Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.01.1998
OVG NRW (antragsteller, aufschiebende wirkung, umstände, 1995, abänderung, ausweisung, aufenthaltserlaubnis, gefahr, vorschrift, antrag)
Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 2722/97
Datum:
12.01.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 2722/97
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 4.000,-- DM festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung des
Antragsgegners vom 7. April 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der
Bezirksregierung Düsseldorf vom 5. März 1996 unter Abänderung des Beschlusses des
Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 5. Oktober 1995 - 24 L 1766/95 - sowie des
Senatsbeschlusses vom 9. Januar 1996 - 18 B 3006/95 - anzuordnen,
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hat keinen Erfolg.
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Gemäß § 80 Abs. 7 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge
nach Abs. 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder
Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden
nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift
werden nicht erfüllt.
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Eine Abänderung nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO scheitert daran, daß ein veränderter
oder nicht geltend gemachter Umstand im vorgenannten Sinne nicht vorliegt. Aufgrund
des Gesamteindrucks, den der Senat aus den Verwaltungsvorgängen und den
Schriftsätzen der Beteiligten im vorliegenden Verfahren gewonnen hat, muß
angenommen werden, daß ausgehend von den Erwägungen des Senats in seinem
Beschluß vom 9. Januar 1996 von dem Antragsteller nach wie vor die Gefahr von
Straftaten ausgeht, so daß es ihm unverändert zuzumuten ist, den Ausgang des
Klageverfahrens in seinem Heimatland abzuwarten.
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Zugunsten des Antragstellers ist zwar zu berücksichtigen, daß das Amtsgericht D. durch
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Beschluß vom 12. September 1997 - - die zu Lasten des Antragstellers durch Urteil
desselben Gerichts vom 21. April 1994 erkannte Freiheitsstrafe nach Ablauf der
Bewährungsfrist nach § 56 g Abs. 1 Satz 1 StGB erlassen hat. Allein daraus ergibt sich
jedoch noch kein Anspruch auf eine Vollziehungsaussetzung. Welche Auswirkung ein
derartiger Straferlaß auf die von der Ausländerbehörde aufgestellte Prognose zur Gefahr
erneuter Straftaten bis zum rechtskräftigen Abschluß des Hauptsacheverfahrens hat,
läßt sich nicht generell, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen.
Dabei sind alle neu hinzugetretenen Umstände zu berücksichtigen. Dies hat im
vorliegenden Fall zur Folge, daß der Straferlaß nicht zu einer Korrektur der
Prognoseentscheidung führt. Denn dem unter dem Eindruck der Bewährungsstrafe
gezeigten partiellen Wohlverhalten des Antragstellers steht gegenüber, daß er im
übrigen weiterhin beständig ausländerrechtliche Vorschriften mißachtet und damit zu
erkennen gibt, sich - wie in früheren Jahren - nicht an die Rechtsordnung halten zu
wollen.
Der Antragsteller verweigert hartnäckig und grundlos die Bekanntgabe seines
Aufenthaltsortes, womit er fortwährend gegen seine Anzeigepflicht aus § 42 Abs. 5
AuslG verstößt. Nach dieser Vorschrift hat ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine
Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage
verlassen will, dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen. Der Antragsteller
unterfällt der genannten Regelung. Er ist aufgrund der Ordnungsverfügung des
Antragsgegners vom 7. April 1995, die Gegenstand des Berufungsverfahrens 18 A
4002/96 ist, ausreisepflichtig, weil er nicht über die für ihn erforderliche
Aufenthaltsgenehmigung verfügt (§ 42 Abs. 1 AuslG). Die ihm zuletzt aufgrund seines
am 9. Juni 1994 gestellten Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zugute
gekommene Aufenthaltserlaubnisfiktion nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG ist infolge
seiner Ausweisung erloschen (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Für das fiktive Aufenthaltsrecht
gilt nichts anderes als für das Vollrecht; denn auch die fiktive Aufenthaltserlaubnis ist
eine (vorläufige) Aufenthaltsgenehmigung. Die Klageerhebung führt - ungeachtet des
hier angeordneten Sofortvollzugs - zu keiner anderen Rechtsfolge; denn gemäß § 72
Abs. 2 Satz 1 AuslG läßt eine Klage die Wirksamkeit einer Ausweisung stets unberührt.
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Da der Antragsteller seiner Ausreisepflicht nicht nachgekommen ist, hält er sich
unerlaubt im Bundesgebiet auf. Wegen des Fehlens einer seinen weiteren Aufenthalt
ermöglichenden Duldung erfüllt er zugleich die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen
der Strafvorschrift des § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG. Daran vermag das vom Antragsteller
gegen seine Ausweisung betriebene Klageverfahren nichts zu verändern. Das ihm
zunächst für die Dauer des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zugebilligte Bleiberecht
ist mit dem Senatsbeschluß vom 9. Januar 1996 entfallen. Danach mußte der
Antragsteller das Bundesgebiet verlassen. Dabei ist es unerheblich, daß er die
angegriffene Ordnungsverfügung für rechtswidrig hält. Hierzu sei lediglich mit Blick auf
das noch anhängige Berufungsverfahren darauf hingewiesen, daß entgegen der im
angefochtenen Gerichtsbescheid vom Verwaltungsgericht wohl vertretenen Auffassung,
eine Ermessensausweisung nicht prinzipiell wegen eines Ermessensfehlers
rechtswidrig sein muß, wenn - wie hier - die Strafakten von der Ausländerbehörde nicht -
was allerdings regelmäßig erforderlich sein dürfte - beigezogen worden sind. Ein
Ermessensfehler dürfte grundsätzlich erst dann vorliegen, wenn sich aus den Strafakten
berücksichtigungsbedürftige Umstände ergeben, die in die Ermessenserwägungen nicht
eingestellt worden sind.
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Auch eine Änderung des Beschlusses von Amts wegen (§ 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO)
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kommt nicht in Betracht. Der Antragsteller beruft sich neben den geltend gemachten
veränderten Umständen erneut auf eine (angeblich) fehlerhafte Gefahrenprognose bei
Erlaß der angefochtenen Ordnungsverfügung. Die Würdigung dieses Vortrags ist jedoch
im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO und des
Beschwerdeverfahrens abschließend erfolgt; für eine Korrektur dessen ist im Verfahren
nach § 80 Abs. 7 VwGO nur dann Raum, wenn weitere Umstände (z.B. eine
handgreifliche fehlerhafte Würdigung im Ausgangsverfahren oder
entscheidungsrelevante Verfassungsverletzungen) vorliegen, die eine Abänderung
rechtfertigen oder gar gebieten. Solche Umstände zeigt der Antragsteller weder auf noch
sind sie sonst erkennbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§
20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
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