Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 06.06.2005

OVG NRW: raumordnung, gutachter, stadt, gemeinde, kaufkraft, einkaufszentrum, bebauungsplan, satzung, allgemeines verwaltungsrecht, innerdienstliche weisung

Oberverwaltungsgericht NRW, 10 D 145/04.NE
Datum:
06.06.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 D 145/04.NE
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Antragstellerin wendet sich mit dem Normenkontrollantrag gegen die 3. Änderung
des Bebauungsplans Nr. 275 A (D.-----allee ) der Antragsgegnerin, die vornehmlich die
Erweiterung des Einkaufszentrums "CentrO" ermöglichen soll.
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Das Plangebiet der im Verfahren streitigen 3. Änderung umfasst einen Teilbereich des
am 16. August 1993 in Kraft getretenen Ursprungsbebauungsplans Nr. 275 A - M. -.
Dieser erfasst ein insgesamt ca. 98 ha großes Plangebiet, die so genannte Neue Mitte
P. , das im Osten und Südosten durch die P1. Straße, im Süden durch die F. Straße, im
Westen durch die N. Straße und im Nordwesten, Norden und Nordosten durch die
Bahnstrecke P. -West nach F1. -G. begrenzt wird. Nördlich dieses gesamten
Plangebietes verlaufen, und zwar jeweils von West nach Ost, der Rhein-Herne-Kanal,
die Emscher und die Bundesautobahn 42. Nördlich der Bundesautobahn liegen die
Stadtteile P2. und T. . Südwestlich des Plangebietes befindet sich der Stadtteil Alt-P. .
Der Hauptbahnhof von P. ist von der südwestlichen Ecke des Plangebietes etwa 1,6 km
in südwestlicher Richtung entfernt.
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Das Plangebiet des Ursprungsbebauungsplans liegt in einem Bereich, in dem vormals
der H. -I. -Hütte-Konzern (letzter Eigentümer war der U. -Konzern) Werke der Eisen- und
Stahlerzeugung und -verarbeitung betrieben hatte. Nach der Stilllegung des Konzerns,
durch die etwa 15.000 Arbeitsplätze betroffen waren, beschloss die nordrhein-
westfälische Landesregierung, das U1. mit eigenen und mit Mitteln der Europäischen
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Gemeinschaft zu erwerben, es durch eine eigens dafür gegründete Gesellschaft frei
räumen zu lassen und es an Investoren gegen Übernahme einer Bauverpflichtung mit
dem Ziel zu übertragen, 8.000 bis 10.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Am 5.
Dezember 1991 kaufte das Land Nordrhein- Westfalen das Gelände und veräußerte im
Anschluss daran die im Bereich des Bebauungsplans liegenden Grundstücksflächen an
die GEG Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH P. , welche unter Beteiligung des
Landes und der Westdeutschen Landesbank sowie unter Beteiligung der
Antragsgegnerin zu dem Zweck gegründet worden war, das Areal zu vermarkten.
Inzwischen ist diese Gesellschaft in das Eigentum der Antragsgegnerin übergegangen.
Die GEG ihrerseits veräußerte das Gelände an die Gartenstadt P. Projektentwicklung
GmbH, der - ebenso wie der Neuen Mitte P. Projektentwicklung GmbH und Co. KG
(Beigeladene) - Baugenehmigungen auf der Grundlage des Bebauungsplans Nr. 275 A
erteilt worden sind. Zwischen 1991 und 1996 wurde das Einkaufs- und Freizeitzentrum
CentrO errichtet.
Im Hinblick auf das geplante Einkaufs- und Freizeitzentrum wurde auf Antrag der
Antragsgegnerin auch der damals geltende Gebietsentwicklungsplan (GEP), der das
Plangebiet bis dahin als Gewerbe- und Industriebereich dargestellt hatte, geändert (35.
Änderung - GV NRW 1993, S. 83). Im Rahmen des Änderungsverfahrens hat die
Bezirksplanungsbehörde geprüft, ob die beantragte GEP-Änderung mit den Zielen der
Landesplanung, wie sie unter anderem in dem damals geltenden
Landesentwicklungsplan (LEP I/II 1979) festgelegt waren, im Einklang stand. Im
Benehmen mit einem diese Frage bejahenden Gutachten wurden keine Bedenken
geäußert. Am 15. Oktober 1992 fasste der Bezirksplanungsrat den
Aufstellungsbeschluss für die 35. Änderung des Gebietsentwicklungsplanes, mit der die
bisherige GEP-Darstellung für den Bereich des Bebauungsplans in
"Wohnsiedlungsbereich" geändert wurde. Ergänzend forderte der Bezirksplanungsrat
den Regierungspräsidenten (heute: Bezirksregierung) auf, bei der landesplanerischen
Anpassung der Bauleitpläne der Antragsgegnerin nach § 20 Landesplanungsgesetz
bestimmte Rahmenbedingungen zu beachten: Danach sollte die Verkaufsfläche im
geplanten Einkaufszentrum auf maximal 70.000 m² begrenzt und diese Obergrenze
öffentlich-rechtlich abgesichert werden. Die Antragsgegnerin sollte ferner sicherstellen,
dass die im Rahmen anderer Vorhaben geplanten Verkaufsflächenerweiterungen so
begrenzt werden, dass die Obergrenze von zusätzlichen rund 76.000 m² Verkaufsfläche
in P. insgesamt nicht überschritten wird.
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Zur Begrenzung der Verkaufsfläche übernahm die damalige Grundstückseigentümerin
GEG mbH eine im Baulastenverzeichnis der Antragsgegnerin eingetragene Baulast. Sie
verpflichtete sich, im Falle der Bebauung des Baulastgrundstücks Gemarkung P. , Flur
16, Flurstück 149, gemäß den zukünftigen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 275
A "M. " die als MK 1.1 festgesetzten Flächen für das geplante Einkaufszentrum nur so
auszunutzen, dass nicht mehr als 70.000 m² Verkaufsfläche entstehen. Ferner
verpflichtete sich die Grundstückseigentümerin durch eine weitere Baulast, das
Baulastgrundstück nicht für Einzelhandelsbetriebe zu nutzen mit Ausnahme der als MK
1.1 bezeichneten Flächen nach Maßgabe der hierzu eingetragenen Baulast, der im MK
1.2 ausnahmsweise zugelassenen Geschossfläche im Erdgeschoss von maximal 5.000
m² und der im MK 2 ausgewiesenen Fläche, auf der Einzelhandelsbetriebe
ausnahmsweise mit einer maximalen Geschossfläche von 3.000 m² zulässig sind. Zur
Absicherung gegenüber den Nachbarstädten E. , F1. , N1. an der Ruhr, E1. , H1. , C. ,
H2. und den Kreisen X. und S. verpflichtete sich die Antragsgegnerin, "auf die Baulast
nur im Einvernehmen mit den Nachbarstädten zu verzichten oder diese zu verändern".
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Die Baulast wurde am 6. Januar 1993 eingetragen. Im Jahre 1999 ist die Baulast auf
Antrag der damaligen Grundstückseigentümerin GEG wieder gelöscht worden. Die
Nachbarstädte wurden nicht beteiligt.
Der Ursprungsbebauungsplan ist in Teilbereichen mittlerweile zweimal geändert
worden. Die 1. und 2. Änderung erfassen jeweils Teilbereiche im westlichen Plangebiet.
Das Plangebiet der 1. Änderung liegt nordwestlich des der L. -Q. - Arena zugehörigen
Parkhauses und wird südöstlich durch die bereits erwähnte Bahntrasse begrenzt. Das
Plangebiet der 2. Änderung schließt südwestlich an das Plangebiet der 1. Änderung an.
Es wird durch die L1. -B. -Allee im Südwesten, die F. Straße im Süden und die Straße
"Alte X1. " im Osten begrenzt.
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Die im vorliegenden Verfahren streitige 3. Änderung umfasst den Kernbereich der
Neuen Mitte P. . Dieser wird von der F. und der P1. Straße im Süden, der P1. Straße im
Südosten, der Bahntrasse und der CentrO- Promenade im Nordosten und im
Nordwesten durch eine Grünfläche und anschließend die Trasse für den öffentlichen
Nahverkehr begrenzt. Das Plangebiet wird im Inneren über die D.-----allee erschlossen,
die von Westen nach Osten südlich der Parkhäuser 7 - 4 und weiter nach Nordwesten
südlich des Parkhauses 3 verläuft. Nördlich der Parkhäuser 7 - 4 liegen das
Einkaufzentrum CentrO und die Parkhäuser 1 und 2. Daran schließt die
Gastronomiezeile an, die ihrerseits südlich der Promenade liegt. Vom vorherigen
Komplex durch die D.-----allee getrennt, liegen im Nordosten des Plangebiets das
Multiplex-Kino, das Parkhaus 3, und das TheatrO; im Süden des Plangebiets - südlich
der D.-----allee - verläuft ein Gewerbegürtel, in dem sich unter anderem der Business-
Park mit Bürogebäuden, zwei Großtankstellen und ein Hotel befinden.
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Nordöstlich des Plangebiets schließen die Bebauungspläne Nr. 275 B und 275 D (N2. )
an. In diesem Bereich liegt unter anderem das Großaquarium "Sea-Life". Auf der
gegenüberliegenden Seite der das Plangebiet im Süden begrenzenden P1. Straße soll
im Südosten der auf medizinische Einrichtungen spezialisierte Zukunftspark O-Vision
entstehen. Südlich des Plangebiets schließt sich jenseits der F. Straße ein Gewerbe-
und Industriegebiet an. Im Westen liegt jenseits der Trasse für den öffentlichen
Nahverkehr die L. -Q1. -Arena P. . Im Nordosten befindet sich angrenzend an die
Promenade der CentrO-Freizeitpark.
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Das Plangebiet wird als Teil des Stadtgebiets der Antragsgegnerin von den
Darstellungen des Landesentwicklungsplans (LEP 1995) erfasst. Nach den
zeichnerischen Darstellungen des LEP liegt das Stadtgebiet der Antragsgegnerin in
einem Ballungskern, in dem der Antragsgegnerin die Funktion eines Mittelzentrums
zugewiesen ist. Ferner gehört die Antragsgegnerin zur Europäischen Metropolregion
Rhein-Ruhr. In den textlichen Erläuterungen unter B.I.3.1 wird dazu ausgeführt, die
Europäische Metropolregion Rhein-Ruhr sei nicht nur gekennzeichnet durch ihre Größe
und wirtschaftliche Bedeutung in Europa, sondern darüber hinaus auch durch die
ständig enger werdende Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften.
Damit erfülle die Europäische Metropolregion Rhein-Ruhr die raum- und
landesplanerischen Voraussetzungen oberzentraler Funktionen.
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Der aktuelle Gebietsentwicklungsplan (nachfolgend GEP 99 - die Bekanntmachung der
Genehmigung des GEP erfolgte am 15. Dezember 1999, GV NRW S. 649) stellt das
Plangebiet zeichnerisch als Allgemeinen Siedlungsbereich dar. Im textlichen Teil findet
sich unter Nr. 1.2, Ziel 4 folgende Aussage:
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Gebiete für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige
Handelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 der Baunutzungsverordnung dürfen nur in
Allgemeinen Siedlungsbereichen geplant werden. Ein Vorhaben entspricht der
zentralörtlichen Versorgungsfunktion, wenn die Kaufkraftbindung der zu erwartenden
Nutzung den Versorgungsbereich des Standortes nicht wesentlich überschreitet.
Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe, insbesondere mit
zentrenrelevanten Sortimenten, sind den bauleitplanerisch dargestellten
Siedlungsschwerpunkten räumlich und funktional zuzuordnen.
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Im aktuellen Flächennutzungsplan (61. Änderung) wird das Plangebiet als Kerngebiet
dargestellt. Die Änderung des Flächennutzungsplans ist im Zusammenhang mit der 35.
Änderung des früheren GEP erfolgt. Mit Schreiben vom 21. Januar 1993 teilte der
Regierungspräsident E2. der Antragsgegnerin mit, dass unter Berücksichtigung der am
6. Januar 1993 eingetragenen Baulast keine landesplanerischen Bedenken wegen der
Änderung des Flächennutzungsplans bestünden. Am 15. Juni 1993 genehmigte der
Regierungspräsident E2. die 61. Flächennutzungsplanänderung. In einem der
Genehmigung beigefügten Begleitschreiben vom gleichen Tage heißt es unter Ziffer 1.
("Hinweis"): "Ihre Berichte vom 23.02.1993 - 0.2000 - und 16.03.1993 - 0.2000 Kat/Sp -
bitte ich als ergänzende Anlagen dem Erläuterungsbericht beizufügen."
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Durch die im Verfahren streitige 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 275 A sollen
nach dem Willen des Rats der Antragsgegnerin im Wesentlichen die Voraussetzungen
für eine Erweiterung des Einkaufszentrums geschaffen werden. Die Hauptplanungsziele
der 3. Änderung sind die Festsetzung zusätzlicher Flächen als Kerngebiet und
Regelungen zur Zulässigkeit von Einzelhandel. Die für den Bereich der 3. Änderung
bislang festgesetzten Kerngebiete werden beibehalten. Die Gliederung des Plangebiets
innerhalb des durch die D.-----allee und die Promenade begrenzten Bereichs in einen
zentralen Einkaufsbereich (MK 1.1), Parkhäuser (MK 1.3 und MK 1.3.1), eine
Gastronomiezeile (MK 1.2) und einen Gewerbegürtel (MK 1.4) bleibt ebenfalls erhalten.
Abweichend von den bisherigen Festsetzungen werden Art und Maß der Nutzung wie
folgt geändert:
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In dem zentralen Einkaufsbereich MK 1.1 waren Einzelhandelsbetriebe bisher nur im
Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss zulässig. Im Rahmen der 3. Änderung des
Bebauungsplans werden die planungsrechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen,
die Einzelhandelsbetriebe um eine Geschossfläche von 30.000 m² zu erweitern. Dafür
dürfen auf zwei Flächen im Plangebiet Einzelhandelsbetriebe nunmehr auch im 2.
Obergeschoss errichtet werden. Hierbei handelt es sich um die bisherige
Verkehrsfläche zwischen den Parkhäusern 5 und 6 sowie um eine Fläche zwischen den
Parkhäusern 1 und 2. Die Fläche zwischen den Parkhäusern 5 und 6 ist als MK 1.1.1
festgesetzt worden. Die Fläche zwischen den Parkhäusern 1 und 2 in dem der
Promenade MK 1.2 zugewandten Bereich wird als MK 1.1.2 festgesetzt. An dieser Stelle
soll die Möglichkeit eröffnet werden, das im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss
befindliche Ladenlokal in das 2. Obergeschoss hinein zu erweitern. Zusätzlich werden
im Bereich zwischen den Parkhäusern 5 und 6 sowie im Bereich zwischen dem CentrO
und den südöstlich angrenzenden Parkhäusern 4 - 7 (bisherige Ladestraße) weitere
überbaubare Flächen festgesetzt.
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Für das MK 1.1 setzte der Ursprungsplan Nr. 275 A eine geschlossene Bauweise, eine
maximal zulässige Grundfläche für bauliche Anlagen von 65.000 m² sowie auf einer
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durch Baugrenzen bestimmten Fläche eine maximal zulässige Geschossfläche für den
Einzelhandel im EG und im 1. OG von 120.000 m² fest. In sonstigen Geschossen ober-
oder unterhalb waren für sonstige Nutzungen zusätzlich 30.000 m² Geschossfläche
zulässig. Die Oberkante der Gebäude im MK 1.1 durfte maximal 55 m über NN liegen, in
Ausnahmefällen bis zu 65 m über NN. Mit der 3. Änderung erhöht sich die
Geschossfläche, die für das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss nicht mehr getrennt,
sondern gemeinsam festgesetzt wird, in den Bereichen MK 1.1, MK 1.1.1 und MK 1.1.2,
in denen Einzelhandelsbetriebe zulässig sind, gegenüber dem bisherigen
Planungsstand um 30.000 m² (MK 1.1: 125.000 m²; MK 1.1.1: 9.500 m²; MK 1.1.2:
15.500 m²). Die zulässige Grundfläche wird für das MK 1.1 auf 71.000 m², für das MK
1.1.1 auf 4.000 m² und für das MK 1.1.2 auf 5.000 m² festgesetzt. Gegenüber der
bisherigen Grundfläche des MK 1.1 von 65.000 m² ergibt sich eine Zunahme der
zulässigen Grundfläche um insgesamt 15.000 m². Die maximal zulässige Gebäudehöhe
wird in den Gebieten MK 1.1.1 und MK 1.1.2 um 5,00 m auf 60,00 m über NN erhöht.
Alle weiteren Festsetzungen zu Gebäudehöhe und Bauweise bleiben gegenüber der
bisherigen Planung unverändert.
Weiterhin betreffen die Festsetzungen die Lage der vorhandenen Tankstellen und die
Baufläche MK 5, die zunächst für die Tankstellennutzung vorgesehen war, welche
nunmehr aber - weil die Versorgung mit Tankstellen in den Baugebieten MK 4.1 nach
Auffassung des Rates ausreichend sichergestellt ist - dort ausgeschlossen wird.
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Eine weitere Änderung des Nutzungskonzepts betrifft die Zulässigkeit von Wohnungen
und Betriebswohnungen. Das allgemeine Wohnen wird für das Gebiet MK 4.1
ausgeschlossen. Gleichzeitig wird die Zulässigkeit von Betriebswohnungen für die
Gebiete MK 4 und MK 4.1 eingeschränkt. Betriebsgebundene Wohnungen sollen nur
noch ausnahmsweise zulässig sein.
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Das Verfahren zur Aufstellung der 3. Änderung nahm folgenden Verlauf:
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Am 23. Juni 2003 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. 275 A
in dem Kernbereich der Neuen Mitte P. zu ändern (3. Änderung). Hintergrund für die
Änderung war eine Anfrage der Betreiber des CentrO, das bestehende Einkaufszentrum
zu erweitern. Der Aufstellungsbeschluss wurde nebst Übersichtskarte am 25. Juni 2003
bekannt gemacht. Im März 2004 legte die Beigeladene der Antragsgegnerin ein
Gutachten der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH (GMA) mit dem Titel
"Die Auswirkungen der Erweiterung des Einkaufszentrums CENTRO in der Stadt P. "
vor. Die Antragsgegnerin machte das Gutachten der GMA zum Gegenstand des
Aufstellungsverfahrens. Die frühzeitige Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB fand
gemäß Bekanntmachung vom 13. April 2004 in Form einer Offenlegung des
Planentwurfs nebst Erläuterung durch die Verwaltung vom 10. Mai bis zum 24. Mai 2004
statt. Am 24. Mai 2004 wurde ein öffentlicher Anhörungstermin durchgeführt. Im Juni
2004 legte die Beigeladene eine schalltechnische Untersuchung der Firma C. Consult
und ein Verkehrsgutachten der Firma R + T vor. Auch diese Gutachten machte die
Antragsgegnerin zum Gegenstand des Aufstellungsverfahrens. Am 12. Juli 2004
beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Entwurf des Bebauungsplans nebst
Begründung öffentlich auszulegen. Die öffentliche Auslegung fand nach
Bekanntmachung am 13. Juli 2004 in der Zeit vom 23. Juli bis 23. August 2004 statt. Die
Träger öffentlicher Belange und die Nachbarstädte wurden mit Anschreiben vom 24.
Juni 2003 über die Aufstellung des Bebauungsplans, am 3. Mai 2004 über die
frühzeitige Bürgerbeteiligung und am 12. Juli 2004 über die Offenlage informiert.
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Begleitend wurden am 29. April 2004 und am 9. Juni 2004 unter Beteiligung der Träger
öffentlicher Belange sowie der Nachbarstädte C. , E1. , E. , F1. , H2. , N1. an der Ruhr,
H3. und X2. Moderationsgespräche unter der Leitung von Prof. Dr. V. geführt. Am 31.
August 2004 erfolgte beim damaligen Regierungspräsidenten E2. im Hinblick auf die
beabsichtigte Bebauungsplanänderung eine zusätzliche Besprechung über die
Einzelhandelsentwicklung im westlichen Ruhrgebiet.
Während der Auslegungsfrist im Bebauungsplanverfahren machten zahlreiche Träger
öffentlicher Belange Bedenken gegen die beabsichtigte Änderung geltend.
Stellungnahmen gingen seitens der IHK Nord Westfalen, der Stadt H4. , der Stadt H2. ,
des Kreises X2. , der Niederrheinischen IHK, der Stadt X2. , der Stadt W. , der
Handwerkskammer E2. , der IHK F1. , der Stadt C. , der Stadt E1. , der Stadt E. , der
Stadt F1. und der Stadt N1. an der Ruhr ein.
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Auch die Antragstellerin wandte sich mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 6. Sep-
tember 2004, an die Antragsgegnerin und äußerte landesplanerische Bedenken im
Hinblick auf die beabsichtigte Planänderung. Sie machte geltend, der in Rede stehende
Bebauungsplan sei mit landesplanerischen Belangen nicht vereinbar, weil gewichtige
Hinweise auf schädigende Beeinträchtigungen innerstädtischer und benachbarter
Versorgungszentren auf Grund einer wesentlichen Überschreitung des zentralörtlichen
Versorgungsbereichs vorlägen. Ziele der Raumordnung, wie sie sich aus § 24 Abs. 3
LEPro NRW sowie § 22 i.V.m. § 6 und § 7 LEPro NRW und Plansatz B I.2.2. des LEP
ergeben würden, seien nicht hinreichend beachtet worden. Die Antragsgegnerin
überschreite mit der Erweiterung des CentrO den von ihr als Mittelzentrum
abzudeckenden mittelzentralen Versorgungsbereich erheblich. Nach dem Regionalen
Einzelhandelskonzept für das Westliche Ruhrgebiet erreiche die
Kaufkraftbindungsquote für P. bereits jetzt Werte, die über die Funktion eines
Mittelzentrums weit hinausgingen.
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In seiner Sitzung am 20. September 2004 entschied der Rat der Antragsgegnerin über
alle im Aufstellungsverfahren vorgebrachten Anregungen und Bedenken. Er beschloss,
die von der Antragstellerin vorgebrachten Bedenken zurückzuweisen.
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Sodann beschloss der Rat am 20. September 2004 die 3. Änderung des
Bebauungsplans Nr. 275 A, dem eine Begründung beigefügt ist, als Satzung. Die
öffentliche Bekanntmachung der 3. Änderung erfolgte in einer Sonderausgabe des
Amtsblatts der Antragsgegnerin vom gleichen Tag. Noch am selben Tag, den 20.
September 2004, wies die Antragstellerin den Oberbürgermeister der Antragsgegnerin
an, den Satzungsbeschluss zu beanstanden sowie eine Bekanntmachung der Satzung
zu unterlassen.
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Am 24. November 2004 hat die Antragstellerin den Normenkontrollantrag gestellt. Sie
macht geltend: Ihr Normenkontrollantrag sei zulässig. Sie, die Antragstellerin, sei
antragsbefugt. Als Widerspruchsbehörde habe sie bei Bauvorhaben, die innerhalb der
räumlichen Grenzen von Bebauungsplänen lägen, deren Festsetzungen zu beachten.
Darüber hinaus habe sie als Bezirksplanungsbehörde die Aufgabe, dafür zu sorgen,
dass die Ziele der Raumordnung und Landesplanung bei behördlichen Maßnahmen
und bei solchen Planungen und Vorhaben, die innerhalb des räumlichen
Geltungsbereichs ihres Bezirks von Bedeutung seien, beachtet würden. Ihr Antrag sei
auch begründet. Der Satzungsbeschluss sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.
Die Antragsgegnerin habe sich nicht an ihre mit Schreiben vom 11. Februar 2000
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abgegebene schriftliche Zusage gehalten, die landesplanerischen Vorgaben zu
beachten. Ferner sei sie, die Antragstellerin, in das gesamte Verfahren zur Aufstellung
des Bebauungsplanes nicht ausreichend einbezogen worden. Die ergangenen
kommunalaufsichtlichen Weisungen seien unbeachtet geblieben. Eine interkommunale
Abstimmung mit den Städten N3. und E3. sei überhaupt nicht erfolgt. Das mit den
übrigen Nachbarstädten durchgeführte Moderationsverfahren begegne erheblichen
Bedenken. Der Person des Moderators habe im Hinblick auf die gemeinsame
Berufsausübung mit dem von der Antragsgegnerin beauftragten Rechtsgutachter die
notwendige Neutralität gefehlt. Der Bebauungsplan sei auch materiell unwirksam. Er
verstoße gegen das Anpassungsgebot gem. § 1 Abs. 4 BauGB. Die mit der 3. Änderung
des Bebauungsplans verbundene Erweiterung der Verkaufsfläche stelle eine
schädigende Beeinträchtigung sowohl innerstädtischer als auch benachbarter
Versorgungszentren dar, weil der zentralörtliche Versorgungsbereich der
Antragsgegnerin wesentlich überschritten werde. Insoweit liege ein Verstoß gegen die
die Bauleitplanung bindenden landesplanerischen Ziele in § 24 Abs. 3 LEPro NRW, §
22 i.V.m. §§ 6 und 7 LEPro NRW und Plansatz B I.2.2. des LEP vor. Eine zusätzliche
landesplanerische Vorgabe ergebe sich auch aus der zum Ursprungsbebauungsplan
vereinbarten Verkaufsflächenobergrenze von 70.000 m². Die zeichnerischen und
textlichen Festsetzungen zum Maß der Nutzung seien unbestimmt. Aus den
angegebenen Werten zur Geschossfläche ließen sich keine eindeutigen Angaben über
die zulässigen Verkaufsflächen ableiten. Die Antragsgegnerin habe ferner gegen die
Grundsätze des Abwägungsgebots verstoßen. Sie habe den zugrundezulegenden
Sachverhalt unvollständig ermittelt und falsch bewertet. Das von der Antragsgegnerin
erstellte Gutachten der GMA gehe von falschen Angaben zum Umfang des
Planvorhabens aus. Es habe den Charakter und den Umsatz des Planvorhabens im
Hinblick auf Art und Umfang der Nutzungen unzutreffend ermittelt. Der Einzugsbereich
des Planvorhabens sei nicht plausibel und nicht in sich schlüssig abgegrenzt worden.
Die Umsatzverteilung für die relevanten Sortimente sei fehlerhaft prognostiziert und die
Auswirkungen des Planvorhabens auf das zentralörtliche System, insbesondere auf die
Versorgung der Bevölkerung und die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in den
angrenzenden Nachbargemeinden seien fehlerhaft eingeschätzt worden. Der in Rede
stehende Bebauungsplan ermögliche eine einzelhandelsrelevante
Gesamtgeschossfläche von 154.500 m ² und somit eine Verkaufsfläche von 118.965 m².
Das GMA-Gutachten gehe hingegen von einer Gesamtverkaufsfläche von nur 66.650 m²
aus. Der Umstand, dass im Gutachten nur Auswirkungen der Erweiterung und nicht die
unter Berücksichtigung des vorhandenen Bestandes maßgebliche
Gesamtverkaufsfläche geprüft worden sei, mache es als Grundlage der Abwägung
unbrauchbar. Das GMA- Gutachten lasse außer Acht, dass der Niedergang der übrigen
Versorgungszentren in P. beschleunigt werde. Die Auswirkungen auf die benachbarten
Versorgungsbereiche der Nachbarstädte seien ebenfalls falsch eingeschätzt worden.
Nach eigenen Berechnungen der Antragstellerin seien in allen angrenzenden
Kommunen Umsatzrückgänge von mehr als 10 %, teilweise sogar von 20 % zu
befürchten. In der Abwägung seien auch die Arbeitsmarkteffekte falsch bewertet worden.
Den neu geschaffenen Arbeitsplätzen durch das CentrO seien die daraus resultierenden
Verluste an Vollzeitarbeitsplätzen in der Innenstadt von P. sowie den anderen
Stadtteilen gegenüberzustellen. Auch die Verkehrsbelastung sei falsch eingeschätzt
worden. Gleiches gelte für den Verkehrslärm. Den diesbezüglichen gutachterlichen
Untersuchungen seien jeweils nur die Erweiterungsflächen nicht aber die
Gesamtverkaufsfläche zugrundegelegt worden.
Die Antragstellerin beantragt,
26
die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 275 A der Antragsgegnerin für unwirksam zu
erklären.
27
Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie macht geltend, der Antrag sei unbegründet. Die 3. Änderung des Bebauungsplans
Nr. 275 A sei wirksam. Die vorgebrachten Verfahrensrügen seien unbeachtlich. Eine
etwaige nicht vollständige Beteiligung aller Träger öffentlicher Belange wirke sich gem.
§ 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht aus. Die Rügen im Zusammenhang mit der
ordnungsgemäßen Durchführung des landesplanerischen Abstimmungsverfahrens
nach § 20 LPlG NRW seien ungeachtet ihrer inhaltlichen Unrichtigkeit für die
Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans unmaßgeblich. Auch materiell sei der
Bebauungsplan wirksam. Eine Verletzung der Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4
BauGB liege nicht vor. Eine rechtliche Vorschrift oder eine sich aufdrängende
allgemeine fachliche Erkenntnis, wonach der Versorgungsbereich eines Mittel- oder
Oberzentrums gegenüber benachbarten Mittel- und Oberzentren eindeutig bestimmt
werden könne, bestehe nicht. Im Übrigen beruft sich die Antragsgegnerin auf ein
Rechtsgutachten von Prof. Dr. Hoppe, in dem die Frage der Vereinbarkeit der 3.
Änderung des Bebauungsplans Nr. 275 A mit raumordnungsrechtlichen und
landesplanerischen Vorgaben bejaht worden ist. Nach dem Gutachten sind weder § 24
Abs. 3 LEPro NRW noch Plansatz B I.2.2 LEP oder Ziel 4 im GEP 99 bindende Ziele
der Raumordnung im Sinne von § 1 Abs. 4 BauGB. Diesen Regelungen könne auch
kein Kongruenzgebot in dem Sinne entnommen werden, dass der Versorgungsbereich
der Standortgemeinde durch Auswirkungen des strittigen Vorhabens nicht überschritten
werden dürfe. Innerhalb des hoch verdichteten Verflechtungsraums des Ruhrgebiets sei
das zentralörtliche Gliederungssystem nur sehr beschränkt steuerungsfähig, weil sich
dort eine atypische Funktionenteilung und eine uneinheitliche, komplexe Überlagerung
von Verflechtungen entwickelt habe. Dies gelte im Besonderen auch mit Blick auf die
Metropolregion Rhein-Ruhr, zu der das Stadtgebiet der Antragsgegnerin zu zählen sei.
Überdies unterscheide sich die "Neue Mitte P. " als postindustrielles touristisches Ziel
mit überregionalem Einzugsbereich, welches den Fortfall der Schwerindustrie
städtebaulich kompensiere, grundlegend von herkömmlichen Versorgungszentren. Die
benachbarten Gebietskörperschaften würden in der Erfüllung der ihnen jeweils durch
die Landesplanung zugewiesenen Aufgaben durch die Planung nicht beeinträchtigt.
Dass weder der Versorgungsbereich im eigenen Stadtgebiet noch die benachbarten
Städte durch die Erweiterung des CentrO nachhaltig betroffen seien, ergebe sich
schließlich auch aus dem GMA-Gutachten. Sie, die Antragsgegnerin, habe auch keine
speziellen landesplanerischen Zielvorgaben zu beachten. Insoweit verweist sie auf ein
weiteres Rechtsgutachten von Prof. Dr. Hoppe von November 1999. Aus dem Gutachten
ergebe sich, dass eine starre Festschreibung und Begrenzung von Verkaufsflächen im
Landesplanungsrecht keine Rechtsgrundlage finde. Ferner habe der Beschluss des
Bezirksplanungsrats vom 15. Oktober 1992 und die "Maßgabe" zur Genehmigung der
35. Änderung des GEP keine Rechtswirkungen ihr gegenüber entfalten und keine Ziele
der Raumordnung begründen können. Die eingetragene Baulast habe keinen
zulässigen Inhalt gehabt und sei deshalb zu Recht gelöscht worden. Sollte sie - die
Antragsgegnerin - seinerzeit eine einseitige Verpflichtungserklärung abgegeben haben,
sei diese nichtig. Sie verstoße gegen das Verbot von Verpflichtungen zur Unterlassung
von Bauleitplanung. Abwägungsmängel lägen ebenfalls nicht vor. Sie, die
30
Antragsgegnerin, habe ihrer Abwägungsentscheidung das Gutachten der GMA
zugrundelegen dürfen. Das Gutachten sei in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Es
habe einen Branchenmix zu Grunde gelegt, wie er im CentrO vorhanden sei. Durch
Worst-Case-Annahmen sei das Gutachten auf der sicheren Seite. Unter
Berücksichtigung der Ergebnisse des GMA-Gutachtens, wonach die
Umsatzverlagerungen, also die Auswirkungen der CentrO-Erweiterung, für die
Umlandkommunen deutlich unter 5 % lägen, könne nicht davon ausgegangen werden,
dass die Nachbarkommunen in ihren zentralen Versorgungsbereichen rechtserheblich,
d.h. unzumutbar beeinträchtigt würden. Soweit die Nachbarstädte anderer Meinung
seien, hätten sie das Gegenteil nicht substantiiert dargelegt.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
31
den Antrag abzulehnen.
32
Sie macht geltend: Der Antrag sei unbegründet. Formelle Mängel der
Bebauungsplanänderung lägen nicht vor. Auch in materieller Hinsicht sei die 3.
Änderung wirksam. Ihre - der Beigeladenen - Begründung entspricht im Wesentlichen
dem Vorbringen der Antragsgegnerin. Vertiefende Ausführungen macht die
Beigeladene zur Raumordnung. Sie ist der Ansicht dass Ziele der Raumordnung nicht
entgegenstünden. Weder § 24 Abs. 3 LEPro NRW noch Ziel 4 in Kapitel 1.2 GEP 99
noch die zentralörtliche Gliederung gemäß § 22 LEPro NRW oder Plansatz B I.2.2 LEP
seien hinreichend bestimmt, um ein verbindliches Gebot oder Verbot im Sinne von § 3
Nr. 2 ROG darstellen zu können. Bezüglich § 24 Abs. 3 LEPro NRW sowie des
Plansatzes B I.2.2 LEP sei zu beachten, dass es sich hierbei um Soll-Vorgaben
handele, die Ausnahmevoraussetzungen jedoch vom Plangeber nicht mit hinreichender
Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit festgelegt worden seien. Dies stehe der behaupteten
Zielqualität entgegen. Selbst wenn es sich um Ziele der Raumordnung handeln sollte,
stünden diese der 3. Änderung nicht entgegen. Die Planung entspreche vielmehr den
Vorgaben der angesprochenen Regelungen. Sämtliche Regelungen enthielten kein so
genanntes "Kongruenzgebot", nach welchem großflächige Einzelhandelsbetriebe oder
Einkaufszentren den "Verflechtungsbereich" ihrer Standortgemeinde nicht überschreiten
dürften. Ein solches Gebot lasse sich insbesondere nicht dem zentralörtlichen
Gliederungsprinzip entnehmen, da dieses lediglich die gleichmäßige Versorgung der
Bevölkerung in allen Teilen des Landes sicherstellen wolle und daher nur eine
Mindestausstattung für die zentrale Orte vorgebe, jedoch keine Obergrenzen für die
Ansiedlung privater Versorgungseinrichtungen enthalte. Der 3. Änderung stünden auch
keine "speziellen landesplanerischen Zielvorgaben" entgegen. Derartige Zielvorgaben
existierten nicht. Etwas anderes ergebe sich weder im Zusammenhang mit der 35. GEP-
Änderung noch mit der Genehmigung der 61. Änderung des Flächennutzungsplans.
Ziele der Raumordnung und Landesplanung könnten gem. § 3 Nr. 2 ROG nur in
"Raumordnungsplänen" formuliert werden, nicht jedoch in Aufforderungen an die
Bezirksplanungsbehörde, in GEP-Änderungsbeschlüssen und begleitenden
"Maßgaben" zu einer Genehmigung. Zudem sei hier eine atypische Fallgestaltung
gegeben, der es der Antragsgegnerin erlaube, von der Regelaussage der angeblichen
Soll-Ziele abzuweichen und die Planung ohne Bindung an verbindliche Zielvorgaben
zu realisieren. Der Satzungsbeschluss über die 3. Änderung leide auch nicht an
Abwägungsfehlern. Die Belange der Nachbargemeinden seien ordnungsgemäß
berücksichtigt worden. Die Festsetzung eines Kerngebiets sei nicht zu beanstanden.
Dies habe der erkennende Senat bereits mit dem Urteil vom 20. Mai 1994 in dem
Normenkontrollverfahren 10a D 104/93.NE gegen den Bebauungsplan Nr. 275 A
33
erkannt. Der Satzungsbeschluss leide im Übrigen auch nicht an sonstigen Fehlern.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat mit Schriftsatz vom 2. Mai 2005 seine
Beteiligung am Verfahren erklärt, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Er unterstützt
den Antrag der Antragstellerin und schließt sich deren Ausführungen an.
34
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin sowie der von den übrigen Beteiligten
vorgelegten Unterlagen, ferner auf den Inhalt der Verfahrensakten 10 D 148/04.NE, 10 D
153/04.NE, 10 D 154/04.NE, 10 D 155/04.NE, 10 D 156/04.NE, 10 D 157/04.NE, 10 D
158/04.NE und auf die Verfahrensakten 10a D 104/93.A und 10a D 137/93.A Bezug
genommen.
35
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
36
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
37
A.)
38
Der Antrag ist zulässig.
39
Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann einen
Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch
die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in
absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb von zwei Jahren
nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen.
40
Für die Antragsbefugnis der Antragstellerin als Behörde ist insoweit ausreichend, dass
die angegriffene Norm in ihrem Wirkungsbereich anzuwenden ist. Die Antragstellerin
hat als höhere Verwaltungsbehörde den Bebauungsplan sowohl als
Widerspruchsbehörde als auch als Fachaufsichtsbehörde zu beachten. Dies begründet
ihr berechtigtes Interesse, Klarheit über diejenige objektive Rechtslage zu schaffen, die
sich auf ihr Aufgabengebiet auswirken kann und regelmäßig auch auswirken wird.
41
Vgl. zur Antragsbefugnis der höheren Verwaltungsbehörde: BVerwG, Beschluss vom
11. August 1989 - 4 NB 23.89 -, BRS 49 Nr. 40 unter Bezugnahme auf BVerwG,
Beschluss vom 15. März 1989 - 4 NB 10.88 -, BRS 49 Nr. 39; BayVGH, Urteil vom 16.
November 1992 - 14 N 91.2258 -, BRS 55 Nr. 19 und Urteil vom 1. April 1982 - 15 N 81
A. 1679 -, BRS 39 Nr. 32; OVG NRW, Beschluss vom 31. März 1978 - 10a ND 8/77 -,
DVBl 1979 S. 193.
42
Dieses Antragsrecht entfällt mangels Rechtsschutzinteresses hier nicht etwa deshalb,
weil die Antragstellerin als zuständige Aufsichtsbehörde die Aufhebung der 3. Änderung
des Bebauungsplans Nr. 275 A durch Maßnahmen der kommunalen Rechtsaufsicht
selbst erreichen könnte. Es trifft zwar zu, dass die Aufsichtsbehörde den Bürgermeister
anweisen kann, Beschlüsse des Rates, die das gelten-de Recht verletzen, zu
beanstanden (§ 119 Abs. 1 Satz 1 GO NRW a.F. / § 122 Abs. 1 Satz 1 GO NRW n.F.).
Sie kann ferner solche Beschlüsse, zu denen auch Akte der gemeindlichen
Rechtssetzung gehören, nach vorheriger Beanstandung durch den Bürgermeister und
nochmaliger Beratung im Rat aufheben. Dieses der Aufsichtsbehörde im Rahmen der
43
Kommunalaufsicht übertragene Beanstandungs- und Aufhebungsrecht vermag jedoch
die Befugnis, einen Normenkontrollantrag zu stellen, nicht einzuschränken. Die
gesetzlichen Regelungen geben keinen Hinweis darauf, dass die landesrechtlich
gegebenen aufsichtsrechtlichen Instrumentarien die Ausübung des bundesrechtlich
geregelten behördlichen Antragsrechts nach § 47 VwGO, das eine andere Zielrichtung
hat, hindert.
So auch BayVGH, Urteil vom 1. April 1982 - 15 N 81 A. 1679 -, BRS 39 Nr. 32.
44
B.)
45
Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
46
I. Die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 275 A - D.-----allee - leidet nicht an
beachtlichen Form- oder Verfahrensfehlern gem. §§ 214, 215 BauGB in der hier gemäß
§ 233 Abs. 2 S. 2 BauGB anzuwendenden, bis zum 19. Juli 2004 geltenden Fassung.
47
Die von der Antragstellerin gerügte Nichtbeteiligung der Städte N3. und E3. im
Planaufstellungsverfahren ist unbeachtlich.
48
Soweit die Antragstellerin darin eine Verletzung des Gebots der interkommunalen
Abstimmung gem. § 2 Abs. 2 BauGB a.F. sieht, ist damit ein formeller Fehler des
angegriffenen Bebauungsplans nicht dargetan. § 2 Abs. 2 BauGB gehört nicht zu den in
§ 214 BauGB abschließend aufgeführten planungsrechtlichen Verfahrens- und
Formvorschriften, deren Verletzung für die Rechtswirksamkeit von Bebauungsplänen
beachtlich ist.
49
Als Träger eigener Rechte (Art. 28 Abs. 2 GG) waren die Nachbarstädte im Rahmen der
allgemeinen Öffentlichkeitsbeteiligung gem. § 3 BauGB a.F. zu beteiligen. Die Städte
N3. und E3. hatten Gelegenheit zur Äußerung im Rahmen der frühzeitigen
Bürgerbeteiligung gem. § 3 Abs. 1 BauGB a.F. in der Zeit vom 10. Mai bis zum 24. Mai
2004 und im Zuge der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanentwurfs in der Zeit
vom 23. Juli bis 23. August 2004.
50
Sieht man die besagten Städte auch als Träger öffentlicher Belange an,
51
vgl. Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl. 2005, § 2 Rn 22; Söfker, in:
Ernst/ Zinkahn/ Bielenberg, BauGB, Stand: September 2004, § 2 Rn 108.
52
mag im Hinblick auf ihre Nichtbeteiligung im Planaufstellungsverfahren zwar ein
Verstoß gegen § 4 BauGB a.F. festzustellen sein, doch wirkt sich dieser Verstoß nicht
auf die Wirksamkeit der 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 275 A aus. Nach § 214
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB a.F. ist es für die Wirksamkeit eines Bebauungsplans
unbeachtlich, wenn - wie hier - einzelne Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt
worden sind.
53
Für die gerügte Nichtbeteiligung der Bezirksregierungen N. und B. gilt ungeachtet der
Frage, ob ihre Beteiligung als Träger öffentlicher Belange überhaupt erforderlich war,
dasselbe.
54
Die von der Antragstellerin im Zusammenhang mit dem Moderationsverfahren gerügte
55
Befangenheit des Moderators, Prof. Dr. V. , ist für die Frage der formellen Wirksamkeit
der Planänderung ebenfalls ohne Relevanz. Die Vorschriften zum Verfahren und zur
Form des Planaufstellungsverfahrens sind abschließend im Baugesetzbuch geregelt.
Die Durchführung eines Moderationsverfahrens ist danach nicht Bestandteil des
Aufstellungsverfahrens. Die Antragsgegnerin hat freiwillig eine Anregung des
Regionalen Einzelhandelskonzeptes für das Westliche Ruhrgebiet aufgegriffen und ein
förmliches Verfahren zur regionalen Abstimmung durchgeführt. Mögliche "Mängel"
dieses Verfahrens, das keinerlei Rechtsverbindlichkeit aufweist, können weder zur
Fehlerhaftigkeit des Planaufstellungsverfahrens noch unmittelbar zur Fehlerhaftigkeit
des Bebauungsplans selbst führen.
Ein Verfahrens- und/oder Formfehler liegt auch nicht im Zusammenhang mit der
Bekanntmachung der Satzung am 20. September 2004 vor.
56
Die Satzung ist wirksam bekannt gemacht worden. Die Förmlichkeiten des in § 2
BekanntmachungsVO NRW geregelten Verfahrens sind eingehalten. Der
Oberbürgermeister hat schriftlich bestätigt, dass der Wortlaut der Satzung mit dem
Ratsbeschluss übereinstimmt und die Bekanntmachung der Satzung angeordnet. Die
Bekanntmachung der Satzung ist gem. § 4 BekanntmachungsVO NRW im Amtsblatt der
Antragsgegnerin und zwar in einem Sonderblatt vom 20. September 2004 veröffentlicht
worden.
57
Nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB a.F. liegt ein beachtlicher Fehler nur vor, wenn
der mit der Bekanntmachung der Satzung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden
ist. Die Formulierung stellt klar, dass die Wirksamkeit des Bebauungsplans nicht schon
dann zu verneinen ist, wenn das Aufstellungsverfahren an irgendeinem
Bekanntmachungsfehler leidet, sondern dass es entscheidend darauf ankommt, ob die
Bekanntmachung ihren Hinweiszweck erfüllt.
58
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2003 - 4 B 66.03 -, NVwZ-RR 2004, 307 =
BRS 66 Nr. 48.
59
Auf die von der Antragstellerin unter Beweis gestellte Tatsache, dass dem
Oberbürgermeister nach Satzungsbeschluss und vor Bekanntmachung ihre Weisung,
die Satzung nicht bekannt zu machen, zugegangen ist, kommt es ebenso wenig
entscheidungserheblich an, wie auf die Frage, ob der Oberbürgermeister treuwidrig
einen früheren Zugang der Weisung durch Verschließen des Sitzungssaales verhindert
hat. Abgesehen davon, dass der Regierungsvizepräsident von der ihm und der
Öffentlichkeit zugänglichen Zuschauerbühne in die Ratssitzung hätte eingreifen können,
hätte auch eine rechtmäßige Weisung nicht zu einem beachtlichen Fehler der 3.
Änderung des Bebauungsplanes Nr. 275 A geführt. Ein etwaiger Verstoß gegen eine
kommunalaufsichtliche Weisung stellt nämlich keinen der in § 214 BauGB a.F.
abschließend geregelten beachtlichen Verfahrens- und/oder Formfehler dar. Im Übrigen
war die Weisung auch rechtswidrig. Soweit sich die Weisung auf § 119 Abs. 1 Satz 1
GO NRW a.F. (= § 122 Abs. 1 Satz 1 GO NRW n.F.) stützt, liegen die Voraussetzungen
der Vorschrift nicht vor. Nach dieser kann die Aufsichtsbehörde den Bürgermeister
lediglich anweisen, Beschlüsse des Rates, die das geltende Recht verletzen, zu
beanstanden. Im Übrigen handelt es sich bei der Weisung zur Beanstandung um eine
Maßnahme der Rechtskontrolle im Rahmen der repressiven Aufsicht durch die
Aufsichtsbehörde und wird der von der Aufsichtsbehörde angewiesene
Oberbürgermeister gewissermaßen als deren verlängerter Arm tätig. Die Anweisung ist
60
folglich mangels Außenwirkung kein Verwaltungsakt, sondern stellt lediglich eine
innerdienstliche Weisung dar. Sofern der Oberbürgermeister seiner
Beanstandungsverpflichtung nicht nachkommt, kann dies ein Dienstvergehen sein, was
sich aber nur im Verhältnis zwischen der Aufsichtsbehörde und dem Oberbürgermeister
auswirkt.
Schließlich folgt aus den nachstehenden Urteilsgründen, dass die Weisung auch
materiell zu Unrecht ergangen ist.
61
II. Die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 275 A ist materiell wirksam.
62
1. Mit ihrer im Zuge des Aufstellungsverfahrens für den Bebauungsplan Nr. 275 A
abgegebenen Erklärung vom 16. März 1993 hat die Antragsgegnerin nicht - auch nicht
partiell - auf ihr Planungsrecht verzichtet.
63
Mit Erklärung vom 16. März 1993 hatte sich die Antragsgegnerin verpflichtet, auf die
nach Maßgabe des Beschlusses über die Aufstellung der 35. Änderung des
Gebietsentwicklungsplanes (II a) eingetragene Baulast nur im Einvernehmen mit den
Städten E. , F1. , N4. an der Ruhr, E1. , H3. , C. , H2. und den Kreisen X2. und S. zu
verzichten oder diese zu verändern. Mit der am 6. Januar 1993 eingetragenen Baulast
hatte die damalige Grundstückseigentümerin die Verpflichtung übernommen, die im
Bebauungsplan Nr. 275 A als MK 1.1 festgesetzte Fläche nur so auszunutzen, dass für
das dort geplante Einkaufszentrum nicht mehr als 70.000 m² Verkaufsfläche entstehen.
64
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind die Bauleitpläne von den Gemeinden in eigener
Verantwortung aufzustellen. Diese Vorschrift, die Ausfluss des den Gemeinden durch
Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Selbstverwaltungsrechts und der daraus
folgenden Planungshoheit ist, verbietet es, das Ob und Wie künftiger Planungen
vertraglich oder durch einseitige Erklärung vom Willen anderer Gebietskörperschaften
abhängig zu machen. Die Entscheidung über den Erlass oder Nichterlass eines
Bebauungsplans hat sich in erster Linie an der städtebaulichen Erforderlichkeit der
Planung zu orientieren (§ 1 Abs. 3 BauGB). Sie ist einem gesetzlich bestimmten, mit
zahlreichen Sicherungen ausgestatteten Rechtssetzungsverfahren zugewiesen,
welches gewährleistet, dass die weitgehend in die planerische Gestaltungsfreiheit der
Gemeinde gestellte Bauleitplanung den rechtsstaatlichen Anforderungen an eine
angemessene Abwägung und an einen hinreichend durchschaubaren Verfahrensgang
gerecht wird. Vertragliche Gestaltungen im Zusammenhang mit der Bauleitplanung
dürfen weder an die Stelle der Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung
treten, noch dürfen sie die Planungshoheit zu einer formalen Hülse werden lassen. Eine
vertragliche Verpflichtung zur Nichtplanung, insbesondere wenn sie - wie hier -
ungeachtet zukünftiger Planungsbedürfnisse auf eine dauerhafte Unterlassung der
Planung gerichtet ist, ist danach nicht nur unzulässig, sondern auch unwirksam. Mit
dieser Zielrichtung widerspricht die Erklärung ebenso wie die vertragliche
Vorwegnahme von Planungsentscheidungen durch gemeindliche Verpflichtung zum
Erlass von Bauleitplänen (§ 2 Abs. 3 BauGB / § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB n.F.) der
Planungshoheit der Gemeinde.
65
Vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 6. März 1985 - 3 N 207/85 -,
NVwZ 1985, 839 = BRS 44 Nr. 1; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., § 1
Rn 114; Gierke, in: Brügelmann, BauGB, Bd. 1, Stand: Oktober 2003, § 1 Rn 214.
66
2. Auch die städtebauliche Erforderlichkeit der Planung im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB
ist gegeben. Was im Sinne dieser Vorschrift erforderlich ist, bestimmt sich nach der
jeweiligen planerischen Konzeption. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich
setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die
Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen
entspricht. Die angesprochene Planrechtfertigung ist gegeben, wenn der
Bebauungsplan nach seinem Inhalt auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung
ausgerichtet und nach der planerischen Konzeption der zur Planung berufenen
Gemeinde als Mittel hierfür erforderlich ist.
67
Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1974 - IV C 50.72 -, BRS 28 Nr. 4 und Urteil vom 14.
Februar 1975 - IV C 21.74 -, BRS 29 Nr. 6.
68
Nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB sind nur solche Bauleitpläne, die
einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen
dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht
bestimmt sind. Davon ist beispielsweise auszugehen, wenn eine planerische
Festsetzung lediglich dazu dient, private Interessen zu befriedigen oder eine positive
städtebauliche Zielsetzung nur vorgeschoben wird.
69
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 1996 - 4 B 180.96 -, BRS 58 Nr. 3.
70
Die hier streitige Planänderung ist städtebaulich gerechtfertigt. Auch wenn die
beschlossene Erweiterung des Einkaufszentrums auf eine Anregung privater Investoren
zurückgeht, ist nicht anzunehmen, dass die Planung ausschließlich dazu dient, deren
Wünsche zu bedienen. Die mit der Planänderung verfolgten Interessen sind der
Planbegründung (Ziffer 2.3, Städtebauliche Entwicklungsziele) zu entnehmen. Nach
Ansicht des Rates ist das Freizeit- und Einkaufszentrum CentrO der städtebauliche und
wirtschaftliche "Nukleus" der Neuen Mitte P. und stellt für die Stadt ein stadt- und
regionalpolitisch wie touristisch wichtiges Zentrum dar. Vor dem Hintergrund der im
Stadtgebiet einhergehenden Strukturveränderung soll die wirtschaftliche Schubkraft
dieses Zentrums noch stärker genutzt werden, um die Entwicklung der Flächen und
Projekte in der näheren Umgebung (insbesondere der Flächen im Bereich der N2. , dem
Zukunftspark O.Vision sowie im Bereich der P1. und F. Straße) zu unterstützen, die
vorhandene Infrastruktur besser auszulasten und Arbeitsplätze zu schaffen. Das sind
beachtliche städtebauliche, insbesondere wirtschaftliche Belange, die im Rahmen der
Bauleitplanung berücksichtigt werden und ein Planungserfordernis begründen können.
71
Ob die allgemeinen Planziele auch in ihrer konkreten Umsetzung von § 1 Abs. 3 BauGB
gedeckt sind, hängt davon ab, ob die einzelnen Festsetzungen des Bebauungsplans im
Rahmen der Gesamtkonzeption "vernünftigerweise geboten" sind bzw. ob sie "einer
geordneten städtebaulichen Entwicklung dienen".
72
Vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Juni 2002 - 4 CN 4.01 -, BRS 65 Nr. 78 und vom 17.
September 2003 - 4 C 14.01 -, NVwZ 2004, 220.
73
Auch insoweit bestehen keine Bedenken. Bei dem "Wie" der Planung hat die Gemeinde
ein weites Planungsermessen, dessen Ausübung sich maßgebend nach ihren eigenen
städtebaulichen Vorstellungen richtet. Es entspricht dem ausdrücklichen Willen der
Antragsgegnerin, die Neue Mitte P. als Wirtschaftsstandort auszubauen und das
Einkaufzentrum zu erweitern. Die zugelassene Erweiterung der für den Einzelhandel
74
nutzbaren Flächen ist weder willkürlich noch deren Notwendigkeit vorgeschoben.
Entgegen dem Einwand der Antragstellerin ist die Antragsgegnerin von zutreffenden
Flächenangaben ausgegangen. Die gesamte Geschossfläche für den Einzelhandel im
von der 3. Änderung erfassten Plangebiet beläuft sich einschließlich der im Rahmen der
Planänderung ermöglichten Erweiterung (30.000 m²) auf 155.000 m². Davon entfallen
120.000 m² der bisher festgesetzten Geschossfläche für den Einzelhandel auf den
zentralen Einkaufsbereich MK 1.1 und 5.000 m² Geschossfläche für den Einzelhandel
auf den Bereich MK 1.2 (Gastronomiezeile), für den nach den textlichen Festsetzungen
allerdings nur eine ausnahmsweise zulässige Nutzung für Einzelhandel vorgesehen ist.
Nach den Angaben der Beigeladenen ist die im Bereich MK 1.1 zulässige
Geschossfläche bis auf 600 m² vollständig ausgenutzt. Der im Aufstellungsverfahren
vorgebrachte Einwand, es mangele der angestrebten Planänderung an der
Erforderlichkeit deswegen, weil jedenfalls im Bereich der Gastronomiezeile MK 1.2
weitere Einzelhandelsflächen zur Verfügung stünden, greift nicht durch. Der
Antragsgegnerin geht es im Rahmen ihrer Planung nicht darum, an irgendeiner Stelle im
Plangebiet die Zulassung von Einzelhandel zu ermöglichen. Vielmehr soll gerade das
Einkaufszentrum im Bereich MK 1.1 als zusammenhängender Komplex einer Vielzahl
von Einzelhandelsbetrieben vergrößert werden und sollen die dort bestehenden
Betriebe sich angemessen erweitern und an neue Marktbedingungen anpassen können.
Ferner sollen sich zur Abrundung des Angebotsspektrums des Einkaufszentrums vor
allem im Bereich der Nord-Süd-Achse neue Betriebe ansiedeln können. Bewährte
Konzepte sollen nach dem ausdrücklichen Willen des Plangebers belassen und nicht
verändert werden. Das gilt im Besonderen für den Bereich MK 1.2, in dem sich
ausschließlich gastronomische Betriebe angesiedelt haben ("Gastronomiezeile") und in
dem eine Ansiedlung von - dort ausnahmsweise zulässigen - Einzelhandelsbetrieben
nicht geplant ist.
3. Der Bebauungsplan verstößt nicht gegen § 1 Abs. 4 BauGB, wonach Bauleitpläne an
die Ziele der Raumordnung anzupassen sind.
75
Was als ein Ziel im Sinne des Raumordnungsrechts anzusehen ist, wird durch das
Bundes-Raumordnungsgesetz - ROG - bestimmt. Ob eine Planaussage Zielqualität hat,
ist allein vom Bundesrecht her zu beurteilen.
76
Vgl. BVerwG, Urteil v. 18. September 2003 - 4 CN 20.02 -, BVerwGE 119, 54 = BRS 66
Nr. 5.
77
Nach der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 2 ROG sind Ziele der Raumordnung
verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder
bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend
abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen
zur Entwicklung, Ordnung oder Sicherung des Raums. Den Zielen kommt die Funktion
zu, räumlich und sachlich die zur Verwirklichung der Grundsätze der Raumordnung
notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. In ihnen spiegelt sich bereits eine
landesplanerische Abwägung zwischen den durch die Grundsätze der Raumordnung (§
3 Nr. 3 ROG) verkörperten unterschiedlichen raumordnerischen Belangen wider. Einer
weiteren Abwägung auf einer nachgeordneten Planungsstufe sind sie nicht zugänglich.
Die planerischen Vorgaben, die sich ihnen entnehmen lassen, sind verbindlich. Dem für
eine Zielfestlegung charakteristischen Erfordernis abschließender Abwägung ist genügt,
wenn die Planaussage auf der landesplanerischen Ebene keiner Ergänzung mehr
bedarf. Der Plangeber kann es, je nach den planerischen Bedürfnissen, damit
78
bewenden lassen, bei der Formulierung des Planziels Zurückhaltung zu üben und damit
den planerischen Spielraum der nachfolgenden Planungsebene schonen. Von einer
Zielfestlegung kann allerdings keine Rede mehr sein, wenn die Planaussage eine so
geringe Dichte aufweist, dass sie die abschließende Abwägung noch nicht
vorwegnimmt.
Erfüllt eine landesplanerische Regelung nicht die vorbeschriebenen inhaltlichen
Voraussetzungen, so ist sie kein Ziel der Raumordnung. Anders lautende Bekundungen
des Plangebers vermögen eine Planaussage nicht zu einem Ziel erstarken zu lassen.
79
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 - 4 CN 20.02 -, a.a.O.
80
Die Ziele der Raumordnung werden in Nordrhein-Westfalen gem. § 11 LPlG NRW (§ 12
LPlG NRW in der Fassung vom 3. Mai 2005, GV NRW, S. 430) im
Landesentwicklungsprogramm, im Landesentwicklungsplan, in
Gebietsentwicklungsplänen (heute Regionalplänen) und in Braunkohleplänen
dargestellt.
81
Der 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 275 A steht danach kein Ziel der
Raumordnung entgegen, weil die nachfolgend zu prüfenden Regelungen entweder
keine bindenden Planungsvorgaben beinhalten oder weil die Planänderung der
jeweiligen Vorgabe entspricht.
82
a) Gem. § 24 Abs. 3 LEPro NRW sollen Kerngebiete sowie Sondergebiete für
Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige
Handelsbetriebe nur ausgewiesen werden, soweit die in ihnen zulässigen Nutzungen
nach Art, Lage und Umfang der angestrebten zentralörtlichen Gliederung sowie der in
diesem Rahmen zu sichernden Versorgung der Bevölkerung entsprechen und wenn sie
räumlich und funktional den Siedlungsschwerpunkten zugeordnet sind.
83
Diese Vorschrift enthält entgegen der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden
Gerichts keine Ziele der Raumordnung, an die die Bebauungsplanung der
Antragsgegnerin im Sinne des § 1 Abs. 4 BauGB anzupassen war.
84
Vgl. zur bisherigen Rspr.: OVG NRW, Urteil vom 22. Juni 1998 - 7a D 108/96.NE -, BRS
60 Nr. 1, Urteil vom 11. Januar 1999 - 7 A 2377/96 -, BRS 62 Nr. 39, Urteil vom 6. April
2000 - 7a D 132/ 97.NE -, nicht veröffentlicht und Urteil vom 7. Dezember 2000 - 7a D
60/99.NE -, BRS 63 Nr. 34.
85
Ziele der Raumordnung können nur Festlegungen sein, die verbindliche Vorgaben
enthalten. Von der einzelnen Zielaussage verlangt der Grundsatz der Rechtsklarheit
eine Formulierung, die dem Verbindlichkeitsanspruch gerecht wird. Die Festlegung
muss daher strikt formuliert werden. Ferner muss sie bestimmt oder bestimmbar und
abschließend vom Plangeber abgewogen sein. Verbindliche Ziele der Raumordnung im
vorbeschriebenen Sinne sind üblicherweise durch zwingende Formulierungen als
Mussvorschriften ausgestaltet.
86
Der im III. Abschnitt des Gesetzes zur Landesentwicklung
(Landesentwicklungsprogramm - LEPro) unter der Überschrift "Allgemeine Ziele der
Raumordnung und Landesplanung für Sachbereiche" enthaltene § 24 Abs. 3 LEPro
NRW ist hingegen als Soll-Vorschrift formuliert. Das Wort "soll" bedeutet - so auch die
87
bisherige Rechtsprechung zu § 24 Abs. 3 LEPro NRW - dass die daran anknüpfende
Rechtsfolge als "grundsätzlich" bzw. als "in der Regel" verbindlich anzunehmen ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1992 - 5 C 39.90 -, BVerwGE 90,275 = DVBl 1992, 1487
(zur Auslegung einer Soll-Vorschrift im verwaltungsrechtlichen Sinne); Maurer,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, § 7 Rn 11 (S. 136); vgl. zur bisherigen
Rechtsprechung zu § 24 Abs. 3 LEPro NRW: OVG NRW, Urteile vom 22. Juni 1998 - 7a
D 108/96.NE -, vom 11. Januar 1999 - 7 A 2377/96 -, vom 6. April 2000 - 7a D
132/97.NE - und vom 7. Dezember 2000 - 7a D 60/99.NE -, jeweils a.a.O.
88
Soweit Soll-Vorschriften im verwaltungsrechtlichen Sinne dahin ausgelegt werden, dass
bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, die Behörde
nach pflichtgemäßem Ermessen anders verfahren darf als im Gesetz vorgesehen, ist
dieser Ansatz - entgegen der zitierten bisherigen Rechtsprechung des erkennenden
Gerichts - auf Soll-Vorschriften im Raumordnungsrecht nicht übertragbar. Mit dem
Merkmal der Atypizität sind entgegen der für Ziele der Raumordnung zu fordernden
Letztverbindlichkeit die Fallgestaltungen, bei denen die Regelvorgaben der Vorschrift
nicht gelten sollen, nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar beschrieben. Für
Zielabweichungen sieht der Gesetzgeber im Raumordnungsrecht ein besonderes
Zielabweichungsverfahren in § 11 und 23 Abs. 2 ROG bzw. § 24 LPlG NRW n.F. vor. Mit
diesem Verfahren hat er auf der Ebene der Raumordnung die planungsrechtliche
Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB nachgebildet mit der Folge, dass atypische
Fälle in diesem eigens dafür geschaffenen raumordnerischen
Zielabweichungsverfahren zu lösen sind. Von der Befreiungslage zu unterscheiden sind
vorhersehbare Abweichungslagen, die der Normgeber erkennen und als Ausnahmen
mitregeln kann. Nur wenn in einem solchen Fall auch die mitgeregelte Ausnahme
hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist, kann die Vorschrift Zielcharakter haben und
die durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete Planungshoheit der Gemeinde "im Rahmen
der Gesetze", die den rechtsstaatlichen Anforderungen genügen müssen, einschränken.
89
Für die Auslegung von Soll-Vorschriften im Raumordnungsrecht folgt der Senat der
teilweise in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung,
wonach auch diese Vorschriften eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen und auf sie
die Grundsätze anzuwenden sind, die das Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung
des Ziel- bzw. Grundsatzcharakters derartiger raumordnungsrechtlicher Normen mit
Regel-Ausnahme-Struktur entwickelt hat.
90
Vgl. zu landesplanerischen Bestimmungen mit Regel-Ausnahme-Struktur: BVerwG,
Urteile vom 18. September 2003 - 4 CN 20.02 -, BVerwGE 119, 54 = BRS 66 Nr. 5 und
vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 -, BRS 66 Nr. 1; ferner: BayVGH, Urteil vom 19.
April 2004 - 15 B 99. 2605 - BauR 2005, 63 (zur Anwendung der Rechtsprechung des
BVerwG auf eine raum-ordnerische Soll-Vorschrift); Rojahn, in: Jarass (Hrsg.),
Interkommunale Abstimmung in der Bauleitplanung, Münster 2003, S. 31 (34); Hoppe,
Stehen die "Ziele der Raumordnung" in der Form von Soll-Zielen vor dem Aus?, DVBl
2004, 478; derselbe, in: BayVBl 2005, 356, "Die grundsätzliche Formulierung von
Raumordnungszielen als Soll- Vorschriften im Bayerischen Landesplanungsgesetz ..."
(der Aufsatz hat dem Senat als Vorababdruck vorgelegen).
91
Demnach können auch Plansätze, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen, die
Merkmale einer verbindlichen Vorgabe im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG erfüllen. Macht der
Plangeber von der Möglichkeit Gebrauch, den Verbindlichkeitsanspruch seiner
92
Planungsaussage dadurch zu relativieren, dass er selbst Ausnahmen formuliert, wird
damit die abschließende Abwägung nicht ohne weiteres auf eine andere Stelle
verlagert. Vielmehr ist es dem Plangeber grundsätzlich unbenommen, selber zu
bestimmen, wie weit die Steuerungswirkung reichen soll, mit der von ihm geschaffene
Ziele Beachtung beanspruchen. Die Merkmale einer verbindlichen Vorgabe erreichen
solche Plansätze allerdings nur, wenn der Plangeber neben den Regel- auch die
Ausnahmevoraussetzungen mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit oder doch
wenigstens Bestimmbarkeit selbst festlegt, so dass der planenden Gemeinde die
Identifizierung eines raumordnerischen Ausnahmefalls ermöglicht wird. In einem
solchen Fall handelt es sich um verbindliche Aussagen, die nach Maßgabe ihrer -
beschränkten - Reichweite der planerischen Disposition nachgeordneter
Planungsträger entzogen sind.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 - 4 CN 20.02 -, a.a.O.
93
Soll-Vorschriften im Raumordnungsrecht können demnach verbindliche Regelungen im
Sinne von Zielen enthalten, wenn für vorhersehbare Fallgestaltungen, die nicht der
Zielbindung unterliegen sollen, Ausnahmen räumlicher und sachlicher Art bestimmt
werden oder jedenfalls bestimmbar sind. Unvorhersehbare, atypische Fallgestaltungen
bleiben dem Zielabweichungsverfahren überlassen.
94
Vgl. auch Runkel, in: Bielenberg/Runkel/Span- nowsky, Raumordnungs- und
Landesplanungs-recht des Bundes und der Länder, Kommentar, Bd. II, Stand:
September 2004, K § 3 Rn 23 - 27.
95
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen scheidet § 24 Abs. 3 LEPro
NRW als verbindliche Vorgabe aus, weil die Planaussage den Anforderungen an das
Bestimmtheitsgebot weder im Hinblick auf die im Gesetz enthaltenen Voraussetzungen
des Regelfalls, noch im Hinblick auf die Voraussetzungen der Ausnahmefälle gerecht
wird.
96
Hinsichtlich des Regelfalles, konkretisiert die Vorschrift nicht hinreichend, wann die
Nutzungen der angestrebten zentralörtlichen Gliederung und der Sicherung der
jeweiligen Versorgungsaufgabe "entsprechen". Es bleibt unklar, ob etwa von der
Versorgungsaufgabe der zentralörtlichen Stufe für ihren Verflechtungsbereich
auszugehen oder ob insoweit allein auf das Gemeindegebiet des jeweiligen zentralen
Ortes abzustellen ist. Es gibt keine Bestimmungsmerkmale dafür, welche
Zentralitätsstufe eine Gemeinde aufweisen muss, um von einer Übereinstimmung
zwischen einem geplanten Einzelhandelsvorhaben bestimmter Größenordnung und der
Belegenheitsgemeinde sprechen zu können.
97
Vgl. Hoppe, "Ziele der Raumordnung" (§ 3 Nr. 2 ROG 1998) und "Allgemeine Ziele der
Raumordnung und Landesplanung" im Landesentwicklungsprogramm - LEPro - des
Landes Nordrhein-Westfalen, NWVBl 1998, 461 (465 f).
98
Ebenfalls unbestimmt ist die Entsprechung zur "angestrebten zentralörtlichen
Gliederung", wenn es - wie hier - um die Festsetzung eines Kerngebiets und die in ihm
zulässigen Nutzungen geht, da in einem Kerngebiet nach § 7 Abs. 2 BauNVO vielfältige
Nutzungen allgemein zulässig sind.
99
Zu den Voraussetzungen der in der Vorschrift durch die Verwendung der Soll-
100
Formulierung angelegten Ausnahmefälle, in denen es der Entsprechung zur
"angestrebten zentralörtlichen Gliederung" und/oder der räumlichen und funktionalen
Zuordnung zu den Siedlungsschwerpunkten nicht bedarf, verhält sich die Planaussage
in keiner Weise. Sie sind auch für die Gemeinden als Adressaten raumordnerischer
Vorgaben weder aus sich heraus noch im Zusammenhang mit anderen Planaussagen
im Landesentwicklungsprogramm, im Landesentwicklungsplan oder im
Gebietsentwicklungsplan bestimmbar.
Vgl. zu einer Fallgestaltung mit hinreichend bestimmtem Ausnahmefall: BVerwG, Urteil
vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 -, a.a.O.
101
Der Mangel ausreichender Bestimmtheit sowohl des Regel- als auch des
Ausnahmefalls relativiert die in § 24 Abs. 3 LEPro NRW enthaltene Aussage und nimmt
ihr die Zielqualität. Es handelt sich nur um einen von der Gemeinde im Rahmen der
Abwägung zu beachtenden allgemeinen Grundsatz der Raumordnung (vgl. dazu
nachfolgend unter Ziffer 7 a).
102
Der Senat käme im Übrigen auch dann, wenn er entgegen den vorstehenden
Ausführungen die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Gerichts zur Zielqualität
des § 24 Abs. 3 LEPro NRW für maßgeblich ansähe,
103
vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. Juni 1998 - 7a D 108/96.NE -, a.a.O., vom 11. Januar
1999 - 7 A 2377/96 -, a.a.O., vom 6. April 2000 - 7a D 132/97.NE -,a.a.O. und vom 7.
Dezember 2000 - 7a D 60/99.NE -, a.a.O., die vor den erwähnten Urteilen des
Bundesverwaltungsgerichts zu Raumordnungsvorschriften mit Regel-Ausnahme-
Struktur ergangen sind,
104
insgesamt zu demselben Ergebnis.
105
Auch dann wäre die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 275 A mit § 1 Abs. 4 BauGB
vereinbar, weil sich ein Verstoß gegen die darin verankerte Anpassungspflicht im
Hinblick auf § 24 Abs. 3 LEPro NRW nicht feststellen ließe. Auch nach den früheren
Entscheidungen des erkennenden Gerichts enthält die Vorschrift kein absolutes Verbot
der Ausweisung von Kern- oder Sondergebieten für Einkaufszentren an so genannten
nicht integrierten Standorten. Durch die Verwendung des Wortes "sollen" wird nach
dieser Rechtsprechung dem Umstand Rechnung getragen, dass mit der Orientierung
von Kern- und Sondergebieten für Einkaufszentren an der zentralörtlichen Gliederung,
der Versorgung der Bevölkerung sowie den jeweiligen Siedlungsschwerpunkten nicht
jede örtliche Besonderheit berücksichtigt sein kann. Danach kann im atypischen
Einzelfall die Errichtung eines Einkaufszentrums städtebaulich in Übereinstimmung mit
den Zielen der Raumordnung gerechtfertigt sein, auch wenn den Vorgaben des § 24
Abs. 3 LEPro NRW nicht vollen Umfangs genügt ist.
106
Jedenfalls eine solche Sondersituation im Sinne eines atypischen Ausnahmefalls ist
hier gegeben.
107
Das Einkaufszentrums CentrO liegt mit der Neuen Mitte P. im stark verdichteten
Ballungsraum "Westliches Ruhrgebiet". Die Region ist dadurch gekennzeichnet, dass
die Gemeindegebiete mehrerer Oberzentren und einer Vielzahl von Mittelzentren
unmittelbar aneinander grenzen und die Bürger die dort jeweils gegebenen
zentralörtlichen Einrichtungen und Angebote wegen der geringen räumlichen
108
Entfernungen sowie der vorhandenen guten Infrastruktur weitgehend unabhängig von
der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinde und ihrem gedachten
Versorgungsbereich nutzen. Auch lässt sich das CentrO selbst nicht in das
landesplanerisch vorgegebene zentralörtliche Gliederungssystem, das der
Antragsgegnerin den Status eines Mittelzentrums zuweist, einbinden. Bereits in seinem
derzeitigen Bestand weist es eine Struktur auf, die den Rahmen eines herkömmlichen
Mittelzentrums zumindest bezüglich der Einzelhandelsstruktur sprengt. Diese Struktur ist
auf das Gesamtkonzept der Neuen Mitte P. zurückzuführen, welches von Anfang an
darauf angelegt war, aus der ehemaligen Industriestadt P. ein postindustrielles
touristisches Ziel sowie einen neuartigen Handels- und Dienstleistungsstandort zu
schaffen. In diesem Sinne steht das CentrO stellvertretend für den Strukturwandel in P. ,
den die Landesregierung NRW zur Schaffung neuer Arbeitsplätze mit hohem
öffentlichen Mitteleinsatz gefördert hat. Das CentrO unterscheidet sich von
herkömmlichen Einzelhandelsprojekten im Ruhrgebiet, weil es nicht nur
Einkaufsmöglichkeiten bietet, sondern zusätzlich mit begleitenden Freizeit-, Kultur-,
Gastronomie- sowie Unterhaltungsangeboten ausgestattet und in diesem Umfeld auf
überregionale Ausstrahlung angelegt ist.
b) Ziele der Raumordnung, die der 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 275 A
entgegenstehen, ergeben sich ferner - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - nicht
aus dem Plansatz B I.2.2 des Landesentwicklungsplans (LEP 1995). Danach soll die
siedlungsräumliche Schwerpunktbildung von Wohnungen und Arbeitsstätten in
Verbindung mit zentralörtlichen Einrichtungen im Sinne des § 7 LEPro NRW auf der
Grundlage der zentralörtlichen Gliederung angestrebt und innergemeindlich auf
Siedlungsschwerpunkte gemäß § 6 LEPro NRW ausgerichtet werden. Der Plansatz
weist als Soll-Vorschrift - wie § 24 Abs. 3 LEPro NRW - eine Regel-Ausnahme- Struktur
auf. Eine verbindliche Vorgabe im Sinne eines Ziels der Raumordnung enthält der
Plansatz danach nicht, weil er den an ein solches Ziel zu stellenden Anforderungen des
Bestimmtheitsgebots nicht gerecht wird. Unklar ist bereits, was mit "zentralörtlichen
Einrichtungen" im Sinne von § 7 LEPro NRW gemeint ist. Insbesondere vermag der
Senat nicht zu erkennen, ob auch Kerngebiete, die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 in
Verbindung mit Abs. 2 und § 7 BauNVO im Bebauungsplan als Baugebiet festgesetzt
werden können und von ihrer gesetzlich vorgegebenen Struktur her auch die
Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben jeglicher Größenordnung zu einem
Einkaufszentrum er-möglichen, als "zentralörtliche Einrichtungen" entsprechend § 7
LEPro NRW zu verstehen sind. Darüber hinaus enthält der Plansatz keinerlei
Anhaltspunkte dafür, welches die Voraussetzungen für eine Ausnahme von einer
strikten Anwendung sein sollen.
109
Selbst wenn es sich im Übrigen bei Plansatz B I.2.2 um ein Ziel handeln sollte, läge hier
- wie oben beschrieben (Ziffer 3 a) - ein atypischer Fall vor.
110
c) Schließlich stehen auch auf der Ebene der Regionalplanung keine Ziele der
Raumordnung entgegen.
111
aa) Solche ergeben sich nicht aus den im Gebietsentwicklungsplan vom 25. Januar
1993 (35. Änderung) enthaltenen Planaussagen, wonach das Plangebiet in einem
"Wohnsiedlungsbereich" liegt. Soweit die 35. Änderung des Gebietsentwicklungsplans
mit einer "Maßgabe" genehmigt worden ist, bezieht sich der Inhalt dieser Maßgabe
ausdrücklich nicht auf die Darstellungen des Gebietsentwicklungsplans. Es handelte
sich vielmehr um eine Vorgabe an den damaligen Regierungspräsidenten E2. in seiner
112
Eigenschaft als Bezirksplanungsbehörde, "bei der landesplanerischen Anpassung der
Bauleitpläne der Stadt P. " die im Beschluss des Bezirksplanungsrats vom 15. Oktober
1992 unter Tz. II a und b aufgeführten Begrenzungen öffentlich-rechtlich abzusichern
(70.000 m² Verkaufsfläche im Zentrumsbereich) und im Übrigen die
Verkaufsflächenerweiterungen auf eine Obergrenze von insgesamt rund 76.000 m² zu
begrenzen. Die Festschreibung einer Verkaufsflächenbegrenzung im
Gebietsentwicklungsplan selbst hat die Bezirksplanungsbehörde ausdrücklich
abgelehnt. Sie hielt diese Festlegungen zum einen nicht für erforderlich, da die
Einhaltung der Vorgaben bei der landesplanerischen Anpassung der Bauleitpläne für
die Neue Mitte überprüft werden sollten und ging zum anderen davon aus, dass solche
Festlegungen der Systematik des Gebietsentwicklungsplans widersprechen würden,
weil dieser für die einzelnen Wohnsiedlungsbereiche die Verkaufsflächen für
Einkaufszentren nicht festlege und eine einzelfallbezogene Regelung zur Festlegung
von Verkaufsflächen der "Entfeinerung" der Gebietsentwicklungspläne zuwiderlaufen
würde.
Der GEP in der Form der 35. Änderung und die im Zusammenhang mit seiner
Genehmigung erteilte "Maßgabe" sind für die Wirksamkeit der 3. Änderung des
Bebauungsplans Nr. 275 A auch nicht mittelbar insoweit von Bedeutung, als ein Verstoß
gegen die "Maßgabe" bei der landesplanerischen Anpassung des
Ursprungsbebauungsplans zu dessen Unwirksamkeit und damit auch zur
Unwirksamkeit der nachfolgenden 3. Änderung geführt hätte. Vielmehr ist im Rahmen
des im Hinblick auf den Ursprungsbebauungsplan durchgeführten
Anpassungsverfahrens nach § 20 LPlG NRW der "Maßgabe" Rechnung getragen und
die Begrenzung der Verkaufsfläche - wie gefordert - durch Eintragung einer Baulast
öffentlich-rechtlich abgesichert worden. Dass sich diese Absicherung letztlich als
untaugliches Instrument erwiesen hat, um den Vorstellungen des Bezirksplanungsrates
im Zusammenhang mit der 35. Änderung des GEP dauerhaft Geltung zu verschaffen,
macht den Ursprungsbebauungsplan nicht fehlerhaft.
113
Die auf der Grundlage des § 20 LPlG NRW erfolgte landesplanerische Stellungnahme,
stellt selbst kein Ziel der Raumordnung dar. Die landesplanerische Stellungnahme
schließt lediglich das Zielanpassungsverfahren ab, trifft aber keine verbindliche
Aussage über die Genehmigungsfähigkeit eines Bauleitplans. Sie ist als schlicht
hoheitliches Handeln einzuordnen und nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Der
feststellende Gehalt einer negativen Stellungnahme erschöpft sich in einer Aussage
über das Planungsrisiko, das bei einem Festhalten der planenden Gemeinde an den
beabsichtigten Festsetzungen beziehungsweise Darstellungen besteht. Insoweit hat die
landesplanerische Stellungnahme Hinweis- und Warncharakter. Wie die negative
Stellungnahme das Risiko, dass die Genehmigungsbehörde eine Genehmigung des
Flächennutzungsplans nicht erteilt, vergrößert, verringert die positive Stellungnahme
das Risiko.
114
Vgl. König/Zekl, Rechtsqualität und gerichtliche Überprüfbarkeit der landesplanerischen
Stellungnahme nach § 20 LPlG NW, NWVBl 1999, 334.
115
Schließlich ist der Gebietsentwicklungsplan in Gestalt der 35. Änderung durch den
Gebietsentwicklungsplan für den Regierungsbezirk E2. in der Fassung der
Bekanntmachung vom 15. Dezember 1999 (nachfolgend: GEP 99), ersetzt worden (§ 16
Abs. 3 Satz 1 LPlG NRW, § 22 Abs. 1 LPlG NRW n.F.) mit der Folge, dass die
Planaussagen des vormaligen Plans sowohl tatsächlich als auch rechtlich nicht mehr
116
maßgeblich sind. Der GEP 99 enthält weder im Plan selbst noch in Gestalt von
Nebenbestimmungen Regelungen zur Verkaufsflächenbegrenzung des CentrO.
bb) Der GEP 99 enthält im Übrigen - auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich
erfolgten Änderungen - kein Ziel der Raumordnung, das der hier streitigen 3. Änderung
des Bebauungsplans Nr. 275 A entgegensteht. Einschlägig sind hier die in Kapitel 1.2
unter Ziel 4 (Sätze 1 - 3) formulierten Vorgaben. Diese haben folgenden Wortlaut: (1)
Gebiete für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige
Handelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO dürfen nur in Allgemeinen
Siedlungsbereichen geplant werden. (2) Ein Vorhaben entspricht der zentralörtlichen
Versorgungsfunktion, wenn die Kaufkraftbindung der zu erwartenden Nutzung den
Versorgungsbereich des Standorts nicht wesentlich überschreitet. (3) Einkaufszentren
und großflächige Einzelhandelsbetriebe, insbesondere mit zentrenrelevanten
Sortimenten, sind dem bauleitplanerisch dargestellten Siedlungsschwerpunkten
räumlich und funktional zuzuordnen.
117
Während die Vorgaben in den Sätzen 1 und 3 Ziele der Raumordnung beinhalten, stellt
Satz 2 keine bindende Planungsvorgabe und folglich kein Ziel der Raumordnung dar.
118
(1) Satz 1 entspricht den Anforderungen an ein raumordnerisches Ziel. Wo sich die
angesprochenen allgemeinen Siedlungsbereiche befinden, ist durch zeichnerische
Darstellung festgelegt. An der Eindeutigkeit und Bestimmtheit dieser Aussage ist nicht
zu zweifeln. Ob die Planungsvorgabe allerdings auch die Planung von Kerngebieten
einschränkt, in denen - wie hier - umfangreiche Geschossflächen für Einzelhandel
vorgesehen sind, ist fraglich, denn die Rede ist - was die Planung von Baugebieten
angeht - nur von "Gebieten für Einkaufszentren". Dieser Begriff kommt in der
Baunutzungsverordnung nur als denkbare Zweckbestimmung für ein Sondergebiet gem.
§ 11 Abs. 1 BauNVO vor. In jedem Fall steht der streitigen Bebauungsplanänderung die
Zielbestimmung nicht entgegen. Der Änderungsbereich liegt in einem durch die
zeichnerischen Festsetzungen des GEP 99 festgelegten Allgemeinen
Siedlungsbereich.
119
(2) Satz 2 beinhaltet letztlich eine Konkretisierung des § 24 Abs. 3 LEPro NRW. Als
eigenständiges Ziel scheidet die Planaussage von vornherein aus, weil sie in Form
einer Begriffsbestimmung oder Erläuterung gefasst ist und keine Vorgabe darstellt an
der sich der Planadressat - das heißt der nachgeordnete Planungsträger - im Hinblick
auf ein bestimmtes Ergebnis orientieren kann. Insbesondere enthält der Satz 2 keine
Handlungsanweisung im Sinne eines Ge- oder Verbotes. Sofern man § 24 Abs. 3 LEPro
NRW, dessen Konkretisierung der Satz 2 offenkundig dient, in den Satz hineinlesen
wollte, würde dieser gleichwohl nicht zum Ziel erstarken. Die Regel-Ausnahme-Struktur
des § 24 Abs. 3 LEPro NRW würde durch das "Hineinlesen" nicht verändert. Die
Konkretisierung durch Satz 2 beträfe aber nur den Regelfall des § 24 Abs. 3 LEPro
NRW, ohne dass - wie oben ausgeführt - der Ausnahmefall bestimmbar wäre.
120
Eine verbindliche Vorgabe im Sinne eines Ziels der Raumordnung wird mit Satz 2
schließlich auch deswegen nicht formuliert, weil sein Inhalt nicht ausreichend bestimmt
ist. Unklar bleibt nicht nur, was genau der Versorgungsbereich für ein Mittelzentrum ist,
der nach § 22 Abs. 2 Satz 2 LEPro NRW als Nah- und Mittelbereich um jedes Mittel- und
Oberzentrum zur Deckung der Grundversorgung und des gehobenen Bedarfs
beschrieben wird. Unklar bleibt ebenso, ab wann die Kaufkraftbindung der zu
erwartenden Nutzung den Versorgungsbereich des Standorts wesentlich überschreitet.
121
Ungeklärt bleibt ferner, ob es auf die vorhandene Kaufkraft innerhalb des
Versorgungsbereichs insgesamt ankommt, oder nur auf die vermutete Kaufkraft für
bestimmte Sortimente oder Sortimentsgruppen und ob insoweit auf das Vorhaben
isoliert oder auf den gesamten Einzelhandel in der Gemeinde abzustellen ist. Der
Wortlaut von Satz 2 gibt für die Auslegung nichts her. Die nachfolgende Erläuterung ist
nicht eindeutig. Sie stellt zunächst darauf ab, dass von dem geplanten
Einzelhandelsvorhaben keine Auswirkungen ausgehen dürfen, die zu einem für die
Nachbargemeinden schädigenden Kaufkraft- und Umsatzabfluss führen. Auf der
anderen Seite erschließt sich aus dem nachfolgend beschriebenen landesplanerischen
Verfahren, dass es auf die Frage schädlicher Auswirkungen nur dann ankommen soll,
wenn für die von dem Vorhaben ausgehende Kaufkraftbindung im Versorgungsbereich
die notwendige Kaufkraft nicht vorhanden ist bzw. wenn sich Zweifel im Hinblick auf das
Vorhandensein der notwendigen Kaufkraft ergeben. In einer für das Verständnis von
Satz 2 abgegebenen schriftlichen Stellungnahme des Ministeriums für Umwelt,
Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein- Westfalen (MURL-Referat VI
A 6) vom 23. Mai 1997 heißt es:
"Durch diesen Zusatz soll auch im Hinblick auf die spätere Erläuterung deutlich
gemacht werden, dass sich die Orientierung an der zentralörtlichen Gliederung in erster
Linie nicht danach richtet, ob konkret durch Gutachten nachgewiesen wird, dass in
benachbarten Städten keine konkrete Beeinträchtigung zu erwarten ist, sondern
zunächst allein darauf abgestellt wird, ob für das geplante Vorhaben in dem
Versorgungsbereich die notwendige Kaufkraft vorhanden ist. Ist dies der Fall, ist für die
landesplanerische Beurteilung nicht von Bedeutung, welche Auswirkungen dies konkret
auf die Nachbargemeinden hat. Diese sind hinzunehmen."
122
Danach käme es entgegen der anderslautenden Bekundungen der Antragstellerin für
die Frage der Kaufkraftbindung nicht auf die tatsächlichen Kaufkraftbindungsquoten an -
wozu sich etwa das Regionale Einzelhandelskonzept für das Westliche Ruhrgebiet und
E2. verhält -, sondern allein darauf, ob in der Ansiedlungskommune das
Kaufkraftpotential abstrakt vorhanden ist. Mit den Mitteln der Landesplanung soll danach
(nur) verhindert werden, dass der Ansiedlungsstandort hinsichtlich der dort vorhandenen
Kaufkraft zu dem geplanten Einzelhandelsvorhaben in einem deutlichen Missverhältnis
steht. Ob die Umsätze nach Umsetzung des Vorhabens tatsächlich aus der
Ansiedlungskommune erwirtschaftet werden oder aus Nachbarkommunen zufließen, ist
für die landesplanerische Steuerung irrelevant, zumal es sich bei den zu erwartenden
Kaufkraftabflüssen nicht um objektiv bestimmbare Größen, sondern um allenfalls
prognostische und nicht kalkulierbare Entwicklungen des freien Markts handelt.
123
Die mit der 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 275 A geplante Erweiterung des
Einkaufszentrums CentrO stünde danach auch nicht in einem deutlichen Missverhältnis
zu der im Versorgungsbereich von P. potenziell vorhandenen einzelhandelsrelevanten
Kaufkraft, wenn man diesen Versorgungsbereich auf das Stadtgebiet beschränken
würde. Nach dem im Planaufstellungsverfahren vorgelegten Gutachten der Gesellschaft
für Markt- und Absatzforschung mbH (GMA) vom März 2004 - zur Plausibilität und
Verwertbarkeit des Gutachtens der GMA wird auf die nachfolgenden Ausführungen zu
Ziffer 6.) verwiesen - ist für das Stadtgebiet P. unter Zugrundelegung einer aktuellen
Einwohnerzahl von über 220.000 und einer geschätzten - zwischen den
Verfahrensbeteiligten nicht streitigen und statistisch belegten - einzelhandelsrelevanten
Kaufkraft pro Kopf von 5.010 Euro (davon 65 % im Bereich Non-Food = 3.256,50 Euro)
von einem "abstrakten" Kaufkraftpotenzial in Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro (davon
124
65 % im Bereich Non-Food-Bereich = etwa 716 Millionen Euro) auszugehen.
Stellt man - dem Gutachten folgend - diesem Betrag eine Umsatzleistung des
bestehenden CentrO in Höhe von insgesamt 305 Millionen Euro (abzüglich des
Bereichs Nahrungs- und Genussmittel in Höhe von 5 Millionen Euro verbleiben 300
Millionen Euro), einen prognostizierten Umsatz der baurechtlich genehmigten
Erweiterung des CentrO von 43 Millionen Euro sowie einen zusätzlichen Umsatz für die
mit der Planänderung angestrebte Erweiterung von 106,7 Millionen Euro (abzüglich des
Bereichs Nahrungs- und Genussmittel in Höhe von 4,6 Millionen Euro verbleiben 102,1
Millionen Euro) gegenüber und berücksichtigt im Hinblick auf den außerhalb des CentrO
in P. vorhandenen Einzelhandelsbestand einen Umsatz in Höhe von 351,1 Millionen
Euro (abzüglich des Bereichs Nahrung- und Genussmittel in Höhe von 94,3 Millionen
Euro verbleiben 256,8 Millionen Euro), das heißt einen Gesamtumsatz im Non-Food-
Bereich von rund 700 Millionen Euro, bestehen keine Zweifel, dass die notwendige
Kaufkraft im Mittelzentrum P. abstrakt vorhanden ist.
125
Gegen den Zielcharakter des Satzes 2 spricht ferner, dass insoweit keine
abschließende Abwägung stattgefunden hat.
126
Aus § 3 Nr. 2 ROG folgt, dass Ziele der Raumordnung einen Abwägungsprozess
durchlaufen haben. In ihnen spiegelt sich eine Abwägung zwischen den durch die
Grundsätze der Raumordnung verkörperten unterschiedlichen raumordnerischen
Belangen wider. Sie sind anders als die Grundsätze nicht bloß Maßstab, sondern als
räumliche und sachliche Konkretisierung der Entwicklung des Planungsraumes das
Ergebnis landesplanerischer Abwägung.
127
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1992 - 4 NB 20.91 -, BRS 54 Nr. 12.
128
Fehlt es an der abschließenden Abwägung einer Planaussage, ist diese Planaussage
kein Ziel der Raumordnung. Von einer abschließenden Abwägung auf der Ebene der
Regionalplanung kann dann nicht ausgegangen werden, wenn im Abwägungsprozess
die raumbedeutsamen Gegebenheiten, die im konkreten Fall auch bestimmte
Grundsätze der Raumordnung zu relativieren vermögen, nicht hinreichend gewürdigt
worden sind. Die Beurteilung der Frage, ob ein Einkaufszentrum oder ein großflächiges
Einzelhandelsvorhaben der zentralörtlichen Versorgungsfunktion entspricht, das heißt
ob die Kaufkraftbindung der zu erwartenden Nutzung den Versorgungsbereich des
Standorts wesentlich überschreitet, hätte hier auf der Ebene der Regionalplanung einer
konkreten Ermittlung und Berücksichtigung örtlicher Besonderheiten bedurft. Soweit in
Satz 2 auf die "zentralörtliche Gliederung" und auf den "Versorgungsbereich" abgestellt
wird, handelt es sich um die bereits in § 22 Abs. 2 LEPro NRW benannten abstrakten
Begriffe. Ausweislich des einschlägigen Abwägungsmaterials fehlt es jedoch an
jeglicher Auseinandersetzung dazu, ob die Beschreibung des Versorgungsbereichs in §
22 Abs. 2 LEPro NRW auf zentrale Orte in einem Ballungsraum übertragbar ist und
wenn nein, wo genau der Versorgungsbereich für einen zentralen Ort innerhalb eines
Ballungsraumes liegt. Im Hinblick auf das dicht besiedelte und durch eine Vielzahl von
Grund-, Mittel- und Oberzentren eng verflochtene westliche Ruhrgebiet sowie im
Hinblick auf die in diesem Bereich bereits vorhandenen raumbedeutsamen
Einkaufszentren (z.B. CentrO in P. , Rhein-Ruhr-Zentrum in N1. an der Ruhr und
Ruhrpark in C1. ), hätte sich eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen geradezu
aufgedrängt.
129
(3) Das in Satz 3 formulierte Integrationsgebot steht - ungeachtet der Frage, ob das
Integrationsgebot auch die Festsetzung von Kerngebieten erfasst - der 3. Änderung des
Bebauungsplans Nr. 275 A ebenfalls nicht entgegen. Das Gebiet der Neuen Mitte und
deren von der Planänderung erfasster Kernbereich sind dem Siedlungsschwerpunkt Alt-
P. zugeordnet.
130
Siedlungsschwerpunkte sind gem. § 6 Satz 1 LEPro NRW solche Standorte, die sich für
ein räumlich gebündeltes Angebot von öffentlichen und privaten Einrichtungen der
Versorgung, der Bildung und Kultur, der sozialen und medizinischen Betreuung, des
Sports und der Freizeitgestaltung eignen. Allein aus der Zielbestimmung in Satz 3 ergibt
sich danach weder, wo die Siedlungsschwerpunkte in der Gemeinde liegen, noch wie
die Grenze des jeweiligen Siedlungsschwerpunkts zu ziehen ist und unter welchen
Umständen eine räumliche Zuordnung besteht. Die Landesplanung legt nicht fest, wo
die einzelnen Gemeinden ihre Siedlungsschwerpunkte haben. Sie setzt voraus, dass
die Gemeinden diese als Ausfluss ihrer Planungshoheit selbst bestimmen. Die
Antragsgegnerin hat in ihrem Stadtgebiet im Flächennutzungsplan insgesamt vier
Siedlungsschwerpunkte dargestellt. Neben Alt-P. , T. (Mitte) und P2. (Mitte) tritt als
Nebenzentrum mit wesentlichen Versorgungsfunktionen für das nördliche Stadtgebiet
der Siedlungsschwerpunkt T1. . Die räumliche Begrenzung der jeweiligen
Siedlungsschwerpunkte ist weder zeichnerisch gekennzeichnet noch im Textteil oder im
Erläuterungsbericht detailliert beschrieben. Der Erläuterungsbericht enthält lediglich
Anhaltspunkte zu den Abgrenzungsmerkmalen der Siedlungsschwerpunkte. Der
Siedlungsschwerpunkt Alt-P. wird danach als Zentrum der Gesamtstadt beschrieben. Er
liegt im südlichen Stadtgebiet von P. und setzt sich seinerseits aus verschiedenen
Stadtteilen bzw. Stadtvierteln zusammen. Zum Zeitpunkt der Erstellung des
Erläuterungsberichts endete der Stadtteil an der sich nördlich im Bereich der Emscher
und des Rhein-Herne-Kanals anschließenden Industriezone. Mit Aufgabe der
industriellen Nutzung und mit Errichtung der Neuen Mitte auf dem ehemaligen
Industriegelände des U. -Konzerns hat sich der Siedlungsschwerpunkt Alt-P. erweitert.
Da die Neue Mitte nicht als eigener Stadtteil angesehen wird, ist sie unter
Berücksichtigung der durch die Emscher und den Rhein-Herne-Kanal gebildeten
topografischen Grenzen im Norden dem südlichen Stadtgebiet und damit dem Stadtteil
Alt-P. zuzuordnen. Diese Sichtweise entspricht dem vom Rat der Antragsgegnerin in
Anbetracht der Weiterentwicklung des Stadtgebiets verfolgten Zentrenmodell. Die Neue
Mitte wird danach als Teil von Alt-P. betrachtet. Spricht danach alles dafür, dass der
Siedlungsschwerpunkt Alt-P. das Gebiet der Neuen Mitte als Randzone mit einbezieht,
ist das Integrationsgebot aus Satz 3 hinreichend beachtet. Nichts anderes gilt im
Ergebnis, wenn man wegen der Randlage des Standorts annimmt, dieser liege
außerhalb des Siedlungsschwerpunkts. Die Formulierung des Planungsziels zeigt, dass
Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe nicht nur innerhalb von
Siedlungsschwerpunkten ermöglicht werden sollen. Die planungsrechtliche Vorgabe im
GEP 99 lässt vielmehr erkennen, dass bereits die Ausrichtung auf einen
Siedlungsschwerpunkt für eine räumlich und funktionale Zuordnung des Standorts
ausreicht. Daran, dass das Einkaufszentrum im Bereich der Neuen Mitte aufgrund seiner
Lage und der nach Norden bestehenden topografischen Grenzen jedenfalls auf den
Stadtteil Alt-P. ausgerichtet ist, bestehen keine Zweifel.
131
4. Die streitige Planänderung verstößt auch nicht gegen das Gebot, den Bebauungsplan
aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln (§ 8 Abs. 2 S. 1 BauGB). Sinn und Zweck
der Bindung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB besteht darin, dass die integrierende und
koordinierende raumbezogene Planung für das gesamte Gemeindegebiet, wie sie in
132
dem Flächennutzungsplan ihren Niederschlag findet, in den Grundzügen für die weitere
Vollzugsstufe der Planung, d.h. ihre rechtsverbindliche Umsetzung, erhalten bleibt. Der
Flächennutzungsplan stellt als Rahmenplan die Bodennutzung im Gemeindegebiet nur
in den Grundzügen dar. Maßgeblich für die Frage der Einhaltung des
Entwicklungsgebots sind die Darstellungen im Flächennutzungsplan.
Der Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin, hier in Gestalt der 61. Änderung, stellt
die Fläche des Planänderungsbereichs als Kerngebiet dar. Dem entsprechen die
Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 275 A auch nach der 3. Änderung.
133
Sonstige, das Kerngebiet einschränkende Darstellungen, enthält der
Flächennutzungsplan nicht. Auch aus der Genehmigung des damaligen
Regierungspräsidenten vom 15. Juni 1993 ergeben sich keine derartigen
Einschränkungen. Zwar kann die Genehmigung des Flächennutzungsplans
grundsätzlich auch mit Auflagen und anderen Nebenbestimmungen erteilt werden,
134
vgl. Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl. 2005, § 6 Rn 13 ff,
135
doch ist hier die Genehmigung der 61. Änderung des Flächennutzungsplans
vorbehaltlos und ohne Beifügung von Nebenbestimmungen erfolgt. Die Genehmigung
ist bestandskräftig geworden.
136
Eine rechtswirksame Einschränkung dieser Genehmigung oder der Darstellung
"Kerngebiet" im Flächennutzungsplan ergibt sich auch nicht aus dem Begleitschreiben
der Genehmigungsbehörde vom 15. Juni 1993, in dem diese darum bittet, die Berichte
der Antragsgegnerin vom 23. Februar 1993 und 16. März 1993 als Anlagen dem
Erläuterungsbericht beizufügen. Bei dem Bericht vom 23. Februar 1993 handelt es sich
um ein Schreiben der Antragsgegnerin, mit dem diese dem damaligen
Regierungspräsidenten mitgeteilt hat, dass die anlässlich der Genehmigung der 35.
Änderung des GEP geforderten Rahmenbedingungen und Auflagen erfüllt worden sind
und hierzu auf einen in der Anlage beigefügten Bericht verwies. Der Bericht vom 16.
März 1993 verhält sich zu der oben unter Ziffer 1. bereits behandelten
Verpflichtungserklärung der Antragsgegnerin, die Baulast, die zur Begrenzung der
Verkaufsfläche auf 70.000 m² im geplanten Einkaufszentrum in das Baulastverzeichnis
der Antragsgegnerin eingetragen worden war, nur im Einvernehmen mit den
Nachbarstädten zu löschen.
137
Die im Rahmen des Entwicklungsgebots beachtlichen Vorgaben müssen sich
unmittelbar aus den Darstellungen des Flächennutzungsplans ergeben. Der
Erläuterungsbericht dient nur der Begründung der Darstellung, mit der die wesentlichen
Elemente und Aussagen des Flächennutzungsplans, seine Ziele und ihre Grundlagen
verständlich und nachvollziehbar darzulegen sind.
138
Vgl. Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl. 2005, § 5 Rn 9 ff.
139
Der Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin ist anlässlich
der Genehmigung der 61. Änderung nicht geändert worden. Er enthält weder Angaben
zur Darstellung des hier streitigen Kerngebietes noch damit im Zusammenhang
stehenden Einschränkungen. Die dem Erläuterungsbericht nach Aufforderung durch die
Genehmigungsbehörde beigefügten Anlagen dokumentieren bestimmte Abläufe im
Änderungs- und Genehmigungsverfahren, bewirken aber keine Veränderungen des
140
Planinhalts. Eine Divergenz zwischen Darstellung und Erläuterungsbericht, wie sie der
Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen in den Parallelverfahren 10 D 148/04.
NE und 10 D 153/04.NE bis 10 D 155/04.NE in Bezug auf die im Rahmen der 61.
Änderung erfolgte Kerngebietsdarstellung behauptet, vermag der Senat angesichts der
vorstehenden Ausführungen, wonach weder der Flächennutzungsplan noch der
Erläuterungsbericht Aussagen zur Begrenzung der Verkaufsfläche enthalten, nicht zu
erkennen. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Genehmigung der 61. Änderung des
Flächennutzungsplans gem. § 44 VwVfG NRW, die möglicherweise zur Unwirksamkeit
der Flächennutzungsplanänderung und damit zur Unwirksamkeit des
Ursprungsbebauungsplans sowie der darauf aufbauenden 3. Änderung führen könnte,
sind ebenfalls nicht gegeben. Das gilt auch, soweit die Antragstellerin behauptet, die
Genehmigungsbehörde sei bei Erteilung der Genehmigung davon ausgegangen, dass
die dem Erläuterungsbericht beizufügenden Anlagen als Einschränkung der Darstellung
"Kerngebiet" aufzufassen seien. Sollte die Genehmigungsbehörde tatsächlich eine
Rechtsverbindlichkeit der dem Erläuterungsbericht beizufügenden Anlagen im Sinne
einer Nebenbestimmung angenommen haben, die die Darstellung "Kerngebiet"
hinsichtlich der dort zulässigen Einzelhandelsverkaufsflächen einschränkt, ist diese
Annnahme allenfalls als Mangel in der Willensbildung zu bewerten. Ein derartiger
Mangel stellt weder einen offenkundigen, schwerwiegenden Fehler im Sinne von § 44
Abs. 1 VwVfG NRW dar noch liegt insoweit ein besonderer Nichtigkeitsgrund gem. § 44
Abs. 2 VwVfG NRW vor.
Vgl. Kopp/Schenke, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 44 Rn 19 m.w.N.
141
Einschränkungen der Darstellung "Kerngebiet" ergeben sich schließlich auch nicht aus
dem im Zusammenhang mit der Aufstellung des Ursprungsbebauungsplans und der 61.
Änderung des Flächennutzungsplans durchgeführten Zielanpassungsverfahren gem. §
20 LPlG NRW. Ob die dabei mit Schreiben vom 21. Januar 1993 abgegebene
landesplanerische Stellungnahme des Bezirksplanungsrats nur deswegen positiv
ausgefallen ist, weil die geforderte Verkaufsflächenbegrenzung öffentlich-rechtlich
abgesichert worden war, kann offen bleiben. Die landesplanerische Stellungnahme
schließt lediglich - wie bereits unter Ziffer 3 a, aa) ausgeführt - das
Zielanpassungsverfahren ab, trifft aber keine verbindlichen Aussagen über die
Genehmigungsfähigkeit eines Bauleitplans.
142
5. Die Festsetzungen des Bebauungsplans sind hinreichend bestimmt und von
einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen getragen.
143
6. Die angegriffene Planänderung verstößt auch nicht gegen das in § 2 Abs. 2 BauGB
verankerte interkommunale Abstimmungsgebot.
144
Das Gebot des § 2 Abs. 2 BauGB / § 2 Abs. 2 S. 1 BauGB n.F., die Bauleitpläne
benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen, steht in engem sachlichen
Zusammenhang mit § 1 Abs. 6 BauGB / § 1 Abs. 7 BauGB n.F. Das interkommunale
Abstimmungsgebot stellt sich als eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots
dar.
145
Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. August 2002 - 4 C 5.01 -, BVerwGE 117 - 25 = BRS 65 Nr.
10 = ZfBR 2003, 38 (FOC - Zweibrücken).
146
Befinden sich benachbarte Gemeinden objektiv in einer Konkurrenzsituation, so darf
147
keine von ihrer Planungshoheit rücksichtslos zum Nachteil der anderen Ge- brauch
machen. Der Gesetzgeber bringt dies in § 2 Abs. 2 BauGB unmissverständlich zum
Ausdruck. Diese Bestimmung verleiht dem Interesse der Nachbargemeinde, vor
Nachteilen bewahrt zu werden, besonderes Gewicht. Das Gebot, die Bauleitpläne
benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen, ist als gesetzliche Ausformung des
in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts zu
verstehen. § 2 Abs. 2 BauGB liegt die Vorstellung zugrunde, dass benachbarte
Gemeinden sich mit ihrer Planungsbefugnis im Verhältnis der Gleichordnung
gegenüberstehen. Die Vorschrift verlangt einen Interessenausgleich zwischen diesen
Gemeinden und fordert dazu eine Koordination der gemeindlichen Belange. Die
Nachbargemeinde kann sich unabhängig davon, welche planerischen Absichten sie für
ihr Gebiet verfolgt oder bereits umgesetzt hat, gegen unmittelbare Auswirkungen
gewichtiger Art auf dem benachbarten Gemeindegebiet zur Wehr setzen. Rein
wettbewerbliche bzw. wirtschaftliche Auswirkungen reichen hierfür allerdings nicht aus.
Das interkommunale Abstimmungsgebot schützt nicht den in der Nachbargemeinde
vorhandenen Einzelhandel vor Konkurrenz, sondern nur die Nachbargemeinde als
Selbstverwaltungskörperschaft und Trägerin eigener Planungshoheit. Die befürchteten
Auswirkungen müssen sich folglich auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung in
der Nachbargemeinde beziehen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. August 2002 - 4 C 5.01 -, a.a.O. unter Bezugnahme auf
BVerwG, Urteile vom 8. September 1972 - 4 C 17.71 -, BVerwGE 40, 323 und vom 15.
Dezember 1989 - 4 C 36.86 -, BVerwGE 84, 209 = BRS 50 Nr. 193 sowie Beschlüsse
vom 9. Mai 1994 - 4 NB 18.94 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 89 und vom 9. Januar
1995 - 4 NB 42.94 -, Buchholz 406.11 § 2 BauGB Nr. 37 = BRS 57 Nr. 5.
148
Städtebauliche Konsequenzen einer Planung zeigen sich etwa dann, wenn eine
Schädigung des Einzelhandels in der Nachbargemeinde die verbrauchernahe
Versorgung der dortigen Bevölkerung in Frage stellt oder die Zentrenstruktur der
Nachbargemeinde nachteilig verändert. Im Zusammenhang mit der Planung von
Einzelhandelsprojekten kann insoweit der Abfluss bislang in der Nachbargemeinde
absorbierter Kaufkraft einen wesentlichen Indikator darstellen. Der Kaufkraftabfluss ist
typischerweise die Kerngröße, anhand derer die Intensität der Belastung der
Nachbarkommunen ermittelt werden kann. Allerdings handelt es sich bei dem Kriterium
"Kaufkraftabfluss" zunächst um eine wirtschaftliche Bezugsgröße, deren städtebauliche
Bedeutung sich erst bei Überschreiten der städtebaulichen Relevanzschwelle ergibt.
Nichts anderes gilt für den Umstand, dass sich das wirtschaftliche Umfeld des
Einzelhandels in der Nachbargemeinde verändert und sich dessen Konkurrenzsituation
verschlechtert. Überschritten ist die städtebauliche Relevanzschwelle erst dann, wenn
ein Umschlag von rein wirtschaftlichen zu städtebaulichen Auswirkungen stattzufinden
droht.
149
Vgl. grundsätzlich: BVerwG, Urteile vom 1. Au- gust 2002 - 4 C 5.01 -, a.a.O. und vom 8.
Sep- tember 1972 - IV C 17.71 -, BVerwGE 40, 323 = DÖV 1973, 200 sowie ferner:
Thüringer Oberver- waltungsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2004 - 1 N 1096/03 -,
juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Juli 2000 - 8 S 2437/99 -, ZfBR 2001, 287;
OVG NRW, Urteil vom 5. September 1997 - 7 A 2902/93 -, BRS 59 Nr. 70; Moench/
Sander, Die Planung und Zulassung von Factory Outlet Centern, NVwZ 1999, 337;
Otting, Factory Outlet Center und interkommunales Abstimmungsgebot, DVBl 1999, 595.
150
Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen bestehen im vorliegenden Fall
151
keine Anhaltspunkte für derartige unzumutbare Auswirkungen. Dies gilt zunächst
bezüglich des von den Nachbarstädten N1. , F1. , C. , H1. , H2. , E1. und E. geltend
gemachten Kaufkraftabflusses.
Ob die durch die Planänderung ermöglichte Erweiterung des Einkaufszentrums CentrO
für die Nachbarstädte im Zusammenhang mit einem möglichen Kaufkraftabfluss mit
unzumutbaren Auswirkungen verbunden ist, hat die Antragsgegnerin auf der Grundlage
eines von der GMA im März 2004 erstellten Gutachtens (vgl. ferner nachfolgende
Stellungnahmen der GMA vom 17. Mai 2004, 23. Juni 2004 und 25. August 2004)
beurteilt. Im Rahmen einer solchen Untersuchung lassen sich die Auswirkungen
naturgemäß nicht exakt vorherbestimmen und qualifizieren. Das Gutachten stellt
lediglich eine Prognose dar.
152
Eine Prognose hat das Gericht nur darauf zu prüfen, ob diese mit den im maßgebenden
Zeitpunkt verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen
Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist. Das Gericht überprüft insoweit die Wahl
einer geeigneten fachspezifischen Methode, die zutreffende Ermittlung des der
Prognose zugrunde liegenden Sachverhalts und ob das Ergebnis einleuchtend
begründet worden ist. Ferner ist zu fragen, ob die mit jeder Prognose verbundene
Ungewissheit künftiger Entwicklungen in einem angemessenen Verhältnis zu den
Eingriffen steht, die mit ihr gerechtfertigt werden sollen. Es ist hingegen nicht Aufgabe
des Gerichts, das Ergebnis einer auf diese Weise sachgerecht erarbeiteten Prognose
als solches darauf zu überprüfen, ob die prognostizierte Entwicklung mit Sicherheit bzw.
größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit eintreten wird oder kann.
153
Vgl. BVerwG, Urteil v. 8. Juli 1998 - 11 A 53.97 -, DVBl 1998, 1188 = Buchholz 442.40 §
10 LuftVG Nr. 8.
154
Die vorbeschriebenen Anforderungen erfüllt das Gutachten der GMA.
155
Die Verwertbarkeit der Prognose wird nicht durch den Einwand der Antragstellerin in
Frage gestellt, bei dem Gutachten handele es sich um ein "Parteigutachten". Die
Verwertung eines Sachverständigengutachtens ist nur dann unzulässig, wenn es
lückenhaft oder in sich widersprüchlich ist oder von falschen Voraussetzungen ausgeht,
wenn der Sachverständige nicht hinreichend fachkundig ist, begründete Zweifel an
seiner Neutralität bestehen, eine neue Sachlage gegeben ist, neuere
Forschungsergebnisse vorliegen, oder wenn das Beweisergebnis durch den
substantiierten Vortrag eines Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts
ernsthaft in Frage gestellt wird.
156
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1992 - 4 B 1-11.92 -, NVwZ 1993, 572.
157
Anhaltspunkte dafür liegen hier nicht vor. Allein der Umstand, dass der Gutachter im
Auftrag des CentrO-Betreibers bzw. des Investors tätig geworden ist, reicht für Zweifel
an seiner Neutralität nicht aus. Außer dieser Mutmaßung hat die Antragstellerin keine
Gründe dargelegt, aus denen sich eine Voreingenommenheit des Gutachters ergeben
kann.
158
Die umfangreiche und ins Detail gehende Untersuchung lässt keine methodischen oder
kalkulatorischen Fehler erkennen. Dies ist dem GMA-Gutachten auch von anderer Seite,
nämlich von der CIMA (Stadtmarketing Gesellschaft für gewerbliches und kommunales
159
Marketing mbH) im Rahmen ihrer für die Stadt H3. erstellten gutachterlichen
Stellungnahme von Juni 2004 ("Auswirkungen der Erweiterung des CentrO in P. auf den
Einzelhandel in den Zentren Altstadt und C. in H3. ") bescheinigt worden. Die gegen
das Gutachten der GMA gerichteten Einwände der Antragstellerin überzeugen nicht. Der
Senat hat die Einwände im Einzelnen überprüft. Insoweit wird auf die nachfolgenden
Ausführungen Bezug genommen. Die Plausibilität des Gutachtens kann das Gericht
entgegen der anderslautenden Behauptung der Antragstellerin unter Beachtung des für
eine Prognose maßgeblichen Prüfungsumfangs aus eigener Sachkunde überprüfen.
Der Beweisantrag der Antragstellerin auf Einholung eines weiteren
Sachverständigengutachtens war deshalb abzulehnen. Für die Antragstellerin hätte
überdies die Möglichkeit bestanden, in der mündlichen Verhandlung den anwesenden
Gutachter der GMA zu den strittigen Fragen zu befragen.
Das Gutachten untersucht das Umsatzpotenzial der geplanten
Verkaufsflächenerweiterung im Bereich des CentrO und prognostiziert, zu welchen
Lasten welcher Nachbargemeinde welche Kaufkraft abgezogen wird. In diesem
Zusammenhang verdeutlicht das Gutachten mit nachvollziehbaren und überzeugenden
Erwägungen a) die bestehende und die nach der Erweiterung zu erwartende
Marktposition des CentrO, b) die durch die Erweiterungsplanung zu erwartende
Umsatzverteilung für den Einzelhandel in der Region und prüft c) die möglichen
Auswirkungen auf die zentralen Einkaufsbereiche in den betroffenen Städten.
160
a) Die gegenwärtige Marktbedeutung des CentrO, auf deren Basis die Auswirkungen
der geplanten CentrO-Erweiterung prognostiziert werden, beurteilt die GMA aus einer
Zusammenschau von Kundenherkunft, Marktpotenzialen im Untersuchungsraum sowie
Dimensionierung und Ausstrahlung des CentrO.
161
Zur Bewertung der räumlichen Ausstrahlung des CentrO unter dem Gesichtspunkt der
Kundenherkunft, fand im Zeitraum vom 23. - 26. Juli 2003 eine Kundenbefragung von
insgesamt knapp 18.000 Personen statt. Ausweislich der Stellungnahme der GMA vom
30. März 2005 wurden die Kunden nach ihrem Herkunftsort und zu dem von ihnen
benutzten Verkehrsmittel befragt. Anhaltspunkte dafür, dass die von GMA befragten
Kunden keinen repräsentativen Ausschnitt darstellen, bestehen nicht. Die Befragung
gibt die Situation einer normalen Einkaufswoche wieder, die weder durch ferienbedingte
Besonderheiten (Sommerferien in Nordrhein-Westfalen begannen am 31. Juli 2003)
noch durch sonstige, von der Normalität abweichende Umstände geprägt gewesen ist.
Bezüglich des Einwandes, die Befragungsinhalte seien nicht ausreichend gewesen,
wird nicht dargelegt, dass eine umfangreichere Befragung im Hinblick auf das
angestrebte Datenmaterial zu anderen Ergebnissen geführt hätte. Dass für die
Eingrenzung des Einzugsgebietes in erster Linie der Herkunftsort der Kunden von
Bedeutung ist und nicht etwa die Häufigkeit seiner Besuche im CentrO oder die Höhe
seiner Ausgaben, liegt auf der Hand. Ob statt einer Kundenbefragung beispielsweise
die Ermittlung der Anfahrtsdauer zum CentrO ein geeigneterer Ansatz für die
Abgrenzung des Einzugsgebiets gewesen wäre, erscheint angesichts der räumlichen
Verflechtungen im Ballungsraum zweifelhaft. Anders als bei der primärstatistischen
Erhebung im Wege der Kundenbefragung, ließe sich mit der Anfahrtsdauer zudem nur
ein fiktiver Einzugsbereich ermitteln. Selbst wenn es sich insoweit um einen vertretbaren
Ansatz handeln würde, wäre damit aber die methodisch unbedenkliche
Kundenbefragung nicht in Frage gestellt. Aus den Ergebnissen der
Kundenwohnorterhebung berechnet der Gutachter den Kundenanteil in Prozent, der
jeweils auf die umliegenden Kommunen beziehungsweise auf die weiter entfernten
162
Gebiete entfällt sowie den Kundenanteil in Prozent bezogen auf die jeweilige
Einwohnerzahl der Herkunftsorte (Kundendichte). Anhand der Kundenanteile und der
Kundendichte strukturiert er das Kerneinzugsgebiet des CentrO. Das Gutachten geht
von zwei Kerneinzugszonen und von solchen Gebieten aus, die außerhalb des engeren
Einzugsbereichs liegen. Die Kerneinzugszone I bildet das Stadtgebiet von P. , die Zone
II erfasst die Städte F1. , E. , N1. an der Ruhr, C. , E1. , H2. und H3. .
Das auf der Grundlage der Kundenwohnorterhebung abgegrenzte Einzugsgebiet ist
nachvollziehbar und plausibel. Von den befragten Kunden stammen 45,7 % aus dem
engeren Einzugsbereich. Im gesamten Kerneinzugsgebiet des CentrO leben ca. 2,03
Millionen Einwohner, wobei 11 % der Einwohner aus der Kerneinzugszone I (= Stadt P.
) stammen. Soweit die Antragstellerin einwendet, die GMA hätte die Zone II
großräumiger abgrenzen müssen, zumal nach ihren Erkenntnissen ein wesentlich
höherer Anteil von Kunden aus der Kerneinzugszone II stamme, als im GMA-Gutachten
angenommen, handelt es sich um bloße Spekulation. Aus dem als Beleg angeführten
Skript von Blotevogel zur Vorlesung "Handels- und Dienstleistungsgeographie" (WS 03
/ 04, S. 16) ergibt sich nichts anderes. Die von Blotevogel aufgeführten Werte, wonach
50 bis 55 % der CentrO-Besucher an Werktagen aus P. selbst stammten, 40 % aus den
umliegenden Städten und Kreisen und 5 - 8 % aus entfernteren Regionen und dem
Ausland, beruhen offenkundig auf Schätzungen, deren Grundlagen nicht ersichtlich sind
und daher die Aussagekraft der Kundenbefragung nicht in Frage stellen können. Die
Marktbedeutung des bestehenden CentrO ermittelt die GMA für das besagte
Kerneinzugsgebiet an Hand von Marktanteilen. Bei den Marktanteilen handelt es sich
um die derzeitige bzw. zu erwartende Abschöpfung des Kaufkraftpotenzials in den
jeweiligen Städten des Kerneinzugsgebiets durch den CentrO-Einzelhandel. Das
Kaufkraftpotenzial in den Kerneinzugszonen beziffert die GMA auf 10,3 Milliarden Euro.
Dieser Betrag geht auf die Kaufkraft pro Kopf von 5.010 Euro, multipliziert mit der
Gesamteinwohnerzahl im Kerneinzugsgebiet zurück. Davon stehen ca. 1,1 Milliarden
Euro Kaufkraftvolumen in der Stadt P. und ca. 9,2 Milliarden Euro in der
Kerneinzugszone II zur Verfügung.
163
Die zu erwartende Marktposition des CentrO nach der geplanten Erweiterung (30.000
m² Bruttogeschossfläche bzw. 23.000 m² Verkaufsfläche) würdigt das Gutachten im
Rahmen einer Gesamtattraktivitätsbetrachtung. Hierbei geht das GMA- Gutachten für die
Erweiterungsfläche von einer Umsatzerwartung von 106,7 Millionen Euro aus. Die
Umsatzerwartung der Erweiterungsfläche schätzt die GMA auf der Grundlage der
Flächenproduktivität des bisherigen CentrO-Bestandes ab. Die Flächenproduktivität
(4.580 Euro/m² Verkaufsfläche) wird aus dem Gesamtumsatz dividiert durch die
Verkaufsfläche berechnet. Für die Erweiterung des CentrO berücksichtigt die GMA im
Rahmen einer Worst-Case-Betrachtung vorsorglich eine Attraktivitätssteigerung und
setzt die Flächenproduktivität mit 4.640 Euro/m² Verkaufsfläche an. Die Ansätze sind
nachvollziehbar und plausibel. Der Einwand, die GMA stelle auf einen zu niedrigen
Gesamtumsatz des Bestandes und damit auf eine zu niedrige Flächenproduktivität ab,
ist unsubstantiiert. Der von der GMA angegebene Betrag von 305 Millionen Euro geht
auf entsprechende Angaben der Betreiber des CentrO bezogen auf den im Jahr 2002
erzielten Jahresumsatz zurück. Die von der Antragstellerin behaupteten höheren
Umsatzwerte beruhen auf nicht belegten Schätzungen und sind spekulativ. Das gilt
auch für den im Gutachten der CIMA (a.a.O) unterstellten Gesamtumsatz von 335,5
Millionen Euro, der sich aus dem Betrag von 305 Millionen Euro und einem von CIMA
angenommenen "Attraktivitätszuschlag" in Höhe von 10 % zusammensetzt. Bei ihren
eigenen Schätzungen greift die Antragstellerin teilweise auf Werte anderer, nicht
164
vergleichbarer Vorhaben (z.B. kleinere Einkaufszentren) zurück ohne die Lage des
CentrO im Ballungsraum und die daraus sich ergebende Konkurrenzsituation zu
berücksichtigen, teilweise resultieren die behaupteten höheren Umsätze aus nicht
nachvollziehbaren Rechenansätzen der Antragstellerin.
b) Die Auswirkungen der CentrO-Erweiterung prognostiziert die GMA auf der Basis der
zu erwartenden Marktbedeutung des CentrO. Zur Ermittlung der für die Beurteilung von
etwaigen Auswirkungen maßgeblichen Umverteilungseffekte wird die Umsatzverteilung
in den Kommunen des Kerneinzugsgebiets bezogen auf die dort jeweils vorhandenen
Einkaufsbereiche bestimmt, die aktuelle Ausstattung der Zentren
(Branchenschwerpunkte) und ihre Bedeutung innerhalb der Kommune
(Wettbewerbssituation) sowie die räumliche Verteilung der Einkaufsbereiche zu Grunde
gelegt. Die Erkenntnisse zum Einzelhandel in der Region resultieren aus einer
Bestandsaufnahme, die Mitarbeiter der GMA unter Berücksichtigung der jeweiligen
Anzahl der Betriebe, deren Größe, Ausstattung und Sortimentszuschnitt durchgeführt
haben. Das Gutachten stellt insoweit zu Recht maßgeblich auf den Einzelhandel in den
Innenstadtzentren der Kommunen ab. Im Falle örtlicher Besonderheiten (z.B. das
selbstständige Stadtteilzentrum in H3. -C2. ) oder soweit die Nachbarkommune selbst
massive Einzelhandelsvorhaben außerhalb der Innenstadt zugelassen hat (z.B. das
Rhein-Ruhr-Center in N1. a.d. Ruhr), hat der Gutachter diese Abweichungen vom
Normalfall bei der Umsatzverteilung innerhalb der jeweiligen Kommune berücksichtigt.
165
Die konkrete Abschätzung der Umverteilungswirkungen für die untersuchten
Einkaufsbereiche der im Kerneinzugsgebiet gelegenen Nachbarkommunen erfolgt an
Hand des für die CentrO-Erweiterung vorhergesagten Umsatzes, der Umsatzverteilung
innerhalb der einbezogenen Kommunen und der der Kundenwohnorterhebung
entsprechenden Kundenanteile. Der Gutachter hat zudem die danach rechnerisch auf
die einzelnen Kommunen entfallenden Umsatzanteile der CentrO-Erweiterung mittels
Zentralitätskennziffern gewichtet, um so dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die
Kommunen mit höherer Zentralitätsstufe höhere Umsatzeinbußen zu erwarten haben als
die Kommunen mit niedrigerer Zentralitätsstufe, weil erstere auch Umsatzrückgänge in
dem über ihr eigenes Gemeindegebiet hinausgehenden Einzugsbereich hinnehmen
müssen. Die Zentralitätskennziffer gibt das Verhältnis der Einzelhandelsumsätze einer
Einkaufslage im Verhältnis zu der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft der Bewohner der
jeweiligen Kommune an. Die anhand der Zentralitätskennziffern ermittelten
Umsatzumverteilungswerte werden mittels einer prozentualen Gewichtung auf die
jeweiligen Einkaufsbereiche aufgeteilt, wobei unterstellt wird, dass die zentralen
Einkaufsbereiche wegen der Vergleichbarkeit der Angebotsstruktur - hochwertiger
Branchenmix - stärker von den Wirkungen des CentrO in Form von Umverteilungen
betroffen sein werden, als sonstige nicht integrierte Einzelhandelslagen. Da auch die
Nachbarstädte selbst davon ausgehen, dass die Auswirkungen des CentrO sich
vornehmlich auf die zentralen Bereiche ihrer Innenstadt beziehen werden, begegnet der
Ansatz des Gutachtens keinen Bedenken.
166
Um mögliche Gefährdungspotenziale für einzelne Branchen aufzuzeigen, erfolgt
zusätzlich eine auf Sortimentsgruppen bezogene Betrachtung. Die ermittelte
Umsatzverteilung wird auf die einzelnen Sortimentsbereiche analog einem für die
CentrO-Erweiterung entwickelten Sortiments- und Flächenkonzept und unter
Berücksichtigung des bestehenden Branchenmixes im jeweiligen Einkaufsbereich der
Nachbarkommunen aufgeschlüsselt.
167
Bei dem für die CentrO-Erweiterung unterstellten Branchenmix geht das Gutachten
ebenfalls von einer - in diesem Fall zweifachen - "Worst-Case- Betrachtung" aus. Der
Gutachter nimmt an, dass aus 30.000 m² Geschossfläche eine Verkaufsfläche von
23.000 m² (ca. 75 %) hervorgeht, obwohl sowohl nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zu § 11 Abs. 3 BauNVO, als auch nach der Einschätzung der
zuständigen Ministerien des Landes in Nr. 2.3.2 des Einzelhandelserlasses
erfahrungsgemäß davon auszugehen ist, dass die Verkaufsfläche in der Regel etwa 2/3
der Geschossfläche ausmacht.
168
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2004 - 4 B 29.04 -, ZfBR 2004, 699 m.w.N.
169
Zudem legt der Gutachter für die Erweiterungsflächen einen hochwertigen Branchenmix
zu Grunde, der sowohl dem gegenwärtigen Branchenzuschnitt im CentrO als auch der
Einzelhandelsstruktur in den Innenstadtzentren der Kommunen im Kerneinzugsgebiet
entspricht. Damit wird den Erweiterungsflächen ein Höchstmaß an Konkurrenzpotenzial
unterstellt.
170
Das Gutachten prognostiziert zu Recht nur die durch die geplante CentrO- Erweiterung
bewirkten Umsatzumverteilungen. Dieser Ansatz ist nachvollziehbar und plausibel. Die
angegriffene 3. Planänderung des Bebauungsplans Nr. 275 A ermöglicht nicht etwa die
erstmalige Errichtung eines Einkaufszentrums, sondern die Erweiterung eines im
Bestand mit knapp 70.000 m² Verkaufsfläche seit Herbst 1996 am Markt befindlichen
Vorhabens. Dies ist die Ausgangssituation, die der Rat bei der Aufstellung der 3.
Änderung vorgefunden und die er seinen Planungsüberlegungen zu Grunde zu legen
hatte. Der Markt in P. und in der Region hat sich seit dem Markteintritt des CentrO auf
das Einkaufszentrum eingestellt. Das CentrO ist am Markt etabliert und genauso wie
jeder andere Einzelhandelsbetrieb in P. Bestandteil des Einzelhandelsangebots in der
Region. Anhaltspunkte dafür, dass allein durch die geplante
Verkaufsflächenerweiterung - etwa durch eine damit verbundene Attraktivitätssteigerung
des gesamten Einzelhandelskomplexes - die Flächenproduktivität der bereits
vorhandenen Einzelhandelsbetriebe spürbar steigen und zu zusätzlichen
Umsatzverteilungen zu Lasten benachbarter Kommunen führen wird, sind nicht
ersichtlich. Die GMA hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar dargelegt, dass vor
dem Hintergrund der in den letzten Jahren eingetretenen Wettbewerbsverschärfungen in
den Einkaufsbereichen der Region (z.B. Erweiterungen des Rhein-Ruhr-Zentrums in
N1. an der Ruhr und des Ruhrparks in C1. ) sowie der geplanten
Wettbewerbsentwicklungen (z.B. Einkaufszentren in F1. und E. ) die
Erweiterungsmaßnahmen im CentrO dem Erhalt der Wettbewerbsposition dienen und
das durch die bloße Verkaufsflächenerweiterung die Flächenproduktivität nicht steigt,
sondern eher das Gegenteil der Fall ist.
171
c) Die auf methodisch unbedenklicher Grundlage erzielten Ergebnisse der
Begutachtung sind nachvollziehbar und lassen keine Fehler erkennen.
172
Das bestehende CentrO erreicht im gesamten Kerneinzugsbereich einen Marktanteil
von ca. 1,7 - 2,2 % des dort vorhandenen einzelhandelsrelevanten Kaufkraftpotenzials,
gleichbedeutend mit ca. 200,9 Millionen Euro Umsatz. Die Marktbedeutung ist in P. mit
Werten von ca. 6,7 - 7,2 % Abschöpfung des Kaufkraftpotenzials am höchsten. In den
Kommunen des übergemeindlichen Einzugsgebiets der Zone II erreicht das CentrO
insgesamt einen Marktanteil von ca. 1,1 - 1,6 %. Im Einzelnen sind Größenordnungen
von ca. 0,8 - 1,3 % für H1. , 1,0 - 1,5 % für F1. , 1,1 - 1,6 % für H2. , 1,2 - 1,7 % für E. , 1,3
173
- 1,8 % für N1. an der Ruhr, 1,4 - 1,9 % für E1. und 1,6 - 2,1 % für C. zu verzeichnen (vgl.
Abb. 1 des GMA-Gutachtens von März 2004). Die Marktanteile erhöhen sich unter
Berücksichtigung der auf der Grundlage des Ursprungsbebauungsplans bereits
genehmigten Erweiterung (8.391 m² Bruttogeschossfläche) und der im Rahmen der
Planänderung ermöglichten Erweiterung (30.000 m² Bruttogeschossfläche) nach dem
GMA-Gutachten wie folgt: Insgesamt ergibt sich danach ein Gesamtmarktanteil des
CentrO für P. von 9,6 - 10,1 % und für den abgrenzten Kerneinzugsbereich der Zone II
von 1,3 - 3,0 % des Kaufkraftpotenzials. Spürbare Änderungen an den Ergebnissen der
Auswirkungsanalyse der GMA ergeben sich auch nicht unter Berücksichtigung der mit
Stand vom 30. April 2004 aktualisierten Bevölkerungsprognose des Landesamtes für
Datenverarbeitung und Statistik (LDS). Für die Städte des Kerneinzugsgebietes lässt
sich in der Summe aus der neuen Bevölkerungsprognose nur eine geringfügige
Abnahme der Bevölkerungszahlen ablesen. Überträgt man die aktualisierte Prognose
zur Bevölkerungsentwicklung auf die Auswirkungsanalyse der GMA, ergibt sich
gegenüber dem Jahr 2002 eine Gesamtveränderung des Kaufkraftvolumens im
Untersuchungsraum von ca. - 0,1 %. Dementsprechend ergeben sich bei
Zugrundelegung der neuen LDS-Prognose auch keine beachtlichen Unterschiede zu
dem im GMA-Gutachten ermittelten Gesamtmarktanteil des CentrO in der Region.
Für die im abgegrenzten Einzugsbereich der Zone II gelegenen Nachbarkommunen hat
der Gutachter Umverteilungseffekte ermittelt, die deutlich unter 5 % liegen. Im Einzelnen
hat er für die Innenstadt von H2. 0,6 %, für E1. 0,8 %, für H3. bezogen auf den Stadtteil
C2. und die Innenstadt jeweils 0,9 %, für F1. 1,3 %, für die Innenstadt von N1. a.d. Ruhr
0,8 % und für das Rhein-Ruhr-Center 1,7 %, für C. 1,4 % und für die Innenstadt von E.
1,7 % ermittelt. In den jeweiligen Branchen ergeben sich nach GMA maximale
Umverteilungseffekte von ca. 2,4 % in den Sortimenten Schuhe und Bekleidung (E. ,
Rhein-Ruhr-Zentrum in N1. a.d. Ruhr sowie mit 2,2 % annähernd in C. ). Bei
kumulierender Betrachtung der geplanten CentrO-Erweiterung mit weiteren, in P.
geplanten größeren Einzelhandelsprojekten (T2. Tor und I1. -Center) liegen die
Umverteilungseffekte in den insoweit allein projektrelevanten Branchen Bekleidung und
Elektrowaren bei maximal 7,1 %, wobei das GMA-Gutachten (Stellungnahme vom 25.
August 2004) etwaige Auswirkungen auf Grund der räumlichen Nähe zu den im
Stadtteilzentrum T. geplanten Projekten ohnehin nur für die Innenstädte von C. und E1.
prognostiziert.
174
Auf der Grundlage dieser Ergebnisse des GMA-Gutachtens ist nicht anzunehmen, dass
die Erweiterung des Einkaufszentrums für die Nachbarkommunen mit unzumutbaren
Auswirkungen verbunden sein wird. Die vergleichsweise geringen Marktanteile des
CentrO im übergemeindlichen Einzugsbereich der Zone II machen deutlich, dass das
Einkaufszentrum hier sowohl im Hinblick auf den vorhandenen Bestand als auch nach
einer Erweiterung nur eine ergänzende Versorgungsbedeutung hat bzw. haben wird.
Diese Einschätzung spiegelt sich auch in den von der GMA prognostizierten
Umsatzumverteilungseffekten wieder. Diese liegen für alle untersuchten
Einkaufsbereiche der Kerneinzugszone II - auch branchenbezogen - deutlich unter 5 %,
bei kumulierender Betrachtungsweise (T2. Tor und I1. -Center) branchenbezogen bei
maximal 7,1 %. Eine wesentliche Beeinträchtigung der verbrauchernahen Versorgung in
den Nachbarkommunen durch eine konkurrenzbedingte Schließung von
Einzelhandelsbetrieben in deren Versorgungszentren ist bei Umverteilungseffekten in
dieser Größenordnung nicht zu befürchten. Ein bestimmter "Schwellenwert" für einen
städtebaulich beachtlichen Kaufkraftabfluss ist gesetzlich nicht vorgegeben. Auch in der
obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Frage, ob und gegebenenfalls bei welchen
175
Prozentsätzen ein prognostizierter Kaufkraftabzug den Schluss auf negative
städtebauliche Folgen für die davon betroffene Gemeinde zulässt, mit unterschiedlichen
Ergebnissen diskutiert. Der Bandbreite der angenommenen Werte, die von mindestens
10 %,
vgl. so wohl OVG Brandenburg, Beschluss vom 16. Dezember 1998 - 3 B 116/98 -,
NVwZ 1999, 434; OVG NRW, Urteil vom 5. September 1997 - 7 A 2902/93 -, BRS 59 Nr.
70; OVG Koblenz, Urteil vom 25. April 2001 - 8 A 11441/ 00, NVwZ-RR 2001, 638 =
BRS 64 Nr. 33,
176
über 10 bis 20 %,
177
vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 8. Januar 1999 - 8 B 12650/98 -, NVwZ 1999, 435;
vgl. BayVGH, Urteil vom 7. Juni 2000 - 26 N 99.2961, 26 N 99.3207, 26 N 99.3265 -,
BayVBl 2001, 175 = BRS 63 Nr. 62,
178
bis hin zu etwa 30 % reicht,
179
vgl. etwa Thüringer OVG, Urteil vom 20. Dezember 2004 - 1 N 1096/03 -, juris, m.w.N.,
180
ist allerdings die Tendenz zu entnehmen, dass erst Umsatzverluste ab einer
Größenordnung von 10 % als gewichtig angesehen werden. Da nach den hier
maßgeblichen Berechnungen für die im Kerneinzugsbereich der Zone II gelegenen
benachbarten Mittel- und Oberzentren selbst unter Berücksichtigung etwaiger
Prognoseunsicherheiten der Wert von 10 % nicht annähernd erreicht wird, lässt der
Senat offen, ob ein Schwellenwert von 10 % für alle Fallkonstellationen gelten kann und
mit welcher Maßgabe bei der Ermittlung der Zumutbarkeitsschwelle die
raumordnerische Funktion der betroffenen Gemeinde zu berücksichtigen ist.
181
Sonstige außerhalb der Umleitung von Kaufkraftströmen liegende Gründe, aus denen
die Planung mit städtebaulich relevanten unzumutbaren Auswirkungen für die im
Kerneinzugsbereich gelegenen Nachbarkommunen verbunden sein könnte, sind nicht
ersichtlich.
182
Das gilt auch für die von den Nachbarkommunen befürchtete Verödung ihrer
Innenstädte. Zwar kann bei der Abwägung auch zu berücksichtigen sein, inwieweit eine
Nachbargemeinde mit einer unabhängig vom Einzelhandel attraktiven Innenstadt durch
die Planung betroffen ist und inwieweit sie die Möglichkeit besitzt, durch eigene
Anpassungsmaßnahmen den negativen Auswirkungen fremder Planungen zu
begegnen. Ob jedoch insoweit im Einzelfall eine erhöhte Schutzbe- dürftigkeit gegeben
ist und ob sich die Planungen einer Nachbargemeinde gegenüber diesbezüglich als
unzumutbar erweisen, kann nicht losgelöst von der aktuellen Situation der jeweiligen
Innenstädte und von etwaigen Vorbelastungen beurteilt werden. Ebenso wenig können
die allgemeinen Entwicklungstendenzen des Einzelhandels, das
Konsumentenverhalten, regionale Einflüsse und die wirtschaftliche Entwicklung
unberücksichtigt bleiben. Angesichts der Vielzahl von Faktoren, die die Attraktivität von
Innenstadtzentren bestimmen, reicht die bloße Vermutung einer zunehmenden
Verödung der Innenstädte zur Begründung einer besonderen Schutzbedürftigkeit
gegenüber einer Planung von Einzelhandelsflächen nicht aus, zumal der mögliche
Anteil des CentrO an einer solchen Negativentwicklung im Hinblick auf die dargestellte
Marktbedeutung des Einkaufszentrums in der Region als lediglich gering einzustufen ist.
183
7. Ein Verstoß gegen das in § 1 Abs. 6 BauGB / § 1 Abs. 7 BauGB n.F. enthaltene
Abwägungsgebot liegt ebenfalls nicht vor.
184
Das Abwägungsgebot verpflichtet den Träger der Bauleitplanung dazu, dass eine
Abwägung überhaupt stattfindet, in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was
nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss und weder die Bedeutung der
öffentlichen und privaten Belange verkannt, noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer
Weise vorgenommen wird, der zu objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer
Verhältnis steht.
185
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301.
186
Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt,
wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen
Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die
Zurückstellung des anderen Belangs entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der
von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches
Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der
verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Die Kontrolle beschränkt sich im Rahmen
des Abwägungsgebots auf die Frage, ob die Gemeinde die abwägungserheblichen
Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie die
aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat. Diese
Grundsätze hat die Antragsgegnerin bei der Aufstellung der 3. Änderung des
Bebauungsplanes Nr. 275 A beachtet. Es ist ihr weder ein Fehler im
Abwägungsvorgang noch im Abwägungsergebnis unterlaufen.
187
Der Rat hat das erforderliche Abwägungsmaterial zusammengestellt. Im
Aufstellungsverfahren haben diverse Gutachten vorgelegen, nämlich das bereits
erwähnte GMA-Gutachten, das Verkehrsgutachten des Planungsbüros R + T U2. , T3. ,
L2. und Partner (Juni 2004) und die schalltechnische Untersuchung von C1. -Consult
(Juni 2004).
188
Der Rat hat sich ferner mit den von den Trägern öffentlicher Belange und Bürgern
vorgebrachten Anregungen und Einwänden umfassend auseinandergesetzt und diese -
soweit er ihnen nicht gefolgt ist - nach eingehender Abwägung und ohne
Abwägungsfehler zurückgewiesen. Ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot liegt auch
weder im Hinblick a) auf die Raumverträglichkeit der geplanten CentrO- Erweiterung
noch hinsichtlich der b) auf das eigene Stadtgebiet bezogenen Auswirkungen noch
hinsichtlich der c) mit der Planänderung beibehaltenen Festsetzung der im Kernbereich
gelegenen der Neuen Mitte gelegenen Flächen als Kerngebiet gem. § 7 BauNVO oder
bezüglich der d) verkehrlichen Belange beziehungsweise der e) Berücksichtigung des
Immissionsschutzes vor.
189
a) Als öffentlichen Belang der Raumordnung hat die Antragsgegnerin § 24 Abs. 3 LEPro
NRW als Grundsatz der Raumordnung gem. § 3 Nr. 3 ROG in die Abwägung eingestellt.
Grundsätze der Raumordnung enthalten allgemeine Vorgaben in Rechtsvorschriften
oder Raumordnungsplänen für nachfolgende Abwägungs- oder
Ermessensentscheidungen über raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen.
Grundsätze sind damit Abwägungsdirektiven. Sie sind öffentliche Belange, die in
Abwägungs- und Entscheidungsprozesse einzustellen, durch Abwägung oder
190
Ermessensentscheidung aber überwindbar sind.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 - 4 CN 20.02 -, a.a.O.; Runkel, in:
Bielenberg/ Runkel/ Spannowsky, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des
Bundes und der Länder, Bd. 2, a.a.O., K § 3 Rn 182.
191
Die Abwägung der Antragsgegnerin zur Frage der Raumverträglichkeit der Planung ist
danach nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin geht zutreffend davon aus, dass mit
dem zentralörtlichen Gliederungssystem sichergestellt werden soll, die Funktion der
zentralen Orte zu wahren. Für die Frage einer möglichen Gefährdung des Gefüges der
Zentralen Orte kommt es nicht auf die Einhaltung bestimmter Zentralitätsziffern oder
Kaufkraftbindungsquoten an. Eine Kaufkraftbindung im Bereich von Gütern des mittel-
und langfristigen Bedarfs ist, wenn es sich hierbei um eine Gemeinde mit
raumordnerischer Zentralitätsfunktion handelt, grundsätzlich aufgaben- und
wirkungskreiskonform. Die Antragsgegnerin besitzt diese Funktion, denn sie ist im
Landesentwicklungsplan für das Land Nordrhein-Westfalen als Mittelzentrum
dargestellt.
192
Gleichwohl kann die raumordnerische Aufgabenzuweisung nach den tatsächlichen
Umständen bei der Abwägung von Bedeutung sein. Insoweit hat die Antragsgegnerin
berücksichtigt, dass mit dem CentrO bereits ein raumbedeutsames Vorhaben vorhanden
ist, dessen Errichtung die Nachbarstädte und die Bezirksplanungsbehörde zugestimmt
haben. Sie hat im Übrigen zutreffend erkannt, dass sich die Auswirkungen des CentrO
vornehmlich in den Umsatzzahlen widerspiegeln. Deswegen hat die Antragsgegnerin
zur Beantwortung der Frage, ob mit der Erweiterung des CentrO die raumordnerischen
Auswirkungen auch des Bestandes unzulässig verstärkt werden, maßgeblich auf das
GMA-Gutachten abgestellt, welches unter anderem die volkswirtschaftlichen Aspekte
des Kaufkraftabflusses in der Region eingehend untersucht hat. Für die Orientierung an
landesplanerisch maßgeblichen Kriterien, wie sie sich insbesondere aus den in § 24
Abs. 3 LEPro NRW niedergelegten Grundsätzen ergeben, ist nicht die Gefahr einzelner
Betriebsschließungen im Bereich anderer zentraler Orte, sondern die für diese Orte
bestehende Gefahr der wesentlichen Beeinträchtigung der verbrauchernahen
Versorgung, der Verödung der Stadtzentren und damit des Verlustes zentralörtlicher
Funktionen von Belang. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang entscheidend
darauf an, ob durch die mit der Planänderung ermöglichte Erweiterung des CentrO nicht
nur die Konkurrenzfähigkeit einzelner Geschäfte in den Nachbarkommunen, sondern
die ganzer Branchen in Frage gestellt wird und dadurch das Konkurrenzproblem in ein
Strukturproblem umschlägt. Auf der Grundlage des GMA-Gutachtens ist ein solches
"Umschlagen" nicht anzunehmen. Nach den Ergebnissen der Begutachtung werden
durch die Erweiterung des CentrO weder die verbrauchernahe Versorgung der
Bevölkerung in den benachbarten Mittel- und Oberzentren in Frage gestellt noch die
Funktionsfähigkeit ihrer Innenstädte wesentlich beeinträchtigt. Insoweit wird auf die
Ausführungen zu § 2 Abs. 2 BauGB Bezug genommen. Diese Bewertung gilt nach dem
GMA-Gutachten auch unter Berücksichtigung der Gesamtattraktivität des CentrO. Die
Marktanteile des CentrO mit seinem bestehenden Angebot, die letztlich auf seiner
Gesamtattraktivität beruhen, liegen - ohne die vor der Planänderung genehmigte
Erweiterung - im Stadtgebiet der Antragsgegnerin bei 6,7 - 7,2 % und im
übergemeindlichen Einzugsgebiet bei 1,1 - 1,6 %. Für die vor der Planänderung
genehmigte Erweiterung prognostiziert der Gutachter eine Erhöhung des
Kaufkraftabflusses für das gesamte Kerneinzugsgebiet von 0,2 - 0,3 % und für P. selbst
in Höhe von 0,7 - 0,9 %. Durch die mit der Planänderung beabsichtigten Erweiterung
193
soll sich nach den Angaben des Gutachters der Marktanteil des CentrO in P. um ca. 1,8 -
2,3 % erhöhen, während im übergemeindlichen Einzugsgebiet zusätzliche Marktanteile
zwischen 0,1 - 0,5 % bis 0,5 - 1,0 % zu erwarten sind. Bei der Verschiebung von
Marktanteilen in dieser Größenordnung ist eine Veränderung der Versorgungssituation
durch das CentrO allenfalls für das Stadtgebiet der Antragsgegnerin auszumachen.
Auch die für die Erweiterung der Verkaufsfläche prognostizierten Kaufkraftbewegungen
lassen nicht erkennen, dass die Kommunen des übergemeindlichen Einzugsgebiets in
ihrer Versorgungsbedeutung nachhaltig geschwächt werden. Die Entscheidung der
Antragsgegnerin, die Planung als raumverträglich einzustufen, ist folglich nicht zu
beanstanden.
b) Die Antragsgegnerin hat sich hinreichend mit den Auswirkungen der nach der
geänderten Planung zulässigen Erweiterung des CentrO auf das eigene Stadtgebiet
auseinandergesetzt.
194
Grundlage für ihre Abwägung war auch insoweit das Gutachten der GMA. Für das
Zentrum von Alt-P. prognostiziert der Gutachter eine Umsatzumverteilung von 5,5 %, für
die Stadtteilzentren T. und P2. sind nach seinen Berechnungen lediglich
Umverteilungen von 3 % bzw. 1 % des Umsatzes zu erwarten. In den einzelnen
Branchen treten nach dem GMA-Gutachten Umsatzumverteilungen in den Sortimenten
Bekleidung, Schmuck und Lederwaren in Höhe von 11,5 % und für Schuhe in Höhe von
9,5 % auf. Bei kumulierender Betrachtung der CentrO-Erweiterung mit sonstigen
innerstädtischen Projekten, wie "T2. Tor" und Erweiterung des "I1. -Centers" werden für
die Sortimente Bekleidung und Elektrowaren in Alt-P. Werte von maximal 12,8 % bzw.
16,5 % Umsatzumverteilung prognostiziert. Für das Stadtteilzentrum T. prognostiziert
das Gutachten für den Bereich Bekleidung infolge der CentrO-Erweiterung
Umsatzverteilungseffekte in Höhe von ca. 12 %. Das Stadtteilzentrum P2. hält das
Gutachten infolge seines Nahversorgungscharakters im Vergleich zu T. und Alt-P. für
weniger betroffen. Die Umverteilungseffekte liegen nach den Berechnungen des
Gutachtens zwischen 0,2 % (Nahrungs- und Genussmittel) und 5,0 % (Bekleidung).
Insgesamt wird die Situation für alle Stadtteile dahin bewertet, dass
versorgungsstrukturelle und städtebauliche Auswirkungen durch eine CentrO-
Erweiterung nicht zu erwarten sind. Allein für den Stadtteil Alt-P. schließt das Gutachten
infolge möglicher weiterer Strukturanpassungen in den Branchen Bekleidung, Schmuck,
Lederwaren und Schuhe Betriebsschließungen nicht aus.
195
Der Rat der Antragsgegnerin hat sich mit dem GMA-Gutachten im Einzelnen
auseinandergesetzt und die Einschätzungen des Gutachtens seiner Entscheidung zu
Grunde gelegt. Die Ausführungen in der Planbegründung unter dem Kapitel "Örtliche
Zentrenverträglichkeit" lassen erkennen, dass die möglichen städtebaulichen
Auswirkungen der CentrO-Erweiterung auf das eigene Stadtgebiet gesehen wurden. Im
Hinblick auf die Prognose des Gutachtens, wonach mit der Erweiterung des CentrO
zwar Veränderungen für einzelne Stadtteilzentren nicht auszuschließen sind, die
verbrauchernahe Versorgung in den einzelnen Siedlungsschwerpunkten jedoch nicht in
Frage gestellt wird, hat sich der Rat im Ergebnis dafür ausgesprochen, den Standort der
Neuen Mitte P. weiter auszubauen und zu stärken. Der planerische Wille der
Antragsgegnerin, die Neue Mitte P. weiter aufzuwerten, ist ein nach § 1 Abs. 5 Sätze 1
und 2 Nr. 8 BauGB / § 1 Abs. 6 Nr. 8 a BauGB n.F. abwägungsbeachtlicher Belang. Er
erhält vor dem Hintergrund der im Stadtgebiet der Antragsgegnerin eingetretenen
Strukturveränderung, die in Gestalt der Neuen Mitte und des dort erfolgten Aufbaus
komplexer wirtschaftlicher Strukturen auf einem ehemals brach liegenden
196
Industriegelände einen sichtbaren städtebaulichen Impuls erfahren hat, ein besonderes
Gewicht. Es ist danach nicht abwägungsfehlerhaft, wenn sich die Antragsgegnerin für
eine bewusste Verschiebung der Zentralität innerhalb ihres Stadtgebietes entscheidet,
weil sie einen wirtschaftlich etablierten und nach ihrer Ansicht für die Weiterentwicklung
der gesamten Stadt unverzichtbaren Standort durch städtebauliche Maßnahmen weiter
fördern und seine wirtschaftliche Schubkraft positiv nutzen will, auch wenn damit unter
Umständen negative Auswirkungen auf die bisherigen Stadtzentren verbunden sein
könnten. Das gilt insbesondere deshalb, weil einer mit dem weiteren Ausbau der Neuen
Mitte gegebenenfalls einhergehenden Negativentwicklung im sonstigen Stadtgebiet
durch konzeptionelle Maßnahmen begegnet wird bzw. werden soll. Das am meisten
gefährdete Zentrum von Alt-P. war insoweit bereits mehrfach Gegenstand von
Beratungen im Rat, die in die Entwicklung eines so genannten Masterplans
eingemündet sind. Mit diesem verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel, durch ein
integriertes Handlungskonzept Vorstellungen, Ideen und konkrete Projekte für eine
"lebenswerte Innenstadt" aufzugreifen und umzusetzen. Hierbei geht es der
Antragsgegnerin im Besonderen um eine Verbesserung des Stadtteilimages, einer
Stärkung der lokalen Ökonomie, einer Revitalisierung brach liegender Einzelhandels-
und Dienstleistungsflächen, einer Verbesserung der Wohnraumsituation und des
Wohnumfeldes, einer Stärkung der Naherholungsfunktion, einer Verbesserung von
Spiel- und Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche, einer Stärkung der Kunst- und
Kulturangebote und einer Stabilisierung der Sozialstruktur. Die Handlungsschwerpunkte
sind im Hinblick auf die bestehende Problemlage der Innenstadt nachvollziehbar. Es
liegt auf der Hand, dass die angestrebten Ziele nur im Rahmen einer langfristigen
Planung zu verwirklichen sind. Vor dem Hintergrund der bislang eingeleiteten
Maßnahmen und unter Berücksichtigung des im Zusammenhang mit der Aufstellung
des Masterplans gestellten Antrags der Antragsgegnerin beim Land Nordrhein-
Westfalen auf Aufnahme der Innenstadt von Alt-P. in das Programm "Soziale Stadt
NRW" bestehen keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit und am Willen zur Umsetzung der
geplanten Maßnahmen.
c) Die mit der Planänderung beibehaltene Festsetzung der im Zentrum der Neuen Mitte
gelegenen Flächen als Kerngebiet gem. § 7 BauNVO ist ebenfalls nicht zu
beanstanden. Das gilt auch, soweit der Plangeber von weitergehenden städtebaulichen
Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 1 Abs. 5 BauNVO nur im Zusammenhang mit
dem Ausschluss einzelner, ansonsten im Kerngebiet zulässiger Nutzungen Gebrauch
gemacht, eine Begrenzung der Verkaufsflächen und Vorgaben zum Sortimentszuschnitt
im Plan allerdings nicht vorgenommen hat. Aus dem Fehlen entsprechender
Festsetzungen lässt sich kein Abwägungsfehler herleiten. Derartige Festsetzungen
kämen allenfalls auf der Grundlage des § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO in Betracht, das heißt
der Plangeber müsste die Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben jeweils differenziert
nach Sortiment und Verkaufsfläche regeln. Abgesehen davon, dass die
Reglementierung von Einzelhandelsbetrieben nach Sortiment und Größe in den
Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 BauNVO nur zulässig ist, wenn daraus eine
planungsrechtlich abgrenzbare Nutzungsart folgt,
197
vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 -, BRS 47 Nr. 58,
198
liegt diese Art der Feindifferenzierung nicht nur im planerischen Ermessen des Rates,
sondern erfordert darüber hinaus eine Rechtfertigung durch besondere städtebauliche
Gründe. Anhaltspunkte für besondere städtebauliche Gründe, die im Hinblick auf die
geplante Geschossflächenerweiterung eine Begrenzung der Verkaufsflächen und eine
199
Festlegung bestimmter Sortimente rechtfertigen würden, sind hier angesichts der
vertretbaren Auswirkungen der CentrO-Erweiterung auf die eigenen Stadtzentren und
die zentralen Versorgungsbereiche der Nachbarkommunen nicht ersichtlich. Schon gar
nicht war die Antragsgegnerin verpflichtet, derartige Festsetzungen im Rahmen der 3.
Änderung des Bebauungsplans Nr. 275 A zu treffen, oder sogar den Gebietscharakter
durch die Festsetzung eines Sondergebiets mit der vereinfachten Möglichkeit,
Verkaufsflächen zu begrenzen, zu verändern. Eine Entschädigungspflicht für eine damit
verbundene Entziehung von Baurecht wäre möglicherweise die Folge gewesen.
d) Auch die in § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 BauGB / § 1 Abs. 6 Nr. 9 BauGB n.F. aufgeführten
Belange des Verkehrs wurden bei der Abwägung zutreffend gewürdigt. Richtschnur für
die planerische Abwägung zu den verkehrlichen Belangen musste im vorliegenden Fall
sein, dass sich der Plangeber hinreichende Gewissheit darüber verschafft, ob mit der
geplanten Geschossflächenerweiterung nachhaltige Verkehrsentwicklungen verbunden
sein werden und wenn ja, wie diesen zu begegnen ist.
200
Für die Beurteilung der zukünftigen Verkehrsbelastung im Zusammenhang mit dem
CentrO hat sich der Plangeber auf das Verkehrsgutachten des Planungsbüros R + T U2.
u.a. gestützt. Die Untersuchung dazu, ob und in welchem Umfang durch die geplante
Erweiterung des Einkaufszentrums ein zusätzliches Verkehrsaufkommen entsteht und
ob die Kapazitäten des vorhandenen Straßennetzes für ein solches zusätzliches
Verkehrsaufkommen ausreichend leistungsfähig sind, genügt den Anforderungen an
eine Prognose (vgl. zum Prüfungsmaßstab die Ausführungen zu 6.). Sie hat dem Rat der
Antragsgegnerin eine hinreichende Entscheidungsgrundlage im Hinblick auf die
Einschätzung der verkehrlichen Auswirkungen der Erweiterung gegeben.
201
Die von den Gutachtern angewandte Methode ist nicht zu beanstanden.
202
Die Gutachter untersuchen die Zunahme des Verkehrs im Rahmen einer verkehrlichen
Auswirkungsanalyse. Die Abschätzung des zusätzlichen Verkehrskehrsaufkommens
erfolgt im Wesentlichen anhand der vorgegebenen Strukturdaten und anhand
allgemeiner und spezifischer Kenndaten zur Mobilität, wobei wegen des
unterschiedlichen Verkehrsverhaltens nach verschiedenen Nutzergruppen
(Beschäftigte, Besucher und Kunden, Wirtschaftsverkehr) differenziert wird. Die Anzahl
der Kunden und Besucher wird aus der Verkaufsfläche abgeschätzt. Dabei gehen die
Gutachter für das bestehende Einkaufszentrum von einem Verkaufsflächenbestand von
72.000 m² (Tabelle 3 - 1, S. 15 des Gutachtens), einem rechnerisch ermittelten täglichen
Besucheraufkommen von 56.000 und einer daraus folgenden Anzahl von 78 Besuchern
je 100 m² Verkaufsfläche und Tag aus. Den prozentualen Anteil der Besucher, die
ausschließlich wegen der im Rahmen der Flächenerweiterung neu etablierten
Nutzungen anreisen werden, setzen die Gutachter im so genannten "Worst-Case-
Szenario" mit 50 % an.
203
Die hiergegen gerichteten Einwände der Antragstellerin gehen fehl.
204
Dass die Kundenzunahme im Falle einer Erweiterung nicht proportional zur Zunahme
der Verkaufsfläche erfolgt, begründen die Gutachter nachvollziehbar damit, dass die
Erweiterungsflächen regelmäßig als Bestandsflächen genutzt werden und der
prozentuale Anteil der Besucher, der ausschließlich wegen der neuen Nutzungen
aufgrund der Flächenerweiterung anreist, gering ist. Diese Erkenntnisse gehen auf
entsprechende Erfahrungswerte zurück und berücksichtigen ferner, dass das CentrO
205
bereits heute einen hohen Kundenzuspruch erfährt und im Vergleich zu anderen
Einkaufszentren ein überdurchschnittliches Besucheraufkommen aufweist (Tabelle 3 -
1, S. 15 des Gutachtens).
Dass die Gutachter ihrer Berechnung als Ausgangswert die Verkaufsfläche des
Einkaufszentrums im vorhandenen beziehungsweise genehmigten Bestand
zugrundelegen und nicht auf die im Plangebiet ausschöpfbare Verkaufsfläche, die nach
Ansicht der Antragstellerin bei 118.865 m² liegt, abstellen, begegnet ebenfalls keinen
Bedenken. Den Gutachtern standen die konkreten Zahlen des vorhandenen
Einkaufszentrums als Basis für eine Prognose der im Zuge der
Geschossflächenerweiterung zu erwartenden Verkehrszunahme zur Verfügung. Dass
sie im Rahmen der Prognose nicht von einer zusätzlichen Verkehrszunahme im
Hinblick auf eine theoretisch denkbare und nach den Festsetzungen des
Bebauungsplans mögliche Erweiterung der Verkaufsfläche im Bereich der bisher
verwirklichten Bausubstanz ausgegangen sind, stellt weder die Plausibilität des
Gutachtens in Frage noch wird dadurch die auf das Gutachten gestützte Abwägung
fehlerhaft. Im Planbereich sind - wie unter Ziffer 2. dargestellt - unter Berücksichtigung
der 3. Änderung insgesamt 155.000 qm Geschossfläche festgesetzt, die für den
Einzelhandel zur Verfügung stehen. Davon befinden sich 5.000 qm im Bereich der
Gastronomiezeile, wo Einzelhandel nur ausnahmsweise zulässig ist. Angesichts
dessen, dass Geschossflächen erfahrungsgemäß zu etwa 2/3 in Verkaufsfläche
umgesetzt werden (siehe oben zu Ziffer 7 c), davon auszugehen ist, dass das
erfolgreiche Konzept der Gastronomiezeile beibehalten werden soll und dass eine
spürbare Erweiterung der Verkaufsflächen im Bereich der bestehenden Bausubstanz
erhebliche Veränderungen der bisherigen Strukturen bedeuten würde, ist die Annahme
einer Verkaufsfläche von insgesamt 95.000 m² als Grundlage für die Prognose
akzeptabel.
206
Das von den Gutachtern gefundene Ergebnis ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach
ihrer Verkehrsuntersuchung führt die Erweiterung des Einkaufszentrums zu folgenden
Zuwächsen: Im realistischen Szenario (NMO-Szenario) wird ein zusätzliches
Verkehrsaufkommen in Höhe von etwa 3.500 Kfz-Fahrten / pro Tag zu erwarten sein.
Dies entspricht einer Verkehrszunahme von 10 %. Am typischen Samstag beträgt die
zusätzliche Verkehrsmenge 4.500 Kfz/Tag und am Spitzensamstag fast 5.800 Kfz/Tag.
Im Worst-Case-Szenario wird sich der Zuwachs auf 5.900 Kfz/Tag belaufen. Dies
entspricht einer Zunahme von 17 %. An typischen Samstagen bzw. Spitzensamstagen
beträgt die Zunahme 8.000 bzw. 8.900 Kfz/ Tag. Die Gutachter gehen davon aus, dass
die zusätzlichen Verkehrsbelastungen im vorhandenen Straßennetz der Neuen Mitte
noch abgewickelt werden können, wenn bestimmte Straßenkonzepte (z.B. für die B.
Straße, D.-----allee und F.----- allee ) umgesetzt werden. Allein für den Bereich der F.
Straße werden Kapazitätsprobleme prognostiziert, die allerdings nicht allein aus dem
zusätzlichen Kfz-Verkehr durch die Erweiterung des Einkaufszentrums, sondern auch
aus weiteren Planungen im Bereich der Neuen Mitte resultieren.
207
Der Rat hat die verkehrlichen Belange umfassend abgewogen. Das
Abwägungsergebnis hält einer Nachprüfung stand.
208
In Kenntnis der durch das Verkehrsgutachten aufgezeigten Problemzonen hat sich der
Rat dazu entschlossen, die Verkehrsführung im Bereich des CentrO im Rahmen der
aktuellen Bebauungsplanung zu optimieren und das Parkleitsystem zu erneuern. Im
Übrigen sollen verschiedene Maßnahmen zur Ertüchtigung des vorhandenen
209
Straßennetzes weiter gutachterlich geprüft und - um den Verkehrsfluss weiter zu
optimieren - zu gegebener Zeit im Verbund mit der Realisierung weiterer Projekte im
Bereich der Neuen Mitte P. und unter Berücksichtigung einer langfristigen Perspektive
bis zum Jahre 2020 umgesetzt werden. Im Hinblick auf die im Verkehrsgutachten
prognostizierte grundsätzliche Leistungsfähigkeit des Straßennetzes im Bereich der
Neuen Mitte, reichen die getroffenen Maßnahmen zunächst aus. Soweit durch die
weitere Entwicklung im Bereich der Neuen Mitte und angrenzender Projekte absehbar
ist, dass für die Erhaltung des Verkehrsflusses weitere Maßnahmen erforderlich sind,
reicht es aus, entsprechende Verkehrsplanungen projektbezogen umzusetzen. Für die
vorliegende Bebauungsplanung ergibt sich daraus keine weitere
Handlungsverpflichtung.
Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Abwägung der verkehrlichen Belange bestehen auch
im Übrigen nicht. Das gilt im Besonderen für die Anzahl der für den ruhenden Verkehr
vorhandenen Stellplätze. e) Schließlich begegnet auch die Abwägung zum Immissions-
bzw. Schallschutz keinen Bedenken. Der Planbegründung ist zu entnehmen, dass sich
der Rat mit Fragen des Immissions- und Schallschutzes ausführlich befasst und sich
dabei auf die schalltechnische Untersuchung der C1. -Consult gestützt hat. Für die
Berechnungen der Lärmimmissionen aus dem Straßen- und Schienenverkehr hat das
Schallschutzgutachten auf die Erkenntnisse aus der Verkehrsuntersuchung von R + T
(vgl. Ziffer 7 d) abgestellt.
210
Soweit die Antragstellerin einwendet, der Gutachter sei im Hinblick auf die
Berücksichtigung der mit der geplanten Erweiterung ermöglichten Verkaufsflächen von
einer falschen Grundlage ausgegangen, wird auf die Ausführungen zum
Verkehrsgutachten (vgl. Ziffer 7 d) Bezug genommen. Methodische Fehler sind im
Übrigen nicht ersichtlich. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass die Realisierung
der Planänderung nicht zu einer signifikanten Veränderung der jeweiligen
Immissionssituation führen wird. Da jedoch bereits die Bewertung der Situation im
Herbst 2004 unter Berücksichtigung des vorhandenen Bestandes einschließlich des
Aquariums "Sea-Life" und des Elektromarktes Saturn an allen Baufenstern bzw.
Fassadenseiten, die der äußeren Erschließung durch die F. Straße, die P1. Straße und
die DB-Strecke zugewandt seien, Überschreitungen der maßgeblichen Tag-
Orientierungswerte zwischen 2 dB(A) und 6 dB(A) ergeben habe und auch die
Nachtwerte weiter überschritten seien, regt der Gutachter an, die Beschränkung der
Wohnnutzung in den Baugebieten MK 1.4, MK 4, MK 5 und MK 6 beizubehalten. Der
Plangeber hat diese Anregung befolgt und darüber hinaus auch die im MK 4.1. bislang
zulässige allgemeine Wohnnutzung ausgeschlossen. Die Abwägung zum Schallschutz
im Übrigen ist unbedenklich.
211
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
212
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
213
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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