Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.04.2003

OVG NRW: schule, kurs, philosophie, religionslehrer, religionsunterricht, schüler, erhaltung, gesellschaft, anerkennung, beendigung

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 515/02
Datum:
28.04.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 A 515/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Münster, 4 K 1808/99
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 4.090,33 EUR
(8.000,-- DM) festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Zulässigkeit des Rechtsmittels richtet sich nach dem bis zum 31. Dezember 2001
geltenden Recht, da die Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts das ohne mündliche
Verhandlung ergangene angefochtene Urteil vor dem 1. Januar 2002 zum Zwecke der
Zustellung an die Parteien herausgegeben hat (§ 194 Abs. 1 Nr. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
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Die Berufung ist nicht zuzulassen. Die von dem Kläger geltend gemachten
Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO greifen nicht durch.
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Die gerichtliche Prüfung im Zulassungsverfahren richtet sich an den in dem Antrag auf
Zulassung der Berufung angesprochenen Gesichtspunkten aus.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 9. Juli
1997 - 12 A 2047/97 -, Deutsches Verwaltungsblatt 1997, 1342, und vom 20. Oktober
1998 - 18 B 69/98 -.
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In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen (§
124a Abs. 1 Satz 4 VwGO a.F.).
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Nach diesem Maßstab ergeben sich keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs.
2 Nr. 1 VwGO daran, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.
Der Kläger erstrebt eine Verpflichtung des Beklagten, ihm die Teilnahme an einem
Zertifikatskurs im Rahmen des Schulversuchs zur Erprobung des Faches "Praktische
Philosophie" in den Klassen 9 und 10 der allgemeinbildenden Schulen und
Sonderschulen sowie in den vollzeitschulischen Bildungsgängen an berufsbildenden
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Schulen und Kollegschulen (Runderlass des Ministeriums für Schule und Weiterbildung
vom 4. Juni 1997, GABl. NRW. I S. 150) zu genehmigen. Das Verwaltungsgericht hat
die Klage als unbegründet angesehen: Der durch Widerspruchsbescheid vom 19
bestätigte Bescheid der Bezirskregierung N. vom 19 , dem Kläger wegen seines
Lehrfachs "Katholische Religionslehre" die Teilnahme an dem Kurs nicht zu gestatten,
weil das neue Fach "Praktische Philosophie" gerade eine Alternative zu dem Fach
"Religion" darstellen solle, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Das neue Fach solle sich
an Schüler richten, die nicht an einem konfessionellen Religionsunterricht teilnähmen.
Das Fach sei gemäß Nr. 1 Abs. 2 des erwähnten Runderlasses als religions- und
weltanschauungsneutrales Unterrichtsangebot ausgestaltet. Deshalb werde der
Unterricht im Rahmen des Schulversuchs gemäß Nr. 4.4 des Runderlasses in der Regel
nicht von Religionslehrern erteilt. Diese Handhabung halte sich im zulässigen Rahmen
des Organisationsermessens des Beklagten; Lehrer ohne die Lehrbefähigung für das
Fach Religion gewährleisteten im Allgemeinen eher einen religions- und
weltanschauungsneutralen Unterricht als Religionslehrer. Einen Ausnahmefall, der
insoweit auch den Einsatz des Klägers erfordern könnte, habe der Beklagte
beanstandungsfrei unter Hinweis darauf abgelehnt, die Schule des Klägers habe einen
besonderen Personalbedarf nicht geltend gemacht.
Der Kläger macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die
Bezirksregierung N. in einem an die Leitung seiner Schule gerichteten Schreiben vom
19 die Benennung einer zweiten Lehrkraft für die Teilnahme an dem Kurs erbeten habe.
Deshalb sei das Auswahlermessen auf die Schule übertragen worden. Dieses
Ermessen habe die Bezirksregierung N. ohne sachlichen Grund eingeschränkt, indem
sie der Schule zugleich mitgeteilt habe, seine, des Klägers, Benennung sei nicht
genehmigungsfähig. Deshalb habe die Schule ihn nicht zu benennen brauchen. Die
Schule habe ihn aber für den Kurs vorgesehen gehabt, und er sei dafür auch besonders
geeignet. Diese Umstände habe das Verwaltungsgericht verkannt. Das Schreiben vom l
19 sei auch Gegenstand der Klage gewesen.
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Dieses Vorbringen rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel daran, dass das
Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.
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Dem Kläger ist zunächst nicht darin zu folgen, durch das Schreiben vom 19 habe die
Bezirksregierung N. die Auswahl, wer von den Lehrern an der Schule des Klägers an
dem Kurs teilnehmen solle, mit einer den Kläger betreffenden Einschränkung auf die
Schulleitung übertragen. Es ging in dem Schreiben lediglich um die Benennung von
insoweit in Betracht kommenden Lehrern durch die Schulleitung. Zudem war dem
Schreiben ohne weiteres zu entnehmen, dass die Teilnahme der benannten Lehrer an
dem Kurs von einer Genehmigung durch die Schulaufsicht abhing.
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Unabhängig davon ist die Regelung in dem Runderlass vom 4. Juni 1997
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"Im Rahmen des Schulversuchs wird der Unterricht in der Regel nicht von
Religionslehrerinnen und Religionslehrern erteilt"
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rechtlich nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass
das Organisationsermessen des Dienstherrn diese Regelung abdeckte. Insbesondere
erfolgte der grundsätzliche Ausschluss von Religionslehrern vom Unterricht im Fach
"Praktische Philosophie" nach der - in Nr. 1 Abs. 2 des Runderlasses vom 4. Juni 1997
erläuterten - Zweckbestimmung dieses Unterrichts entgegen der Auffassung des
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Klägers nicht ohne sachlichen Grund. Da der Unterricht für Schüler gedacht ist, die nicht
am herkömmlichen Religionsunterricht teilnahmen, war es nicht sachwidrig, diesen
Unterricht in der Regel nicht (ebenfalls) durch Religionslehrer durchführen zu lassen. Ob
ein im Einzelfall betroffener Religionslehrer insoweit die gebotene Neutralität im
Unterricht zu wahren wußte, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend.
Maßgebend ist, dass die diesbezügliche Ermessensregelung des Dienstherrn auf
sachbezogenen Erwägungen beruhte, die diesen Charakter auch nicht durch den vom
Kläger geltend gemachten grundlegenden Wertewandel in der Gesellschaft verloren
hatten. Die Willkürgrenze war jedenfalls nicht überschritten. Wenn, worauf der Beklagte
hinweist, gemäß einem späteren ministeriellen Runderlass vom 16. Juni 2000
Religionslehrer nicht mehr ausdrücklich von der Teilnahme an dem Schulversuch
"Praktische Philosophie" ausgeschlossen waren, bewegte sich auch dies im Rahmen
der dem Dienstherrn organisatorisch zustehenden Zweckmäßigkeitserwägungen und
lässt nicht den Schluss zu, die hier zu überprüfende Handhabung sei rechtswidrig
gewesen.
Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
zukommt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Diese Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann,
wenn sie eine grundsätzliche, bisher höchst- oder obergerichtlich noch nicht geklärte
Rechtsfrage aufwirft, deren im erstrebten Berufungsverfahren zu erwartende
Entscheidung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine
bedeutsame Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Diese grundsätzliche
Bedeutung muss gemäß § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO a.F. durch Anführung einer
konkreten, sich aus dem vorliegenden Rechtsstreit ergebenden Rechtsfrage und durch
Hinweis auf den Grund, der die Anerkennung der grundsätzlichen Bedeutung
rechtfertigen soll, dargelegt werden.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 4. Dezember 1998 - 2 B 114.98 -, zu §
132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, m.w.N.; OVG NRW, Beschlüsse vom 23. März 1999 - 6 B
568/99 - und vom 19. August 1999 - 6 A 3391/99 -.
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Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrages nicht. Es fehlt
bereits an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage in dem bezeichneten Sinne.
Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang darauf, auch viele andere Lehrer mit der
Befähigung, Katholische Religionslehre zu unterrichten, seien von dem Runderlass vom
4. Juni 1997 betroffen, und es müsse obergerichtlich geklärt werden, ob die in diesem
Runderlass angenommene weltanschauliche Voreingenommenheit von
Religionslehrern bestehe. Das reicht nicht aus. Der letztere Punkt würde zudem in
dieser Form in einem Berufungsverfahren keine Rolle spielen, wie sich aus den obigen
Ausführungen ergibt. Ob eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auch wegen
einer Änderung der Verwaltungspraxis des Beklagten aufgrund des späteren
ministeriellen Runderlasses vom 16. Juni 2000 oder wegen Beendigung des
Schulversuchs zu verneinen wäre, kann hiernach dahinstehen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§
13 Abs. 1 Satz 2, 73 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes.
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrages wird das Urteil des Verwaltungsgerichts
rechtskräftig (§ 124a Abs. 2 Satz 3 VwGO a.F.).
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