Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.03.2004

OVG NRW: wiedereinsetzung in den vorigen stand, öffentliche sicherheit, aufschiebende wirkung, identifizierung, halter, kennzeichnung, behörde, gefahr, jagd, meldung

Oberverwaltungsgericht NRW, 5 B 2640/03
Datum:
05.03.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 B 2640/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 20 L 1810/03
Tenor:
Die Beschwerde gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes
durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 18. September
2003 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,-- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdebegründung ist entsprechend § 146 Abs.
4 Satz 1 VwGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der angegriffenen
Entscheidung begründet worden. Der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand bedurfte es daher nicht.
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Die Beschwerde ist indes unbegründet.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers,
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die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 25. Juli 2003 gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 25. Juni 2003 wiederherzustellen bzw.
anzuordnen,
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zu Recht abgelehnt.
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Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten
Interesse des Betroffenen, von der sofortigen Vollziehung bis zum Abschluss des
Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an rascher
Durchsetzung der im Gesetz vorgeschriebenen Kennzeichnungspflicht fällt zu Lasten
des Antragstellers aus. Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 25. Juni 2003
ist offensichtlich rechtmäßig.
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Ermächtigungsgrundlage für die behördliche Anordnung, die Hunde fälschungssicher
mit Mikrochip kennzeichnen zu lassen und dies gegenüber dem Antragsgegner
nachzuweisen, ist § 12 Abs. 1 des am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen
Hundegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeshundegesetz - LHundG
NRW -) vom 18. Dezember 2002 (GV.NRW. S. 656). Danach kann die zuständige
Behörde die notwendigen Anordnungen treffen, um eine im Einzelfall bestehende
Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere Verstöße gegen Vorschriften des
Landeshundegesetzes abzuwehren. Der Antragsteller, der Halter mehrerer großer
Hunde i.S.d. § 11 Abs. 1 LHundG NRW ist, hat es entgegen der gesetzlichen
Verpflichtung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW bisher unterlassen, seine Hunde
fälschungssicher mit einem Mikrochip zu kennzeichnen und dies gegenüber der
zuständigen Behörde nachzuweisen.
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Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens in den Schriftsätzen vom 27.
Dezember 2003 und 8. Januar 2004 bestehen keine Bedenken gegen die
Verfassungsmäßigkeit der in § 11 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW angeordneten
Kennzeichnungspflicht. Insbesondere erweist sich die generelle gesetzliche
Verpflichtung zur Kennzeichnung großer Hunde i.S.v. § 11 Abs. 1 LHundG NRW mit
Hilfe eines Mikrochips nicht als unverhältnismäßiger Eingriff, selbst wenn der Hund -
wie hier - bereits eine Tätowierung zur Kennzeichnung aufweist. Es besteht ein
unabweisbares ordnungsrechtliches Bedürfnis, bestimmte Hunde aufgrund der ihnen
eigenen potentiell größeren Gefährlichkeit möglichst umgehend und dauerhaft einem
Halter zuordnen zu können. Dies ist durch eine Tätowierung nicht gewährleistet.
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Vgl. zur fehlenden Eignung von Hundemarken OVG NRW, Beschluss vom 18. Januar
2002 - 5 B 1557/01 -.
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Eine Tätowierung bietet nicht in gleicher Weise wie der geforderte Mikrochip die
Möglichkeit zur schnellen Identifizierung und Zuordnung eines Hundes. Der
Antragsteller räumt selbst ein, dass auf Grund derartiger Tätowierungsnummern eine
Identifizierung des Hundes nur über die Zuchtverbände und die Züchter möglich ist. Mit
Hilfe des Mikrochips kann hingegen die zuständige Ordnungsbehörde unmittelbar den
Halter feststellen. Darüber hinaus sind Tätowierungen einem Alterungsprozess
unterworfen, der die Lesbarkeit schon nach einigen Jahren nachhaltig beeinträchtigen
kann. Schließlich lässt sich auch eine Manipulation der für die Tätowierung
verwendeten Nummerncodes nicht ausschließen.
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Der Gesetzgeber war nicht gehalten, von der vorgeschriebenen
Kennzeichnungsmethode abzusehen, weil es in Einzelfällen - wie vom Antragsteller
geschildert - zu Komplikationen nach der Implantation eines Mikrochips kommen mag.
Es ist nicht ersichtlich, dass eine andere, gleich effektive Kennzeichnungsmethode
insgesamt für die Tiere schonender wäre. Insbesondere ist nicht erwiesen, dass eine
Kennzeichnung mit Hilfe einer Tätowierung regelmäßig mit weniger Schmerzen für das
betroffene Tier verbunden wäre.
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Der Einwand des Antragstellers, dass derzeit eine Identifizierung des jeweiligen
Hundes außerhalb des Bereichs der für den Halter örtlich zuständigen
Ordnungsbehörde mit Hilfe des Mikrochips nicht möglich sei, weil die im
Landeshundegesetz vorgesehene zentrale Registrierungsbehörde nicht eingerichtet sei,
übersieht § 5 der ordnungsbehördlichen Verordnung zur Durchführung des
Landeshundesgesetzes NRW (DVO LHundG NRW) vom 19. Dezember 2003
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(GV.NRW. 2004 S. 85). Danach ist das Landesamt für Ernährungswirtschaft und Jagd
zuständige Behörde für die zentrale Erfassung registrierter Hunde. Ihr hat die nach § 13
Satz 1 LHundG NRW zuständige Ordnungsbehörde die auf dem Mikrochip gespeicherte
Nummer unter Angabe des Anlasses der Meldung unverzüglich zu übermitteln. Gemäß
§ 5 Abs. 3 Satz 1 DVO LHundG NRW dürfen die für den Vollzug des
Landeshundegesetzes zuständigen Ordnungsbehörden im Rahmen der Erfüllung ihrer
Aufgaben auf die zentral erfassten Daten zugreifen. Damit ist in absehbarer Zeit die
landesweite Möglichkeit einer unmittelbaren Identifizierung kennzeichnungspflichtiger
Hunde gewährleistet.
Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber nicht alle
Hunde der Kennzeichnungspflicht unterwirft. Einer Differenzierung nach sachgemäßen
Kriterien steht nichts im Wege. So ist es frei von Bedenken, wenn der Gesetzgeber
erhöhte Anforderungen an die Haltung großer Hunde unabhängig von deren
Rassezugehörigkeit stellt. Große Hunde sind typischerweise wegen ihrer Körpergröße
und ihres Körpergewichts und der damit einher gehenden besonderen körperlichen
Kraft potentiell eine größere Gefahr als kleine Hunde, soweit diese nicht bereits auf
Grund ihrer Rassezugehörigkeit gefährlich sind. Sachgemäß ist es, wenn der
Gesetzgeber zur Bestimmung der maßgeblichen Größe an die Widerristhöhe bzw. das
Gewicht des Hundes anknüpft. Wie bei jeder typisierenden Regelung kann dies zwar in
Grenzfällen - wie vom Antragsteller in der Beschwerdeschrift aufgeführt - zu scheinbar
ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen führen. Dies ist indes jeder an eine
bestimmte Grenze anknüpfenden Regelung immanent und entzieht daher der notwendig
typisierenden Vorschrift nicht die Rechtfertigung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.
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