den Unterschieden gleichwohl keine
Bedeutung beimessen will. Dies bedeutet aber auch, dass eine Begründungs- und
Substantiierungspflicht im umgekehrten Fall nicht besteht.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2004 - 6 B 1587/04 -.
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So liegt der Fall aber hier: Nach den telefonischen Äußerungen des Schulamtsdirektors I.-
C. gegenüber der Bezirksregierung vom 00.00.0000 wäre die dienstliche Beurteilung der
Antragstellerin ohne Berücksichtigung ihrer Schulleitertätigkeit geringfügig schlechter
ausgefallen. Angesichts dessen drängte es sich nicht auf, die Feststellungen zu dieser
Tätigkeit zum Anlass für eine inhaltliche Auswertung der Beurteilung zugunsten der
Antragstellerin zu nehmen. Insoweit begegnet es auch keinen Bedenken, auf den Inhalt
des in den Verwaltungsvorgängen der Bezirksregierung befindlichen Aktenvermerks vom
00.00.0000 abzustellen. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die
telefonischen Äußerungen des Schulamtsdirektors gegenüber der Bezirksregierung hierin
nicht zutreffend wiedergegeben sind.
Die streitgegenständliche Beförderungsentscheidung erweist sich aber als fehlerhaft, weil
die nach Bejahung eines Qualifikationsgleichstandes der Bewerber gebotene
Entscheidung auf der Grundlage von Hilfskriterien Ermessensfehler aufweist. Der
Dienstherr kann - nach sachgerechten Gesichtspunkten und in den Grenzen des
Willkürverbots - grundsätzlich frei darüber befinden, welche zusätzlichen Gesichtspunkte -
bei im wesentlichen gleicher Qualifikation der Konkurrenten - für die Auswahlentscheidung
den Ausschlag geben sollen.
Vgl. in diesem Zusammenhang: OVG NRW, Beschluss vom 4. Januar 1999 - 6 B 2096/98 -,
Recht im Amt (RiA) 2000, 43.
Eine starre Reihenfolge möglicher Hilfskriterien besteht dabei nicht; das Willkürverbot
erfordert es aber, dass der Dienstherr eine einmal eingeschlagene und noch
fortbestehende Praxis bei der Anwendung von Hilfskriterien durchgängig befolgt. Den so
verstandenen Ermessensspielraum hat die Bezirksregierung verkannt.
Sie ist davon ausgegangen, dass dem Schulträgervorschlag nicht zu folgen sei, weil der
Beigeladene ein um vierzehn Jahre höheres Dienstalter als die Antragstellerin aufweise
und es "in der Rechtsprechung inzwischen gefestigte Rechtsauffassung" sei, "dass die in §
25 Abs. 6 Satz 2 LBG NRW angelegte sogenannte Frauenförderung (als nicht
leistungsbezogenes Hilfskriterium) dann generell hinter dem (mit Leistungsbezug
ausgestattetem) Hilfskriterium "Dienstalter" zurücktritt, wenn der betroffene Beamte ein um
mindestens fünf Jahre höheres Dienstalter aufweist". Diese Auffassung ist unzutreffend. Ein
um fünf Jahre höheres Dienstalter eines Konkurrenten begründet nicht generell einen
Vorrang des Hilfskriteriums "Dienstalter" vor dem Hilfskriterium "Frauenförderung", sondern
kann zunächst nur ein Anhaltspunkt für die Anwendung der Öffnungsklausel des § 25 Abs.
6 Satz 2 LBG NRW sein.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Februar 2000
- 6 B 581/99 - und vom 27. Mai 2004 - 6 B 456/04 -.
Insbesondere wird durch einen solchen Dienstaltersunterschied, zumal wenn es wie hier
um das allgemeine Dienstalter geht, eine Berücksichtigung weiterer Aspekte nicht
ausgeschlossen, es sei denn, diese spielten in der Auswahlpraxis der zuständigen
Behörde auch sonst, d.h. auch bei einer Konkurrenz nur männlicher Bewerber zu Recht
keine Rolle.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Februar 1999
- 6 B 439/98 -, RiA 2000, 99.
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Zu diesen sonstigen Aspekten gehört auch der Schulträgervorschlag, dem zwar keine
bindende Wirkung, aber doch wesentliche Bedeutung zukommt.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 1999
- 6 B 2096/98 - a.a.O. und vom 9. November 1999
- 19 A 5358/98 -, RiA 2001, 99.
Dass die Bezirksregierung diesem Aspekt - in rechtlich bedeutungsfreier Weise - auch in
seiner sonstigen Auswahlpraxis keine Bedeutung beimäße, ist nicht erkennbar.
Die Ermessensfehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung ist nicht durch das Vorbringen
des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren behoben worden. Insoweit begegnet es
zwar grundsätzlich keinen Bedenken, wenn der Antragsgegner im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren Mängel behebt, die im Verlauf des Auswahlverfahrens
aufgetreten sind.
Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 12. Oktober 2004
- 3 BS 174/04 -.
Das Vorbringen des Antragsgegners ist hierzu aber nicht geeignet, weil er sich der
Fehlerhaftigkeit der von der Bezirksregierung getroffenen Auswahlentscheidung gar nicht
bewusst ist. Die Korrektur eines Fehlers im Auswahlverfahren setzt voraus, dass die
Behörde diesen Fehler zuvor erkannt hat. Dem Vorbringen des Antragsgegners im
gerichtlichen Verfahren, namentlich seinen Ausführungen in dem Schriftsatz vom
00.00.0000 lässt sich aber eine entsprechende Erkenntnis nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2, 72 Nr. 1 des
Gerichtskostengesetzes.