Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.03.2007

OVG NRW: kot, zahl, jahreszeit, fliegen, grundstück, lärm, abflug, luft, gutachter, nutzungsänderung

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 E 116/07
Datum:
23.03.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 E 116/07
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfah¬rens;
außergerichtliche Kosten werden nicht erstat¬tet.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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Der Antrag, dem Kläger für die Durchführung des Klageverfahrens erster Instanz unter
Beiordnung von Rechtsanwalt C. aus I. Prozesskostenhilfe zu bewilligen, war
abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg (vgl. § 114 Satz 1 ZPO); ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die
Prozesskostenhilfebewilligung gegeben sind, bedarf daher keiner Entscheidung.
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Die Klage mit den sinngemäßen Anträgen,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 21. Juni 2006 zu
verpflichten, dem Kläger die am 27. Januar 2006 beantragte
Baugenehmigung zur Errichtung eines Taubenschlags für 55 bis 65 Tauben
im Dachboden des Wohnhauses Gemarkung T. , Flur 2, Flurstück 514 (In
der E. 16 in I1. ) zu erteilen,
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sowie den Gebührenbescheid des Beklagten vom 21. Juni 2006
aufzuheben,
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verspricht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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Der beabsichtigten Nutzungsänderung und der baulichen Änderung des Wohnhauses
des Klägers stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1
BauO NRW). Das Grundstück des Klägers liegt nach übereinstimmendem Vortrag der
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Beteiligten in einem faktischen reinen Wohngebiet; der Vortrag der Beteiligten wird auch
durch die in den Akten befindliche Flurkarte gestützt. In einem reinen Wohngebiet sind
zwar Wohnhäuser allgemein zulässig (vgl. § 3 Abs. 2 BauNVO). Als Annex zur
Wohnnutzung ist in einem Wohnhaus auch eine Kleintierhaltung zulässig, wenn sie (in
dem betreffendem Gebiet) üblich und ungefährlich ist und den Rahmen einer für eine
Wohnnutzung typischen Freizeitgestaltung nicht sprengt. Nichts anderes gilt für die
Haltung von Brieftauben.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 1984
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- 4 B 20.84 -, BRS 42 Nr. 75; Beschluss vom
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5. Januar 1999 - 4 B 131.98 -, BRS 62 Nr. 84; Beschluss vom 1. März 1999 -
4 B 13.99 -, BRS 62
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Nr. 85.
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Aufgrund der Baugenehmigung vom 7. Juni 2002 zum Neubau eines Taubenschlags
mit Voliere darf der Kläger auf seinem Grundstück bereits 30 Tauben halten. Im
Dachgeschoss seines Wohnhauses sollen bis zu 65 Tauben hinzukommen. Es spricht
nichts dafür, eine Brieftaubenhaltung von insgesamt bis 95 Tauben sei ortsüblich und
sprenge den Rahmen typischer Freizeitgestaltung nicht. Der Kläger bezieht sich mit der
Klageschrift pauschal darauf, in der Umgebung seines Grundstücks würden "Kleintiere"
und auch "Großvieh" gehalten. Dass eine Brieftaubenhaltung (in vergleichbarem
Umfang) ortsüblich sei, trägt er jedoch nicht vor.
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Die Brieftaubenhaltung ist mit Belästigungen verbunden, die angesichts der Zahl der
gehaltenen Tiere (auch unter Berücksichtigung der Behauptung des Klägers, die in der
Voliere gehaltenen Tiere würden nur zur Zucht verwendet und dürften nicht fliegen) von
den benachbarten Anwohnern des reinen Wohngebiets nicht hingenommen werden
müssen. Es ist allgemeinkundig und bedarf deshalb keiner vorhergehenden
Beweiserhebung, dass Tauben gurren und beim Verlassen des und bei der Rückkehr
zum Taubenschlag Geräusche verursachen. Die Haltung einer größeren Zahl Tauben
führt danach unvermeidbar dazu, dass benachbarte Häuser und Grundstücke nicht nur
geringfügig beeinträchtigt werden.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. August 2003
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- 10 A 5/02 -.
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Dass auch Brieftauben durch Gurren und Flügelschlagen Geräusche verursachen, stellt
auch der Kläger nicht in Abrede. Er meint, es entstünden keine Geräusche, die "im
Rahmen der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen relevant wären." Es gibt jedoch
keine "gesetzliche Bestimmung", die sich mit der Frage befasst, bis zu welchen Grenzen
durch Tauben verursachte Geräusche hinzunehmen sind. Dass es sich im Übrigen nicht
um unbeachtliche, weil etwa gar nicht oder allenfalls schwach wahrnehmbare
Geräusche handeln würde, zeigt das vom Kläger vorgelegte Gutachten des
Sachverständigen für akustische Fragen Dr.-Ing. N. vom 20. Juli 1988 auf, wonach
dessen Messungen ergeben habe, dass die beobachteten (einer im Gutachten
allerdings nicht benannten Zahl von) Tauben maximale Schallleistungspegel von 43,1
dB(A) beim Gurren, von 53,2 dB(A) beim Abflug, von 47,9 dB(A) beim Überflug und von
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50,8 dB(A) beim Anflug verursachen. Auf welche Gegebenheiten der Kläger die
Behauptung stützt, solche Geräusche würden "in jedem Fall durch
Umgebungsgeräusche ... überlagert", ist nur insofern ersichtlich, als er auf Verkehrslärm
und auf die Geräusche anderer Vögel Bezug nimmt. Dass der maximale
Schalldruckpegel dieser Geräuschquellen den der Brieftauben überschreiten mag, führt
jedoch nicht gleichzeitig zur Aussage, der Lärm werde überlagert, sondern lässt nur die
Schlussfolgerung zu, dass es in dem reinen Wohngebiet auch andere Lärmquellen gibt.
Verkehrslärm und die Geräusche "nicht domestizierter Vögel" sind jedoch ortsüblich und
schon deshalb nicht mit dem Brieftaubenlärm gleichzusetzen, den der Kläger seinen
Nachbarn zumuten will. Auch ist es von geringer Bedeutung, dass die Brieftauben nach
Vortrag des Klägers in der Zeit vom 30. September bis 15. April eines jeden Jahres
keinen Freiflug haben, denn danach dürfen die Tauben in der warmen Jahreszeit fliegen
und damit zu einer Zeit, wo auch die Außenwohnbereiche benachbarter Grundstücke
verstärkt genutzt werden. In dieser Jahreszeit sollen die Tauben täglich "maximal 2
Stunden freien Flug" haben, also über einen ganz erheblichen Tageszeitraum. Mit der
Angabe des Klägers, während dieser Zeit befänden sich die Tauben "prinzipiell" in der
Luft, beschreibt er zutreffend, dass sich auch Brieftauben nicht immer idealtypisch (den
Nachbarn wenig belästigend) verhalten, sondern es Verhaltensabweichungen des
jeweiligen Tieres geben kann, wie sie etwa bei äußeren Einflüssen auch gar nicht zu
vermeiden sind. "Prinzipiell" finde, so führt der Kläger weiter aus, kein Herumlungern auf
Dächern von Nachbarn und auch keine Kotverbreitung auf Nachbargrundstücke statt. In
der Tat gehört auch der Kot der Brieftauben zu den die Nachbarschaft belästigenden
Auswirkungen der Brieftaubenhaltung. Die vom Kläger beigebrachte gutachterliche
Stellungnahme des Prof. Dr. L. vom 28. Oktober 1999 zeigt zunächst auf, dass auch
Brieftauben im Flug Verunreinigungen verursachen, denn danach setzen gesunde
Tauben ihren Kot zu 95 % (nur) dann ab, wenn sie festen Boden unter den Füßen
haben. In 5 % der Fälle ist dies selbst bei gesunden Tauben nach der gutachterlichen
Stellungnahme dann nicht der Fall, wenn sie ihren Darminhalt (der vom Kot zu
unterscheiden sei) in Schrecksituationen absetzen. Zu den Schrecksituationen zählt der
Gutachter in einem reinen Wohngebiet ganz gewöhnliche Gegebenheiten, nämlich
unbekannte Objekte im Anflugbereich zum Schlag, wie z.b. wehende Wäschestücke auf
einer Leine oder helle Tischtücher. Hinzu tritt, dass Tauben auch auf
Nachbargrundstücken "Boden unter den Füßen" erlangen können, denn selbst nach
Vortrag des Klägers ist es nur "prinzipiell" so, dass seine Tauben direkt zum
Taubenschlag zurückkehren.
Ob der Kläger "außerordentliche sportliche Erfolge innerhalb des Verbandes Deutscher
Brieftaubenzüchter" erzielt (und zwar wegen der von ihm eingesetzten
Trainingsmethode, die die sofortige Rückkehr der Brieftauben zum eigenen Schlag
garantiere) ist nicht entscheidungserheblich. Eine Baugenehmigung wird nicht
personenbezogen erteilt.
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Weshalb der Kläger Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gebührenbescheides hat, legt
er nicht dar; Zweifel sind auch nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO.
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