Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.02.2010

OVG NRW (ablauf der frist, antrag, verwaltungsgericht, zulassung, zpo, frist, zustellung, bewilligung, wiedereinsetzung, gkg)

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 165/10
Datum:
24.02.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 165/10
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 16 K 3295/09
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens; das
Prozesskostenhilfeverfahren ist gerichtskostenfrei.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.757,50 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Senat wertet das Hauptsachebegehren der Klägerin in deren wohlverstandenen
Interesse als Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des
Verwaltungsgerichts Köln vom 1. Dezember 2009, mit der sie
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eine Rückverweisung der Rechtssache an das Verwaltungsgericht Köln (vgl. §
130 Abs. 2 VwGO), damit dieses die Verfassungsmäßigkeit der Gründe für die
Wohngeldablehnung überprüft und die Wohngeldkosten seit dem 29. Mai 2009
berechnet,
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hilfsweise die Verweisung der Rechtssache an den Verfassungsgerichtshof des
Landes Nord-rhein-Westfalen und
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Hilfe beim Aushandeln einer angemessenen Mietzahlung und bei der Suche nach
einer Ersatzwohnung
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erstreben will. Ungeachtet der Erreichbarkeit der genannten Ziele in
verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Hinsicht im Einzelnen ist ein dahin
führender Rechtsweg unter Überwindung des Gerichtsbescheides vom 1. Dezember
2009 – wird, wie hier, nicht die mündliche Verhandlung gewählt – nach §§ 84 Abs. 2 Nr.
1 und 2, Abs. 3 Halbsatz 1, 124 Abs. 1 VwGO nur eröffnet, wenn die Berufung entweder
bereits vom Verwaltungsgericht zugelassen worden ist oder vom
Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. Da das Verwaltungsgericht die Berufung im
Gerichtsbescheid nicht zugelassen hat, bleibt der Klägerin vorliegend nur der
Berufungszulassungsantrag. Unmittelbar Berufung einzulegen, wäre nicht statthaft. Mit
der bloßen Eingangsbestätigung vom 25. Januar 2010 hat der Senat auch keineswegs
in rechtserheblicher Weise "die Berufung angenommen". Die Hinweisverfügung des
Berichterstatters vom 10. Februar 2010 zeigt das Problem der
Berufungsbegründungsfrist wohlweislich in gleicher Weise lediglich anhand der
generellen Rechtslage auf und äußert sich zum konkreten Fall nur im Konjunktiv
("wäre").
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Aber auch als Antrag auf Zulassung der Berufung ist das Begehren der Klägerin nicht
zulässig. Es fehlt an der nach § 67 Abs. 2 und 4 VwGO vorgeschriebenen Vertretung der
Klägerin durch einen Rechtsanwalt, einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule
im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt oder eine
sonstige vertretungsberechtigte Person. Auf den Vertretungszwang ist die Klägerin in
der dem angefochtenen Gerichtsbescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung
ordnungsgemäß hingewiesen worden.
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Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 7.
Januar 2009 beantragt hat, sie "als Prozessbevollmächtigte zuzulassen und den
Anwaltszwang gem. § 67 Abs. 2 Satz 3 VwGO aufzuheben". Eine solche Möglichkeit
sieht die Rechtsordnung auch für Juristen mit dem ersten Staatsexamen, wie es die
Klägerin für sich in Anspruch nimmt, nicht vor. § 67 Abs. 2 Satz 3 VwGO ist insoweit
unergiebig und § 67 Abs. 3 VwGO regelt nur die Zurückweisung nicht
vertretungsbefugter Bevollmächtigter. Ungeachtet dessen stellt es sich als zweifelhaft
dar, ob die Klägerin zu einer sachgerechten Darstellung des Sach- und
Streitverhältnisses in der Lage ist, wie sie nach § 67 Abs. 3 Satz 3 VwGO von den in §
67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 VwGO bezeichneten Bevollmächtigten verlangt wird.
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Der Klägerin kann auf ihren mit Schriftsatz vom 11. Februar 2010 gestellten Antrag auch
keine Prozesskostenhilfe gewährt werden, um die formgerechte Stellung eines
Berufungszulassungsantrages etwa durch einen Rechtsanwalt nachzuholen. Für die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe fehlt der beabsichtigten Rechtsverfolgung – dem
formgerechten Berufungszulassungsantrag – die nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1
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ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Da die Frist für einen (formgerecht
gestellten) Berufungszulassungsantrag von einem Monat nach Zustellung der
vollständigen Entscheidung (vgl. § 84 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Halbsatz 1, 124a Abs. 4 Satz
1 VwGO) wegen der Zustellung des Gerichtsbescheides laut Postzustellungsurkunde
am 9. Dezember 2009 bereits mit Ablauf des 11. Januar 2010 – eines Montags –
verstrichen ist (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO, 187 Abs.
1, 188 Abs. 2, 193 BGB), könnte ein solcher Antrag nur Erfolg haben, wenn der Klägerin
nach § 60 VwGO Wiedereinsetzung in diese Frist gewährt werden könnte. Das ist
jedoch nicht der Fall. Zwar ist einem Rechtsschutzsuchenden, der es versäumt hat, den
in der Prozessordnung vorgesehenen Rechtsbehelf innerhalb der Rechtsbehelfsfrist in
der nach § 67 VwGO vorgeschriebenen Form einzulegen, grundsätzlich
Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn er zunächst Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
eines Rechtsanwaltes oder zwecks späterer Beauftragung eines Rechtsanwaltes
beantragt hat und nicht vernünftigerweise mit einer Ablehnung rechnen musste.
Voraussetzung dafür ist aber, dass noch innerhalb der Rechtsbehelfsfrist ein
vollständiges Prozesskostenhilfegesuch eingereicht worden ist.
Vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2004 – 6 PKH 15.03 –,
NVwZ 2004, 888, m. w. N.; OVG NRW, Beschlüsse vom 9. Oktober 2006 –
12 A 3609/06 –, vom 28. Juni 2007 – 12 A 4569/06 –, vom 9. Februar 2009 –
12 A 230/09 – und vom 25. Februar 2009 – 12 A 3218/08 –.
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Schon der Prozesskostenhilfeantrag als solcher ist bei seinem Eingang beim
Oberverwaltungsgericht am 15. Februar 2010 hier jedoch deutlich verspätet gestellt
worden, ohne dass Gründe, die seine Stellung erst mehr als 4 Wochen nach Ablauf der
Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO
entschuldigen könnten, von der Klägerin geltend gemacht worden wären oder sonst wie
ersichtlich sind. Die Verkennung der Rechtslage entlastet die Klägerin vorliegend nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 166 VwGO i. V. m. § 118 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG, wobei der Senat
der Einschätzung der Bedeutung der Sache für die Klägerin durch das
Verwaltungsgericht folgt.
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Dieser Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der
Streitwertfestsetzung – nach §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG unanfechtbar.
Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§§ 84 Abs. 3
1. Halbsatz, 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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