Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.01.1997

OVG NRW (kläger, mutter, bundesrepublik deutschland, teilnahme, visum, aufenthalt, botschaft, auslandsvertretung, ausländer, 1995)

Oberverwaltungsgericht NRW, 17 A 4978/96
Datum:
24.01.1997
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 A 4978/96
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 23 K 3955/94
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Zunächst kann gem. § 130 b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen
Gerichtsbescheides vom 3. Juli 1996, gemäß Postzustellungsurkunde dem Kläger
zugestellt am 6. August 1996, mit dem das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen
hat, Bezug genommen werden.
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Der Kläger hat am 3. September 1996 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend
gemacht: Er beabsichtige nicht, im Bundesgebiet einen Daueraufenthalt zu begründen.
Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines Studienwunsches seien nicht angebracht. Insoweit
habe die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Zagreb - Botschaft - bei der
Ablehnung seines Visumsbegehrens nicht ausreichend berücksichtigt, daß er ja bereits
in B. studiere, wie sich aus zahlreichen Seminarscheinen und Leistungsnachweisen
ergebe. Daß er sich neben dem Studium auch um seine in B. lebende alte und kranke
Mutter kümmere, stehe der Ernsthaftigkeit des Studiums und der Ausreise nach dem
Studium nicht entgegen. Im übrigen beabsichtige auch seine Mutter, in einigen Jahren
nach L. zurückzukehren. Wegen der Betreuung seiner Mutter neben dem Studium stehe
ihm neben dem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zugleich ein
Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis zu. Letzteren Anspruch beziehe er in
das Visumsverfahren gegenüber der Beklagte ein, ohne daß es sich dabei um einen
neuen Streitgegenstand handele, so daß ein neues Vorverfahren nicht erforderlich sei.
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Der Kläger, der seit dem Sommersemester 1993 an der S. -X. U. I. B. in dem
Magisterstudiengang Germanistik, Anglistik, Komparatistik immatrikuliert ist, hat zum
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Nachweis seines Studiums folgende Bescheinigungen überreicht: - Leistungsnachweis
aus dem Grundstudium des H. Instituts vom 8. Juli 1993 über die erfolgreiche Teilnahme
an der zweistündigen Einführungsvorlesung "Deutsche Literatur 1918 - 1933" im
Sommersemester 1993, - Leistungsnachweis aus dem Grundstudium des H. Instituts
vom 4. November 1993 über die erfolgreiche Teilnahme am vierstündigem Seminar für
Erstsemester "Menschheitsdämmerung" im Sommersemester 1993, -
Leistungsnachweis aus dem Grundstudium des H. Instituts vom 1. August 1994 über die
erfolgreiche Teilnahme am jeweils zweistündigen Seminar für Zweit- und Drittsemester
"Heinreich von Kleist, Erzählungen" im Wintersemester 1993/94 und im
Sommersemester 1994, - Teilnahmeschein des Q. Instituts vom 31. Januar 1996 über
die Teilnahme an dem Tutorium von Erich Eßer im Wintersemester 1995/96, -
Proseminarschein des Q. Instituts vom 16. Februar 1996 über die Teilnahme an der
Veranstaltung "Logik Einführung" im Wintersemester 1995/96, -
Immatrikulationsbescheinigung für das Wintersemester 1996/97.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der
Bescheide der Botschaft vom 11. Oktober 1993 und 18. April 1994 zu verpflichten, ihm
eine Aufenthaltsgenehmigung in Form des Sichtvermerks zu Studienzwecken und zur
Betreuung seiner Mutter zu erteilen.
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Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung beziehen sie sich in erster Linie auf die Gründe des angefochtenen
Gerichtsbescheides.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der
Botschaft und des Beigeladenen.
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Entscheidungsgründe:
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Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter
ohne mündliche Verhandlung, §§ 125 Abs. 1, 87 a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO.
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Die Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf die
Erteilung des begehrten Visums bzw. auf Neubescheidung seines Antrages, § 113 Abs.
5 VwGO.
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Bei Verpflichtungsklagen, die wie hier auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung
und/oder auf Neubescheidung eines Aufenthaltsgenehmigungsantrages gerichtet sind,
ist für die Frage, ob dem Kläger das Visum zu erteilen oder zwingend zu versagen ist,
die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats zugrundezulegen.
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Vgl.: BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1993 - 1 C 25.93 -, DVBl. 1994, 52 = NVwZ 1994, 381
= InfAuslR 1994, 2.
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Gegenwärtig darf die Beklagte aus Rechtsgründen nicht mehr über die Erteilung einer
Aufenthaltsgenehmigung entscheiden und damit dem Kläger das begehrte Visum nicht
mehr erteilen. Der Kläger erfüllt nicht die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen
ihm von der Beklagten der Aufenthalt zum Zwecke des Studiums oder zur Betreuung
seiner Mutter gestattet werden kann.
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Für den von ihm erstrebten Daueraufenthalt benötigt der Kläger ein Visum, das gem. § 3
Abs. 3 Satz 1 AuslG vor der Einreise einzuholen ist. Für Visaangelegenheiten im
Ausland sind gem. § 63 Abs. 3 AuslG ausschließlich die vom Auswärtigen Amt
ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. Deren Entscheidungskompetenz
erstreckt sich jedoch nur auf die Erteilung von Visa im Ausland. Das erfordert nicht nur
die eigentlich selbstverständliche Antragstellung bei der Auslandsvertretung, sondern
auch, daß sich der um ein Visum nachsuchende Ausländer im Ausland aufhält. Befindet
sich der Ausländer bereits im Bundesgebiet - unabhängig davon, ob er seinen Wohnsitz
im Bundesgebiet genommen oder hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat -
und strebt hier die Fortsetzung seines Aufenthaltes an, kann die Auslandsvertretung ein
zur Einreise berechtigendes Visum nicht mehr erteilen. Vielmehr hat dann über die
Frage der Erteilung der vom Ausländer begehrten Aufenthaltsgenehmigung die
inländische Ausländerbehörde zu entscheiden.
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Vgl.: BVerwG, Urteil vom 4. September 1986 - 1 C 19.86 -, BVerwGE 75, 20 (25) und
Beschluß vom 16. Juli 1987 - 1 B 71.87 -; Urteile des Senats vom 25. Februar 1987 - 17
A 1674/84 - und vom 25. Oktober 1995 - 17 A 58/93 -.
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Nur in einem Verfahren gegenüber der inländischen Ausländerbehörde kann geklärt
werden, ob und unter welchen materiellen Voraussetzungen eine
Aufenthaltsgenehmigung trotz fehlenden Sichtvermerks einer deutschen
Auslandsvertretung erteilt werden kann. Lediglich in den Fällen, in denen sich ein
Ausländer vor der abschließenden Entscheidung über einen Sichtvermerksantrag für
einen beabsichtigten Daueraufenthalt nur vorübergehend - sei es zu Besuchszwecken
oder aus sonstigen, einen vorübergehenden Aufenthalt erfordernden Gründen - im
Bundesgebiet aufhält und beabsichtigt, nach Erreichen dieses Aufenthaltszwecks in die
Heimat zurückzukehren, verbleibt es bei der Entscheidungskompetenz der
Auslandsvertretung zur Erteilung des Visums. Denn durch einen solchen
vorübergehenden Aufenthalt wird der Zweck des schwebenden
Sichtvermerksverfahrens für einen Daueraufenthalt nicht ohne weiteres unterlaufen.
Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Der Kläger ist seit dem
Sommersemester 1993 an der S. -X. U. I. B. immatrikuliert und nimmt seitdem nach den
von ihm beigebrachten Bescheinigungen regelmäßig an Lehrveranstaltungen, die zum
Teil mit einem vom Kläger erbrachten Leistungsnachweis verbunden sind, teil. Neben
dem von ihm nach seinen eigenen Angaben ernsthaft betriebenen Studium kümmert er
sich noch um seine in B. lebende alte Mutter, bei der er auch lebt. Damit hält sich der
Kläger derzeit nicht nur vorübergehend als Tourist im Bundesgebiet auf. Vielmehr ist
sein Aufenthalt auf einen längeren Zeitraum - mehrjähriges Studium und Pflege der
Mutter - angelegt.
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Ein Anspruch auf erneute Bescheidung seines Sichtvermerksantrages steht dem Kläger
ebenfalls nicht zu. Einem derartigen Anspruch steht bereits entgegen, daß - wie
dargelegt - nach heutiger Rechtslage einer Aufenthaltsgenehmigung in der Form des
Sichtvermerks zum Zwecke des Studiums oder der Betreuung seiner Mutter durch die
Beklagte nicht erteilt werden darf.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO, wobei die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig
zu erklären sind, da er sich durch die Stellung eines eigenen Antrags im
Berufungsverfahren dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht
vorliegen.
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