Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.03.2003

OVG NRW: unter drogeneinfluss, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, vollziehung, drogenkonsum, fahrtüchtigkeit, privates interesse, öffentliches interesse, interessenabwägung, anhörung

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 B 186/03
Datum:
25.03.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 B 186/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 6 L 1853/02
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Die gemäß § 146 Abs. 4 VwGO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den in der
Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, auf die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6
VwGO die Prüfung durch das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist, ergibt sich nicht,
dass die in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 25. September 2002 zur
Anordnung der sofortigen Vollziehung gegebene Begründung des besonderen
öffentlichen Interesses nicht den an sie gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu stellenden
Anforderungen,
2
vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 22. Januar 2001 - 19 B 1757/00 -, NZV 2001,
396,
3
genügt. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend darauf abgestellt, dass die
vom Antragsgegner in der Begründung angeführten Erwägungen ausreichend sind.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann sich die Behörde, wie in der
angeführten Rechtsprechung des Senats geklärt ist, auf die den Verwaltungsakt selbst
tragenden Erwägungen stützen, wenn - wie es im Recht der Fahrerlaubnisentziehung
der Fall sein kann - die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe
zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung ergeben. Ausgehend von seinem mit Blick auf
das Begründungserfordernis maßgeblichen Rechtsstandpunkt, dass sich der
Antragsteller auf Grund des durch das rechtsmedizinische Gutachten vom 29. Mai 2002
nachgewiesenen Fahrens unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln (Vorfall vom 9.
März 2002) derzeit als zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet erwiesen habe,
und den angeführten allgemeinen Erkenntnissen und Bewertungen zur besonderen
Gefährlichkeit der aktiven Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr unter
Drogeneinfluss, hat der Antragsgegner das besondere öffentliche Vollzugsinteresse
darin begründet gesehen, dass vom Antragsteller die konkrete Gefahr ausgehe, er
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werde weiterhin ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr unter dem Einfluss von
Betäubungsmitteln führen, und dass daher zum Schutz hochwertiger Rechtsgüter wie
Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer dessen sofortiger
Ausschluss vom Straßenverkehr als Kraftfahrer geboten sei. Der Antragsgegner hat
damit durchaus bezogen auf den Einzelfall des Antragstellers - und nicht lediglich mit
"allgemeinen Bemerkungen" - eine Interessenabwägung vorgenommen und konkret
dessen Interesse, weiterhin als Kraftfahrer am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen,
gegenüber dem öffentlichen Interesse an der effektiven Gefahrenabwehr zurückgestellt.
Dass die Erwägungen in einer "Vielzahl von Fällen" passen könnten, spricht nicht
gegen eine einzelfallbezogene Betrachtung und Abwägung, weil jedenfalls in
gleichgelagerten Fällen der angeführten Gefahrenlage aus den genannten Gründen
ebenfalls sofort wirksam zu begegnen ist, ohne dass individuelle Besonderheiten wie
die vom Antragsteller gesehenen bei der Gewichtung des privaten Aufschubinteresses
durchschlagen. Der Antragsgegner hat es ferner zur vorbeugenden Gefahrenabwehr als
nicht tragbar gewertet, die Ausschöpfung sämtlicher Rechtsbehelfe gegen die (nach
seiner Auffassung rechtmäßige) Entziehungsverfügung abzuwarten. Diese Erwägung
macht deutlich, dass er sich der Vollziehungsanordnung als einer Ausnahme von der
Regel der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 1 VwGO
bewusst gewesen ist und sich zur sorgfältigen Prüfung des besonderen Interesses an
der sofortigen Vollziehung verpflichtet gesehen hat.
Aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen ergibt sich ferner nicht,
dass die Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu Gunsten des
Antragstellers ausfällt. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr seinen Antrag auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 25. September 2002 im Ergebnis zu
Recht abgelehnt, weil das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der
Fahrerlaubnisentziehung das private Interesse des Antragstellers daran überwiegt,
vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens im öffentlichen
Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen.
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Dies folgt allerdings nicht daraus, dass sich die angefochtene Ordnungsverfügung bei
der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung im Sinne einer
Vorausbeurteilung des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens als offensichtlich
rechtmäßig erweist. Die Ordnungsverfügung ist aber auch nicht offensichtlich
rechtswidrig. Die endgültige Klärung der Frage der Rechtmäßigkeit muss vielmehr ggf.
der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
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Die Ordnungsverfügung vom 25. September 2002 ist in formeller Hinsicht nicht deshalb
offensichtlich rechtswidrig, weil der Antragsteller vor ihrem Erlass nicht gemäß § 28 Abs.
1 VwVfG NRW angehört worden ist. Abgesehen davon, dass ein etwaiger
Anhörungsmangel im Widerspruchsverfahren geheilt werden kann und schon deshalb
grundsätzlich keine Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers rechtfertigt,
konnte der Antragsgegner gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW von einer Anhörung
absehen, weil eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse geboten erschien.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Entscheidung ergibt sich zwar nicht, worauf
in der Beschwerdebegründung abgehoben wird, daraus, dass der Antragsteller am 9.
März 2002 "ein Amphetamin" konsumierte, sondern daraus, dass er am Abend des 9.
März 2002 und bei der Verkehrskontrolle um 22.45 Uhr unter dem Einfluss dieses
Betäubungsmittels ein Kraftfahrzeug führte; die am 10. März um 0.32 Uhr entnommene
Blutprobe enthielt ausweislich des Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der
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Universität Bonn vom 29. Mai 2002 eine Konzentration von 153 ng/ml Amfetamin, die
nach der sachverständigen Erläuterung in dem Gutachten dafür spricht, dass der
Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme und damit beim vorangegangenen
Führen des Kraftfahrzeugs unter der Wirkung dieses berauschenden Mittels (Speed
oder Pep) stand und eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit vorlag. Dies hat der
Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht in Abrede gestellt; soweit er darauf
hinweist, die festgestellte Konzentration des Amfetamins sei so gering, dass das
Strafverfahren eingestellt worden sei, hat er nicht ansatzweise die Bewertung des
Gutachters in Frage gestellt. Bei ihm bestanden daher wegen des Fahrens unter
Drogeneinfluss zumindest erhebliche Bedenken gegen seine Kraftfahreignung, weil er
durch sein Verhalten gezeigt hat, dass er Drogenkonsum und Führen eines
Kraftfahrzeugs nicht sicher zu trennen gewillt oder in der Lage war. Angesichts dessen
bot er - auch vor dem gesicherten Nachweis der Ungeeignetheit zum Führen von
Kraftfahrzeugen nach Regel- /Ausnahme-Kriterien und entsprechendem Sachvortrag
zum Drogenkonsum im Rahmen einer Anhörung - nicht die Gewähr für einen mit Blick
auf die Teilnahme am Straßenverkehr gefahrlosen Umgang mit Drogen, vielmehr
erschien die Gefahr wiederholten Fahrens unter Drogeneinfluss und damit ohne die
erforderliche Fahrtüchtigkeit begründet. Vor diesem Hintergrund war (und ist) eine
sofortige Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis jedenfalls im öffentlichen
Interesse notwendig, weil die weitere (vorläufige) Teilnahme des Antragstellers am
motorisierten Straßenverkehr mit unkalkulierbaren Risiken für so wichtige Rechtsgüter
wie Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer verbunden ist. Für ein Absehen
von der Anhörung sprachen somit so gewichtige Gründe, dass das grundsätzliche
geschützte Interesse an der Äußerung zur Sache vor einer rechtlich nachteiligen
Entscheidung zurücktrat. Dass, wie der Antragsteller rügt, die Gründe für ein Absehen
von der vorherigen Anhörung in der Ordnungsverfügung nicht mitgeteilt worden sind,
führt nicht auf einen relevanten Mangel der Anhörung, sondern allenfalls auf einen
Mangel der Begründung. Dieser ist jedoch - mit Blick auf eine Aufhebung der
Maßnahme wegen Rechtswidrigkeit - gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, weil als
offensichtlich anzunehmen ist, dass der angenommene Mangel der Begründung zu § 28
Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Unter
Berücksichtigung der in der Ordnungsverfügung vom 25. September 2002 zur
Fahrerlaubnisentziehung und zur Anordnung der sofortigen Vollziehung gegebenen
Begründung ist auszuschließen, dass die getroffenen Entscheidungen unterblieben
oder anders getroffen worden wären, wenn der Antragsgegner sein Vorgehen nach § 28
Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW begründet hätte.
Fehl geht die Auffassung des Antragstellers, der Antragsgegner habe dadurch, dass er
seit dem Vorfall bis zum Erlass der Ordnungsverfügung mehr als 6 Monate habe
verstreichen lassen, zum Ausdruck gebracht, dass er keine Eilbedürftigkeit
angenommen habe, angesichts der verstrichenen Zeit hätte eine vorherige Anhörung
ein Einschreiten nicht unvertretbar verzögert. Der Antragsgegner hat nicht einfach
hingenommen, dass der Antragsteller nach dem Vorfall vom 9. März 2002 über einen
Zeitraum von 6 Monaten weiterhin als Kraftfahrer am Straßenverkehr teilnahm, und hat
so nicht zum Ausdruck gebracht, dass er keine Eilbedürftigkeit sehe. Der Zeitablauf ist
nämlich im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass der Antragsgegner die
Unanfechtbarkeit des Bußgeldbescheides vom 29. Juli 2002 abgewartet hat. Die
Notwendigkeit sofortiger Entscheidung im Zeitpunkt des Erlasses der
Ordnungsverfügung ist auch objektiv nicht wegen des Zeitablaufs zu verneinen. Ist der
Fahrerlaubnisinhaber zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet oder bestehen
gravierende Bedenken gegen seine Kraftfahreignung, so entfällt das öffentliche
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Interesse an einer sofortigen Entscheidung im Sinne von § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW
- wie (im Vorgriff) auch das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen
Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung - nicht schon deshalb, weil die Fahrerlaubnis-
entziehungsverfügung und die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht zum
frühestmöglichen, sondern - aus welchen Gründen auch immer - erst zu einem späteren
Zeitpunkt erlassen worden sind. Auch bei einem späteren Erlass der Maßnahme besteht
aus den vorgenannten Gründen (weiterhin) ein dringendes öffentliches Interesse an der
Sachentscheidung und an dem sofortigen Ausschluss des zum Führen von
Kraftfahrzeugen ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers vom motorisierten
Straßenverkehr.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Februar 2003 - 19 B 232/03 -, 25. September 2002 -
19 B 1738/02 - und 30. Juni 2000 - 19 B 907/00 -.
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Bei der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ist davon
auszugehen, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG, §
46 Abs. 1 Satz 1 FeV zu entziehen hat, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum
Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Voraussetzung dafür ist, dass die Tatsachen, aus
denen sich die Ungeeignetheit ergibt, erwiesen sind; auf bekannt gewordene Tatsachen
gegründete Eignungszweifel genügen nicht. Das bedeutet, dass die Ungeeignetheit aus
erwiesenen Tatsachen hinreichend deutlich hervorgehen muss, so dass aufgetretene
Bedenken auf einer hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage sich zu der
erforderlichen (prognostischen) Gewissheit verdichtet haben müssen. Es ist unter
Einbeziehung von Mitwirkungspflichten des Betroffenen Sache der
Verwaltungsbehörde, den Nachweis der entscheidungserheblichen Tatsachen zu
führen.
10
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Dezember 2001 - 19 A 1509/01 - und vom 26. März
2001 - 19 B 1967/00 - unter Hinweis auf Bayerischer VGH, Urteil vom 29. Juli 1996 - 11
B 96.285 -, Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV) 1996, 509 und Beschluss vom 10.
Dezember 1997 - 11 CS 97.3062 -, NZV 1998, 303; VGH Baden-Württemberg,
Beschluss vom 24. September 1991 - 10 S 2323/91 -, NZV 1992, 88; Hamburgisches
OVG, Urteil vom 3. März 1994 - Bf VII 1/93 -, Verkehrsrechtssammlung (VRS) 87 (1994),
384 f.; ferner Jagusch/ Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. A., § 3 StVG, Rdnr. 3.
11
Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen
insbesondere dann gegeben, wenn Erkrankungen und Mängel u. a. nach der Anlage 4
der Fahrerlaubnis-Verordnung in der durch Art. 1 Nr. 40 der Verordnung zur Änderung
der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften
(FeVÄndV) vom 7. August 2002, BGBl I, 3267, geänderten Fassung (im Folgenden
Anlage 4 FeV) vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen
ausgeschlossen ist. Nach Nr. 9.1 Anlage 4 FeV ist bei "Einnahme" von
Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis)
die Eignung oder bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht gegeben.
Diese Bewertung gilt gemäß Nr. 3 Satz 1 der Vorbemerkung zur Anlage 4 FeV für den
Regelfall. Entgegen der Auffassung des Antragstellers enthält die Anlage 4 FeV nicht
lediglich (unverbindliche) antizipierte Sachverständigenmeinungen; die Anlage ist
vielmehr Teil der Rechtsverordnung selbst, durch die den Anforderungen des Art. 80
Abs. 1 Satz 2 GG genügende Verordnungsermächtigung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 c) StVG
gedeckt und mithin normativ verbindlich.
12
Vgl. OVG NRW; Beschluss vom 2. August 2002 - 19 B 1316/02 -.
13
Dass der Antragsteller ein Betäubungsmittel, nämlich Amfetamin, das in der Anlage III
zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführt ist, jedenfalls am 9. März 2002 eingenommen hat, steht
auf Grund des rechtsmedizinischen Gutachtens vom 29. Mai 2002 fest; dies hatte der
Antragsteller anlässlich der Blutentnahme eingeräumt und hat er auch im gerichtlichen
Verfahren nicht in Abrede gestellt. Ob für eine "Einnahme" von Betäubungsmitteln im
Sinne von Nr. 9.1 Anlage 4 FeV u. a. mit Blick auf die Systematik der Nr. 9 schon ein
einmaliger (früherer) Konsum ausreicht,
14
so OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 21. November 2000 - 7 B 11967/00 -, DAR 2001, 183
(Amfetamin); VGH Bad.- Württ., Beschlüsse vom 24. Mai 2002 - 10 S 835/02 -, NZV
2002, 475 (Ecstasy) und 28 Mai 2002 - 10 S 2213/01 -, NZV 2002, 477 (Kokain und
Amfetamin); Nds. OVG, Beschluss vom 14. August 2002 - 12 ME 566/02-, DAR 2002,
471 (Kokain); Thür. OVG, Beschluss vom 30. April 2002 - 2 EO 87/02 -,
15
oder ob darüber hinaus, was dem Wortlaut nach möglich ist, ein früheres länger
anhaltendes und noch nachwirkendes bzw. ein gegenwärtig anhaltendes, in die nahe
Zukunft weisendes Konsumverhalten zu verlangen ist,
16
vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 14. Januar 2002 - 2 TG 3008/01 - (Kokain),
17
kann hier dahin stehen. Für Letzteres mag im Hinblick darauf, dass nach Nr. 1 der
Vorbemerkung zur Anlage 4 FeV die nachstehende Aufstellung u. a. häufiger
vorkommende Mängel enthält, die die Kraftfahreignung längere Zeit beeinträchtigen
können, und dass nach Nr. 2 der Vorbemerkung Grundlage der im Rahmen der nach §§
11, 13 und 14 (FeV) vorzunehmenden Beurteilung der Eignung in der Regel eines der
genannten Gutachten ist, Einiges sprechen. Bedenklich ist es unter Berücksichtigung
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit weiter, wenn die regelhafte Verneinung der
Kraftfahreignung, die im Allgemeinen die Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des
Fahrerlaubnisinhabers nach dem Maßstab seiner Gefährlichkeit für den öffentlichen
Straßenverkehr unter prognostischer Einschätzung seines künftigen Verkehrs- und
Konsumverhaltens zum Gegenstand hat, und in Folge dessen der schwer wiegende
Eingriff der Fahrerlaubnisentziehung allein auf einen einmaligen früheren Konsum von
Betäubungsmitteln gestützt wird, der als solcher keine hinreichend verlässliche Basis für
den Schluss auf früheres und künftiges Konsumverhalten bieten muss. Schließlich
begegnet es Bedenken, wenn einmaliger (früherer) Konsum von Betäubungsmitteln
hinsichtlich der Folge des regelmäßigen Eignungsausschlusses trotz offensichtlich
großer Unterschiede der Abhängigkeit von Betäubungsmitteln (Nr. 9.3 Anlage 4 FeV)
und der missbräuchlichen Einnahme (dem regelmäßig übermäßigem Gebrauch) von
psychoaktiv wirkenden Stoffen (Nr. 9.4 Anlage 4 FeV) gleichgestellt würde.
18
Vgl. zu letzterem Aspekt OVG Saarl., Beschluss vom 9. Juli 2002 - 9 W 16/02 -.
19
Diese Rechtsfrage bedarf hier keiner Entscheidung. Liegt schon bei einmaligem
(früherem) Konsum "Einnahme" von Betäubungsmitteln im Sinne von Nr. 9.1 Anlage 4
FeV vor, so hat sich der Antragsteller durch die Einnahme von Amfetamin am 9. März
2002 als ungeeignet erwiesen und ist die Fahrerlaubnisentziehung offensichtlich
rechtmäßig, weil, wie nachfolgend ausgeführt, aus den zur Beschwerde dargelegten
Gründen keine besonderen Umstände für ein Abweichen von der Regelbewertung
gegeben sind. Ist für eine "Einnahme" im Sinne von Nr. 9.1 Anlage 4 FeV mehr als nur
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einmaliger (früherer) Konsum zu verlangen, lässt sich zwar die (offensichtliche)
Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung nicht nach Nr. 9.1 Anlage 4 FeV bejahen, weil
eine über den Konsum von Amfetamin am 9. März 2002 hinausgehende Einnahme von
Betäubungsmitteln nicht nachgewiesen ist. Deswegen ist die Fahrerlaubnisentziehung
aber nicht offensichtlich rechtswidrig, weil im vorliegenden Fall Umstände gegeben
sind, die unabhängig von der Regelbewertung nach Nr. 9.1 Anlage 4 FeV jedenfalls
erhebliche Bedenken gegen die Kraftfahreignung des Antragstellers nach § 3 Abs. 1
StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV rechtfertigen. Denn der Antragsteller führte, wie aus den
sachverständigen Aussagen im rechtsmedizinischen Gutachten vom 29. Mai 2002
hervorgeht, am Abend des 9. März 2002 unter dem Einfluss von Amfetamin im
Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug; die festgestellte Konzentration des Wirkstoffs im Blut
von 153 ng/ml ist von dem Gutachter dahin beurteilt worden, dass seine Fahrtüchtigkeit
beeinträchtigt war. Diese Feststellungen können ungeachtet der Einstellung des
Strafverfahrens wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz berücksichtigt
werden, weil die Verfahrenseinstellung im vorliegenden Fall eine gegenteilige
Bindungswirkung nicht entfaltet (§ 3 Abs. 4 StVG). Das Vorbringen des Antragstellers,
die festgestellte Konzentration des Amfetamins sei so gering, dass das Strafverfahren
eingestellt worden sei, ist nicht geeignet, die sachverständige Aussage über die
Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit in Zweifel zu ziehen. Das Führen eines
Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss von Amfetamin ist für die Beurteilung der
Kraftfahreignung in Würdigung der Gesamtpersönlichkeit nach dem Maßstab der
Gefährlichkeit für den Straßenverkehr, für die neben der körperlichen und geistigen
Leistungsfähigkeit auch die charakterliche Eignung entscheidend ist,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Mai 2001 - 19 A 1448/00 -,m.w.N.,
21
von maßgeblichem Gewicht. Der Antragsteller hat dadurch gezeigt, dass er nicht willens
oder nicht in der Lage war, die Gefahren des Fahrens unter die Fahrtüchtigkeit
beeinträchtigendem Drogeneinfluss in Rechnung zu stellen und durch eine bewusste
klare Entscheidung gegen das Fahren zu vermeiden, also Drogenkonsum und Führen
eines Kraftfahrzeugs zuverlässig zu trennen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass er die
die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigende Wirkung des Drogenkonsums nicht hätte
erkennen oder voraussehen können. Der Antragsteller hat dadurch die Besorgnis
begründet, dass er die Gefahren des gehabten Drogenkonsums für den öffentlichen
Straßenverkehr nicht ernst genommen oder sich gar darüber hinweg gesetzt hat; er
bietet deshalb nicht die hinreichende Gewähr, zwischen Drogenkonsum und Fahren
zuverlässig zu trennen. Die hohe Bedeutung des Schutzes der Rechtsgüter anderer
Verkehrsteilnehmer wie Leben und Gesundheit gebietet es, bei solchen Kraftfahrern die
Eignung durchgreifend in Frage zu stellen oder sie gar von der Teilnahme am
motorisierten Straßenverkehr auszuschließen.
22
Dies ist im vorliegenden Fall um so mehr veranlasst, als der Antragsteller unter dem
Einfluss eines Betäubungsmittels, nämlich von Amfetamin gefahren ist, das wegen
seines psychischen Suchtpotenzials zu den "harten Drogen" gerechnet wird,
23
vgl. Körner, Betäubungsmittelgesetz, 5. A., Anhang C, Rdnr. 366.
24
Zu den Auswirkungen des Amfetaminkonsums auf die Fahrtüchtigkeit hat der Senat im
Beschluss vom 2. August 2002 - 19 B 1316/02 - die im dortigen Entziehungsverfahren
eingeholte sachverständige Stellungnahme des Direktors des Instituts für
Rechtsmedizin der Universität Köln wie folgt angeführt: "Bei Amphetamin handelt es
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sich um einen starken Stimulator des zentralen Nervensystems. Kurzfristig wird ein
überwacher Zustand bewirkt, in dem die Leistungsfähigkeit gesteigert erscheint. Das
Selbstwertgefühl nimmt zu. Bei häufiger Einnahme und Toleranzentwicklung nimmt die
euphorisierende Wirkung ab. Dies kann zu exzessiven Dosissteigerungen führen.
Folgen können z. B. Schlaflosigkeit und Verfolgungswahn sein. Im akuten
Amphetaminrausch ist die Fahrtüchtigkeit aufgehoben. Nach einem
Amphetaminkonsum sind 3 Phasen zu unterscheiden: euphorische Phase,
Rauschphase, depressive Phase. In allen 3 Phasen kann die Fahrtüchtigkeit relevant
beeinträchtigt bzw. aufgehoben sein".
Vgl. ebenso Körner, a.a.O.; Schreiber, NJW 1997, 777 (778); Harbort, NZV 1998, 15
(18).
26
Wer wie der Antragsteller unter dem Einfluss einer Droge, bei dem wegen der
beschriebenen Wirkungen (prinzipiell) jedenfalls mit einer Minderung des
Verantwortungsbewusstseins zu rechnen ist, ein Kraftfahrzeug führt, nimmt das
besondere Gefahrenpotenzial für den öffentlichen Straßenverkehr in Kauf, und seine
weitere Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr erscheint jedenfalls nicht ohne
Weiteres mehr hinnehmbar. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ändert die
Unterbindung der Weiterfahrt durch die Polizei am 9. März 2002 daran nichts.
27
Die vom Antragsteller aufgezeigten besonderen Umstände stehen dieser Einschätzung
nicht entgegen. Sie legen nicht ausnahmsweise ein Absehen von der Regelbewertung
nach Nr. 9.1 Anlage 4 FeV nahe.
28
Aus den vorstehend zum Unterbleiben der vorherigen Anhörung ausgeführten Gründen
spricht gegen die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen
nicht schon die seit dem Vorfall vom 9. März 2002 verstrichene Zeit. Aus dem
Vorbringen des Antragstellers, seit dem Vorfall nehme er keine Drogen mehr ein und er
unterziehe sich regelmäßig im 2-Wochen-Rhythmus einem Drogenscreening, dessen
dokumentierte Ergebnisse zeigten, dass kein aktueller Drogenkonsum vorliege, bietet
keinen hinreichend verlässlichen Anhalt dafür, den Mangel der Eignung bzw. die
gravierenden Bedenken gegen die Kraftfahreignung bereits als behoben bzw. als
entkräftet anzusehen. Zwar mag auf Grund der vorgelegten Unterlagen Einiges für den
Abstinenzwillen des Antragstellers sprechen. Allerdings ist seine Behauptung, er habe
seit dem Vorfall am 9. März 2002 keine Drogen mehr konsumiert, als solche
unzureichend, weil den Erklärungen der Betroffenen im
Fahrerlaubnisentziehungsverfahren, etwa sie hätten den Drogenkonsum eingestellt
oder seien nur gelegentliche Konsumenten, zumindest nicht durchgängig zu trauen ist,
29
vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 12. Januar 1999 - 3 B 145.98 -, vom 30. Dezember
1999 - 3 B 150.99 -, NZV 2000, 345 (346), und vom 23. August 1996 - 11 B 48.96 -, NZV
1996, 467 (467),
30
zumal der Antragsteller sich nach den von ihm vorgelegten Unterlagen erst seit Anfang
Oktober 2002 dem angeführten Drogenscreening unterzieht; dies spricht dafür, dass er
sich erst unter dem Druck des Entziehungsverfahrens und nicht unbedingt auf Grund
einer stabilen Änderung seiner Einstellung zum Drogenkonsum um den Nachweis der
Drogenabstinenz bemüht. Die vorgelegten - negativen - Ergebnisse der ärztlichen
Untersuchungen von Urinproben sind nicht hinreichend geeignet, die Drogenabstinenz
für den Zeitraum, den sie erfassen sollen, zu belegen, so dass dahin stehen kann, ob
31
der Zeitraum ab Oktober 2002 überhaupt ausreichend ist. Es ist schon nicht ersichtlich,
dass der Antragsteller den behaupteten 2-Wochen-Rhythmus für das Drogenscreening
durchgängig eingehalten hat, weil die untersuchten Urinproben, soweit ersichtlich, nach
den mitgeteilten Daten des Eingangs der Proben am 8. Oktober 2002, dann erst am 13.
November 2002 und nach den Proben vom 29. November und 11. Dezember 2002 erst
wieder am 16. Januar 2003 abgegeben worden sind. Davon abgesehen haben die
Untersuchungsergebnisse keine hinreichende Aussagekraft. Nach wissenschaftlicher
Erkenntnis ist wegen des Abbaus bzw. Ausscheidens konsumierter Drogen der
Drogenkonsum anhand der Substanz bzw. ihrer Abbauprodukte nicht auf eine
unbegrenzte Zeit in den Körperflüssigkeiten Blut und Urin nachweisbar. Eine
aussagekräftige Untersuchung setzt deshalb voraus, dass sie zu einem für den
Antragsteller nicht vorhersehbaren Zeitpunkt erfolgt.
Vgl. nur OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Juli 2002 - 19 B 634/02 -, 27. Mai 2002 - 19 B
828/02 - und 15. März 2002 - 19 B 405/02 -.
32
Die vom Antragsteller dokumentierten Urinuntersuchungen sind nicht aussagekräftig,
weil im Hinblick darauf, dass er das Drogenscreening selbst iniziiert hat, nicht ersichtlich
und im Beschwerdeverfahren auch nicht vorgetragen worden ist, dass die Abgabe der
Urinproben kurzfristig auf eine für den Antragsteller nicht vorhersehbare Aufforderung
erfolgte. Hinzu kommt, dass die Urinproben, soweit die vorgelegten
Untersuchungsergebnisse darüber Aufschluss geben, nach dem immunologischen
Untersuchungsverfahren analysiert worden sind. Damit lässt sich Amfetaminkonsum in
aller Regel nur bis höchstens zwei bis drei Tage nach der Einnahme und nicht - wie bei
der gaschromatografisch-massenspektrometrischen Untersuchung - über einen
längeren Zeitraum erfassen; es ist daher die Möglichkeit in Rechnung zu stellen, dass
die Ergebnisse Zufallsbefunde sind bzw. der Drogenkonsum zeitlich zur Erzielung eines
negativen Befundes gesteuert worden ist.
33
Vgl. Harbort, NJW 1998, 348 (352); Möller, DAR 1993, 7 (9).
34
Entgegen der Auffassung des Antragstellers lässt sich auch die Einstellung des
Strafverfahrens wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und der Gedanke
der Einheit der Rechtsordnung nicht dafür anführen, dass von seiner Kraftfahreignung
auszugehen sei. Denn die Prüfung der Kraftfahreignung und das
Fahrerlaubnisentziehungsverfahren dienen einem gänzlich anderen Zweck als das auf
die Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs gerichtete Strafverfahren. Sie haben
ordnungsrechtlichen Charakter und dienen der (vorbeugenden) Abwehr von Gefahren
für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs, die in der Teilnahme von - u. a. auch
wegen Drogenkonsums - zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeigneten
Fahrerlaubnisinhabern begründet sind. Diesen Gefahren wird nicht bereits mit dem wie
auch immer begründeten Verzicht auf die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs
entgegengewirkt. Auch die Verhängung eines Fahrverbotes besagt nichts über die
Kraftfahreignung und die Notwendigkeit fahrerlaubnisrechtlicher Maßnahmen. Damit
wird nämlich nicht über die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen
befunden. Vielmehr handelt es sich bei dem Fahrverbot lediglich um eine erzieherische
Nebenfolge der Straftat oder Ordnungswidrigkeit.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1994 - 11 B 116.93 -, NJW 1994, 1672; OVG
NRW, Beschlüsse vom 25. November 2002 - 19 B 2305/02 - und 24. November 1998 -
19 A 4343/97 -, m. w. N.
36
Durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung
ergeben sich schließlich nicht im Hinblick darauf, dass der Antragsteller, wie er geltend
macht, zum Erreichen seiner Arbeitsstelle auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist. Dies
rechtfertigt es nicht, ihn unter Inkaufnahme von Gefahren oder unkalkulierbaren Risiken
für andere Verkehrsteilnehmer vorläufig am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Im
Interesse der Gefahrenabwehr müssen vielmehr die Nachteile, die einem
Fahrerlaubnisinhaber auch in beruflicher Hinsicht entstehen, in Kauf genommen
werden.
37
Vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1998 - 2 BvQ 32/98 -, DAR 1998,
466.
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Die somit angesichts des offenen Ausgangs des laufenden Hauptsacheverfahrens
vorzunehmende allgemeine, d. h. von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache
unabhängige, Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Das
öffentliche Interesse an seinem sofortigen Ausschluss vom motorisierten Straßenverkehr
überwiegt sein privates Interesse an der vorläufigen Beibehaltung seiner Fahrerlaubnis,
weil seine weitere Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr mit unkalkulierbaren
Risiken für so wichtige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit anderer
Verkehrsteilnehmer verbunden ist und es deshalb im Interesse der Sicherheit des
Straßenverkehrs nicht verantwortet werden kann, dass er vorläufig bis zum
rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens am motorisierten Straßenverkehr
teilnimmt.
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Beim Antragsteller ist unter dem ordnungsrechtlichen Gesichtspunkt der
Gefahrenabwehr das Risiko, dass er erneut unter Drogeneinfluss im Straßenverkehr ein
Kraftfahrzeug führt, zu hoch. Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich, dass der
Antragsteller durch den Vorfall vom 9. März 2002 gezeigt hat, dass er unter
Drogeneinfluss nicht hinreichend sicher zwischen Drogenkonsum und Fahren trennen
kann, und ferner, dass bei ihm nicht hinreichend verlässlich von erreichter
Drogenabstinenz auszugehen ist. Wegen der jedenfalls so gegebenen gravierenden
Bedenken gegen seine Kraftfahreignung ist das vom Antragsteller hervorgehobene
private Aufschubinteresse, das er vor allem darin begründet sieht, dass er beruflich auf
die Fahrerlaubnis angewiesen ist, bei der Interessenabwägung nicht geeignet, das
öffentliche Interesse daran zurücktreten zu lassen, dass Kraftfahrer, von deren
mangelnder Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen - jedenfalls vorläufig -
auszugehen ist, von einer weiteren Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr
ausgeschlossen werden. In der Rechtsprechung des Senats,
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vgl. etwa Beschlüsse vom 21. März 2000 - 19 B 117/00 -, n. w. N. und vom 3. Januar
2001 - 19 B 1677/00 -; vgl. ferner in Bezug auf eine vorläufige Entziehung der
Fahrerlaubnis nach § 111 a StPO dazu, dass berufliche Nachteile in Kauf zu nehmen
sind, BVerfG, Beschluss vom 25. September 2000 - 2 BvQ 30/00 -, NJW 2001, 357,
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ist geklärt, dass nicht nur bei aufgrund konkreter Umstände erwiesener Ungeeignetheit
des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen, sondern auch oder bei einem nahe
liegenden, nicht hinreichend ausgeräumten Verdacht der Ungeeignetheit wegen der
großen Gefahr oder unkalkulierbarer Risiken für die Sicherheit im Straßenverkehr das
öffentliche Interesse am Schutz so wichtiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit
anderer Verkehrsteilnehmer das private Aufschubinteresse daran, vorerst weiter am
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motorisierten Verkehr teilnehmen zu dürfen, selbst dann überwiegt, wenn dem
Betroffenen infolge der sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis der Verlust seiner
Arbeitsstelle konkret droht.
Dass als Ergebnis dieser Interessenabwägung die Entziehung der Fahrerlaubnis
zumindest bis zu einem eventuell positiven Ergebnis weiterer Sachverhaltsaufklärung
Bestand hat, selbst wenn der nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV dem Antragsgegner
obliegende Nachweis der Ungeeignetheit zur Zeit nicht als geführt anzusehen sein
sollte, ist eine Folge des vom Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzulegenden
Prüfungsmaßstabes. Im Gegensatz zur Fahrerlaubnisbehörde, die nur bei erwiesener
Ungeeignetheit und einem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen
Vollziehbarkeit zur Entziehung der Fahrerlaubnis und Anordnung der sofortigen
Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) befugt ist, kann das Gericht im Verfahren nach §
80 Abs. 5 Satz 1 VwGO schon bei beachtlichen Eignungszweifeln die sofortige
Vollziehung der Fahrerlaubnis bestätigen, wenn - wie hier - jedenfalls auf Grund der
erheblichen Bedenken gegen die Kraftfahreignung der Ausgang des
Hauptsacheverfahrens offen ist und die deshalb vorzunehmende offene
Interessenabwägung ergibt, dass eine (vorläufige) weitere Teilnahme des
Fahrerlaubnisinhabers am motorisierten Straßenverkehr nicht verantwortet werden
kann. In welchen Fällen es im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs
gerechtfertigt ist, bei bloßen Eignungszweifeln im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1
VwGO die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnis zu bestätigen, ist eine Frage des
Einzelfalls, die nicht abstrakt beantwortet werden kann. Ergeben sich während des
laufenden Hauptsacheverfahrens neue Gesichtspunkte, die eine dem Antragsteller
günstige Interessenabwägung rechtfertigen, und hebt die Fahrerlaubnisbehörde nicht
von sich aus die Entziehung der Fahrerlaubnis und/oder die Anordnung der sofortigen
Vollziehung auf, bleibt es dem Antragsteller unbenommen, gemäß § 80 Abs. 7 VwGO
eine Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts zu beantragen. Damit ist
seinem Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und
dem Anliegen des § 80 VwGO, im Interesse des rechtsschutzsuchenden Bürgers die
Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, ausreichend Rechnung getragen.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. September 2002 - 19 B 1729/02 -, 26. März 2001 -
19 B 1967/00 - und 8. Dezember 2000 - 19 B 1686/00 -.
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Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es dem Antragsteller unbenommen
bleibt, sich - nach Rücksprache bzw. in Absprache mit dem Antragsgegner - während
des laufenden Widerspruchsverfahrens einem Drogenscreening zu stellen, das den
gebotenen Überraschungseffekt besitzt, und je nach dessen Ergebnis die
Eignungsbedenken auszuräumen. Er kann auch, wie von ihm angeboten, sich einer
medizinisch- psychologischen Untersuchung unterziehen, an deren Vorbereitung der
Antragsgegner durch Mitteilung der zu klärenden Fragen und Übersendung der
Unterlagen mitwirkt (vgl. § 11 Abs. 6 Satz 4 FeV). Die Fahrerlaubnisbehörde darf die
Mitwirkung - auch im Widerspruchsverfahren - grundsätzlich nicht verweigern oder von
sachlich nicht gerechtfertigten zusätzlichen Anforderungen abhängig machen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2002 - 19 E 808/01 -.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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